Books and films about Dean/Bücher und Filme über Dean |
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So und nur noch besserWie Honecker das Fernsehen wolltevon Eberhard Fensch
Eberhard Fensch erzählt von seiner Karriere in der DDR, die ihn bis ins ZK der SED führte, wo er als Stellvertreter von Lamberz und Herrmann für Rundfunk und Fernsehen zuständig war. In dem Kapitel "Mein Freund Dean" berichtet er als Adressat von Deans Abschiedsbrief über Gespräche im Jahr 1986 und über den Umgang mit der Todesnachricht. Unter den Abbildungen befinden sich auch Briefe von Deans Mutter. (A.W.)
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S. 172-186 (zahlreiche Abbildungen) Mein Freund Dean1972 kam Dean Reed in die DDR und fand hier seine zweite Heimat. Er was Sänger und Schauspieler und hatte auch in Hollywood gearbeitet, bevor es ihn in die Welt zog. Er war ein sympathischer Amerikaner, verkörperte eine Mischung aus Abenteurertum und revolutionärer Romantik, er war Friedenskämpfer und sozialer Rebell und besaß ein ausgeprägtes Showtalent. Reed war, wie ich in den oft nächtelangen Diskussionen spürte, zudem ein durch und durch politischer Mensch. Wir kamen uns näher und wurden Freunde. Dean kam mit fast allen Problemen, die ihn bewegten, zu mir. Meist betrafen die Anliegen nicht ihn selbst, sondern Menschen in Not, für die er sich vehement einsetzte. Er besaß einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn und war hilfsbereit ohne Ende. Das trieb ihn auch in jene Teile der Erde, von denen eine gesunde Rückkehr nicht zwangsläufig zu erwarten war. Wiederholt reiste er in den Nahen Osten, um die Palästinensische Befreiungsfront (PLO) bei deren Bemühungen um Autonomie zu unterstützen. Mit Arafat war er befreundet. In Chile bot er Diktator Pinochet die Stirn, als er vor Tausenden Bergarbeitern deren und sein Kampflied "Venceremos" und Beethovens "Freude schöner Götterfunken" sang. Noch während der Veranstaltung verhaftete ihn die Geheimpolizei und verbannte ihn aus dem Lande. Während einer Filmabnahme bei der DEFA in Babelsberg, es ist ein Montag im Juni 1986, lässt mir Kulturminister Joachim Hoffmann telefonisch mitteilen, Dean Reed habe in seiner Wohnung einen Selbstmordversuch unternommen. Er sei am Leben und habe den Wunsch geäußert, dass ich ihn besuche. Ich fahre sofort zu ihm und finde einen völlig verstörten Dean vor. Es dauert eine Weile, bis er mir erzählt, warum er sich die Pulsadern öffnete. Er offenbart mir eine Tragödie im privaten Bereich. (Ich erspare mir Details, weil es mir widerstrebt, Probleme aus der Intimspäre öffentlich auszubreiten.) Wir reden fast die ganze Nacht. Dean kehrt sein Innerstes nach außen. Vor drei Monaten ist er erstmals wieder in die USA gereist. Es war nicht nur Heimweh nach Land und seiner Mutter. Er hatte dort versucht, auch beruflich wieder Fuß zu fassen. Schließlich hat er die Unterhaltsverpflichtungen aus erster Ehe in Dollar und nicht in Mark der DDR zu begleichen. Der Fernsehsender CBS lud ihn in die wenngleich populäre, wegen der aggressiven Fragen des Moderators aber berüchtigte Talkshow "60 minutes". Das Gespräch geriet zum politischen Verhör. Reed fühlte sich provoziert und verglich den amtierenden US-Präsidenten Reagan mit Stalin. Als er, was durchaus nicht abwegig war, den Bau der Berliner Mauer hartnäckig als Maßnahme der Friedenssicherung verteidigte, ist er völlig unten durch. Er wurde als Kommunist und Vaterlandsverräter denunziert, im Hotel erreichten ihn Morddrohungen. Der Hass, der ihm entgegenschlug, machte Dean bewusst, dass er vermutlich nie wieder in seine Heimat werde zurückkehren können. Der öffentlich vollzogene Bruch mit ihm schien endgültig. Dean Reed weiß, was das bedeutet: Es ist mehr als nur die Trennung von der geliebten Mutter. Damit nicht genug. Seine Unterhaltungsfilme und -sendungen "Aus dem Leben eines Taugenichts", "Kit & Co.", "Blutsbrüder" und "So viel Lieder - so viel Worte" kommen beim Publikum gut an. In seinem Fernsehfilm "El Cantor" berichtet er über das Leben und den Kampf des chilenischen Sängers, seines Freundes Victor Jara. "Sing, Cowboy, sing" wird ein Kinorenner, kaum ein DEFA-Film findet soviel Beifall. Doch die Kritik verreißt den Film. Selten sah ich Dean so verbittert wie nach dieser ziemlich elitären Kritik. Er fühlte sich ungerecht behandelt und wollte nie wieder einen Film drehen. Doch dann schrieb er das sozialkritische Indianerdrama "Bloody Heart". Die DEFA fühlt sich vom Aufwand überfordert. Das war eine weitere Enttäuschung für Dean, die durch die spätere Realisierung als Koproduktion mit der UdSSR kaum kompensiert wurde. So hat sich im Laufe der Monate und Jahre einiges angestaut, was ihm, dem erfolgsverwöhnten Menschen, das Gefühl vermittelt, in einer künstlerischen, in einer Midlife-Krise zu stecken. Sein Vater schied freiwillig aus dem Leben. Das scheint ihm Vorbild, und vielleicht gibt es ja genetische Anlagen, dass bei einem die Todessehnsucht größer, bei anderen überhaupt nicht vorhanden ist. All das kommt in jener Nacht zur Sprache. Er redet sich von der Seele, was auf dieser lastet. Mir wird bewusst, dass der Selbstmordversuch keineswegs nur ein Hilferuf ist, sondern bitterer Ernst. Unter solchen Umständen ist die Wiederholung vorprogrammiert. Ich bin ratlos, weil ich Dean kenne: tröstende Worte, sozialistische oder was für Seelsorge auch immer, bringen so wenig wie moralische Appelle. Ich versuche politisch auf ihn einzuwirken. Ob er sich vorstellen könne, wie skrupellos seine und unsere Feinde seinen Freitod gegen uns missbrauchen würden? Ich erfinde Schlagzeilen, die dann gewiss erscheinen werden, und erinnere ihn an das, was er jüngst in den USA erlebt habe. Dean hört mir aufmerksam zu und ist nach weiteren Stunden bereit, sich mit seiner Frau Renate Blume und mir an einen Tisch zu setzen, um über die familiären Probleme zu sprechen. Gegen Morgen, als wir auseinandergehen, verspricht er, nicht noch einmal Hand an sich zu legen. Wir verabreden für das kommende Wochenende bei mir zu Hause einen Familientreff, um in Ruhe darübe zu reden, wie es weitergehen solle. Ich scheide von ihm in der Überzeugung, dass ich mich auf sein Wort verlassen kann. Drei Tage später ruft mich Renate Blume an und erklärt aufgeregt, dass Dean verschwunden sei. Sie fürchtet, er habe sich wiede etwas angetan und bittet mich, ihr bei der Suche zu helfen. Ich tue dies, unterstützt von einigen seiner Freunde, vor allem von Heinz Quermann. Die Telefonate sind erfolglos. Auch ich befürchte das Schlimmste und verständige Joachim Hermann und Erich Honecker. Tage später findet man die Leiche im Zeuthener See. Eine Nachricht muss verfasst werden. Erich Honecker kümmert sich persönlich um deren Inhalt. Vieles spricht für einen Selbstmord, vor allem ein handgeschriebener fünfzehnseitiger Abschiedsbrief, den die Polizei in seinem Auto entdeckt. Gerichtet an mich, seinen "Freund und Genossen Eberhard Fensch". Aber die Kriminalisten zweifeln. Sie sagen, sie hätten noch nie erlebt, dass ein guter Schwimmer - und Dean war ein guter Schwimmer - einfach so ertrunken wäre. Deshalb wollten sie sich noch nicht festlegen, vor allem nich auf den Zeitpunkt und die Art des Todes. Erich Honecke entscheidet daraufhin, dass es in der ersten Meldung heißt, Dean Reed sei bei einem Unfall ums Leben gekommen. Die Gerichtsmediziner (Prof. Prokop, Prof. Radam) stellen fest, dass Dean zuvor ein starkes Beruhigungsmittel eingenommen hatte. Daraufhin wird der Selbstmord als solcher publik gemacht. Da es aber zwei Meldungen gibt, wuchern Spekulationen und Gerüchte. Und noch eine Entscheidung trifft der Generalsekretär. Als er den Brief an mich und die darin enthaltenen Passagen zur familiären Situation liest und von mir hört, dass Dean den Konflikt m.E. ungerecht dramatisiert, legt er - dem Rat der Kriminalisten folgend - fest, dass dieses Dokument für immer bei den Akten verbleibt. Niemand soll davon erfahren, auch nicht Deans Frau, um ihr die Enttäuschung zu ersparen. Am 20. September 1990 veröffentlicht "Das Blatt" diesen Brief. Ich bin entsetzt, da nicht einmal ich eine Kopie habe, und wende mich an den Herausgeber und Chefredakteur Helfried Schreiter. Auf meine Fragen, wer ihm erlaubt habe, ohne meine Zustimmung dieses persönliche Dokument zu veröffentlichen und woher er es überhaupt habe, verweigert er jede Auskunft und meint zynisch, ich könne ihn ja verklagen. Mir bleibt nur die Genugtuung, dass "Das Blatt" bald darauf eingeht und Schreiter, von Gläubigern gehetzt, das Weite suchen muss. Gleichwohl ist nunmehr die Lawine losgetreten und donnert zu Tal. In jener Zeit sind alle Schutzmechanismen außer Kraft gesetzt, jeder darf allen Unfug veröffentlichen, wenn er denn die DDR trifft. So lese ich denn "US-Popstar von DDR-Geheimdienst ertränkt?", "Auch Dean Reed von Stasi umgebracht?", "Was Honecker & Co. verschweigen". Das, was Dean mir seinerzeit schrieb ("Mein Tod hat nichts mit Politik zu tun. Lass unsere Feinde, die Faschisten und Reakionäre, es nicht so auslegen"), erweist sich einmal mehr als frommer Wunsch. "Ich hätte viel lieber auch in Chile ode Libanon gestorben, im Kampf gegen unsere Feinde, die meine Freunde überall gefoltert und umgebracht haben ... Der Sozialismus ist noch nich erwachsen ... Es ist die einzige Lösung für die Hauptprobleme für die Menschhei der Welt ... Du warst immer mein treuer Freund - hass mich bitte nicht." Der Brief endet mit den Worten: "Leb wohl ... Ich umarme dich. Dean Reed" Die DDR benannte eine Potsdamer Schule nach ihm. Bei dieser Gelegenheit lernte ich seine Mutter, Ruth Anna Brown, kennen, eine beeindruckende Frau. Ich glaube, sie und Dean waren sich sehr ähnlich. In die USA zurückgekehrt, schrieb sie am 14. Oktober 1987 in einem Brief an Erich Honecker: "Ich danke ihnen für dieses wundervolle Monumen, das Dean Reed gewidmet wurde, seiner Person, wie auch seinem Eintreten für Frieden und Gerechtigkeit im Interesse aller Menschen der Welt." Die Schule verlor nach der Wende ihren Namen. |
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Mit Argu's AugenWie Eberhard Fensch das Fernsehen wollteVon Hanno Harnisch Wurde die Medienpolitik der DDR von einem einzigen Mann gemacht? Von Erich Honecker ist der Satz überliefert: "Das Fernsehen ist Teil des Parteiapparates und wie eine Abteilung des Zentralkomitees zu behandeln." Für dieses Fernsehen hatte er wenigstens noch einen Koch bei sich. Der hieß Eberhard Fensch. Er war hinter Werner Lamberz und später hinter "Medienzar" Joachim Herrmann der wichtigste Mann. Beide wie auch der Leiter der Abteilung Agitation Heinz Geggel sind tot. Fensch ist somit der letzte hohe Funktionär aus diesem Bereich. Eberhard Fensch, Jahrgang 1929, lebt heute als Rentner auf Usedom lebt, und es hat ihn gedrängt, ein Buch zu schreiben. Bei manchen Erinnerungen ist man geneigt zu sagen, hätte er sie doch besser für sich behalten. Nicht so in diesem Fall einer Innenansicht aus dem riesigen und allmächtigen Apparat der SED. Anekdotisch, geradezu launig berichtet Fensch über seine Beziehungen zu Manfred Krug, Armin Mueller-Stahl, Helga Hahnemann, Frank Beyer und vielen anderen. Weit über hundert "Reisewünsche" von Künstlern gehen allein über seinen Tisch. Fensch schreibt auch hochinteressante Sachen über seinen Freund Dean Reed, dessen Leben demnächst in Hollywood von Tom Hanks verfilmt wird. Nicht ganz so vergnüglich wird es allerdings, wenn jenseits von persönlichen Freundschaften oder Zweckbeziehungen zwischen Künstlern und dem Mann des Apparats versucht wird, die Mechanismen zu erklären, die der Funktionär Fensch mit sehr viel persönlichem Einsatz am Funktionieren hielt. Zum Beispiel im Kapitel "Alltag eines Medienlenkers". Zitat: "Einmal wöchentlich führt der Abteilungsleiter die so genannte Argumentation durch, an der die Chefs der zentralen Massenmedien der DDR – vom Neuen Deutschland über die Illustrierten bis zu Fernsehen und Rundfunk – teilnehmen. Diese Sitzung findet immer 10 Uhr am Donnerstag statt. Dieser Wochentag wurde deshalb gewählt, weil die Führungsgremien der SED, also das Politbüro und das Sekretariat der Zentralkomitees, jeweils dienstags bzw. mittwochs tagen und die dort getroffenen Entscheidungen in der 'Argu' ausgewertet werden sollen. (Und anderentags, am Freitagnachmittag, erfolgt in den meisten Redaktionen vor den Abteilungsleitern die Wiedergabe des Gehörten. Das fließt dann gleich in die Planungen für die nächste Woche mit ein.) Mit der 'Argu' findet die eigentliche Lenkung der Medien der DDR durch die SED statt, dort wird 'vorgeschlagen', was gedruckt und gesendet werden soll und was nicht. Auch Sprachregelungen werden vorgenommen. Allerdings bietet die 'Argu' für die Arbeit der Medien durchaus auch nützliche Informationen. Die Chefredakteure erfahren aus erster Hand, exklusiv, oft auch vertraulich, welche Beschlüsse Parteiführung und Regierung gefasst haben und was sie beinhalten... Vieles wird per Telefon erledigt. Meine langjährige Sekretärin Waltraud Marciniak führt spaßeshalber an manchen Tagen Buch. Mitunter kommen während der zwölf bis vierzehn Stunden Arbeitszeit – die die Regel bedeuten – an die hundert Telefonate zusammen. Die wichtigsten Chefredakteure sitzen bei Herrmann am Tisch. Sie bekommen gesagt, was wichtig ist und auch so in ihrem Medium zu behandeln ist. Fast alles, was Herrmann dabei verkündet, hat er sich zuvor von Erich Honecker absegnen lassen. Der Chefredakteur des Zentralorgans bekommt Hinweise, wie Aufmachung und Spiegel der morgigen Ausgabe des Neuen Deutschland auszusehen hat. Das geht bis ins Detail. Diverse Überschriften werden vorgegeben, die Platzierung der Fotos – welche Seite, welche Größe – und wie viele Spalten dieser oder jener Beitrag füllen dürfe oder müsse. Mitunter wird sogar die Schrifttype diktiert – so zeigt der Sekretär, dass er selber mal Chefredakteur war und sich auskennt mit solchen Sachen." Wenn man das so liest, wirkt der Rückblick von Fensch doch sehr bemüht um Erklärung, eine mögliche Analyse bleibt er uns schuldig. Immerhin wird der Mechanismus der Zensur, der Einflussnahme einer Zentrale auf alles, was flimmerte und rauschte, von einem Einflussnehmer beschrieben. Erinnerungen (allerdings öffentlich erst nach der Wende geäußert) von ehemaligen Chefredakteuren an die Donnerstags-"Argu" fallen da weitaus kritischer und selbstkritischer aus. Eberhard Fensch wird 1990 nicht Pressesprecher von RTL, wie ein Gerücht damals kursierte. Er schreibt einen – noch heute lesenswerten Brief – (zu finden im Buch) an den Rundfunkabwickler Mühlfenzl. War Fenschs arbeitsreiches und bewegtes Leben, wie er schreibt, "ein 'Täterleben', wie es von jenen Geschichtsdarstellern denunziert wird, die heute in Deutschland das Meinungsbild über die DDR prägen und bestimmen"? Es war ein Macherleben, im Zentrum der Macht. Eberhard Fensch: So und nur noch besser – Wie Honecker das Fernsehen wollte, edition ost,255 S., br., 14,90 EUR Neues Deutschland, 26.08.2003 |
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www.DeanReed.de
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