FACTS - Das Schweizer Nachrichenmagazin 06.01.2005

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"Sozialistisches Maskottchen"

Musiker und Schauspieler, Politaktivist und Frauenschwarm: Dean Reed gibt noch heute Rätsel auf. Der US-Bürger starb 1986 nach 14 Jahren in der DDR. Eine Biografie und ein Filmprojekt von Tom Hanks beleuchten Reeds von Widersprüchen geprägtes Leben.

Der US-Schauspieler Tom Hanks mietet sich in letzter Zeit in Berlin öfters einen VW Golf und fährt mit ihm durch den Ostteil der Stadt. Der Grund: Hanks will mit Steven Spielbergs Produktionsfirma Dreamworks die Geschichte von Dean Reed verfilmen. Der amerikanische Cowboydarsteller und Countrysänger lebte von 1972 bis zu seinem Tod 1986 in der DDR.

Hanks, zum ersten Mal in der Rolle des Regisseurs, führt die Recherchen vor Ort selber durch, wann immer es ihm sein Terminkalender erlaubt. Mit Reeds Witwe, der Schauspielerin Renate Blume, schloss er einen Exklusivvertrag ab; mit dem letzten Staatschef der DDR, Egon Krenz, saß er in dessen Lieblingsrestaurant bei Seeteufel zu Tisch.

Hanks ist nicht der Einzige, der dem singenden Cowboy made in the DDR nachspürt. Buchautoren, Fernsehanstalten und Filmproduktionsfirmen aus aller Welt forsteten in letzter Zeit dessen kuriose Biografie durch, um dem Geheimnis des smarten Sängers, Schauspielers und Regisseurs auf die Spur zu kommen.

Der deutsche Autor Stefan Ernsting veröffentlichte unter dem Titel "Der rote Elvis" eben eine spannungsreiche Biografie über den US-Rockstar in der DDR. Mit Regisseurkollege Leopold Grün dreht er zudem einen Dokumentarfilm, der im Lauf des Jahres in die Kinos kommen soll.

Wer war dieser Dean Reed, der mit Filmstars wie Yul Brunner, Armin Mueller-Stahl und Anita Ekberg drehte und Mitglied des Weltfriedensrates war? Wer war der Mann, der an der Seite von Politikern wie Jassir Arafat und Salvador Allende in Kameras lächelte und über den das "People Magazine" 1976 schrieb: "Von der Berliner Mauer bis Sibirien, Dean Reed aus Colorado ist der größte Star der Popmusik."

Geboren wurde Reed am 22. September 1938 in Colorado. Nach der Schule arbeitete er auf einer Ranch. Wenn er nicht im Sattel saß, spielte er Gitarre und trat immer öfter live auf. Während er in Amerika nie den Durchbruch schaffte, entwickelte sich die Schmalznummer "Our Summer Romance" 1960 in Südamerika zum Nummer-eins-Hit. Bei der Wahl zum beliebtesten Popstar ein Jahr später verwies Sonnyboy Reed den King of Rock 'n' Roll, Elvis Presley, auf den zweiten Platz. Eine Saison lang füllte der neue Shootingstar südamerikanische Stadien. Doch in der fremden Welt, wo Menschen hungerten, veränderte sich auch Dean Reeds Sicht auf seine Heimat USA.

Gegner des Vietnamkriegs

Sein Coming-out als politischer Akteur hatte Reed 1962. Er schaltete damals Anzeigen in südamerikanischen Zeitungen und forderte dazu auf, Protestbriefe an Kennedy und Chruschtschow zu schreiben, um weitere Atomtests zu verhindern, mit denen Amerika drei Wochen zuvor im Pazifik begonnen hatte. "Kein amerikanischer Popstar", hält Ernsting in seiner Biografie fest, "hätte so etwas vor ihm gewagt."

Für seine Ideale wanderte der Vietnamkriegsgegner in Südamerika und in den Staaten hinter Gitter. Noch drei Jahre vor seinem Tod exponierte er sich in Chile während des blutigen Aufstands gegen Diktator Pinochet. Vor 2000 Studenten fürchtete sich Freiheitskämpfer Reed nicht davor, "Venceremos", die verbotene Hymne der Unidad Popular, anzustimmen. Angst bei solchen Auftritten schien er nicht zu haben, im Gegenteil. Er legte eine bizarre Mischung aus Blauäugigkeit, Unverwundbarkeit und Mut an den Tag. Trotzdem hält Ernsting in seinem Buch fest: "Dean Reed war kein Flanell-Revolutionär. Er lief nicht weg, wenn es darauf ankam."

Kein Wunder fand man Anfang der Siebzigerjahre hinter dem Eisernen Vorhang schnell Gefallen an diesem einzigartigen Amerikaner, der vom Leben und Arbeiten in der DDR nur in den höchsten Tönen schwärmte. Für die Russen war er gemäß Ernsting am Anfang "ein willkommenes Mittel gegen die Beatles", die DDR mache ihn zu ihrem "sozialistischen Maskottchen". Nicht Cowboyfilme und Countrysongs verhalfen ihm im Osten zum großen Durchbruch, sondern allein die Tatsache, dass er ein Ami wie aus dem Bilderbuch war. Er trug Bluejeans und Cowboyhut, war schön, groß, männlich.

Beim Anblick des Mannes, der unter anderem in "Blutsbrüder" spielte, einem der erfolgreichsten Filme des DDR-Kinos, schmolzen die Herzen der Frauenwelt. "You're the most beautiful man in the world", soll seine zweite Frau Wiebke gestammelt haben, als sie dem amerikanischen Naturburschen zum ersten Mal gegenüberstand.

Im Lauf seiner Karriere veröffentlichte Dean Reed 13 Platten und spielte in 18 Filmen. Obwohl er Millionen von Tonträgern verkaufte, verzeichnete er in den DDR-Charts keine einzige Notierung. Seinen Erfolg als Sänger verdankte er Coverversionen. Als sein Stern Anfang der Achtzigerjahre zu sinken begann, verstand er die Welt nicht mehr. "Zu Beginn seiner Karriere kamen 60.000 Menschen an seine Konzerte, am Ende gab er den Pausenclown im Fernsehen, der nur noch eingeladen wurde, um 'We Shall Overcome' zum Besten zu geben", sagt Ernsting.

"Schwierige Persönlichkeit"

Trotzdem haben ihn seine Fans nicht vergessen. Ein eindrücklicher Beweis dafür stellt im Internet die liebevoll gestaltete Website deanreed.de dar. Im Gästebuch schwärmen Frauen von Reed als einem "natürlichen, sensiblen und einfühlsamen Menschen".

Ein bisschen in einem anderen Licht sahen einstige Weggefährten den "roten Elvis". Gisela Steineckert, die für ihn deutsche Texte schrieb, bezeichnete ihn als "schwierige Persönlichkeit", deren Facetten von "äußerster Mittelmäßigkeit bis zum Phänomen unkluger Tapferkeit reichten". Schauspieler und Sänger Manfred Krug, der mit ihm im Western "Kit & Co." auftrat, hielt ihn für einen Spinner. Künstler und Intellektuelle verurteilten ihn als einen unkritischen Repräsentanten der offiziellen Staatskultur. Dass er überall und immer seine Gitarre auspackte und harmlose Lieder trällerte, nervte sogar die, die mit ihm Gefängniszellen teilten.

Wenn man Autor Ernsting fragt, was ihn am "roen Elvis" besonders gefesselt habe, antwortet er: "Dean Reed ist mit seinem mittelmäßigen Talent sehr weit gekommen. Interessant ist, dass sich viele Dinge seine Person betreffend in letzter Instanz nicht beantworten lassen und er bis zum Schluss ein Mysterium bleibt."

Das größte Mysterium ist zweifellos Reeds Tod: Am 17. Juni 1986 um 10.30 Uhr wurde seine Leiche in der Nähe von Berlin aus einem See gefischt. Der 47-Jährige hinterließ einen Abschiedsbrief, der lange Zeit mit einem Teil seiner Akte bei der Staatssicherheit nicht auffindbar war. Die Gerüchteküche brodelte: Stasi, CIA, Mossad - der Mörder hatte viele Gesichter.

Ob Hollywood an solchen Verschwörungstheorien festhält, kann frühestens 2006 im Kino nachgeprüft werden. Tom Hanks betont, dass er Reeds Geschichte faszinierend findet. "Vor allem, weil es immer noch Millionen unbeantworteter Fragen gibt." Im Dokumentarfilm von Leopold Grün und Stefan Ernsting wird die Selbstmordthese untermauert. "Dean Reed hatte schon andere Suizidversuche unternommen und den Selbstmord seines Vaters als heroische Tat gepriesen", sagt Ernsting. "Als die Mädchen Reed nicht mehr kreischend empfingen, blieb für ihn nur der Tod als Lösung - er wollte das makellose Bild von sich bewahren." Helden haben das so an sich. Sie sterben immer im richtigen Moment.

Judith Wyder

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Letzte Änderung: 2007-05-24