das blatt #31, 20.09.1990

zurück/back

Dean Reed - Selbstmord - Letzter Brief

Der merkwürdige Tod des Dean Reed

Besser hätte auch ein Filmregisseur die Szene nicht bauen können, die sich drei Tage vor dem Tode des Dean Reed innerhalb und außerhalb seines Hauses in Rauchfangswerder am See abspielte. Vor dem Haus ein Volkspolizist, im Wohnzimmer die Gattin mit einem Kognakglas in der Hand, umgeben von Kriminalpolizisten und Freunden, und im Schlafzimmer der Cowboy aus Colorado, der sich kurz vorher mit fünfzig Messerhieben verletzt hatte. Besorgte Freunde werden von der Frau des Hauses mit dem Satz beruhigt: "Dean zieht mal wieder seine Show ab!" Sie kann nicht wissen, dass es ihm diesmal bitter ernst ist mit seiner Absicht, aus einem Leben zu gehen, das in seinen Augen in mehrfacher Hinsicht seinen Sinn verloren hat, sonst hätte sie wohl sensibler reagiert. So aber wirft er ihr noch in seinem letzten Brief vor, dass sie ihn fortwährend einen "Showman" genannt hat. Dabei war der singende Schauspieler aus Denver nichts mehr und nichts weniger als ein Showman, der zeitlebens mit der Inszenierung der Show "Dean Reed - number one" befasst war.

Der Gewinner

Im Jahre 1956 widmete das amerikanische Nachrichtenmagazin "Newsweek" dem unbekannten Dean Reed eine 31-Zeilen-Story mit der Überschrift "Der siegreiche Mann". Er war, durch eine Wette angestachelt, über eine Distanz von 110 Meilen mit einem Maultier um die Wette gelaufen und nach 22 Stunden mit einem Drei-Minuten-Vorsprung am Ziel angekommen. Sein Preis: 25 Cent. Der "Winner" war geboren.

Der Vater will ihn Offizier werden lassen, aber schon nach einem Jahr darf er durch die Intervention der Mutter die Kadettenanstalt wieder verlassen. Und es ist immer wieder die Mutter, die ihn verteidigt, die zu ihm hält. Er ist und bleibt bis zuletzt Muttis Sohn. "Das ist das Traurigste in meinem Leben", sagt er noch 1984, "dass ich außer meiner Mutti meine Familie verloren habe, weil sie glauben, ich sei ein Verräter. Meine Mutti ist meine beste Freundin."

Schließlich studiert er Meteorologie, hängt diese Disziplin aber nach zwei Jahren an den Nagel, als ihm die Schallplattengesellschaft "Columbia" 1958 einen Vertrag als Country-Sänger gibt. Auch der Filmriese Warner Bros. nimmt den großohrigen Dean unter Vertrag. Von 1961 bis 1965 macht er Tourneen durch Chile, Peru, Brasilien und Argentinien. Zeitweilig erobert sich der junge Gringo sogar einen Platz in den Hitlisten.

Aus einem Traum in den anderen

Der amerikanische Traum, in dem Dean Reed befangen war, löst sich durch die Begegnung mit der lateinamerikanischen Realität schon bald auf. "Zuerst war es ein Schock", erzählte er, "ich habe immer gedacht, wir Amerikaner schicken so viel Geld nach Chile, das ist gut. Aber es kommt ja gar nicht bei den Armen an." Nun schlägt sich der dünnhäutige und sentimentale Junge aus Colorado auf die Seite der Kritiker des imperialen "Uncle Sam". Er singt für die Gewerkschaft, wäscht aus Protest gegen den Vietnamkrieg das Sternenbanner vor der amerikanischen Botschaft in Santiago, ist mit Pablo Neruda befreundet und nennt die Tochter aus erster Ehe Guevara, nach seinem Freund und Vorbild Che Guevara. Der Tochter in der zweiten Ehe weist er dann den Namen "Natascha" zu, weil Russland seine große Liebe wurde. Enthusiastisch schwärmte er von seiner Tournee durch die Sowjetunion im Jahre 1966: "Ich war der erste Rock- und Pop-Sänger in der Sowjetunion. 58 Polizisten waren nötig, mich vor den Fans zu schützen. Wie in Südamerika."

Seine Auftritte hinter dem "Eisernen Vorhang" bleiben nicht ohne Folgen. Die Militärjunta in Argentinien weist ihn kurzerhand aus. Von 1967 bis 1970 lebt und arbeitet er in Italien. Acht Mantel-und-Degen-Filme und Spaghetti-Western sehen ihn als Hauptdarsteller: "Ich brauchte nur mich selbst zu spielen", kommentierte er, "ich bin als Cowboy geboren. Schon als Kind bin ich geritten. Bin immer draußen gewesen, immer auf Pferden. Ich brauchte nur meinen Cowboyhut aufzusetzen und zu singen."

Die Filmrollen bringen ihm zwar Geld, aber nicht den Ruhm, nicht den Applaus, nicht das Bad in der Menge, das er spätestens nach seinem Moskau-Auftritt nicht mehr missen möchte. Obwohl er im nachhinein behauptet, es wäre einzig und allein die Liebe zur blonden deutschen Wiebke, die ihn veranlasst hätte, seine Zelte in der DDR aufzuschlagen, darf man ihm unterstellen, dass er sich im Jahre 1972 mit Ostberlin sehr sorgfältig den Platz im sozialistischen Lager aussucht, an dem es sich auch für einen Amerikaner einigermaßen bequem leben lässt.

Sing, Cowboy, sing

An Erfolgt mangelt es ihm nun wahrlich nicht. Laut dem US-"People Magazine" ist er im Jahr 1976 in Osteuropa der bekannteste Amerikaner nach Präsident Ford und Henry Kissinger. Über 18 Filme und 13 Langspielplatten weist seine Erfolgsbilanz auf. Und er versteht das Show-Business mit dem politischen Engagement zu verbinden wie kein zweiter. Droht es still zu werden um ihn, reist er nach Chile, Uruguay, in den Libanon, nach Nikaragua, in die USA und an die sowjetische Erdgastrasse und singt und protestiert sich so wieder in die Schlagzeilen.

Mit den Oberen der DDR steht er auf bestem Fuß. Er kann nicht oft genug von seinen Freunden Krenz, Herrmann und Honecker sprechen. Selbst noch den Abschiedsbrief richtet er beispielsweise nicht an eines seiner Kinder, sondern an den ZK-Abteilungsleiter Fensch. Und auch in diesem Augenblick vergisst er nicht den Zusatz: "Grüß mir Erich!" Selbstverständlich sorgen diese Freunde dann auch dafür, dass aus dem einsamen und verzweifelten Gang ins Wasser ein "tragischer Unglücksfall" wird. Denn wie könnte der "Freund und Weggenosse an unserer Seite" am Ende gewesen sein!

Allerdings muss man den leitenden Männern der DEFA und des ZK der SED zubilligen, dass sie sich ausdauernd bemühten, den permanenten Ehezwist zwischen Dean Reed und seiner dritten Frau, der Schauspielerin Renate Blume, irgendwie doch noch zu schlichten. Aber dieser Knoten war geschürzt wie in einer antiken Tragödie. Niemand hätte den Siebenundvierzigjährigen vor seinem gewaltsamen Ende bewahren können. Er selbst am allerwenigsten.

Im Abschiedsbrief weist er seiner Frau die Schuld an seinem Tode zu, weil sie ihn mit ihrer Eifersucht auf all und jeden, aber insbesondere auf seine Tochter Natascha und seine zweite Frau Wiebke, "terrorisiert". Nach seinen Worten verlangt sie von ihm den Abbruch der Beziehungen zu fast seinem gesamten Freundeskreis. "Ich wäre lieber bei meinen Freunden in Chile, als diesen Weg zu gehen", schreibt er, "aber ich halte es nicht mehr aus."

Der Sieger verliert

Das Motiv dieser "Todesmelodie" wird bereits im Jahre 1973 angespielt, als nämlich Freunde in seiner Gegenwart unbefangen von Gojko Mitić, dem jugoslawischen "Berufsindianer der DEFA", schwärmen und er sich kurz nach ihrem Weggang die Pulsadern aufschneidet. Nur das beherzte Eingreifen seiner damaligen Frau Wiebke rettet ihn. Er kann es nicht ertragen, nicht die Nummer eins, nicht der Gewinner zu sein.

Von diesem Tage an kommt es zur Neulauflage des Wettlaufs zwischen Mann und Maultier aus dem Jahre 1956. Und im Mai 1981 sieht es fast so aus, als habe der ausdauernde Dean Reed wieder den Siegespreis von 25 Cent gewonnen, denn da heiratet er Renate Blume, die vorher mit dem Rivalen Gojko liiert war. Anscheinend sind beide Männer glücklich, denn auch der "Indianer" äußert sich im Freundeskreise immer wieder, dass er "jeden Tag eine Kerze zum Dank dafür anzünde", weil der "Cowboy" ihm "diese Frau abgenommen" hat.

Was sich in den nun folgenden fünf Jahren zwischen den Eheleuten Reed abgespielt hat, kann nur vermutet werden. Über das Maß seiner Eifersucht auch auf den schauspielerischen Rang seiner Frau steht im Abschiedsbrief nichts. Selbst wenn Renate Blume eine Göttin gewesen wäre - und nichts ist sie wohl weniger -, sie hätte ihn nie davon überzeugen können, dass ihre Liebe nur ihm gehört. Es war sein Irrtum, dass er sich in einem Western glaubte, wo der Sieger sein Problem löst, indem er dem Rivalen die Frau ausspannt. Doch überwinden können hätte Dean Reed den Gojko Mitić nur in sich selber - die nötige Portion Selbstbewusstsein vorausgesetzt. Aber genau die fehlte ihm. Er war der klassische Kompensierer.

Die Selbstzweifel fraßen ihn allmählich auf. Es ist still geworden um den Cowboy mit der Gitarre, das Altern hat eingesetzt, die PR-Masche zieht nicht mehr, denn seine Fans misstrauen seinem politischen Engagement. Außerdem beginnt auch der zweite große Traum seines Lebens fadenscheinig zu werden, nämlich der Traum vom "real-existierenden Sozialismus". Zusätzlich hat ihn das Warten auf den Drehbeginn für seinen Film "Wounded Knee" über den 71-Tage-Krieg der amerikanischen Armee gegen die indianische Reservation in Süd-Dakota im Jahre 1973 zermürbt. Der Film sollte in der Sowjetunion gedreht werden, aber nach Tschernobyl weigerten sich die dafür engagierten US-Schauspieler, verseuchten sowjetischen Boden zu betreten. Er bootet den DEFA-Regisseur Günter Reisch aus, um selbst die Regie zu übernehmen, weiß aber um seine Unfähigkeit als Regisseur, weshalb er im Abschiedsbrief denn auch schreibt: "Es ist besser für die DEFA, wenn ich vor Drehbeginn sterbe..."

"Scheißland"

Am Tage vor seinem Tod geht er in Schmöckwitz in einen Laden und kauft eine größere Menge Kugelschreiber für seine "Freunde", wie er sagt, nicht die einfachen Schreiber, sondern jene, die als Fernsehturm gestaltet sind. Wir werden nie erfahren, welchen Freunden er diesen Kitsch zugedacht hatte. Stil war seine Stärke nicht. Vielleicht hätte er wenigstens sein Leben Westernstil-gerecht" durch eine Kugel beendet, aber er bekam - Originalton Dean Reed - "in diesem Scheißland keinen Revolver zu kaufen". Im übrigen war er ein miserabler Schütze.

Was wir aus dem Obduktionsbericht genau wissen, die Todesursache war Ertrinken. Der Staatssicherheitsdienst, dem "Bild" einen Mord mehr andichten wollte, hat sich aus Honeckers Mund den genau entgegengesetzten Vorwurf anhören müssen, nämlich nicht genügend auf das wertvolle Leben dieses "Weggenossen" geachtet zu haben.

Helfried Schreiter

We would formally like to point out that the articles, reports and contributions are presented independently of their truth content. They do not reflect the opinions of the Dean Reed Website team (see detailed declaration).

Wir weisen ausdrücklich darauf hin, dass wir alle Artikel unabhängig von ihrem Wahrheitsgehalt präsentieren. Sie spiegeln nicht in jedem Fall die Meinung des Dean-Reed-Websiteteams wider (siehe auch die einleitende Erklärung).

Recalcamos expresamente que presentamos los artículos independientemente de su veracidad. No en todos los casos reflejan la opinión del equipo de esta página WEB (léanse las líneas aclaratorias principales).

zurück/back

www.DeanReed.de
Fehler, Hinweise etc. bitte an Webmaster@DeanReed.de
Letzte Änderung: 2012-09-20