31.01.2016: Günter-Reisch-Buch in Lehnitz
Bis zu seinem Tod arbeitete Günter Reisch an seiner Autobiografie, die nicht
nur seinen Lebensweg, sondern auch eine Geschichte der DEFA erzählt und
von seiner Frau Beate Reisch und dem Filmwissenschaftler Peter Warnecke zum
Druck befördert wurde.
Günter Reisch: ... will Regisseur werden: Eine DEFA-Filmkarriere
Paul Werner Wagner im Gespräch mit Dr. Beate Reisch
Sonntag 31. Januar 15:00 Uhr
Friedrich-Wolf-Gedenkstätte
Alter Kiefernweg 5
16515 Lehnitz
Eintritt 5 € (3 € ermäßigt)
Nach der Begrüßung und einleitenden Worten über bisherige Lesungen
und Begegnungen in den zurückliegenden Monaten las Beate Reisch zunächst
aus dem 1. Kapitel über Günters Kindheit, Jugend und Kriegserlebnisse.
Im Gespräch mit Paul Werner Wagner ging es dann um die Arbeit als Regisseur im
DEFA-Spielfilmstudio in Babelsberg. Sie las von den Schwierigkeiten bei der
Vorbereitung des Films "Anton der Zauberer", der nach dem Wechsel an der Studiospitze von
Albert Wilkening zu
Hans-Dieter Mäde
endlich in Produktion gehen sollte. Ewig konnte sich der vorgesehene Hauptdarsteller
Armin Mueller-Stahl
nicht zu einer Zusage durchringen - würde er nach der Unterzeichnung der Biermann-Petition
bleiben oder gehen? Schließlich wurde wenige Tage vor Drehbeginn die
Titelrolle mit Ulrich Thein neu besetzt.
Abschließend las Beate Reisch noch aus dem 14. Kapitel über die Freundschaft
zwischen Günter Reisch und Dean Reed und ihre Zusammenarbeit am
Bloody Heart-Projekt
bis zu Deans letztem Lebenstag.
Im Publikumsgespräch wurde auch an Günter Reischs Besuche im Friedrich-Wolf-Haus
erinnert. Nach zwei unterhaltsamen und informativen Stunden signierte Beate Reisch
noch zahlreiche Buchexemplare für die interessierten Besucherinnen und Besucher.
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Der Regisseur Günter Reisch wird heute 80 Jahre alt
Ab Mittwoch stellt er im Foyer des Filmmuseums seine Sammlung vor
[...] Eine andere Bildtafel ist den Promis gewidmet, denen er begegnete. Darunter
Tom Hanks,
der bei ihm zu Hause in der Küche den Apfelkuchen von Frau Beate aß. In erster Linie
war der Hollywood-Star allerdings nach Berlin gekommen, um mehr über Dean Reed zu erfahren,
dessen Leben er verfilmen wollte. Und da Günter Reisch gemeinsam mit Reed an einem
Indianerfilm
arbeitete, bevor sich dieser das Leben nahm, war der DEFA-Mann sicher ein aufschlussreicher
Gesprächspartner. [...]
Potsdamer Neueste Nachrichten, 24.11.2007
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Ein Anarchist kehrt zurück
Geschichte lebendig werden lassen. Der DEFA-Regisseur Günter Reisch wird 85
In diesen Tagen erscheint der Film "Wolz – Leben und Verklärung eines deutschen Anarchisten"
(DDR 1973), den Günter Reisch vielleicht nicht zu Unrecht für seinen besten hält,
endlich als DVD. Seit der Zusammenarbeit am gemeinsamen Debüt, dem satirischen Lustspiel
"Junges Gemüse" von 1955 war Reisch mit dem Autor Günther Rücker befreundet,
der seit den sechziger Jahren an einem Stoff über den radikalen Kommunisten Max Hoelz
arbeitete. Nach Jahren in der DEFA-Dramaturgie, wo es Bedenken gegen den wenig "linientreuen"
Anarchisten gab, konnte der Stoff in der Phase nach dem VIII. Parteitag der SED realisiert
werden, in der es laut Honecker in der Kunst keine Tabus geben durfte. Günter Reisch
wollte mit dem Stoff leidenschaftlich überzeugend auf die Jugend zugehen, um Geschichte
lebendig werden zu lassen. Aus dem Revolutionär Max Hoelz wurde der Kriegsheimkehrer
Ignaz Wolz, der mit einem unbändigen Hass auf die kapitalistische Ausbeuterordnung
und die Kriegsgewinnler seinen eigenen Krieg gegen die Reichen führt, um den Armen zu
geben. Er wird bewundert und gefürchtet. Nach einem langen Zuchthausaufenthalt findet
er mit seinen anarchistischen Ideen keinen Rückhalt mehr bei alten Weggefährten
und geht desillusioniert ins Ausland. Nach langem Suchen fand Günter Reisch in dem
Litauer Regimantas Adomaitis seinen idealen Hauptdarsteller, in Heidemarie Wenzel eine
ihm ebenbürtige Partnerin.
Adomaitis spielte in einem weiteren Reisch-Film. In "Die Verlobte" (1980) war er der Mann
im Leben der von Jutta Wachowiak gespielten Heldin. Auch dieser antifaschistische Film nach
einem Tatsachenroman von Eva Lippold ist ein Anwärter auf den Titel "Bester Reisch-Film",
aber der Regisseur ist nicht allein dafür verantwortlich. Während der Dreharbeiten
erkrankte er schwer, und Drehbuchautor Günther Rücker führte den Film zu Ende.
Danach hat Günter Reisch nur noch einen Spielfilm gedreht. In "Wie die Alten sungen"
(1986) knüpfte er an seinen ein Vierteljahrhundert zuvor entstandenen gesellschaftskritischen
Gegenwartsfilm "Ach, du fröhliche" an.
Es gab noch viele Projekte, darunter ein Musical nach der Geschichte des "Hauptmanns von
Köpenick" und
"Bloody Heart",
ein Drama um den Freiheitskampf der nordamerikanischen Indianer, das Reisch mit Dean Reed
zusammen realisieren wollte und kurz vor Drehbeginn wegen Reeds Tod abgesagt werden musste.
Reisch lehrte an Filmschulen in Babelsberg, Berlin, München, Köln, Graz und bis
vor wenigen Jahren als Honorarprofessor an der Bauhausakademie in Weimar. Als Mitglied der
Akademie der Künste engagierte er sich in Verbänden und Vereinen für die
Erhaltung der Filmkultur und die Würdigung der DEFA-Geschichte, an der er seit 1947
aktiven Anteil hatte.
Reisch, der sich neben dem Historienfilm immer wieder für die heiteren Kino-Genres
starkmachte, hat beides am überzeugendsten in der sozialistischen Schelmengeschichte
"Anton, der Zauberer" (1978) verbunden. Ulrich Thein kehrte darin als schlitzohriger Handwerker
zwischen Schiebereien und Aktivisten-Auszeichnung nach Jahren der schauspielerischen Abstinenz
wieder auf die Leinwand zurück, und das Publikum kam in Scharen. Auch dieser Film
wäre ein Anwärter für das Besten-Prädikat.
Derzeit würdigt das Zeughaus-Kino im Deutschen Historischen Museum Berlin Günter
Reischs Werk mit einer Retrospektive. Wenn hier am heutigen Sonnabend die beiden großen
Liebknecht-Filme "Solange Leben in mir ist" (1965) und "Trotz alledem" (1972) gezeigt werden,
wird Günter Reisch dabeisein – und die vielen Glückwünsche zu seinem
85. Geburtstag entgegennehmen.
F.-B. Habel,
Junge Welt, 24.11.2012
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