Sächsische Zeitung 22.07.2004

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Legenden

Der dünnhäutige Cowboy

Über zehn Jahre blieb unklar, wie der Sänger und Showstar Dean Reed starb. Jetzt ist sein Abschiedsbrief aufgetaucht, gerade rechtzeitig, ehe ein Film das Geheimnis lüftet

Von Thomas Schade

Mit "großen Hoffnungen und auch mit Träumen von einer perfekten Gesellschaft" sei er gekommen, schreibt der amerikanische Sänger und Schauspieler Dean Reed im September 1984 zum bevorstehenden 35. Jahrestag der DDR im "Sonntag", dem Wochenblatt des Kulturbundes.

Zehn Jahre zuvor war er – selbst gerade 35 Jahre – in die sozialistische Musterrepublik gekommen. In diesen zehn Jahren habe er manches von seiner "Naivität" verloren, sagt er nun. Der Sozialismus ist für Reed Mitte der 80er Jahre immer noch die bessere Gesellschaft, aber die DDR keinesfalls mehr perfekt. Außerdem steckt er selbst in einer tiefen Lebenskrise. Dabei hatten ihn Ideale und die Liebe in die DDR geführt.

Alles beginnt zur Leipziger Dokumentar- und Kurzfilmwoche 1971. Dean Reed ist eingeladen, um einen Film über Chile zu zeigen, den er mitproduziert hatte. Nach dem Film steht er mit der Gitarre auf der Bühne und bringt den Saal dazu, die Internationale zu singen. Im Publikum sitzt eine junge Lehrerin. "Es funkte sofort", erzählt die heute 62-jährige Wiebke Reed später über ihre erste Begegnung mit Dean. 1971 spricht sie kaum englisch, braucht zwei Wodka, ehe sie ihn anspricht. Dann plaudern beide lange miteinander, und am Ende soll der große schlanke Mann mit den blauen Augen sie gefragt haben: "Wollen wir von hier fliehen?" – 1973 heiraten sie.

Einiges an der Legende stimmt nicht

Der Mann mit dem Cowboy-Hut aus Denver (Colorado) kommt bestens an bei den politischen Managern im ostdeutschen Kulturbetrieb. Er gilt als einigermaßen populär in den USA, und ein singender Friedenskämpfer und Sozialist ist er noch dazu. Dass einiges an der Legende nicht stimmt, hat der Berliner Dokumentarist Stefan Ernsting heraus gefunden und in einem neuen Dean-Reed-Buch aufgeschrieben, das im November erscheinen soll.

Mit zwölf Jahren bekommt der Farmerjunge Dean seine erste Gitarre. Als Rodeo-Reiter und Sänger bessert er sein Taschengeld auf. Auf einen Spitzenplatz in den Charts schafft er es aber nur bei einem kleinen Regionalsender in Colorado. Richtig populär wird er erst in Südamerika. Dort begegnen ihm in den Elendsvierteln von Santiago de Chile zum ersten Mal Armut und großes menschliches Leid. Die Freiheitsbewegungen in den Ländern Südamerikas prägen ihn politisch. Er spielt jetzt schon mal kostenlos für Gewerkschafter und Sozialisten, protestiert gegen das Wettrüsten in den USA, wird Mitglied im Weltfriedensrat, lädt die sowjetische Kosmonautin Valentina Tereschkowa in seine eigene TV-Show nach Argentinien ein und verurteilt den amerikanischen Vietnamkrieg. Die New York Times wird ihn schließlich den "Johnny Cash des Kommunismus" nennen. Mit so einem schmückt sich die DDR gern.

1972 kann Dean Reed bei der DEFA "Aus dem Leben eines Taugenichts" drehen. Zwei Jahre später folgt "Kit & Co", eine Goldgräbergeschichte mit DDR-Starbesetzung: Manfred Krug, Rolf Hoppe, Armin Mueller-Stahl und Renate Blume, die mit Reed ein Liebespaar spielt.

Die Schauspielerin erzählt 2001 der Super illu, dass sie und Reed sich erst viel später näher gekommen seien, nach der Scheidung Deans von Wiebke Reed. "Deans romantische Art nahm mich total gefangen", erinnert sich Renate Blume. Von "unglaublicher Aufmerksamkeit" sei er gewesen. 1981 heiratet sie ihn – im weißen Kleid mit Plauener Spitze.

Im gleichen Jahr kommt Reeds Film "Sing, Cowboy sing" in die Kinos, ein Wild-West-Witz, der so gar nicht in die Reihe ernsthafter Streifen mit Gojko Mitic passt. In der DEFA wird von einer Blamage gesprochen, die Filmkritik zerreißt die Parodie, Reed selbst spricht von einer "Klamotte", glaubt sie aber gut gemacht zu haben, und die Leute schauen sie an.

Fortan bieten ihm diverse Fernsehshows und politische Festivals die Bühnen, auf denen er steht. Der Ost-Cowboy vom Dienst gehört zur unterhaltungskünstlerischen Elite des Landes und nennt Egon Krenz seinen Freund. Wegen der Anwerbungsversuche der Staatssicherheit beschwert er sich bei Honecker persönlich. Danach hat er Ruhe.

Dean Reed habe sehr wohl bemerkt, dass sich Mitte der 80er Jahre das Land veränderte, in dem er lebte, sagt Stefan Ernsting. "Er selbst aber blieb künstlerisch stehen und das merkte er nicht." In seinen letzten Auftritten im DDR-Fernsehen träumte er vom Comeback, so Ernsting, geschafft hat er es nie. Auch Renate Blume spricht in einem Interview davon, dass "Dean verschlossener, unzufriedener wurde und mit Deutschland nicht mehr klar kam". Häufig habe er von Amerika geredet und dass er zurück wollte. Aber sie wollte nicht mit.

Die Tür in die Heimat selbst zugeschlagen

Mit einem Interview im April 1986 in der legendären CBS-Sendung "60 minutes" schlägt sich Dean Reed wohl selbst die Tür in die alte Heimat zu. Im Gespräch vergleicht er US-Präsident Reagan mit Stalin und verteidigt den Bau der Berliner Mauer. Nach der Sendung erhält Reed wilde Drohbriefe und wird als Verräter beschimpft. "Übelstes Zeug", sagt Stefan Ernsting, der sie gelesen hat. Tage lang habe sich Dean Reed mit den Briefen in seinem Zimmer eingeschlossen. In dem hängt damals die USA-Flagge neben einer Lenin-Figur, Ausdruck innerer Zerrissenheit. Auch ein neues Filmprojekt mit dem bezeichnenden Titel "Bloody Heart" (Blutiges Herz) baut ihn nicht wieder auf. Vier Jahre hatte Reed um den Film über den Indianeraufstand von "Wounded Knee" 1973 gekämpft. Am 18. Juni 1986 sollten die Dreharbeiten beginnen. Doch am 13. Juni verschwindet Reed aus dem Haus in Rauchfangswerder am Zeuthener See bei Berlin, in dem er zusammen mit Renate Blume lebt. Seine Frau ruft sofort Eberhard Fensch an. Der fürs Fernsehen zuständige Abteilungsleiter im SED-Zentralkomitee war ein guter Freund von Reed. Fensch alarmiert das MfS. Das habe umgehend die Suche nach dem vermissten Star eingeleitet, erinnert sich Thomas Sindermann, 1986 Leiter der Mordkommission in Ost-Berlin.

Erst nach zwei Tagen wird Reeds weißer Lada keine zehn Gehminuten vom Haus entfernt an einem Waldweg unweit des Sees gefunden. Auf dem Sitz liegt das Drehbuch zu "Bloody Heart". 15 Seiten davon liegen auf dem Armaturenbrett. Auf der Rückseite des Papiers hat Reed seinen Abschiedsbrief geschrieben, der jetzt, 18 Jahre nach seinem Tod, für Schlagzeilen sorgt. Wiederum zwei Tage später findet die Wasserschutzpolizei Reeds Leiche im See.

Die 15 Seiten belegen nun ziemlich zweifelsfrei den Selbstmord des Künstlers. Selbst Thomas Sindermann hatte den Brief damals nicht in der Hand, wie er sagt. "Er war schon weg, als wir hinzugezogen wurden, aber ich kannte natürlich den Inhalt." Die Ermittler erfuhren von dem Streit zwischen Renate Blume und Dean Reed am Abend vor seinem Verschwinden. In dem Brief macht Reed seine Frau für seinen Freitod mehr oder weniger verantwortlich. Renate Blume schweigt bisher zu diesem Punkt.

Nach Drohungen mehrere Selbstmordversuche

Die Ermittler erfahren auch, dass der singende Cowboy schon zwei Tage vor seinem Verschwinden versucht hatte, sich die Pulsadern aufzuschneiden. Die Leichenschau bestätigt das später, aber die Schnitte sind nur oberflächlich. Vermutlich hatte ihn der Mut verlassen. Das ergibt sich auch aus seinem Abschiedsbrief. Die Gerichtsmediziner stellen als Todesursache "am ehesten Ertrinken unter toxischer medikamentöser Beeinflussung" fest. Er hatte eine Überdosis Beruhigungsmittel geschluckt, eher er im knietiefen Wasser ertrank. Stefan Ernsting berichtet in seinem Buch von weiteren Selbstmordversuchen. "Da gab es unglaubliche Szenen", deutet er an.

Weil die menschliche Tragödie eines Friedenskämpfers wie Dean Reed nicht ins Bild passte, erklärt Honecker persönlich den Selbstmord zur Geheimsache. In den Traueranzeigen ist von einem "tragischen Unfall" die Rede. Geglaubt haben das die wenigsten, sagt Thomas Sindermann. Dafür tauchten Gerüchte auf vom Selbstmord und sogar von einem Mordkomplott.

Erst 1990 lässt der letzte DDR-Innenminister Peter-Michael Diestel den Fall nochmals untersuchen, das Ergebnis wird nur tröpfchenweise bekannt. Anfang der 90er Jahre tauchen erste Auszüge aus dem Abschiedsbrief auf. Seit sich Hollywood-Star Tom Hanks 2003 die Filmrechte an der Dean-Reed-Story gesichert hat, rufen nun immer neue Geschichten die Erinnerung an den einstigen DDR-Star wach. Dabei ist heute sogar dessen Grab verwaist, denn 1991 hat seine Mutter die sterblichen Überreste ihres Sohnes in die USA überführen lassen.

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Letzte Änderung: 2011-10-25