Gojko Mitic, Mustangs, Marterpfähle. Die DEFA-Indianerfilme - Das große Buch für Fans.
von F.-B. Habel. Schwarzkopf und Schwarzkopf, Berlin 1997. ISBN: 3896021206
AMERICAN REBEL in der DDR
Dean Reed im Porträt
Er war eine Ausnahmeerscheinung. Dean Reed war Anfang dreißig, als er die DDR
zum ersten Mal
besuchte. Der für damalige Verhältnisse "langhaarige" Künstler sah blendend aus,
schlank, stark, blauäugig. Aus dem Land, wo Milch und Honig fließen, brachte er die
große, weite Welt mit in die kleine, abgeschiedene DDR. Aber er war auch ein Gegner der
amerikanischen Politik. Um das zu sein, brauchte es nicht viel. Die USA führten einen verbissenen
Krieg in Vietnam. Und sie trugen Mitverantwortung für den blutigen Militärputsch in Chile
von 1973, in dessen Ergebnis ein ganzes Volk unterjocht wurde. Das alles sprach Hirne und Herzen
jüngerer wie älterer DDR-Bürger an, die offenen Auges in die Welt sahen. Dean Reed
wurde in Leipzig, (Ost-)Berlin und Rostock umjubelt wie selten ein Künstler. Er kam wieder, kam
öfter wieder, verliebte sich in eine Berlinerin,
heiratete sie und blieb.
In die Neue Welt wurde er 1938 hineingeboren, und zwar in
Denver/Colorado. Er wuchs auf einer Ranch
auf, und böse Mäuler sagen, daß ihn das Leben in der amerikanischen Provinz, die
noch provinzieller als die deutsche sein soll, tief geprägt hätte. Einen gewissen Hang
zum Kitsch wurde Dean Reed nie mehr los, was ihn vielen seiner Fans jedoch nur noch sympathischer
machte.
Sein Vater Cyril
wollte aus Dean einen Offizier machen. Mit zehn kam der Junge auf eine
Kadettenanstalt.
Dem Einspruch seiner Mutter Ruth
hatte es Dean zu verdanken, daß er dem harten Drill wieder
entkam. Er entdeckte seine Liebe zu Pferden und Rodeos und begann mit zwölf, zur Gitarre zu
singen. Wie viele junge Leute in den fünfziger Jahren wurde er ein Anhänger des Rock'n'Roll,
und mehr als das. Dean Reed wurde ein erfolgreicher Rocksänger mit einem guten Plattenvertrag,
und er war beliebt beim Publikum. In Hollywood besuchte er die Schauspielschule von Warner Bros und
übernahm schon kleine Filmrollen. Seine eigentliche Karriere begann jedoch in Mexiko.
Überliefert ist eine
Hitliste, die Dean Reed mit seinem Song
"Our Summer Romance" anführte
- noch vor solchen Stars wie Elvis Presley, Paul Anka, Ray Charles und Neil Sadeka. In Mexiko spielte
er auch die erste Film-Hauptrolle.
Deans Schauspiellehrer Paton Price
war einer der verfemten Künstler, die in der McCarthy-Ära
auf der Schwarzen Liste standen. Er gab dem jungen Mann Lektionen über Recht und Gerechtigkeit,
die ihn tief prägten. Auf der Tournee durch Chile,
Brasilien, Argentinien und Peru sah Dean viel
Unrecht und viel Leid. Er begann, sich für soziale Fragen zu interessieren, sich für die
untersten Klassen, die Ausgebeuteten einzusetzen und gegen die Ausbeuter aufzutreten. Das tat er als
Mitglied des argentinischen Friedensrates, der ihn 1965 nach Moskau delegierte, wo er 1966 sein
erstes Konzert mit zum Teil selbstgeschriebenen Friedensliedern gab.
Bald wurde der Protestsänger Mitglied des Weltfriedensrates. Er sang auf Meetings in Uruguay
während der Wahlkampagne für den progressiven Präsidentschaftskandidaten. In Chile
wusch er vor der Amerikanischen Botschaft die
US-Fahne demonstrativ rein von dem Blut, das seit dem
Vietnam-Krieg daran klebte. Er trug durch Konzerte vor Arbeitern, Bauern und Studenten im ganzen Land
dazu bei, daß 1970 in Chile die Unidad Popular unter
Allende den Wahlsieg davontrug. Er schrieb
an Staatsmänner in Ost und West, um die Atomtests zu ächten, und protestierte gegen die
Besetzung der CSSR durch die Warschauer-Pakt-Staaten. Dean Reed bekam den Beinamen "American Rebel".
Selbst Springers "Morgenpost" nannte ihn den "Kennedy von Südamerika".
Seine politischen Reisen und Aktionen finanzierte er selbst. Das Geld dafür verdiente er mit seinen
Platten, aber auch mit Abenteuerfilmen, die er ab 1967 in Italien drehte, u.a. an der Seite von
Yul Brunner und
Anita Ekberg.
Mit den Erfahrungen aus den Italo-Western kam Dean Reed zur DEFA. Da dieses Genre jedoch nicht ganz zu
Unrecht den Beinamen "Spaghetti-Western" trug, bot man ihm hier zunächst eine romantische Rolle,
die er nur zum Teil ausfüllen konnte. Dean spielte 1973 die Titelrolle in der Eichendorff-Adaption
"Aus dem Leben eines Taugenichts".
Wie einen amerikanischen Mittdreißiger stellten sich jedoch
nur wenige Zuschauer diesen Helden vor. Trotzdem hatte Dean genügend Fans, die die Kinos füllten.
Das nächste Projekt bei der DEFA entsprach ihm jedoch voll und ganz. Dean Reed spielte die Titelrolle
eines in Alaska angesiedelten Abenteuerspielfilms nach Jack London. In
"Kit & Co." waren einige der
besten Darsteller der DDR versammelt:
Rolf Hoppe, Armin Mueller-Stahl,
Manfred Krug,
Renate Blume und
Monika Woytowicz.
Alle waren in Hochform, und besonders das Zusammenspiel von Dean mit Rolf Hoppe
funktionierte bestens. Konrad Petzold machte Pause von den Indianerfilmen, blieb aber im Genre und drehte
einen seiner amüsantesten Filme. Die Dreharbeiten für dieses Film-Alaska fanden in der Hohen
Tatra statt, sowie in Petrosawodsk am Onega-See, wo die Aufnahmen mit dem zugefrorenen Yukon entstanden.
Der Erfolgsserie der Indianerfilme hängte Dean Reed einen zehnten an, dessen Buch er selbst für
sich schrieb, wobei er mit der Hauptrolle
Gojko Mitic vorübergehend von der Spitze verdrängte.
"Blutsbrüder"
erzählt die Geschichte zweier ungleicher Freunde, eines desertierten amerikanischen
Soldaten und eines Cheyenne-Unterhäuptlings. In diesem Film lösten viele lyrische Momente die
Action-Szenen ab, aber die beiden Stars hielten den Film durch ihre Ausstrahlung zusammen.
Dean Reed gab seinen Konzerten
jedoch stets den Vorrang. Vor allem mit seiner Mischung von Country- und
Protestsongs, die er auf Tourneen und zahlreichen
Platten mitreißend vortrug, wurde er Mitte der
siebziger Jahre in ganz Osteuropa zum bekanntesten Amerikaner nach Präsident Ford und
Außenminister Kissinger. Die "New York Times" bezeichnete ihn als "Golden East Block Superstar,
the Johnny Cash of Communism".
Mit seinem nächsten Film, den Dean Reed für das DDR-Fernsehen drehte, wollte er dem
ermordeten chilenischen Freiheitssänger
Victor Jara ein Denkmal setzen, den er in Chile flüchtig
gekannt und verehrt hatte.
"El Cantor" war der erste Film, den Dean Reed als Autor,
Regisseur und
Hauptdarsteller in einer Person drehte.
In der gleichen Personalunion brachte Dean Reed 1981 eine Westernparodie auf die Leinwand.
"Sing, Cowboy,sing"
war jedoch nicht das, was das große Publikum von Dean erwartet hatte. Die Gags wirkten zu
albern, und obwohl Dean einen komischen Charme entwickelte, obwohl er zusammen mit
Vaclav Neckar witzige
Lieder sang, wurde der Film eine Niederlage bei der Kritik, aber doch noch ein Achtungserfolg an der
Kinokasse. Sein Freund, der Journalist
Victor Grossman,
sah diesen Film eher amüsiert: "Warum sollte
die DEFA nicht mit der Olsenbande und Louis de Funès konkurrieren, manche kleine Wahrheit und
Lokalironie auf die Leinwand bringen und die Kinos mit jungem Publikum füllen?"
Doch Dean Reeds Stern verblaßte. Der amerikanische Rebell, im tiefsten Innern ein naiver
Schwärmer, hatte einen Fehler gemacht. Er hatte den amerikanischen Kontinent verlassen, um in
der DDR zu bleiben. Aber hier war er kein Rebell mehr, auch wenn er mitunter für gewagte Aktionen
in seine Heimat zurückkehrte. So reiste er 1983 illegal nach Chile ein und gab zwei ungenehmigte
Konzerte in
Santiago und
Rancagua, wo er erstmals seit dem Militärputsch
wieder das Freiheitslied
"Venceremos" vortrug. Er wurde verhaftet und des Landes verwiesen.
Dean Reed war zweifellos ein aufrechter
Sozialist, vielleicht sogar Kommunist, der sich ehrlich gegen
das auflehnte, was er als Unrecht erkannt hatte. Aber gleichzeitig hatte er sich von den Mächtigen
des real existierenden Sozialismus in der DDR umarmen lassen. Er hatte Freundschaft mit der Staatsspitze
- auch mit Erich Honecker persönlich - geschlossen. Die Anwesenheit von Dean Reed in der DDR war
zu einer Prestigefrage geworden. Er war unantastbar. Das bekamen die einfachen Leute mit, die sich
mehr Zweifel gegenüber dem Sozialismus in der DDR bewahrt hatten als Dean. Man war nicht so sehr
stolz, daß der amerikanische Star hier lebte. Da er hier lebte, gehörte er zum Alltag,
und man fragte sich, was den Rebellen hielt, warum er nicht die Frage nach den Rechten stellte, die
DDR-Bürgern vorenthalten wurden. Zu einem Westberliner Journalisten sagte er
1984 im "Tagesspiegel":
"Ich will hier nicht alles verteidigen. Aber es gibt in diesem Staat Prioritäten, mit denen ich
mich als Marxist identifiziere. Was ist da immer im Westen die Rede von 'Freiheit des Reisens' - mein
Vater in Colorado war auch zeitlebens nie ins Nachbarland Mexiko gereist! Wichtiger ist doch in der DDR,
daß keine Arbeitslosigkeit herrscht."
Nachdem seine zweite Ehe auseinandergegangen war, hatte Dean Reed seine Partnerin aus "Kit & Co.",
Renate Blume - zweifellos eine der schönsten Frauen der DDR -
geheiratet. Nach außen war
er glücklich. Er träumte jedoch davon, in seine Heimat zurückzukehren. Doch dem stand
seine politische Überzeugung entgegen. Als er sie in einer Talkshow des amerikanischen
Fernsehens offenbarte, erklärte, er sei Atheist und Freund
Arafats, hätte Verständnis
für die Berliner Mauer, da entfesselte er eine Welle des Protestes. Für den
"Vaterlandsverräter" erschien es unmöglich, in den USA wieder Fuß zu fassen.
Für Dean Reed kam jetzt eine Mischung von beruflichen, politischen und persönlichen
Sorgen zusammen. Er spürte das Mißtrauen vieler derer, die sein Publikum waren, die
Zweifel an seiner Aufrichtigkeit hatten. Er merkte, wie er als Endvierziger an Spannkraft verlor,
war oft gereizt und stieß damit seine engste Umgebung vor den Kopf.
An einem Junitag 1986
verschwand er spurlos. Tage später wurde seine Leiche in einem See in
der Umgebung Berlins gefunden. Er hatte Abschiedsbriefe hinterlassen. In einem hieß es:
"Meine Grüße auch an Erich - Ich bin nicht mit alles einverstanden, aber Socialismus
ist noch nicht erwachsen."
In der Öffentlichkeit der DDR wurde
der Tod des Vorzeige-Amerikaners als "tragischer
Unglücksfall" dargestellt. Seine Urne wurde hier
beigesetzt und später in seine Heimat
überführt. Eine
Potsdamer Schule erhielt den Namen des Friedenkämpfers, den sie
jedoch schon 1992 wieder ablegte.
Nach der Wende gab es Spekulationen darüber, wie Dean Reed zu Tode gekommen war. War es Mord
oder Selbstmord?
Inwieweit war der Staatssicherheitsdienst in den Fall verwickelt? Konnte man den Prestige-Künstler
in der DDR nicht halten, und mußte er deshalb sterben? Oder steckte gar die CIA hinter der Sache?
Doch die Selbstmordtheorie erhärtete sich. Heute, elf Jahre nach Dean Reeds Tod, verblaßt
langsam die Erinnerung.
Dabei wäre es gut, sich nicht nur an das ungewöhnliche Schicksal dieses Allround-Künstlers
zu erinnern, sondern vor allem an seine besten Arbeiten. Die Wichtigste hätte er wohl noch vor sich
gehabt. Denn Dean Reed starb nur wenige Wochen vor Drehbeginn eines Films, der von der DEFA in Lettland
und auf der Krim gedreht werden sollte. Der Stoff
"Bloody Heart" führte Dean noch einmal
zurück zum Indianerthema. Diesmal sollten die Indianerkämpfe der Gegenwart im Mittelpunkt
stehen.
Dean Reed, der zusammen mit
Günter Reisch das Drehbuch geschrieben hatte, knüpfte an
das Thema eines seiner früheren Protestsongs an:
"Wounded Knee - seventy three". Schon 1890
hatte am Fluß Wounded Knee in Süd-Dakota ein blutiges Massaker von US-Soldaten an
etwa 300 Sioux stattgefunden. Man wollte sich für die Niederlage General Custers am Little
Big Horn rächen.
Wounded Knee war ein Symbol geworden. Nicht von ungefähr suchten sich 1973 einige hundert
Oglala und deren Gleichgesinnte diesen Ort aus, um sich gegen die jahrhundertelange
Unterdrückung zu wehren. Sie besetzten den kleinen Ort und stießen auf erbitterten
Widerstand. Polizei, FBI, Bundesgrenzpolizei und US-Army zogen sich hier zusammen und riegelten
Wounded Knee hermetisch ab. Doch die Demonstranten gaben nicht auf und trotzten der Regierung,
die angesichts der durch den Vietnam-Krieg verursachten schlechten Stimmung im Lande nach
Wochen größter öffentlicher Aufmerksamkeit schließlich zum Einlenken bereit
war, und einen Vertrag mit den Indianern abschloß. Es blieb ein moralischer Sieg. Später
wurden rund 400 der Demonstranten von Wounded Knee unter Anklage gestellt.
Aus diesem Stoff schrieben Dean Reed und Günter Reisch die Geschichte zweier weißer
Journalisten - die Dean Reed und Renate Blume spielen sollten - welche von verschiedenen Positionen
ausgehend, angesichts der Ereignisse zu einem gemeinsamen Standpunkt finden. Dean Reed sollte mit
Unterstützung von Reisch selbt Regie führen. Er hatte bereits bei seinem Aufenthalt in den
USA wenige Monate zuvor mit eigenen Mitteln Montagesequenzen gedreht, die Skeptiker bei der DEFA
durch ihre Qualität überraschten.
"Bloody Heart" hätte ein erfolgreiches Comback für Dean Reed werden können - und
ein Film, der der Serie der historischen Indianerfilme der DEFA einen aktuellen Schlußpunkt
gesetzt hätte. Womöglich hätte der Stoff bei guter Umsetzung für Dean sogar
neue Freunde unter den Linken der USA gewonnen. Das hätten wir gern noch erfahren.
Mit freundlicher Genehmigung des Autors F.-B. Habel.
Erschienen in: Gojko Mitic, Mustangs, Marterpfähle.
Die DEFA-Indianerfilme - Das große Buch für Fans.
Schwarzkopf und Schwarzkopf, Berlin 1997
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