Berliner Zeitung 21.07.2004

zurück/back

Er kam, sang, siegte. Und verlor.

Der Sänger und Schauspieler Dean Reed siedelte aus den Vereinigten Staaten in die DDR über. Dort brachte er sich 1986 um. Er hinterließ einen Abschiedsbrief

BERLIN, im Juli. Die Geschichte hat alles, was ein Hollywoodfilm braucht: Am 13. Juni 1986 findet die Volkspolizei im Süden Berlins im Auto eines Amerikaners einen mysteriösen Abschiedsbrief; ein paar Tage später die dazugehörende Leiche. Der Brief ist an "meinen Freund und Genossen Eberhard Fensch" gerichtet, Fernsehzuständiger im Zentralkomitee der SED. Er landet bei Erich Honecker, der sperrt ihn in den Tresor. Selbst die hinterbliebene Ehefrau bekommt ihn jahrelang nicht zu sehen. Offiziell gibt es den Brief nicht, die Medien der DDR sprechen von einem tragischen Unglücksfall. Spekulationen gibt es viele. War es wirklich ein Unglück? Selbstmord? Oder Mord? Hatte die Stasi ihre Hände im Spiel? Beseitigte sie einen Mann, der der DDR unangenehm geworden war, weil er sie verlassen wollte?

Der tote Amerikaner im See ist Dean Reed. Er kam Anfang der siebziger Jahre in die DDR, da war er in Teilen der Welt schon ein Star. In Südamerika hatte er mit seinen Liedern Elvis Presley und Frank Sinatra in den Hitparaden von der Spitze verdrängt. Doch er will mehr als diesen Erfolg. In Südamerika sieht er das Elend der dritten Welt. Er beginnt, für Gewerkschaften zu singen, demonstriert gegen Atomtests und den Vietnamkrieg. Nach dem Sieg der Unidad Popular in Chile nimmt er als Ehrengast an der Amtseinführung Salvador Allendes teil. Er tritt in der Sowjetunion auf, wird begeistert gefeiert und ist selbst begeistert von der Herzlichkeit. Die Sowjets heften ihm später den Lenin-Preis an die Brust. Er nennt sich nun einen Marxisten. Die New York Times nennt ihn den "Johnny Cash des Kommunismus".

Der Angebetete

1971 kommt Dean Reed erstmals zum Dokumentarfilmfestival nach Leipzig. "Als er da auf der Bühne stand", schreibt eine Zeitzeugin später in der Wochenpost, "sein 'We are the Revolutionaries' sang und die Zuschauer im Capitol dazu brachte, mit geballten Fäusten 'Hoch die internationale Solidarität' zu skandieren, da konnte er sich vor Anbetung kaum retten. Männer und Frauen waren hingerissen vom Charme dieses Traumrevolutionärs aus Amerika, der aussah wie ein Simultanbild aus James Dean und John F. Kennedy."

Eine junge Frau verliebt sich augenblicklich in ihn und er sich in sie. Zwei Jahre später heiraten die beiden, bekommen ein Kind. Dean Reed lebt nun in der DDR. Seine Möglichkeiten scheinen ihm unbegrenzt. Er dreht Filme, unter anderem über das Leben des chilenischen Sängers Victor Jara, singt vor großem Publikum, hat eigene Shows. Und behält seinen amerikanischen Pass. Er verliebt sich in die Schauspielerin Renate Blume, lässt sich scheiden und heiratet wieder.

Anfangs geht es gut. Aber bald beginnt sein Stern zu sinken. Er ist als Sänger, Schauspieler, Regisseur nicht gut genug, als dass der Mythos ewig halten kann. Er ist kein Johnny Cash. Die Kritiker zerreissen seinen Film "Sing, Cowboy, sing". Und das naive revolutionäre Pathos Dean Reeds beginnt den Leuten gleichgültig zu werden. Neue Helden kommen. Auch aus dem Westen. Manche singen inzwischen auf den Bühnen der DDR.

Dean Reed spürt, dass ihm nicht mehr alles zufliegt wie früher. Ohne den gewohnten Jubel beginnt der graue Alltag der DDR zu nerven, die Enge, die Mühsal. Eheprobleme kommen dazu. Er beginnt, sich nach dem blauen Himmel Kaliforniens zu sehnen, gerät immer tiefer in die Krise, die zu mehreren Selbstmordversuchen führt.

Geschrieben wurde immer wieder mal über den Lebensweg dieses Mannes. Aber seit der Hollywoodstar Tom Hanks vor zwei Jahren angekündigt hatte, das Leben Dean Reeds zu verfilmen, ist das Thema hochaktuell.

Die Bild-Zeitung veröffentlichte jetzt Reeds Abschiedsbrief, schreibt von einem der größten Geheimnisse, das endlich gelüftet sei, von einer Sensation. Das ist übertrieben. Seit Jahren ist klar und öffentlich, dass es kein "tragischer Unglücksfall", sondern Selbstmord war. Eberhard Fensch, der Empfänger des Briefes, hatte seinerzeit offenbar eine Kopie behalten, sie aber bisher nicht veröffentlicht - vielleicht um Dean Reed und Renate Blume zu schützen. Aber in Zeitungen wurde immer wieder aus dem Brief zitiert. Selbst Bild gab vor ein paar Jahren Passagen wieder, wenn auch nicht genau.

Reed, so steht es in dem Abschiedsbrief, leidet vor seinem Selbstmord daran, dass Renate Blume ihm verbieten will, seine Ex-Frau und ihr gemeinsames Kind zu besuchen. Er schreibt in seinem holprigen Deutsch: "Ich wollte bis der Tod uns scheidet mit Renate leben - aber sie hat mich umgebracht - Tag für Tag - und heute mir zu sagen, dass ich zu feige bin, mich umzubringen - Weil sie wird weiter so machen." Und an anderer Stelle: "Ich habe sie gebeten mich in Ruhe zu lassen, aber sie hat immer weiter angeschrien, dass ich war nur ein schlechter amerikanischer Showman. Sie quält mich und foltert mich seit Jahren, weil sie ist krank. Eifersüchtig auf alle die Leute, die ich liebe oder die mich lieben." Sein Tod habe nichts mit Politik zu tun, schreibt Reed noch. "Laß unsere Feinde, die Faschisten und Reaktionäre, es nicht so auslegen."

Liest man diese Zeilen, spürt man die Zerrissenheit Reeds. Er liebt eine Frau und will die andere, mit der er ein Kind hat, nicht ganz aufgeben. Er hängt an der DDR und will zurück in die USA, um dort einen Film über das Schicksal der Indianer zu drehen. Aber auch in den USA stehen seine Chancen nicht gut. Nach einem Fernsehinterview, in dem er den Kommunismus lobt, fordern Zuschauer für Reed die Todestrafe wegen Staatsverrats. Reed steht vor einem Scherbenhaufen. Er sieht keinen Ausweg mehr.

Thomas Leinkauf

berlinonline.de

We would formally like to point out that the articles, reports and contributions are presented independently of their truth content. They do not reflect the opinions of the Dean Reed Website team (see detailed declaration).

Wir weisen ausdrücklich darauf hin, dass wir alle Artikel unabhängig von ihrem Wahrheitsgehalt präsentieren. Sie spiegeln nicht in jedem Fall die Meinung des Dean-Reed-Websiteteams wider (siehe auch die einleitende Erklärung).

Recalcamos expresamente que presentamos los artículos independientemente de su veracidad. No en todos los casos reflejan la opinión del equipo de esta página WEB (léanse las líneas aclaratorias principales).

zurück/back

www.DeanReed.de
Fehler, Hinweise etc. bitte an Webmaster@DeanReed.de
Letzte Änderung: 2007-05-24