Süddeutsche Zeitung/SZ Magazin Nr. 44, 02.11.1990

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Warum starb Dean Reed?

Ein amerikanischer Sänger, der 1958 neben Sinatra und Elvis in den Hitlisten stand, gibt seine Glamour-Karriere auf, siedelt in die DDR um und wird dort zum "Johnny Cash of Communism". Am 12. Juni 1986 fand man seine Leiche in einem See bei Berlin. Der Fall ist bis heute nicht geklärt.

Von Rainer Schmitz und Günter Linke (Photos)

Dean Reed war bereits vier Tage tot, als man ihn am 12. Juni 1986 fand. Die Rettungsmannschaft fischte ihn aus dem Zeuthener See südlich von Berlin, etwa drei Kilometer von seinem Mietshaus entfernt. Wie es hieß, trug er einen Strick um den Hals, als man ihn hinter dem Steuer seines Autos vom Grund des Sees holte. Hatte er sich das Leben genommen? War er, wie gemunkelt wurde, mit Rauschgift vollgepumpt oder das Opfer einer Politintrige?

Es gab dann immer wieder Ereignisse, die Schlussfolgerungen in diese oder jene Richtung zulassen. Da waren zuerst die Medien der einstigen DDR, die sich für Sonderbarkeiten nie zu schade waren. Ein Nachruf auf einen Westernschauspieler, Regisseur und Drehbuchautor, Country-, Pop- und Rocksänger, groß aufgemacht am 18. Juni 1986 auf Seite zwei des SED-Zentralorgans Neues Deutschland, fiel dann allerdings erheblich aus dem Rahmen. Und nur wenige Tage darauf wurde von den Trauerfeierlichkeiten für den "bei einem tragischen Unglücksfall ums Leben gekommenen" amerikanischen Staatsbürger Dean Reed in einem Umfang und in einem Tenor berichtet, der selbst hochrangigen Parteiveteranen nicht zugestanden wurde.

Der Sonnyboy und waschechte Cowboy, der sein Ende ausgerechnet unter dürren Kiefern in märkischem Sand fand, hatte in der Zeit des Kalten Krieges die Front von West nach Ost gewechselt. Er deklarierte laut vernehmlich seinen Glauben an das Gute im Menschen und daran, dass er in der DDR "die einzige Gesellschaftsordnung" gefunden habe, die "wirklich einen realen und dauerhaften Weltfrieden auf unserem Planeten bewirken" könne. Dean Reed war ein Politromantiker, wie er im Buche steht. Dennoch hielt sich der Träumer die Tür zu einem Nottreppchen frei: Brav ging er nämlich einmal im Jahr zur amerikanischen Botschaft in Ostberlin, ließ seinen Pass verlängern und füllte die Steuererklärung aus. Er zahlte auch regelmäßig monatlich 300 Dollar Unterhalt an seine in den USA lebende Tochter aus erster Ehe. Auf diese Bindung wollte er niemals verzichten.

"Ich bin als Cowboy geboren. Schon als Kind bin ich geritten. Ich brauchte nur meinen Cowboyhut aufzusetzen und zu singen." So zeichnete sich der am 22. September 1938 geborene Reed in einem ausführlichen Gespräch selbst. Der Sohn eines Lehrers aus Denver, Colorado, hatte schon früh heftige Neigungen zu Pferdemähnen und zum Rodeo. Dem Drill einer Kadettenanstalt, in der er nach dem Wunsch des Vaters zum Offizier der US-Army ausgebildet werden sollte, hielt der Zehnjährige allerdings nicht stand; seitdem gab es Probleme zwischen den beiden. Lieber träumte Dean und begleitete sich selbst auf der Gitarre, mit der er sich dann das Meteorologiestudium finanzierte.

Er hatte natürlich, wie so viele seines Alters, eine Hollywood-Karriere im Kopf, die Laufbahn eines Superstars. Und irgendwie hatte er Glück dabei. Reed erzählte von einem alten Mann, den er eines Tages in seinem Auto mitgenommen habe. Der sagte ihm, wenn er ihm für eine Nacht ein Hotelzimmer in Hollywood bezahle, mache er ihn mit einem Schallplattenproduzenten bekannt. Reed bezahlte das Zimmer, machte schon anderntags Probeaufnahmen bei Capitol und bekam einen Plattenvertrag für sieben Jahre in die Hand gedrückt. Kurz darauf stand er auch bei Warner Bros. unter Vertrag und lernte hier in kleinen Rollen alles, was man zum Handwerk des Filmschauspielers braucht.

Das war 1958. Einen richtigen Erfolg erreichte er dann drei Jahre später mit dem Titel Our Summer Romance. Sein Name stand in allen Charts, gleich neben Elvis Presley, Frank Sinatra, Ray Charles, Cliff Richard, Neil Sedaka und Paul Anka. Noch 1961 ging Reed auf Tournee durch Chile, Brasilien, Argentinien und Peru. Zwischen 1962 und 1966 avancierte er zu einem der populärsten Sänger Lateinamerikas. Seit dieser Zeit lebte er nicht mehr in den USA.

Zuerst, sagte Reed, sei das Erlebnis der Armut in Südamerika für ihn schockierend gewesen. "Ich habe immer gedacht, wir Amerikaner schicken so viel Geld nach Chile, das ist gut. Aber es kommt ja gar nicht bei den Armen an..." Häufiger nahm er nun zu politischen Ereignissen öffentlich Stellung. Er begann für die Gewerkschaft zu singen, für die Friedensbewegung; er setzte offene Briefe in die Zeitung gegen Chruschtschow und gegen Kennedy, gegen Atomtests in Ost und West, nahm Kontakt zu oppositionellen Kräften Südamerikas auf.

Während sich seine Manager und Agenten dabei immer unwohler fühlten, beobachteten ihn die Russen mit zunehmendem Wohlwollen. Vor allem, als er im März 1971 den gerade mit dem Nobelpreis ausgezeichneten sowjetischen Schriftsteller Alexander Solschenizyn angriff, lief die Propagandamaschine an. Das Vorfeld dafür war gut bereitet. Seit 1966, als er zum ersten Mal in der Sowjetunion auftrat, galt er hier als Superstar, von Fans und Autogrammjägern verfolgt und umringt, wo immer er sich aufhielt. Für die Russen war der "berühmteste Amerikaner" eine wahre Offenbarung.

Mit Rock-'n'-Roll-Sound und Country-Music sang er sich nun in den nächsten Jahren zwischen Magdeburg und Wladiwostok zum "Golden East Bloc superstar, the Johnny Cash of Communism" (New York Times) empor. "Ich war der erste Rock- und Pop-Sänger in der Sowjetunion. 58 Polizisten waren nötig, mich vor den Fans zu schützen. Wie in Südamerika", erinnerte Reed sich nicht ohne Stolz.

Diese Auftritte auf der anderen Seite es Eisernen Vorhangs hatten schwerwiegende Folgen. Die Militärjunta in Argentinien, wo Reed damals lebte, wies ihn kurzerhand aus. Er ging jetzt mit Frau und Tochter nach Europa, wo er für einige Jahre in Italien Fuß fasste. Zwischen 1967 und 1970 drehte er hier acht Filme. Neben Anita Ekberg, Nadja Tiller und Yul Brynner vor der Kamera zu stehen, war nicht ohne Bedeutung für Dean Reed. Doch Geschichte machten diese Filme nicht gerade. Es war die Blütezeit der Pasta pistoleros, der Italo-Western und seichten Mantel-und-Degen-Streifen, die vor allem Geld einspielen sollten. Bemerkenswerteste Äußerung Reeds über diese Zeit: "Ich brauchte nur mich selbst zu spielen."

Eben focht er noch als Zorro für Recht und Freiheit, spielte in dem Reißer Der Tod klopft zweimal neben Adolfo Celi und schrieb entsprechende Titelsongs, schon verfasste er Protestbriefe an Staatsmänner in Ost und West, verdammte den Krieg in Vietnam, das Wettrüsten und verurteilte den Einmarsch der Warschauer Truppen in Prag. Reed war naiv, er glaubte an die Wirkung von Resolutionen und Appellen. Vom Protestsong gegen Totalitarismus jeder Couleur war es dann für ihn nur noch ein kurzer Weg zum indifferenten sozialistischen Lobgesang.

Seit 1972 lebte Reed in Ostberlin. Es war aber keine Flucht aus dem Westen, kein Bruch mit seiner Herkunft. Später beteuerte er zwar, dass es Liebe zu der blonden Dessauerin Wiebke gewesen sei, die ihn in die DDR gezogen habe. Eine plausible Erklärung, warum Reed in die DDR ging, wissen selbst seine engsten Freunde nicht zu geben. Auffallend war nur, wie heute ein Mitarbeiter Reeds böse bemerkt, dass er "überall solange machte, bis er rausflog".

Die Parteipropagandisten bastelten ihm eine erstaunliche Karriere: Er wurde zum internationalen Star und zum antiamerikanischen Widerstandskäumpfer aufgebaut. Ab jetzt war Dean Reed nur noch der beliebte amerikanische Volksschauspieler, der wegen seines mutigen Eintretens für Frieden und Sozialismus von der USA-Regierung als Staatsfeind auf die schwarze Liste gesetzt worden war. Man schmeichelte seiner Eitelkeit mit lukrativen Aufträgen und hochrangigen politischen Funktionen. Und Dean hat das alles mitgemacht - und auch auszunutzen gewusst.

Immer wieder wunderten sich seine Kritiker und selbst seine Freunde darüber, dass er sich als erkläter "Protestsänger" gerade in einem Land niederließ, in dem die progressiven Künstler unterdrückt und außer Landes getrieben wurden. Die Biermann-Petition von 1976, in der zahlreiche Künstler gegen die Ausbürgerung des Liedermachers protestierten, unterschrieb Dean Reed nicht. Er war, so wird später über ihn gesagt, gar nicht so uneigennützig, wie er sich selbst immer gern sah: Der Exodus namhafter Schauspieler und Sänger konnte seine Position in der DDR nur stärken. Er spürte wohl schon, wie sein künstlerischer Stern in umgekehrtem Verhältnis zu seinem politischen Engagement sank.

Je mehr er sich nämlich mit der Macht arrangierte, einen Platz im Friedensrat der DDR und beim kommunistisch gesteuerten Weltfriedensrat oder beim Komitee für Unterhaltungskunst hielt, desto mehr entfernte er sich von seinem Publikum. Seine Schallplatten blieben liegen, die Kinos waren oft leer, wenn seine Filme liefen. Reeds Auftritte bei den Songfestivals, bei "Rock für den Frieden" etwa, wo er auch gemeinsam mit Udo Lindenberg auftrat, oder den Festivals für das politische Lied hatten etwas Demonstratives bekommen und blieben ohne größere Resonanz. Dem Pathos des Helden ohne Furcht und Tadel war die Luft ausgegangen.

Sein politisches Engagement verkam zuletzt völlig, und seine Existenz in der DDR gestaltete sich immer mehr zu einer Selbstinszenierung. Das hieß bei ihm: Drehbuch - Dean Reed; Regie - Dean Reed; Hauptrolle - Dean Reed. Er zeigte sich fast nur noch mit Stetson, Halstuch und Cowboystiefeln. Wie kein anderer hatte er sich zu einem willfährigen Propaganda-Instrument degradiert. Dean Reed wusste das ("Lügen, alles Lügen!") und hat dennoch weitergemacht.

Seinen künstlerischen Niedergang versuchte er durch merkwürdige Filmskripte aufzuhalten. Wurden diese von den Produzenten abgelehnt, ihm förmlich um die Ohren gehauen, ging er zu seinem Duzfreund Kurt Hager, dem betonköpfigen Ideologie- und Kulturpapst der SED, beschwerte sich - und schon wurden ihm bei der DEFA alle Weichen gestellt. Auf diese Weise bekam der "Friedenskämpfer" die unglaublichsten Projekte durch, was ihn nicht gerade beliebt machte. In seinen Filmen, etwa Kid und Co, Blutsbrüder oder Sing, Cowboy, sing, blieb Dean Reed als Drehbuchautor, Regisseur und Schauspieler weit unter dem Durchschnitt. Diese Filme wurden selbst von der Kritik in der DDR als Steifen für völlig Anspruchslose bezeichnet.

Einmal allerdings gelang ihm ein künstlerisch überzeugender Film. El Cantor von 1977 ist die Geschichte des von der Junta ermordeten chilenischen Nationalsängers Victor Jara. Reed kannte ja Chile, das für ihn "das Land der Unidad Popular" blieb, sehr gut. Später meinte er mal, dass er schon ein bisschen zu Allendes Wahlsieg beigetragen habe: Bei der Amtseinführung des Präsidenten gehörte er dann zu den Ehrengästen.

Während seines letzten Aufenthalts in den USA, im Oktober 1985, äußerte er zum ersten Mal, dass er Heimweh habe. Es war gerade das Jahr, das ein erstes scharfes Gerangel um die Nachfolge Honeckers brachte. Verbunden damit waren auch Weichenstellungen in der Kulturpolitik. War Reed in diesen heftigen Turbulenzen klargeworden, vielleicht auch deutlich gemacht worden, was man eigentlich von ihm hielt? Ging ihm spätestens hier auf, wozu er sich hatte einspannen lassen?

Einer seiner ersten Regisseure in der DDR, der heute in München lebende Celino Bleiweiß, sagt, es sei schon peinlich gewesen: Reed habe alles gemacht und nichts gekonnt. Nach und nach zogen sich beinahe alle von ihm zurück. Es blieben die ewigen Profiteure in seinem Schatten und die sechzehnjährigen Mädchen... Da habe Reed öfter vom Tod gesprochen. In einer seltsamen Mischung aus kommunistischen und christlichen Versatzstücken, die Reeds Denken bestimmten, soll er sich mehr und mehr an der Christusfigur orientiert haben.

Die Umstände seines Todes sind bis heute ungeklärt oder verschwiegen worden. Gab er sich aus Eifersucht auf seine dritte Ehefrau, die ihn bereits einige Wochen zuvor verlassen haben soll, den Freitod? Andererseits: Wie kann sich ein Selbstmörder noch mit dem Strick um den Hals ins Auto setzen und in den See fahren? Freunde, wie der tschechische Sänger Václav Neckář, waren überzeugt, dass Reed ermordet worden sei. Es hielt sich zudem hartnäckig das Gerücht, Agenten des Staatssicherheitsdienstes hätten ihn beseitigt. Er, der als einziger Amerikaner Träger des Komsomol-Lenin-Preises war (sowie einer stattlichen Zahl anderer staatlicher Kunstpreise des Ostblocks), hätte die Rückkehr in den Westen geplant und damit das Bild des isch in der DDR wohl und heimisch fühlenden US-Bürgers ehrlich gestört. Die DDR-Diplomatie bereitete gerade einen Honecker-Besuch in den USA vor. Und da habe seine eher beiläufig wirkende Äußerung, er habe Heimweh nach Amerika, erheblich gestört. Seine Managerin Dixie Lloyd: "Als er nach Ostberlin zurückkehrte, wurden ihm auf einmal ungewohnte Schwierigkeiten in den Weg gelegt." In seinem letzten Anruf habe er gesagt: "Ich habe Angst."

Nur wenige Monate nach Reeds Tod, im November 1986, wurde die Vermutung erneut erhärtet, dass Reed einer Politintrige zum Opfer gefallen war. Anlass: Im Neuen Deutschland erschien ein weiterer sehr ungewöhnlicher Nachruf. Professer Dr. Hans Koch - als Mitglied des Zentralkomitees der SED war er Direktor des Instituts für marxistisch-leninistische Kunst- und Kulturwissenschaft bei der Akademie für Gesellschaftswissenschaften beim ZK der SED -, so teilte die Parteiführung offiziell mit, habe "im Zustand von Depressionen" Selbstmord begangen. Diese Meldung erregte ungewöhnliche Aufmerksamkeit. Denn nach dem Konvent der Partei war es absolut unüblich, die Todesursache mitzuteilen. Es ließ sich zudem nicht vertuschen, dass Koch bereits seit dem Sommer vermisst worden war, etwa seit der Zeit, da man auch Reed tot auffand.

Ein Jahr darauf, im Sommer 1987, hatte die Tochter Dean Reeds, die in den USA lebende Ramona, in Los Angeles Klage gegen die DDR eingereicht. Sie forderte von Ostberlin 2,5 Millionen Dollar Schadenersatz. "Ich möchte nur wissen, wie mein Vater gestorben ist", erklärte sie. "Da waren so viele Dinge, die nicht stimmten, so viele Widersprüche."

"Ja, diese Angelegenheit...", Gerrit List, der einstige Produktionsleiter und enge Freund von Dean Reed, der kürzlich noch als einer der Direktoren die Filmgesellschaft DEFA vor dem Ruin zu retten versuchte, ist erstaunt über das Interesse an Reed. Er ist skeptisch. Man habe, sagt er dann, "keine Hinweise auf Gewaltanwendungen" finden können (er vergisst zu erwähnen, dass Reeds am Ufer gefundenes Auto Blechschäden aufwies). List weiß zwar, dass Reed stets größere Dosen Schlafmittel einnahm, aber da er mehrere Tage im Wasser lag, hätte die Obduktion auch in dieser Hinsicht keinen Aufschluss gebracht. Nur eines sei für ihn undenkbar, dass Reed so einfach ertrunken sein soll. Schließlich, sagt er, war er stets gut trainiert. Als Siebzehnjähriger hatte Reed einen Supermarathon von 176 Kilometern in 2.000 Metern Höhe in 22 Stunden durchgestanden. Und auch die Stunts hätte er in seinen Filmen meist selbst gemacht.

Gerrit List weiß noch heute genau, wie Reed ihn am Tage vor seinem Verschwinden angerufen hat: Reed wollte mit ihm reden. Das war abends um zehn. Als Reed dann weit nach Mitternacht immer noch nicht da war, ist er ärgerlich schlafen gegangen. Das sei das letzte gewesen, was er von ihm gehört hätte.

Reed war ein Mann, der im Mittelpunkt stehen musste und der ohne den Beifall unsäglich litt. Er brauchte das Spektakel, sagt Gerrit List. Politisch habe er sich aber in den letzten Jahren nicht mehr so konform gehalten. Das hätte seine Rolle umstritten gemacht. So habe er sich zunehmend mit Politgrößen der DDR angelegt, etwa mit Günter Jahn, dem SED-Statthalter von Potsdam. In Parteikreisen hätte man etwas scheel auf ihn geblickt.

Im Frühjahr 1986 hatte Reed die Vorarbeiten für einen neuen Film beendet, für den er das Drehbuch geschrieben hatte und auch Regie führte. Er sollte Bloody Heart heißen und sich mit den mysteriösen Ereignissen bei Wounded Knee im Jahre 1973 beschäftigen. Reed war plötzlich in erhebliche Nöte geraten. Das Filmteam sollte Mitte Juni 1986 zu den Dreharbeiten auf die Krim fahren. Wenige Wochen zuvor, im April, gab es die Katastrophe von Tschernobyl. Als jetzt nach und nach die Berichte über das wirkliche Ausmaß der radioaktiven Verseuchung bekannt wurden, sprang eingroßer Teil der angeheuerten amerikanischen Schauspieler ab. Auch der Co-Regisseur Günter Reisch wollte nun nicht mehr mitmachen. Alles schien sich damals gegen Reed zu wenden. Auch in seiner dritten Ehe mit der Schauspielerin Renate Blume gab es immer Streit und heftige Auseinandersetzungen. Beide seien stets aufeinander sehr eifersüchtig gewesen, heißt es bei allen, die die beiden kannten. Es wird von einem demonstrativen Selbstmordversuch Reeds kurz vor seinem Verschwinden gesprochen. Er versuchte, sich im Beisein von Freunden mit einem großen Buschmesser die Unterarme aufzuschlagen. Es soll viel Blut geflossen sein.

Später, als sein Tod bekannt war, bekam ein Anruf Reeds in der Unterhaltungsredaktion des Fernsehens eine ganz andere Gewichtung. Dort habe er in der Woche vor seinem Verschwinden mit Selbstmord gedroht, weil er nicht mehr genügend mit Aufträgen bedacht wurde. Diese Aufträge brachten ihm jene Devisen, mit denen er seine Verpflichtungen in den USA erfüllen konnte. Im Fernsehen der DDR gegen Devisen zu arbeiten war übrigens ein Privileg aller in der DDR arbeitenden ausländischen Künstler gewesen.

Dann gab es da noch die ominöse Drohung seines Vaters, er werde sich aus Scham und Zorn umbringen, wenn Dean je wieder in die USA käme. Bereits 1982 hatte Reed eine Grabstelle in Ostberlin gekauft und einen Stein für die "Eheleute Reed" setzen lassen. Seiner Aussage nach wollte er damit symbolisch seinen endgültigen Heimatort im Leben und im Tode festlegen.

Reichlich makaber ist die Geschichte von Reeds Einäscherung. Zu den Trauerfeierlichkeiten waren nicht nur Familienangehörige, seine Mutter, seine erste Frau Patrica und Tochter Ramona, seine zweite Frau Wiebke und Freunde aus den USA angereist. Auch die offiziellen Vertreter des Ministeriums für Kultur, des Komitees für Unterhaltungskunst und des Friedensrates waren wie die DEFA-Mitarbeiter zahlreich im Krematorium Berlin-Baumschulenweg erschienen; sie fanden viele hehre Worte. "Ich habe noch niemals soo viele schöne Mädchen auf einer Beerdigung gesehen", sagt ein Teilnehmer. Die Feierlichkeiten wurden jäh gestört. Will Roberts, der amerikanische Regisseur, der 1985 einen Film über seinen Freund Reed gedreht hatte (American Rebel), stand auf und sagte in hohem Pathos: "Dean liebte doch den Beifall, und wir liebten ihn!" Und er begann zu klatschen. Zuerst waren alle peinlich berührt, doch dann erhoben sie sich und applaudierten ergriffen mit. Dean Reed wurde unter Ovationen eingeäschert.

Der Mitarbeiter des Polizeipräsidiums in der Ostberliner Keibelstraße ist misstrauisch. Ja, er erinnere sich genau, sagt er, dass Dean Reeds mysteriöser Tod damals Aufsehen erregte. Er kann (oder will?) sich jedoch nicht erinnern, dass die Staatssicherheit darin verwickelt gewesen sei. Allerdings, räumt er nach kurzem Nachdenken mit bedeutendem Blick ein: "Bei einem Mann wie Reed wird sie schon im Hintergrund die Ermittlungen überwacht, wenn nicht gar selbst gefürt haben." Dass die Staatssicherheit dann großen Wert auf die Unfallvariante gelegt und sämtliche Angehörigen einschließlich Reeds geschiedener Frau darauf vergattert hatte, davon weiß er nichts.

Die Akte Reed ist bis heute nicht freigegeben.

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Letzte Änderung: 2012-02-09