junge welt 15.10.2004

zurück/back

Ein gerechter Cowboy

Über Dean Reed wird sowohl ein Hollywood- als auch ein Dokumentarfilm gedreht. Morgen erscheint erst mal eine Biographie

Ein Cowboy aus Colorado macht sich auf, die Welt zu bereisen. Um gegen das Böse in der Welt anzusingen und den Sozialismus zu predigen. Er tingelt nicht nur durch Konzerthallen und Filmstudios in aller Welt, sondern lernt auch die Führer etlicher Befreiungsbewegungen und einige Knäste kennen. Er wird der erste Rockstar Osteuropas und nach langer und rastloser Wanderschaft erst in der DDR wieder sesshaft, wo er stirbt.

Dieser Mann heißt Dean Reed. Von seinem Leben ist Tom Hanks fasziniert, der über ihn einen Hollywoodfilm dreht. Außerdem dreht der Berliner Leopold Grün einen Dokumentarfilm über Reed, der voraussichtlich Ende 2005 in die Kinos kommt. Arbeitstitel: "Das Leben eines Amerikaners in der DDR". Grundlage des Dokfilms ist ein Buch, das morgen erscheint: "Der rote Elvis" von Stefan Ernsting (Gustav Kiepenheuer Verlag).

Im Sommer 2001 erfuhr Ernsting (34) von Reed ersmals in einer Ostberliner Kneipe. Er stellte schnell fest, dass es kaum aktuelle Veröffentlichungen über ihn gibt. Eigentlich wollte er nur einen Artikel für eine Zeitschrift schreiben, doch er sammelte immer mehr Material an. Später lernte er den Dresdener Dokfilmer Leopold Grün (35) kennen, der dann anfing, Filmausschnitte und Zeitzeugen zum Thema aufzutreiben. Dadurch ergab sich ein stärkerer Bezug zur DDR-Geschichte.

Tom Hanks' Filmpläne bescherten den Projekten unerwartete Aufmerksamkeit, aber auch gewisse Schwierigkeiten. Einige Zeitzeugen, insbesondere die Familie Reeds, sind durch Exklusivverträge gebunden und dürfen sich nicht öffentlich über das Thema äußern. Dennoch konnten viele Interviewpartner, wie z. B. Wiebke Reed (zweite Ehefrau des Sängers), Lothar Bisky, Egon Krenz und Günther Reisch, gewonnen werden. Einige wollten sowieso schon immer über Reed sprechen, andere mussten erst beharrlich überzeugt werden. Die Zusammenarbeit mit Egon Krenz, der damals im Gefängnis saß, erwies sich als besonders aufwendig. Die gesamte Korrespondenz mit ihm musste als Kopie an die Anstaltsleitung Plötzensee gehen. Sein erster Anruf, eine Absage, befindet sich bis heute auf Leopold Grüns Anrufbeantworter. Viele Rückschläge begleiteten die Arbeit. Verlage und Fernsehsender bekundeten zwar wiederholt Interesse, letztendlich wurden jedoch immer wieder seltsame Bedenken vorgeschoben. Als sich für das Buch schließlich ein Verlag fand, wurde beschlossen, die Finanzierung des Films in Zusammenarbeit mit den Produktionsgesellschaften Totho und T&G-Film selbst in die Hand zu nehmen. Die Probeaufnahmen sind bereits weitgehend abgeschlossen, dennoch verzögert das Fehlen weiterer Fördermittel die endgültige Fertigstellung.

Die Reed-Rechercheure hatten den Anspruch, Reeds schillernder Persönlichkeit und seinem historischen Kontext gerecht zu werden. Dazu mussten Märchen und Verschwörungstheorien aus dem Weg geräumt und bisher weitgehend unbekannte Aspekte untersucht werden. Dass Dean Reed in den USA erfolgreich und berühmt war, ist eine von Reed und offiziellen Stellen der DDR gepflegte Legende. Reed hat sich nur eine lokale Berühmtheit in Colorado erspielt. Sein größter Erfolg auf dem US-Markt ist eine einwöchige Notierung auf Platz 96 der Billboard-Charts. Dafür eroberten seine Platten in Südamerika die Hitparaden. Die nachfolgenden ausgedehnten Südamerika-Tourneen sind die ersten Auslandsaufenthalte Reeds. Er führt das Leben eines Superstars und beginnt, politisches Bewusstsein zu entwickeln.

Bezüglich Reeds Leben in der DDR lässt sich ein vielschichtiges Bild zeichnen. Er war der Vorzeigestar und verfügte über beste Kontakte. Er war kein Parteimitglied, genoss volle Reisefreiheit, verteidigte die Berliner Mauer und enthielt sich weitgehend öffentlicher Kritik. Andererseits ließ er sich keine Vorschriften machen und spielte verbotene Lieder. Ein Jahr lang arbeitete er mit der Abteilung Spionageabwehr des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) zusammen. Eine Verpflichtungserklärung findet sich in dem zugänglichen Teil seiner Akte jedoch nicht. Die ersten Gespräche mit dem MfS im August 1977 galten Reeds Kontakten zur US-amerikanischen Botschaft und wurden vom MfS als vielversprechend bewertet. Reed habe keinerlei Vorbehalte gegenüber den Mitarbeitern des MfS, sondern freue sich über ihren Besuch, da er sie "in erster Linie als Kommunisten ansah". Er sei ein "politischer Künstler, ohne übertriebene Starmanieren". Die anfängliche Begeisterung des MfS legte sich, als klar wurde, dass Reed selbst bestimmen wollte, worüber er berichtet. Er war bereit, gegen die USA zu arbeiten, aber er weigerte sich beispielsweise, Auskünfte über die PLO zu erteilen. Vom Nachhaken der MfS-Leute genervt, verlangte er, mit einem leitenden Mitarbeiter sprechen, bevorzugt Markus Wolf. Er wolle sicherstellen, "dass alles seine Richtigkeit hat". Im November 1978 bewirkte er durch eine Beschwerde bei Erich Honecker das Ende der Zusammenarbeit.

In den achtziger Jahren begann Reeds Erfolg in der DDR zu verblassen. Eheprobleme setzten ihm zu, und er litt unter mangelnder Anerkennung aus den Künstler- und Intellektuellenkreisen. Er war sogar regelrechten Anfeindungen ausgesetzt. Reed hatte bereits seit frühester Kindheit zahlreiche Selbstmordversuche verübt und häufig Selbstmordabsichten geäußert. Vor diesem Hintergrund erscheint es nachvollziehbar, dass er am 12.6.1986 im Zeuthener See tatsächlich Selbstmord begangen hat. Andererseits wollte er in dieser Zeit mit den Dreharbeiten seines wichtigsten Projektes, dem Film "Blutiges Herz" über die radikale Native-Americans-Bewegung beginnen. Es dauerte fünf Tage, bis seine Leiche gefunden wurde.

Martin Bialluch

jungewelt.de

We would formally like to point out that the articles, reports and contributions are presented independently of their truth content. They do not reflect the opinions of the Dean Reed Website team (see detailed declaration).

Wir weisen ausdrücklich darauf hin, dass wir alle Artikel unabhängig von ihrem Wahrheitsgehalt präsentieren. Sie spiegeln nicht in jedem Fall die Meinung des Dean-Reed-Websiteteams wider (siehe auch die einleitende Erklärung).

Recalcamos expresamente que presentamos los artículos independientemente de su veracidad. No en todos los casos reflejan la opinión del equipo de esta página WEB (léanse las líneas aclaratorias principales).

zurück/back

www.DeanReed.de
Fehler, Hinweise etc. bitte an Webmaster@DeanReed.de
Letzte Änderung: 2007-03-09