Tournee durch Südamerika |
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Ankunft in Santiago de Chile im März 1961 |
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Schon der Empfang auf dem Flughafen von Santiago de Chile ist so, wie ihn Dean sich in seinen Träumen vorgestellt hat. Der Zöllner, der Passkontrolleur, der Mann, der die Impfausweise zu begutachten hat - sie alle scheinen sich fast dafür entschuldigen zu wollen, dass gewisse Formalitäten nun einmal unumgänglich sind. Und die hübschen Hostessen, die überall im Flughafengebäude herumschwirren, werfen dem jungen Mann mit dem freundlichen Gesicht schwärmerische Blicke zu. Dean hat einen Empfang, wie er ansonsten nur Personen zuteil wird, die das Zauberwort VIP auf den Kofferzetteln tragen. Eine "very important person", eine sehr bedeutsame Persönlichkeit zu sein, das dürfen nur Diplomaten, Bankmagnaten und arrivierte Weltstars in Anspruch nehmen. Doch all das wird übertroffen von dem, was Dean vor dem Flughafengebäude erwartet. Tausende von Menschen drängen sich, ihn zu sehen. Lautstark rufen sie immer wieder seinen Namen. Das Auto mit dem temperamentvoll Gefeierten kann sich kaum seinen Weg bahnen, obwohl es von einer Motorradeskorte der Polizei begleitet wird. Vor Deans Wagen fährt ein Übertragungswagen des chilenischen Rundfunks. Die Ankunft des Publikumslieblings wird direkt übertragen. Die Reporter sagen an, welche Straßen als nächstes erreicht werden. Das ist für die Menschen, die in den Wohnungen an den Durchfahrtsstraßen Radio hören, das Signal, an den Straßenrand zu stürzen, aus den Fenstern zu winken. Das Hotel, in dem Dean wohnen wird, steht an dem Platz vor der Moneda, dem Präsidentenpalast. Dort drängen sich wieder Tausende von Menschen, winken, rufen, schreien. Dean kommt mit Mühe in das Hotel, und auch dann gibt die Menge noch keine Ruhe. Dean, völlig erschöpft, aber glücklich, muss noch oft aus dem Fenster seines Zimmers winken. Als er am nächsten Tag zum erstenmal zu Aufnahmen in die Rundfunkstudios fährt, ist die Szenerie die gleiche. Wieder kann sich sein Auto nur Meter für Meter vorwärts bewegen. Da kommt es zu einem Zwischenfall. Der Chauffeur drückt die Menschen mit dem Kühler beiseite, rücksichtslos schafft er sich Bahn. Dean ist empört. Als er im Funkgebäude ankommt, sagt er als erstes, dass er mit diesem Mann nicht mehr fahren werde. "Ich erinnere mich an diese Episode deshalb so genau, weil ich Jahre später, als ich wieder in Chile war, erfahren musste, dass jener Chauffeur - Zamora hieß er - bei einer ähnlichen Gelegenheit einen Menschen überfahren hat. Er war sofort tot. Das ist passiert, als die Einwohner Santiagos den Sänger Paul Anka umjubelt haben." Dean geht künftig zu Fuß ins Rundfunkstudio, das nicht weit vom Hotel entfernt ist. Doch er brauch lange, dorthin zu kommen. Mühsam bahnen ihm Polizisten den Weg. Am nächsten Tag liest er in der Zeitung, dass es 58 waren. Dean ist in Chile ein Star. Aus dem bunten Journalen, die in großer Auflage über die Welt des Show-Business berichten, ist er nicht wegzudenken. In den Hitlisten steht er neben so großen Namen wie Elvis Presley, Paul Anka, Ray Charles, Frank Sinatra und Cliff Richard. Meist steht er ganz vorn, nicht selten sogar an erste Stelle. Er ist begeistert von der Atmosphäre in Santiago. Überall pulsiert das Leben. Die Restaurants und Cafés der Stadt scheinen Tempel der Lebensfreude zu sein. Das ist eine Welt, die Dean an die Tage in Kalifornien erinnert, nur dass hier alles unverfälschter, herzlicher, natürlicher wirkt. Überall wo er auftaucht, wird er um Autogramme gebeten. Das passt in das freundliche Bild. Dean hat für jeden ein nettes Wort, wenn er seine Autogramme gibt. Er betrachtet das nicht als lästige Pflicht. Er mag die Menschen, und er ist glücklich darüber, dass sie ihn mögen. Von großen Schautafeln leuchtet in grellen Farben sein Name und sein Bild: das Bild eines sympathischen jungen Amerikaners. Dean freut sich auf seine Konzerte. Er freut sich darauf, wie er sich einst darauf gefreut hat, in den kleinen Restaurants seiner Heimatstadt Denver singen zu können. Zwar hatte er inzwischen begriffen, dass auch das Showbusiness eine scharf kalkulierende Industrie ist, abe damit hat er wenig zu tun. Es ist Aufgabe seiner Manager, sich um das Geschäft zu kümmern. Südamerika, das ist für Dean vorerst eine Welt mondäner Hotels, exklusiver Nachtklubs, von Palmen beschatteter Swimmingpools, eleganter Limousinen, schöner Frauen, begeisterter Fans. Ihm gefällt Südamerika. Wenn er die Zeitungen aufschlägt, die mit großen Lettern seine Auftritte feiern, denkt er nicht an die Dollars, die er damit verdient hat. Er ist jung, er hat Ideale. Er ist Sänger und kein Buchhalter. Zur gleichen Zeit wird in den Büros der "Capitol"-Manager sehr exakt gerechnet. Ausgaben und Einnahmen werden genau miteinander verglichen. Unter dem Strich kommt ein dickes Plus heraus. In den internen Bestsellerreports, die der Schallplattenfirma Woche für Woche zugehen, dominieren unter den am besten verkauften Platten die von Dean. Auf den weißen Häusern schillern des Abends bunte Leuchtreklamen. In allen Farben des Spektrums schreit es in die Tropennacht: Coca Cola, Wrigley's Chewing Gum, Chrysler, Esso, Caltex. Es leuchten die Symbole der Welt des Kapitals. Der Name Dean Reed fügt sich gut ein.
Dean Reed, Aus meinem Leben. Aufgeschrieben von Hans-Dieter Bräuer; 2. aktualisierte und erweiterte Auflage; Edition Peters, Leipzig/Dresden 1984; S. 25 f |
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Beiträge auf der Dean-Reed-Website:
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www.DeanReed.de
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