Freies Wort 28.03.1980

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Ein singender, streitbarer Cowboy aus Colorado

Dean Reed wurde am 22. September 1938 im amerikanischen Bundesstaat Colorado geboren. Bei der Filmgesellschaft Warner Brs. besuchte er zwei Jahre das Schauspiel-Studio. Mit einundzwanzig Jahren verließ Reed die USA, ging nach Chile und Peru als Sänger. Ab 1964 stand er in mehreren spanischen und italienischen Filmen als Hauptdarsteller vor der Kamera. Seit 1973 lebt Dean Reed in der DDR. Seine Filme: "Aus dem Leben eines Taugenichts" (1973), "Kit & Co" (1974), "Blutsbrüder" (1975) und "El Cantor" (1978). Frühzeitig engagierte er sich in vielen Ländern der Welt für die Sache der Unterdrückten, ging mit Protestsongs auf die Straße. Den fortschrittlichen Kräften in Chile fühlte Dean Reed sich besonders verbunden. Aktiv nahm er am Wahlkampf für Dr. Salvador Allendes Unidad Popular teil. Bei seinen Gastspielen in sozialistischen Ländern wurde Dean Reed für sein kämpferisches und solidarisches Auftreten mehrfach mit Friedenspreisen ausgezeichnet.

Welches Lied war Ihr erster großer Erfolg?

"Romanze im Sommer", und es kam bei der größten Schallplatten-Firma Amerikas als meine dritte Platte heraus. Dieses Lied wurde auf Anhieb ein gewaltiger Erfolg. Dann machte ich eine Tournee durch Südamerika und bin dann fast vier Jahre in Südamerika geblieben. Diese Zeit hat auch mein Leben verändert, denn wenn man in diesem Teil der Welt lebt, wo noch achtzig Prozent aller Menschen Hunger leiden, muss man auch als Liedersänger einen festen politischen Standpunkt beziehen. In Argentinien brachte mich die Militärregierung dafür hinter Gitter. Man muss wissen und es auch öffentlich verkünden, auf welcher Seite, auf der der Ausbeuter oder der Ausgebeuteten, man steht.

Wo finden Sie die Ideen für eine Show?

Ich bin Amerikaner. Das ist meine Mentalität, auch meine Art mich künstlerisch auszudrücken. So wurde "Der Mann aus Colorado" eben eine Art von amerikanischer Show. Ich wollte etwas anderes als das, was bisher in Shows gezeigt wurde. Ich wollte alles live mit Orchester machen - man bekommt bei Playback keinen richtigen Kontakt mit dem Publikum, - und als Mitwirkende meine Freunde einladen. So kamen Kati Kovacz aus Ungarn und Phil Everly aus Hollywood. In einer Show gibt es normalerweise kein Miteinander und Füreinander der Solisten. Bei meiner Show sind alle Mitwirkenden auf der Bühne geblieben, wenn einer von uns gesungen hat, sind wir dabei gewesen und haben Gitarre gespielt. So kam auch eine gute Mischung von Rock'n' Roll, Blues, Country, Pop, Swing und Schlager zusammen.

Sie stellen auch unbekannte Gesichter und Stimmen vor die Kameras und Mikrofone, Gerda Gabriel und Stefan Diestelmann wären da als Beispiele zu nennen. Was veranlasst Sie dazu?

Jeder, der einmal Glück hat, berühmt und bekannt zu sein, hat die Verpflichtung, anderen Künstlern zu helfen. Ich glaube, das geschieht bei uns noch nicht allzu oft. Verständlich, wer eine Show machen kann, nimmt dazu nur bekannte Leute. Da ist ihm der Erfolg garantiert. Ich wollte junge begabte Leute vorstellen. Und ich glaube, alle waren schließlich mit diesem Fernsehdebüt zufrieden. Plötzlich hieß es: Wer ist dieses junge Mädchen? Ja, Gerda Gabriel ist sehr talentiert. Auch der Blues-Musiker Stefan Diestelmann hat in unserer Republik und gleichfalls in der ČSSR viele Fans.

Eine Ihrer zahlreichen Reisen führte Sie 1979 in die entferntesten BAM-Siedlungen der UdSSR. Wie viel Tage waren Sie da unterwegs?

Ich war eingeladen vom ZK des Komsomol, die Leute an der BAM kennen zu lernen. Es sollte ein Urlaub werden. Die Gitarre könnte ich aber ruhig mitbringen, hieß es. Ein Urlaub ist es dann nicht geworden, denn ich habe zwei- bis dreimal täglich gesungen. Aber diese Neunzehn-Tage-Reise war sehr interessant für mich. Ich war Cowboy in Colorado, und Sibirien hat mich sehr an mein Land erinnert. Die Leute, die diese gewaltige Baikal-Amur-Magistrale erbauen, haben mir sehr imponiert. Arbeiten sie doch unter schweren Bedingungen. Bis zu 60°C Kälte müssen sie im Winter aushalten. Sie sind aufgeschlossen und emotionell. Als ich ein trauriges Lied über meine Mutter sang, habe ich wirklich diese harten Männer auch weinen sehen. Zuerst sind wir mit dem Zug durchs weite Sibirien gefahren. Tausende Kilometer nur Wald, Taiga, riesige Flüsse. Dann sind wir in einen Hubschrauber gestiegen. In die entlegensten Dörfer, wo uns manchmal nur 100 Einwohner erwarteten, sind wir mit Schiern gefahren. Ich sang aber auch vor 35.000 Menschen in einem Fußballstadion.

Sie sind "studierter" Sänger?

In Amerika habe ich Meteorologie studiert, danach zwei Jahre ein Hollywood-Studio absolviert. Musik habe ich nicht studiert.

Sie nannten sich selbst einmal einen Sänger von Liebesliedern. Womit begründen Sie das?

Es gibt auch in der DDR eine Art, mit der ich nicht einverstanden bin. Da wird jeder Künstler sozusagen in einen Kasten hineingetan, und dann sagt man, das ist ein Opern-Sänger, das ist ein Jazz-Sänger, das ist ein Schlager-Sänger, das ist ein Pop-Sänger und so weiter. Und dann muss er natürlich auch in diesem Kasten bleiben, der ihm vielleicht lange schon zu eng geworden ist. Das Leben ist doch vielseitig, und die Menschen sind es auch. So sage ich immer, ich bin ein Sänger von Liebesliedern. Ein Lied für meine Tochter, ein Lied über meine Mutter, ein Lied, mit dem ich eine schöne Frau besinge, das sind alles Liebeslieder. Und wenn ich ein Lied für das chilenische Volk singe, ist es auch ein Liebeslied.

Ihre dritte Langspielplatte "Mein Lied für Dich" ist jüngst erschienen. Was bringt diese Neues?

Neben anderen habe ich zwei politische Lieder für die PLO geschrieben. Ein Lied "My song for you" ist ein Gruß an meine Tochter in Berlin. Zurzeit produziere ich in Prag bei SUPRAPHON eine LP: "Dean Reed singt Rock'n'Roll".

Sie spielten bislang in dreizehn Filmen. Gibt es neue Pläne dieser Art?

Der geplante Film, eine Western-Komödie mit dem Titel "Die Cowboys", wird das größte Projekt meines Lebens. Ich schreibe das Szenarium, bin Regisseur und einer der Hauptdarsteller. Mit Václav Neckář als Partner will ich einen populären Lustspielfilm machen.

Sie kannten den chilenischen Volkssänger Victor Jara persönlich?

Chile war mein zweites Heimatland und Victor mein Freund. Der faschistische Putsch 1973 war die größte Tragödie meines Lebens. Danach habe ich überall in der Welt politische Konzerte gegeben.

Als Sie 1978 an amerikanischen Universitäten Ihren Film "El Cantor" vorstellen wollten, wurden Sie verhaftet. Weshalb?

In der Universität von Minnesota hatte eine fortschrittliche Organisation diese Vorführung vorbereitet und bat mich anschließend an einer friedlichen Demonstration für die Rechte der Farmer teilzunehmen. Mitten auf einem Feld wurden wir von Polizisten umringt. Ich hatte als letzter gesungen, zwanzig Leute wurden willkürlich mit mir verhaftet. Wir begannen im Gefängnis von Buffalo sofort mit einem Hungerstreik. Ein Hungerstreik ist wirkungsvoll, wenn die internationale Presse darauf eingeht, was hier der Fall war. Nach elf Tagen, wobei ich siebzehn Pfund abgenommen habe, bekamen wir unseren Prozess. Drei Tage später waren wir frei. Die Richter sagten zwar, wir seien unschuldig. Aber diese schnelle Erkenntnis war nicht zuletzt die Folge der großen internationalen Solidarität.

Wie groß ist die Kampfkraft von Liedern?

Alle Arten von Liedern können etwas tun. Es gibt Lieder, die Mut machen, und es gibt Lieder, die Freude geben. Ein Mensch kann nicht immer nur kämpfen. Ich glaube, Kunst muss einfach da sein, damit der Mensch besser werden kann. Man muss mit Liedern lachen, aber auch weinen können.

Warum lohnt es sich, in der DDR zu leben und zu arbeiten?

Ich bin in die DDR eigentlich ganz zufällig gekommen. 1971 war ich mit einem Dokumentarfilm über Chile zur Internationalen Dokumentar- und Kurzfilmwoche nach Leipzig eingeladen worden. Dort habe ich eine Frau kennen gelernt und mich in sie verliebt. 1972 drehte ich hier den DEFA-Film "Aus dem Leben eines Taugenichts". Wieder ein Jahr darauf nahm ich als Gast an den Weltfestspielen teil. Ich bin Marxist, kannte aber bis dahin nur die Theorie. So, dachte ich, hier ist für dich eine Gelegenheit, den Sozialismus in der Praxis kennen zu lernen. Mein größter Wunsch wäre es natürlich, in meinem Heimatland zu leben. Es gibt in den USA eine "Schwarze Liste". Der Name Dean Reed steht darauf. Mein Rechtsanwalt hat jetzt einen Brief bekommen, aus dem hervorgeht, dass vom FBI ein Prozess gegen mich vorbereitet wird. Klar ist, wenn ich nur einen Fuß auf amerikanischen Boden setze, werde ich wieder verhaftet. Ich war fünfmal im Gefängnis, und es wird mir sicher niemand verübeln, wenn ich dem Land, das solche Erlebnisse für mich bereithält, noch aus dem Wege gehe. Zu Ihrer Frage möchte ich sagen, dass ich besonders dem DDR-Volk und seiner Regierung danke, weil ich hier ein zweites Heimatland gefunden habe.

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Letzte Änderung: 2011-05-24