Märkische Allgemeine 25./26.09.2010

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Genosse Rockstar

Schicksal. Nur noch wenig erinnert in Potsdam an Dean Reed, der auszog im Sozialismus das Glück zu suchen

Spurensuche: Wie heißt die "Dean-Reed-Schule" heute? Und wo lernte der fesche Mime die Kniffs der Foto-Profis?

Von Ildiko Röd

Ob er das Volkslied vom Lindenbaum gekannt hat? Möglich wär's, obwohl Dean Reed - auch bekannt als "roter Elvis" - während seiner 14 Jahre in der DDR wohl eher sozialistisches Liedgut zu höre kriegte. Aber wahrscheinlich hätte er, der stets Suchende, diese sehnsuchtsvollen Strophen gemocht: "Nun bin ich manche Stunde/ Entfernt von diesem Ort/ Und immer hör ich's rauschen:/ 'Du fändest Ruhe dort'".

Ein Baum wurde am 1. September 1987 - dem Weltfriedenstag - auch in Potsdam gepflanzt; zu Ehren des Sozialisten mit amerikanischem Pass, der sich für den Frieden stark machte und Frauenherzen schwach. Es war ein Friedensbaum vor einer Schule am Schlaatz. Honoratioren standen Spalier, als die Polytechnische Oberschule "Dean Reed" an der Alten Zauche eingeweiht wurde. Im Bericht in der "Märkischen Volksstimme" hieß es: "Nadine Thieme, Schülerin einer dritten Klasse, sang das Lied von der kleinen weißen Friedenstaube." Damals war Dean Reed bereits ein Jahr Tod. Selbstmord. Ertrunken im Zeuthener See.

"Heute", sagt Wiebke Reed am Telefon, "wäre sein Geburtstag. Der 22. September. 72 Jahre wäre er geworden." Eigentlich hatte sie sich zuerst gar nicht äußern wollen über den Mann, der ihre große Liebe war, den sie 1973 heiratete und mit dem sie sieben Jahre zusammenlebte. Aber dann beginnt sie doch - nach kurzem Zögern - zu erzählen. Ihre Stimme ist warm, voller Emotion. "Er hätte das Wetter heute geliebt; ein typischer Indian Summer Day." "Indianer-Sommer": so nennen die Amerikaner diese Tage mit seidigblauem Himmel und fast unwirklichen Farben. Wiebke Reed erzählt von Deans großer Naturliebe. Von den gemeinsamen Waldspaziergängen, die sie von ihrem Haus am Zeuthener See aus unternahmen. Immer mit dabei: Sharik ("Kügelchen"), der Wolfshund, den Dean aus Moskau mitgebracht hatte.

Roter Romeo: Für Wiebke übersiedelte Dean in die DDR

Kennengelernt hatten sie sich 1971 beim Leipziger Dokfilmfestival. Wiebke: eine junge Lehrerin, verheiratet. Dean: der ebenfalls verheiratete Sänger und Schauspieler aus dem Wildwest-Bundesstaat Colorado, dem der Klassenkampf sicher nicht in die Wiege gelegt worden war. "Sein Vater", erzählt Wiebke Reed, "war Lehrer für Mathematik; seine Mutter hatte eine Hühnerfarm." Später machte sie noch ein Soziologiestudium - die soziale Ader dürfte er eher von ihr als vom streng konservativen Vater gehabt haben. Zunächst verlebt Dean aber die Jugend eines "All-American-Boy", eines Vorzeige-Jungen: Zum "Schüler der Woche" wird er mal gewählt. Schlagzeilen macht er, als er einen Wettlauf gegen ein Maultier gewinnt. Beim Meteorologie-Studium schreibt er nebenbei Songs. Irgendwann nimmt er einen Anhalter mit, der ihm - so die Legende - den Kontakt zu "Capitol Records" vermittelt. Es hätte der klassische "American Dream" sein können, wäre Dean nicht zu einer Tournee durch das von sozialen Gegensätzen geprägte Südamerika gestartet. Sie war der Auslöser für die Bekehrung des amerikanischen Sunnyboy-Saulus zum glühenden Sozialismus-Paulus. 1971 war er bereits ein hochverehrter Friedensaktivist. Dass er aber endgültig in ein sozialistisches Land übersiedelte, war der Romantik geschuldet. Wiebke Reed: "Nach Leipzig haben wir oft telefoniert; ich Englisch radebrechend. Im Sommer 1972 war er dann für die Dreharbeiten zum Film 'Aus dem Leben eines Taugenichts' in der DDR - da entstand die Idee, dass er ganz herkommt." Herbst und Winter dieses Jahres verlebten sie im Potsdamer Interhotel, heute "Mercure". Während Dean kulturelle Erfahrungen machte ("Sauna kannte er nicht"), schrieb er am Drehbuch für den Film "Blutsbrüder", den er später mit Gojko Mitić drehte. Wiebke bastelte an der deutschen Rohfassung. Dass er bei der Defa mit offenen Armen aufgenommen wurde, habe Dean wohlgetan, sagt sie. In Hollywood hatte er nie Fuß gefasst.

"Blutsbrüder": Das war auch das erste Dean-Reed-Erlebnis von Leopold Grün. Damals war der Dokumentarfilmer - geboren in Dresden; heute in Berlin lebend - ein Teenager. Klar, sagt er, das sei ein schöner Indianerfilm gewesen. "Aber Dean Reed war damals sicher nicht mein Idol. Das war für mich jemand, der mit der Staatsführung kuschelte." Erst als ihn vor einigen Jahren ein Freund aus dem Westen nach Dean Reed fragte ("Wer war eigentich dieser komische Ost-Cowboy?"), war das der Auslöser für Grün, das Klischeebild zu hinterfragen. Er stürzte sich in ein Dokfilm-Abenteuer, das dank einer respektgebietenden Rechercheleistung fünf Jahre dauerte. In Chile stöberte er sogar noch ein paar jener Bergarbeiter auf, vor denen Reed in den 80ern aufgetreten war.

Aber auch Prominente erzählten ihm ihre Erinnerungen. Isabel Allende Bussi berichtete etwa von der Vereidigung ihres Vaters Salvador Allende - Reed war Gast gewesen. Ein Interview mit Yassir Arafat war schon angebahnt, als der PLO-Führer plötzlich starb. Arafat und Reed hatten sich auch 1971 beim Leipziger Dokfilm-Festival kennengelernt - klar, dass ein Besuch im Nahen Osten folgte, bei dem sich Reed mit umgehängtem Maschinengewehr ablichten ließ. Manches bei diesen Touren um den Globus dürfte vom Geltungsdrang eines öffentlichkeitsgeprägten Menschen beflügelt gewesen sein. Haupttriebfeder - das bestätigen auch Grüns Interviewpartner wie der Schauspieler Armin Mueller-Stahl - war aber sein sehr authentisches Anliegen. Auch Grün sieht den Sänger mittlerweile vielschichtiger. Dieser habe sich engagiert, wohl wissend, dass er sich dadurch jede Karrierechance in seiner alten Heimat verbaut. Seine Vision, für die Demokraten im Bundesstaat Colorado zu kandidieren - ein Tagtraum.

Umso enttäuschter war er, als er Mitte der 80er Jahre merkte, dass ihn die Anhänger von Perestroika und Glasnost nicht wirklich für voll nahmen. Auch die Ehe mit der Schauspielerin Renate Blume, die er nach der Trennung von Wiebke geheiratet hatte, lief nicht gut. Genauso wie seine Karriere. In dieser Phase lernte ihn der Potsdamer Fotograf Michael Utech näher kennen. "Reed wollte einen Film über die berühmte Schlacht zwischen der US-Armee und den Indianern am 'Wounded Knee' drehen - seine Rolle war die eines Fotoreporters am Kriegsschauplatz." Utech sollte ihm die Foto-Profi-Handgriffe beibringen. "Er war ein lieber kleiner Mensch." Körperlich keineswegs groß, aber von riesiger Herzlichkeit. Und ohne Star-Getue. Das "Wounded Knee"-Projekt entwickelte sich denkbar schlecht. Gedreht werden sollte in der Ukraine, doch nach der Reaktor-Katastrophe von Tschernobyl zogen sich die amerikanischen Filmpartner zurück. "Er war depressiv", so Utechs Einschätzung. Ihm fielen Deans einbandagierte Handgelenke auf.

Blickt Wiebke Reed zurück, sieht sie vor allem eins: "Einen sehr mutigen Mann." Einen, der Grenzen nicht als gegeben hinnahm. Am Ende des Gesprächs erzählt sie, wie ihr Deans Mut - trotz der Trennung - zur Inspiration wurde. Mit viel Einsatz und Kraft hat sie eine Schauspielagentur in Berlin aufgebaut.

Wird Tom Hanks seinen Dean-Reed-Film je realisieren?

Vor einigen Jahren wollte US-Star Tom Hanks das Leben von Dean Reed verfilmen. Er hatte sich die Rechte gesichert. Doch bis jetzt harrt das Projekt mangels Geldgebern der Realisierung. Geplanter Titel war "Comrade Rockstar", Genosse Rockstar.

Die Dean-Reed-Schule hat ihren Namen Anfang der 90er Jahre abgelegt. Heute befindet sich hier eine Schule mit dem sonderpädagogischen Förderschwerpunkt Lernen. Welcher der Bäume hier der "Friedensbaum" von 1987 ist? Die Leute zucken mit den Schultern: "Friedensbaum? Dean Reed? Keine Ahnung."

INFO

Am 25.9., 15 Uhr, gibt es ein öffentliches Dean-Reed-Treffen im Breitband e.V., Saarmunder Str. 66. Leopold Grüns Film "Der Rote Elvis" ist bei www.amazon.de erhältlich.

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Letzte Änderung: 2010-10-01