The rebel/Der Rebell/El rebelde/борец сопротивления |
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Argentina/Argentinien/Аргентина |
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"(...) Wenn man nach Südamerika fährt, man muss blind sein, nicht die Ungerechtigkeit sehen zu können. Es gibt nur zwei Klassen. Eine, die, vielleicht 20%, die total privilegierte ist, und die anderen 80%, die wirklich in Armut und Elend leben mit Hunger. Und ich habe immer diesen Widerspruch gesehen. Ich hatte immer 2 Arten von Verträgen. Meine Verträge waren, abends zu singen in den größten Night-Clubs. Und diese Night-Clubs waren nur für die reichsten Leute. Aber dann am Sonnabend oder Sonntag ist man in die Fußballstadien gegangen und da waren z.B. 20.000 von den Ärmsten. Weil dann, wenn es 20.000 sind, können sie weniger bezahlen und immer noch den Künstler bezahlen. Und es war so ein Kontrast und Widerspruch zwischen diesen zwei Klassen. Ich als Amerikaner habe das zuerst einmal gesehen und ich war geschockt. Und ich..., dann, danach sucht man die Wahrheit Schritt für Schritt und sagt, warum ist das, wie kann das sein, dass es so viel Elend gibt und zur selben Zeit so viel Reichtum auf der anderen Seite. Und dort bin ich ein Revolutionär geworden. Aber sehr langsam, ist klar. Die Wahrheit kommt sehr langsam zu einem. (..) (...) Wenn du in Südamerika bist, das erste Mal habe ich auch gemerkt, was für einen Amerikaner ein großer Schock ist: wir glauben in Amerika, die ganze Welt liebt uns, und dann plötzlich fährt man nach Südamerika, wo man in jedem Land "Yankee, go home" sieht, und man sagt zuerst einmal: warum? Ich bin sympathisch. Auf einer Seite sind meine Konzerte voll, aber irgendwie schreiben sie: "Yankee, go home". Es ist ganz klar, sie meinen nicht die Künstler, die aus den USA kommen. Wieder war zu versuchen, diesen großen Kontrast zu verstehen. Warum haben sie die Amerikaner gehasst? Und es gibt einen Grund. Es ist ganz klar, dass diese privilegierten Gruppen nur an der Macht bleiben können, so lange sie die Militär-, ökonomische und politische Hilfe aus den USA haben, gegen den Willen des Volkes. Und das musste ich verstehen. Das ist nicht einfach für einen Amerikaner, das erst einmal zu verstehen. (...)" Aus einem Interview des Berliner Rundfunks vom 7. Oktober 1982 |
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1965"(...) als ich in Argentinien war. Ich habe ein Jahr in Argentinien gelebt und gearbeitet. Dort habe ich Alfredo Varela kennen gelernt. Alfredo Varela ist der Präsident der argentinischen Friedensbewegung, ein Schriftsteller. Jetzt hat er inzwischen auch den Leninpreis bekommen. Er ist ein großer Freund geworden und hat mich an die Hand genommen und in die Friedensbewegung gebracht. Ich bin in der Kulturkommission, wie du gesagt hast. Sie hat 26 Mitglieder, einer von jeder Nation. Ich bin von der USA. Früher z.B. war Pablo Neruda aus Chile einige Zeit dabei. David Siqueiros, der Maler aus Mexiko, war bei uns. Aus der DDR ist Hans-Peter Minetti. Einige Jahre haben wir am meisten für Vietnam gearbeitet und auch für Chile. Heute, ist klar, das größte Problem der Welt ist, den Frieden zu behalten. Das ist jetzt unsere Hauptaufgabe. (...)" Aus einem Interview des Berliner Rundfunks vom 7. Oktober 1982 |
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1966"(...) Wirklich, eine schöne Frau (Valentina Tereschkowa; Anm. d. Red.) und eine sehr phantastische Frau, charmant. Aber ich kann etwas erzählen von Valentina. Wir haben ein Interview gedreht für meine Show in Argentinien. Am Ende unseres Interviews habe ich sie geküsst im argentinischen Stil, im südamerikanischen Stil. Du weißt, man küsst in Südamerika die Frau auf die Wange. Na ja, sie ist rot geworden, sie ist total rot. Man sieht das auf dem Film. Und in Moskau, da war ein großer Friedenskongress. Es war voll mit Leuten, bevor das angefangen hat. Und Valentina war auf dem Podium da vorne. Und ich wollte zu Valentina gehen, nur um "Guten Tag" zu sagen, und vor allen Leuten hat sie mich wirklich genommen und sie hat mich geküsst, wo ich rot geworden bin, und sie hat gesagt, das ist die Rache. (...) (...) Das war vielleicht ein erstes Problem meines Lebens. Ein politisches Problem mit meiner Botschaft und auch mit den politischen Leuten in Argentinien. Ich habe dieses Interview, ich habe niemanden gefragt, ich habe das in meiner Fernsehshow gezeigt einen Sonnabend. Ich hatte jeden Sonnabend eine Fernsehshow. In der nächsten Woche ist die Geheimpolizei bei meinem Haus erschienen und sie haben mich in ihr Büro gebracht und, ich werde es nie vergessen, da war eine Tür, auf der oben steht: PRO SOWJET. Und ich bin reingebracht worden und sie haben gesagt, wie viel haben sie bezahlt, dass du das gezeigt hast? Und bist du ein Agent vom Kreml? Und am Ende wurde ich 1966 aus Argentinien rausgeschmissen, weil der Staat gesagt hat, dass ich ein Risiko für die Sicherheit der Nation bin. (...)" Aus einem Interview des Berliner Rundfunks vom 7. Oktober 1982 |
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Schüsse auf Deans HausIm Jahre 1965 strahlt das argentinische Fernsehen jeden Sonnabendabend Punkt neun Uhr die Dean-Reed-Show aus. Das ist eine Sendung, wie sie die Argentinier lieben. Einer ihrer Lieblinge singt neue Lieder, äußert seine Meinung über Dinge, die alle interessieren, und stellt Leute vor, die im Gespräch sind. Es ist eine jener Sendungen, die von der Persönlichkeit eines Mannes leben. Ein solcher Mann wird in den Vereinigten Staaten Entertainer genannt. Das heißt Unterhalter. Und zu unterhalten, und zwar mit Niveau, darauf kommt es Dean an. Er ist in dieser Sendung nicht nur Sänger, sondern auch Conférencier und Moderator, ja, wenn man so will, auch Journalist. Eines Tages stellt Dean einen Menschen vor, den er kurz zuvor in Europa kennengelernt hat. In dem kurzen Filmstreifen, den er mitgebracht hat, interviewt er eine Frau, die in Argentinien sofort Furore macht. Mehr noch: Diese Frau wird zu einer Sensation. Sie ist in der Sowjetunion zu Hause und die erste Frau, die den Erdball aus einem Raumschiff betrachtet hat: Valentina Tereschkowa. Die Fernsehzuschauer sind begeistert. So hatten sie sich eine Kommunistin nicht vorgestellt. Zu lange waren auch in ihrem Land die Bürger der Sowjetunion als "gefährliche Rote" verteufelt worden, denen man nicht über den Weg trauen könne. Und da leuchtet plötzlich das Bild einer charmanten, sympathischen Russin vom Bildschirm, die so ganz anders ist als die Kommunisten aus den gehässigen Propagandastreifen der bürgerlichen Meinungsmacher, eine Frau, die gewagt hat, was noch keine vor ihr wagte und hat wagen können. In Argentinien war nach vielen Jahren diktatorischer Regimes mit dem bürgerlichen Reformisten Arturo Illía ein Mann auf den Präsidentenstuhl gekommen, der eine demokratische Politik zu betreiben versucht. Dieser Politiker hat die Verträge mit den großen US-amerikanischen Erdölmultis gekündigt, die das Land knechteten, ja, er hat sogar das Verbot der Kommunistischen Partei aufgehoben und bemüht sich um die Normalisierung der Beziehungen zur Sowjetunion und zu anderen sozialistischen Ländern. Die in sich zerstrittene argentinische Reaktion hat das schlucken müssen. Doch eine "Rote" wie Valentina Tereschkowa auf dem Bildschirm - das geht zuweit, das ist kommunistische Propaganda, das muss unterbunden werden. Am Tag nach der Sendung erscheinen bei Dean Reed Beamte der politischen Polizei. Höflich, aber bestimmt wird er zum Mitkommen aufgefordert. In einem Büro der Geheimpolizei, über dessen Tür die Worte "Pro Soviet" stehen, wird er einem regelrechten Verhör unterzogen. Die Fragen sind beleidigend. "Hat Moskau Sie für diese Sendung bezahlt?" fragen die Profispitzel. "Wieviel haben Sie kassiert?" Dean verwahrt sich energisch gegen die plumpen Anschuldigungen. Die Beamten müssen klein beigeben. Die Situation im Lande erlaubt ihnen nicht, Dean Reed zu verfolgen. Es ist nicht die Zeit für eine antikommunistische Hexenjagd. Doch hinter den Kulissen werden politische Rowdys mobilisiert, um Dean aus dem Lande zu graulen. Das Haus in Buenos Aires, in dem er wohnt, ist etwa eine Autostunde von der Innenstadt entfernt. Es liegt in einem zu abendlicher Stunde wenig belebten Vorort. Die Einfamilienhäuser stehen nicht sehr dicht beieinander, die Kontakte zu den Nachbarn sind locker geknüpft. Eines Abends, Dean ist gerade von Fernsehaufnahmen nach Hause gekommen, zerreißt plötzlich der peitschende Knall von Gewehrschüssen die Stille. Im Haus splittern Fensterscheiben. Dean muss in Deckung gehen, kann gerade noch das Telefon erreichen, um die Polizei zu informieren. Dean denkt an einen ganz gewöhnlichen Raubüberfall. Immerhin wohnen in dem Viertel nicht wenige supperreiche Leute. Doch seltsam, der Polizist am Apparat ist reserviert, uninteressiert, stellt umständlich alberne Fragen. Und noch immer knallen Schüsse. Erst als das Spektakel die Nachbarschaft aufgeweckt hat, verschwinden die unsichtbaren Schützen. Der Spuk ist vorbei. An ihn erinnern nur noch leere Fensterrahmen, knirschendes Glas, Einschusslöcher in den Wänden. Dean ist kein ängstlicher Mann. Er legt sich schlafen. Am nächsten Morgen erst, Dean will gerade das Haus verlassen, erscheint ein Vertreter der bewaffneten Staatsgewalt. Er kommt nicht mit Blaulicht und heulenden Sirenen, sondern ganz schlicht auf einem Fahrrad. Verschwitzt und erschöpft von der Strampelei will der einsame Polizist ein Protokoll aufsetzen. Dean, den viel Arbeit erwartet, winkt ab. Er hat den nächtlichen Vorfall fast vergessen. Aber als er abends nach Hause kommt, sieht er in die Mündungen von Gewehren. Vier abenteuerlich aussehende Gestalten haben sich vor seinem Haus postiert. Doch es passiert nichts. Die jungen Leute sind Mitglieder einer linksgerichteten Organisation. Sie erklären, sie seien zu seinem Schutz gekommen. Am Abend zuvor, das seien keine gewöhnlichen Kriminellen gewesen, sagen sie, sondern bezahlte Killer. "Denken Sie an Ihre letzte Fernsehshow", meint der eine, "dann verstehen Sie vielleicht, warum man die geschickt hat." Als Dean seinen Wagen in die Garage fahren will, erkennt er, dass die jungen Leute recht haben. An die Garagentür sind mit roter Farbe Hammer und Sichel gemalt worden. Zwei Monate lang ziehen die vier jeden Abend auf Wache. Und das nicht umsonst. Noch ein paarmal knallen nachts Schüsse. Auch Dean und seine Frau Patricia haben sich Pistolen zugelegt. Sein Haus ist zu einer Festung geworden. Erst als die Angelegenheit selbst in der reaktionären Presse Wellen zu schlagen beginnt, hören die Überfälle auf. So einfach lässt sich Dean nicht mundtot machen. Außerdem hat die argentinische Regierung andere Sorgen. In den Kasernen der Armee gehen seltsame Dinge vor sich. Hohe Generale treffen sich zu geheimen Gesprächen. Versiegelte Befehle wandern in die Tresore der Truppenchefs. Die Regierung des Präsidenten Illía ist den Reaktionären im Inland wie ihren Hintermännern in Washington unbequem geworden. der nächste Putsch wird programmiert. Ein Jahr später, Ende Juni 1966, wird Arturo Illía davongejagt. Ein gewisser General Ongania übernimmt die Macht. Da erinnert sich die Reaktion auch wieder des unbequemen Sängers und Schauspielers. Im Einverständnis mit den Diplomaten Washingtons wird er ausgewiesen.
Verhaftung in Buenos AiresFünf Jahre nach seiner Ausweisung aus Argentinien, Dean hat seinen Wohnsitz unterdes in Italien genommen, kehrt er zurück in das südamerikanische Land, dessen Volk er so liebt, dass er es nicht vergessen kann. Er ist bestürzt, als er davon erfährt, dass unter der Militärdiktatur alle fortschrittlichen Organisationen verboten und ihre Mitglieder mundtot gemacht worden sind. General Ongania hat sogar ein Antistreikgesetz erlassen. Doch all dies ist auf den entschiedenen Widerstand der argentinischen Demokraten, vor allem der Arbeiter, gestoßen. Am 30. Mai 1969 war es trotz allen Terrors sogar zu einem Generalstreik gekommen, nachdem die Polizei in der Industriestadt Córdoba mit der Waffe gegen demonstrierende Arbeiter vorgegangen war. Dean hatte es nicht in Rom gehalten; nachdem er viermal vergeblich versucht hat, legal nach Argentinien einzureisen, kommt er im Juni 1971 auf abenteuerliche Weise über Uruguay nach Buenos Aires. Im Büro eines befreundeten Rechtsanwalts gibt er eine Pressekonferenz, die über vier Fernsehkanäle und fast alle Rundfunkstationen gesendet wird. Er erklärt den zahlreich erschienenen argentinischen Journalisten, dass sich viele Menschen in aller Welt mit dem Kampf der argentinischen Demokraten solidarisch erklären. In einer Erklärung Dean Reeds heißt es:
Dean ist sich darüber im klaren, dass er Repressalien ausgesetzt sein wird. Aber er glaubt daran, dass sein Eintreten für die Rechte des argentinischen Volkes dem Kampf gegen die Militärdiktatur Auftrieb verleihen wird. Schließlich ist er in Argentinien trotz mehrjähriger Abwesenheit ein bekannter Mann geblieben. Nach wie vor werden seine Schallplatten gespielt, ertönt seine Stimme aus dem Äther. Noch am Tag der Pressekonferenz, zwei Stunden danach, wird er auf offenen Straße verhaftet und ins Gefängnis Vila Devoto gebracht. Einer der Geheimpolizisten kennt Dean aus der Zeit, als der Schauspieler versucht hatte, legal einzureisen. Damals war er beauftragt worden, die Abschiebung des Amerikaners zu überwachen. "Hallo, Dean", sagt der Polizist, "ich habe geahnt, dass wir uns noch einmal wiedersehen." Das ist nicht gehässig gesagt und nicht böse gemeint, insgeheim ist er ein Freund der Lieder des Amerikaners. Sechzehn Tage lang ist Dean ohne Verbindung zur Außenwelt. Erst als es gelingt, einen Brief herauszuschmuggeln, der in einer großen Zeitung veröffentlicht wird, erfährt die Öffentlichkeit von den gegen ihn vorgebrachen Anschuldigungen. Dean wird subversiver Handlungen bezichtigt. Das macht den Skandal nur noch größer. Dean kommt in die Abteilung eines Gefängnisses, wo es außer ihm kaum einen politischen Gefangenen gibt. Offenbar erhofft sich das Regime von den Kriminellen, dass sie den mutigen Amerikaner drangsalieren. Doch das Gegenteil ist der Fall. In einem Gespräch mit Dean entschlüpft dem Direktor die Bemerkung, dass sich die Hälfte der 800 Insassen gemeldet habe, um mit Dean sprechen zu können. Früh gibt es nur Tee und einen Kanten Brot, mittags und abends Bohnensuppe. Nachts ist es kalt in den Zellen, weil in den Fenstern die Scheiben fehlen, und die Decken sind dünn. Dean sitzt in einer Einzelzelle, und er bekommt keine Arbeit. Erst nach mehrfachen Beschwerden darf er wenigstens die Gänge säubern. Er wird von der Außenwelt isoliert, nur der Rechtsanwalt und ein Freund dürfen ihn besuchen. Doch die Vertreter der argentinischen Öffentlichkeit, die den Mut haben, ihre Stimme zu erheben, vergessen Dean nicht. In dem großen Magazin "Siete Dias" erscheint ein auf abenteuerliche Weise zustande gekommenens Interview. Darin erklärt Dean noch einmal, was ihn zu seinem spektakulären Schritt bewogen hat. Er sagt, dass nur eine sozialistische Gesellschaftsordnung der Welt den Frieden und soziale Gerechtigkeit bringen könne. Nach 21 Tagen Haft wird Dean freigelassen. In zahlreichen Protstschreiben hatten argentinische Schauspieler gegen die Einkerkerung des amerikanischen Kollegen protestiert. Den Protesten hatte sich auch die Gewerkschaftsbewegung angeschlossen. In einem Brief aus dieser Zeit, unterschrieben von José Rucci, dem Generalsekretär der CGT Argentiniens, heißt es: "Ich umarme Sie herzlich, und Sie sollen wissen, dass diese Umarmung ein Symbol dafür ist, dass Sie das ganze argentinische Volk umarmen möchte." Dean Reed, Aus meinem Leben. Aufgeschrieben von Hans-Dieter Bräuer; 2. aktualisierte und erweiterte Auflage; Edition Peters, Leipzig/Dresden 1984; S. 43 ff |
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Deans Lebenslauf |
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Weiterführende Informationen
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