melodie und rhythmus 07/1984

Dean reitet wieder...

...fürs Fernsehen. Das Pferd hatte es nicht einfach. Nicht nur die Scheinwerfer, Kameras, Regierufe und die vielen, vielen Schaulustigen machten das braune Tier regelrecht wuschig, nein, wohl am seltsamsten betrachtete das Tier jenen daherstolpernden, breitkrempig behuteten Mann, der mit rudernden Armen, schrille Rufe ausstoßend, sich an seinem (des Pferdes!) Leib zu schaffen machte, wie ein Bergsteiger beim Üben an einer Neubauhochhauswand. Ich glaube, anfangs hat das Pferd noch gelacht!

Ort dieser Szene: Fernsehstudio "Haus der heiteren Muse" in Leipzig. Vormittag. Strahlender Sonnenschein. Vor dem Haus die großflächige Reklameschrift: Dean Reed, der Mann aus Colorado. Dann latscht betont tapsig ein livrierter Pförtner heran und versucht, das Schild AUSVERKAUFT anzubringen. Die Kamera surrt. Das Schild haftet nicht. Also der Pförtner zurück, das Pferd zurück. Dean zurück. Der Pförtner startet zum erneuten Versuch. Es ist ein schmucker Pförtner. Und er hat Witz. Er redet immerzu. Richtig laut. Und die Leute kringeln sich, wie man so sagt. Schließlich hängt das Schild an dem Deko-Stoff. Jetzt stolpert der laut Buch auf "Greenhorn" gesetzte Dean Reed heran, schafft das mit dem Pferd nie im Leben, ruft um Hilfe, winkt und winkt, mit einem Bein, die Hände verkrampft am Sattelknopf. Der Pförtner hilft, packt den Fuß und schiebt so den Mann auf das Pferd, das aufatmet. Der Regisseur auch. Der Pförtner nicht. Er krümmt sich leicht, hat den Fuß zu derb in die Bauchgegend gekommen. Der Pförtner ist Quermann, Heinz der Quermann. Und so weiter. Szenen einer Aufzeichnung - für Dean Reeds dritte Show, diesmal der Country-Musik gewidmet. Dean Reed: "Tatsächlich, ich war ein Cowboy, mit 16 Jahren, all diese Narben, hier an meinem Kinn, an den Schultern, stammen von Pferden, später wollte niemand mit mir im Auto fahren, weil ich immer nur diese Country-Sender eingestellt hatte. Country-Musik, das ist die Musik des Volkes, sie hat sehr viel Humor und Witz, sehr viel Gefühl."

Entsprechend ist die Dekoration im Studio: Saloon, Planwagen - und wieder das Pferd usw. Zum ersten mal wird Country-Musik im Fernsehen der DDR regelrecht inszeniert und entsprechend präsentiert. Entsprechend ist auch die personelle Besetzung: die Band Country Co, Lilya Sabitowa (UdSSR), und vor allem die sehr einfühlsam singende und interpretierende Indianerin Rattlesnake Annie (USA), die Ward-Brothers (Holland), Peter Tschernig, Siegfried Krause, Ingeborg Naß, Gerd [Edgar] Kühlow u.v.a. Dean Reed: "Alle Gäste sind auf meinen Wunsch hier. Ich bin stolz auf jeden, jeder ist auf seine Art ein Talent, jeder auf seine Art ein Profi." Mittlerweile ist die Show über den Sender gegangen, und Dean Reed präsentierte sich als witzig-charmanter Entertainer. Er hat sich in besonderem Maße für diese Sendung eingesetzt, sehr engagiert ist er zu Werke gegangen, wie wohl in allem, was er beginnt - und dann durchzieht.

PS: Demnächst wird bei AMIGA seine erste deutschsprachige LP erscheinen: "Es gibt eine Liebe die bleibt." Die Autoren sind Bause/Brandenstein und Reed/Steineckert. Auch an einem Filmprojekt arbeitet Dean Reed wieder. In Zusammenarbeit der DEFA mit dem Filmstudio Riga entsteht ein Streifen "über Indianer, aber kein Indianerfilm". Als Co-Regisseur konnte er Günter Reisch (u.a. "Die Verlobte") gewinnen. Das Szenarium schreibt Dean Reed selbst.

Michael Meyer
Fotos: Klaus Winkler