Bloody Heart
sollte Dean Reeds fünfter Film, für den er selber das Drehbuch schrieb,
heißen. "Bloody Heart" ist einfach Deans Name für die Ortschaft Wounded Knee
in Süd-Dakota, USA. Die Handlung ist keine Fiktion, sondern beruht auf tatsächlichen
Vorkommnissen. Dean recherchierte gründlich und legte 1986 das Drehbuch vor. Was war es,
was ihn schon seit langem so beschäftigte?
Im November 1972, wenige Tage vor den Präsidentschaftswahlen in den USA, marschierten
1.500 Abgeordnete der südlichen und westlichen Reservationen und Ghettos nach Washington.
Sie kamen in drei Kolonnen in die Hauptstadt, um konkrete Vorschläge zur Verbesserung
ihrer Lage vorzulegen.
Vernon Bellekourt, ein Angehöriger der Oglala-Sioux sagte: "Die größte Armut
in den Vereinigten Staaten herrscht unter den Indianern. 85 Prozent leben in unzulänglichen,
ständig weiter zerfallenden Häusern. Die Arbeitslosenziffer beträgt 47 Prozent,
die Lebenserwartung eines Indianers liegt gerade mal bei 42 Jahren."
Die Indianer besaßen im Jahre 1887 Land von 135 Millionen Morgen, heut sind es gerade mal
noch 55 Millionen. Ihre Forderung war die Rückgabe von weiteren 55 Millionen Morgen Land.
Weiterhin wollten die Indianer eine Bestätigung von den 371 Verträgen, die in den
zurückliegenden 200 Jahren mit ihnen abgeschlossen wurden. Sie erhoben ferner Anspruch
auf Regierungsgelder zum Bau von 100.000 neuen Wohnungen und zur Einrichtung von 100.000
Arbeitsplätzen in der Reservation sowie auf Gesundheitsfürsorge und Bildungsmöglichkeit.
Die Regierung versprach abermals, den Indianern zu helfen, aber im selben Atemzug wurden auch
gleich wieder 113.000 Dollar für die Indianischen Schulen gestrichen, bis heute wird kaum
auf einer Reservationsschule die Stammessprache gelehrt.
1973 drangen 200 Indianer im Morgengrauen in Wounded Knee ein und verbarrikadierten sich in einer
kleinen Kirche und in 5 Häusern und forderten endlich das Ende der Ungerechtigkeiten und
der Diskriminierung. Diese Aktion der "Amerikanischen Indianerbewegung" erregte großes Aufsehen
in der ganzen Welt. Zeitgleich überreichten Sioux-Häuptlinge bei der UNO ein
Protestschreiben gegen die Unterdrückung ihres Volkes. Die Indianer waren mehr als früher
entschlossen, um die Rechte ihres Volkes zu kämpfen. Wounded Knee wurde nicht zufällig
als der Ort ihres Kampfes gewählt. Es ist der Ort, in dem über 82 Jahre zuvor ein
grausames Gemetzel stattfand. Bei dieser Aktion waren Sioux dabei, deren Eltern und Großeltern
bei dem großen Massaker von 1890 zusammen mit Sitting Bull ermordet worden waren.
Jeder Widerstand der Sioux schien damals für alle Zeiten gebrochen zu sein. Aber die Indianer
kämpften nicht mehr individuell und ohne Plan. Sie hatten sich organisiert im American Indian
Movement (AIM), und im März 1973 erhoben sich die Stämme erneut und machten wieder auf
sich aufmerksam. Die Sioux hatten sich mit 11 Geiseln verschanzt, diese aber waren nicht gegen
die Sioux, sondern solidarisierten sich mit den Indianern.
In New York, vor dem UNO-Gebäude, demonstrierten gleichzeitig Vertreter aller mächtigen
Stämme der Sioux, Cherokee, Navaho und Winnebago. Mit diesen mutigen Demonstrationen der
nordamerikanischen Indianer im Jahre 1973 ist eine neue Phase in der Geschichte der Indianer
eingetreten, die ein neues stolzes Bewusstsein, auch unter den jüngeren Indianern, entfachte.
Die Polizei hatte Wounded Knee mit Panzerfahrzeugen umstellt. Ihr Befehl lautete: "Aushungern!"
Die Behörden mussten wegen der zahlreichen Proteste zunächst ein Nachgeben vortäuschen,
aber die Soldaten hatten den Befehl, auf alles zu schießen, was sich in Wounded Knee bewegt.
Es wurden Helikopter, Granatwerfer, Maschinengewehre und kleine Panzer in Stellung gebracht.
Anfang April 1973, nach unzähligen Feuergefechten und harten Verhandlungen, gab es dann ein
erstes Entgegenkommen. Russel Means und Leonard Crow Dog, zwei führende AIM-Aktivisten,
sollten sich stellen und bekämen dafür die Möglichkeit, in Washington Gespräche mit
Delegierten aus dem Weißen Haus zu führen. Erst wenn diese Gespräche erfolgreich
beendet wurden, sollte den Besetzern der Befehl gegeben werden, sich zu ergeben. Zusätzlich
sollte eine Untersuchung über Richard Wilson eingeleitet werden und die Gültigkeit des
Vertrages von 1868, der die Black Hills den Indianern zuspricht, sollte überprüft werden.
Doch die USA hielten ihre Versprechungen nicht. Noch während Russel Means und Leonard Crow
Dog nach Washington unterwegs waren, versuchten ca. 200 Marshalls in Wounded Knee einzudringen
und die Besetzung mit Gewalt zu beenden. In Washington angekommen, erklärte man Means und
Crow Dog, dass - entgegen der Vereinbarung - die Verhandlungen erst aufgenommen werden würden,
wenn die Besetzung beendet worden ist. Wieder bewiesen die USA, dass sie alles sind, bloß
nicht vertrauenswürdig. Doch die USA wussten, dass sie am längeren Hebel sitzen. Den Besetzern
ging die Nahrung aus, die Verletzen wurden immer mehr und bis Ende April hatten die Indianer dann
auch noch 2 Todesopfer zu beklagen, erschossen vom amerikanischen Militär. Am 9. Mai 1973,
nach 72 Tagen, ergaben sich die Besetzer.
Vor Gericht gab es eine Überraschung. Trotz massiver Forderungen der Staatsanwaltschaft mit
bis zu 85 Jahren Gefängnis für die angeblichen Anführer des Aufstandes, Dennis Banks
und Russel Means, sprach Richter Fred J. Nichol beide frei und nutzte seine Urteilsverkündung
dazu, um schwere Vorwürfe gegen das Verhalten der US-Regierung vorzubringen. Auch die meisten
anderen Angeklagten wurden freigesprochen. Dies stellte jedoch nur eine kurze Verschnaufpause in
der Reihe von Ungerechtigkeiten gegenüber den Indianern dar. Was niemand für möglich
gehalten hatte: Wilsons Terrorregime in Pine Ridge wurde noch brutaler und nur wenige Richter
waren wie Fred Nichol. Hunderte von Morden an AIM-Aktivisten in den kommenden Jahren wurden nie
aufgeklärt, ja häufig nicht mal untersucht.
Das Ganze führte dann zu jener legendären Schießerei, für die Leonard Peltier
ohne einen Beweis zu mehrfach lebenslänglicher Haft verurteilt werden sollte und bis heute
nicht in Freiheit ist.
Quelle: American Indian Movement
(Mehr über Deans Filmprojekt "Bloody Heart", Wounded Knee, den AIM und den Kampf der
nordamerikanischen Indianer demnächst unter Der Regisseur.)
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