Pop100 06.02.2007 |
||||
Dean Reed: The Red Elvis!Pop, Politik und Propaganda - Wie ein smarter US-Sunnyboy zum Superstar des Ostblocks avancierteDORTMUND, 06.02.2007 (100) Von Millionen geliebt, von den Geheimdiensten kritisch beäugt. Sänger, Schauspieler, Teenie-Schwarm, Regisseur, politischer Aktivist und gelernter Cowboy. Dean Reed ist vermutlich der unbekannteste Superstar aller Zeiten. Dies gilt zumindest für den ehemaligen "Westen", denn hinter dem eisernern Vorhang und in Südamerika war Dean Reed eine Ikone, ein Pop-Idol und wurde als sozialistischer Superstar gefeiert. Inzwischen fast vergessen, rückt der 1986 umgekommene Sänger jetzt wieder in den Blickpunkt des Interesses: Unter dem Titel "The Red Elvis" widmen sich eine im Februar in die Kinos kommende Dokumentation, eine Biographie (von Stefan Ernsting) und eine CD dem 1971 in die DDR emigrierten Künstler. Die Compilation, vom exzellenten Bear Family Label liebevoll zusammengestellt, versammelt das bisher als verschollen gegoltene Frühwerk des Sängers für Capitol Records. Eine Geschichte wie direkt aus den Drehbuch-Schmieden Hollywoods und eigentlich zu fantastisch, um wahr zu sein. 1938 auf einer Hühnerfarm in Colarado geboren, arbeitete Dean Cyril Reed nach der Highschool auf einer Touristenranch in Denver, wo er die Gäste mit Cowboykunststücken und Liedern am Lagerfeuer unterhält. Seinem musikalischen Talent folgend unterschreibt er 1958 einen Vertrag bei Capitol Records und veröffentlicht sieben Singles für das Label. Die in dieser Zeit aufgenommenen Songs changieren zwischen Rock'n'Roll, Country und Teenie-Schnulzen. In den USA verhallen seine Veröffentlichungen relativ resonanzlos, aber 1960 wird die Single "Our Summer Romance" überraschend ein Hit in Südamerika. Reed nutzt die Gunst der Stunde und betourt den Kontinent, auf dem ihm kreischende Teenager zu Füßen liegen. Er strickt die Legende, dass der Song es auch in den USA bis auf Platz 2 der Charts geschafft habe. Mit dieser Fama im Rücken kann sich Reed in Südamerika, wo er ab 1962 in Mexiko, Argentinien und Chile lebte und in Teenie-Filmen mitwirkte, als Weltstar präsentieren. An diesem Punkt wird der Sänger auch als Propaganda-Instrument im Kalten Krieg interessant: Die Sowjetunion setzt in Umlauf, der "US-Star" habe aus Protest gegen den Vietnamkrieg seiner Heimat den Rücken gekehrt. Die soziale Verelendung in den Slums und die diktatorischen Regime, die Reed in Südamerika kennen lernte, führten abseits bloßer Propaganda tatsächlich dazu, dass er sich zum "singenden Freiheitskämpfer" entwickelte, was seine Popularität in ungeahnte Höhen schießen ließ. Er protestierte vor US-Botschaften, engagierte sich für die Friedensbewegung und hatte Kontakt zu Politikern wie dem oppositionellen Chilenen Salvador Allende und dem PLO-Chef Yasser Arafat. Er wurde wegen seiner politischen Aktivitäten mehrfach verhaftet, als Agent verdächtigt und es wurden Einreiseverbote gegen ihn verhängt. Nach einem Auftritt auf der Weltfriedenkonferenz 1965 in Helsinki lud ihn die UDSSR zu einem gefeierten Konzert nach Moskau ein. Popkulturell war die Sowjetunion wie der gesamte Ostblock ein Entwicklungsland, die Menschen dort gierten nach westlichen Stars wie Reed, die ein wenig Glamour in den realen Sozialismus brachten. Es folgten Auftritte im übrigen Ostblock, im Irak, Bangladesch, Afghanistan und der Mongolei. Dean Reed füllte in diesen Ländern ein absolutes Vakuum und sein Erfolg war umso größer, da er der erste westliche Star war, der sich in diese Regionen verirrte. Als die Repressionen in Südamerika weiter zunahmen, es wurde mehrfach auf ihn geschossen, ging Reed 1967 nach Italien, wo er in mehreren Spaghetti-Western, u.a. an der Seite von Yul Brynner, mitspielte. Künstlerisch war zu diesem Zeitpunkt der Zenit seiner Karriere längst überschritten, aber als Agitator und Kämpfer für Gerechtigkeit war Reed, der zeitlebens US-Bürger blieb, in der Rolle seines Lebens. Er wendete sich wieder Chile zu und drehte einen Dokumentarfilm über das Linksbündnis Unidad Popular. Diesen Film stellte er auf dem Leipziger Filmfest im Jahr 1971 vor. Auch in der DDR weckte der gutaussehende Rebell aus dem Westen Begehrlichkeiten: Man bot Reed die Hauptrolle in dem Film "Aus Dem Leben Eines Taugenichts" an. Reed, der sich zudem in Leipzig in eine Frau verliebt hatte, sagte zu und zog umgehend in die DDR. Sein größter Filmerfolg dort war der Western "Blutsbrüder", in dem der Ost-Shatterhand politisch korrekt einen Cowboy spielte, der an der Seite der Indianer kämpft. Zu diesem Streifen lieferte er auch das Drehbuch. In mehreren DEFA-Filmen führte er darüber hinaus Regie. 1981 heiratete Reed die Schauspielerin Renate Blume. Die beiden avancierten dadurch zu so etwas wie dem Brad Pitt und der Angelina Jolie der DDR. Für die Staatsoberen war der Amerikaner ein willfähriges Propagandainstrument, das sich mit ihnen ablichten ließ und auf FDJ-Feiern sang. Anfang der 80er schloss sich Reed dem Kampf gegen den chilenischen Diktator Augusto Pinochet an und unterstützte die Freiheitsbewegung in Nicaragua um Daniel Ortega, aber sein Stern war im Sinken begriffen. Der Zeitenwandel machte auch vor dem linientreuen Sänger nicht halt, der die Mauer verteidigte, selbst aber unbegrenzte Reisefreiheit genoss. Der Glaubwürdigkeitsverlust, musikalische Flops und künstlerische Stagnation stürzten den einstigen Superstar in Depressionen: Endstation Stadtfeste und Einheizer für die DDR-Schlagerparade. Am 17. Juni 1986 wurde Dean Reed tot im knietiefen Wasser des Zeuthener Sees bei Ost-Berlin von Stasi-Agenten aufgefunden. Der "rote Elvis" hatte bereits mehrere Selbstmordversuche unternommen. Gerüchte kamen auf, dass wahlweise entweder die CIA, der Mossad, der KGB oder eine eifersüchtige Frau sich des sozialistischen Stars entledigen wollten. Sein Abgang von der Bühne war selbst den DDR-Medien zu diesem Zeitpunkt nur noch eine Randnotiz wert. Die genauen Umstände seines tragischen, unrühmlichen Endes wurden nie aufgeklärt. Dean Reed wurde 47 Jahre alt. Er veröffentlichte 13 Alben, gab Konzerte in 32 Ländern und wirkte als Schauspieler in 18 Filmen mit. Posthum könnte Reed jetzt das gelingen, was ihm zu Lebzeiten nicht vergönnt war: Auch in den USA ein Star zu werden. Tom Hanks und Steven Spielberg planen das Leben des singenden Rebellen zu verfilmen. Die bereits erschienene Bear Family-CD "The Red Elvis! - The Very Strange Story Of Dean Reed" umfasst sämtliche Songs, die Reed bis 1961 für Capitol Records einspielte. Unter den 18 Tracks finden sich auch die Singles "Our Summer Romance" und "The Search", ein Song der immerhin eine Woche lang auf Platz 96 in den US-Billboard-Charts stand. Im Stile der Zeit werden hier Teenie-Balladen, swingende Schnulzen, zahmer Rock'n'Roll und Country-Einflüsse verarbeitet. Abseits des Interesses an der schillernden Person Dean Reed ist die CD uneingeschränkt für Freunde der Musik von Dion & The Belmonts, Bobby Vee, Ricky Nelson, Bobby Darin und ähnlichen Künstlern zu empfehlen. |
||||
|
||||
www.DeanReed.de
|