Concerts/Konzerte/Conciertos/концерты |
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Solidaritätskonzert in Santiago (Chile)vor Studenten der Universität am 19.08.1983 |
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<< 18.08. Rancagua << Am Tage darauf erlebte ich erneut, wie ungebrochen das chilenische Volk geblieben ist. Das war in der Universität der Hauptstadt. Dorthin waren mehr als 2.000 Studenten gekommen, um meine Lieder zu hören und, was viel wichtiger war, diese Veranstaltung zu nutzen, ihren Abscheu vor der Diktatur auszudrücken. Während ich wieder "Venceremos" sang, wurden von den Studenten und ihren Professoren unaufhörlich Transparente geschwenkt. Darauf standen Losungen wie "Tod dem Faschismus!" und "Nieder mit den Mördern!". All das ist von Fernsehteams aus den USA und Belgien gefilmt worden. Sogar die chilenische Television hatte die Veranstaltung aufgezeichnet, aber ich glaube nicht, dass man das hat senden dürfen. Nach meinem Auftritt ging es vor der Universität turbulent zu. Die Polizei griff die Studenten an und nahm eine ganze Reihe von ihnen fest. Als eine junge Dozentin bemerkte, dass es eine Gruppe von Polizisten auch auf mich abgesehen hatte, sog sie mich schnell in ihr Auto und raste wie der Teufel mit mir davon. Meine Freunde waren sehr besorgt um mich, und zwischen meinen Auftritten, bei denen mich immer wieder viele Menschen von der Polizei abschirmten, bin ich stets in irgendwelchen Wohnungen versteckt worden. Dort habe ich auch immer übernachtet, und nicht in den Hotels, wo man mich hätte leicht bespitzeln können. Ich wollte unbedingt bis Sonntag, das war der 21. August, durchhalten; denn für diesen Tag hatte mich Santiagos Erzbischof Enrique Silva, ein entschiedener Gegner Pinochets, eingeladen, in einer großen Kirche Santiagos zu singen. Das aber war dem Diktator offenbar zuviel. Am Freitagabend umstellten etwa 60 Polizisten das Haus, in dem ich mich aufhielt, und nahmen mich fest. Ich sollte dann einen Revers unterschreiben, demzufolge ich das Land für immer zu verlassen hätte. Doch die zwei Worte "für immer" passten mir nicht, und da ich wusste, dass man mich ohnehin abschieben würde, unterschrieb ich nicht. Das ging auch gut, aber dann kam doch noch eine Zeit der Angst. Als mir die Polizisten erklärten, sie würden mich nun zum Flughafen schaffen, merkte ich bald, dass der Wagen nicht dorthin fuhr. Sie schafften mich stattdessen in eine Gegend, wo keine Häuser mehr standen und kein Mensch zu sehen war. Dort blieb das Auto stehen, und für mich begann ein zermürbendes Warten. Auf meine Fragen erhielt ich immer nur wieder die lakonische Antwort, dass man auf Befehl von oben handle. Dann fuhr das Auto wieder los, um bald darauf wieder irgendwo stehenzubleiben, und das Warten begann aufs Neue. Das wiederholte sich noch ein paarmal. Erst als man mich - zweieinhalb Stunden waren indes vergangen - doch zum Flughafen fuhr, und zwar direkt zu der bereits zum Abflug bereitstehenden Maschine, wusste ich, warum man das Ganze inszeniert hatte. Keiner sollte mich mehr sehen, keiner sollte mehr Gelegenheit haben, meine Abschiebung in eine Demonstration gegen das Regime umzuwandeln. Das aber hat Pinochet nichts mehr genutzt. Nachdem ich in Peru, meiner ersten Zwischenstation auf dem Weg nach Hause, eine erste Pressekonferenz gegeben hatte, war ganz Lateinamerika aufs Neue bestätigt worden, auf welch schwachen Füßen in Chile die Diktatur steht. Später haben auch die Zeitungen anderer Länder über meine Erlebnissse im kämpfenden Chile berichtet, vor allem die der Sowjetunion, ob es nun die "Iswestija", die "Komsomolskaja Prawda" oder die "Wetschernaja Moskwa" war. Dean Reed, Aus meinem Leben. Aufgeschrieben von Hans-Dieter Bräuer; 2. aktualisierte und erweiterte Auflage; Edition Peters, Leipzig/Dresden 1984; S. 97 ff |
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