Books and films about Dean/Bücher und Filme über Dean

zurück/back
Goodbye DDR

Goodbye DDR

Guido Knopp, Anja Greulich, Bernd Mütter, Ricarda Schlosshan

C. Bertelsmann Verlag, 2005. ISBN: 978-3570008225, 352 Seiten


Anderthalb Jahrzehnte nach der Wiedervereinigung ist "Ostalgie" immer noch in. Guido Knopp setzt dagegen ein differenziertes Bild des "anderen Deutschland". Anhand von exponierten und bisher unbekannten DDR-Lebensläufen werden die Widersprüche einer Gesellschaft sichtbar, in der ausgeprägte Solidarität neben Stasiterror, Einordnung neben Widerstand, Alltagspragmatismus neben bitter enttäuschtem Idealismus standen. Im Psychogramm von Walter Ulbricht werden die ersten beiden Jahrzehnte der DDR lebendig, als sich nach dem Untergang der Nazi-Diktatur anfangs die Hoffnung Tausender mit dem "besseren Deutschland" im Osten verbunden hatte. Doch spätestens am 17. Juni 1953 entpuppte sich das DDR-Regime als lupenreine Diktatur von Moskaus Gnaden. Der kalte Bürokrat Erich Mielke saß 30 Jahre im Zentrum des Überwachungsstaates. Abertausende "Informelle Mitarbeiter" waren an erschütternden Denunziationen ebenso beteiligt wie an dem Katz-und-Maus-Spiel zwischen Stasi und Regimegegnern. An Mielkes Seite operierte gewitzt der Geheimdienstchef Markus Wolf, der sich zur Wende als Anhänger Gorbatschows outete. Die Eisprinzessin Kati Witt stand für den schönen Schein der Sportlernation DDR. Doch deren Inszenierungen konnten ebenso wenig wie der legendäre Trabi oder Rotkäppchen-Sekt über den maroden Zustand von Wirtschaft und Gesellschaft hinwegtäuschen. In den 80er Jahren konnte Erich Honecker das sinkende Schiff nur noch mühsam auf Kurs halten - bis zu jenen Tagen im Herbst 1989, als das Volk sich seiner Regierenden entledigte.

Eine nachdenklich stimmende Dokumentation über vier Jahrzehnte DDR. Schicksale, Alltag, Zeitgeist - fern von westlicher Selbstgefälligkeit und östlicher Nostalgie. Das Begleitbuch zur gleichnamigen Fernsehserie im ZDF.

Seite 138:

Eine besondere Genugtuung dürfte für Honecker der Auftritt des Sängers und Filmschauspielers Dean Reed gewesen sein: Reed, der aus dem US-Staat Colorado stammte, hatte in Südamerika Erfolge gefeiert und gab als erster Amerikaner Konzerte hinter dem Eisernen Vorhang. Sein Repertoire bestand aus Rock'n'Roll, Schlager, Country- und Protestsongs. Meist interpretierte er Evergreens und steuerte gelegentlich einen eigenen Song bei. 1971 hatte er sich in eine Ostdeutsche verliebt und schließlich seinen Wohnsitz in die DDR verlegt. Die Tatsache, dass er sich aus dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten in den Osten aufgemacht hatte, war für die staatliche Kulturpropaganda wie ein Geschenk. Es dauerte nicht lange, bis die SED den in seiner Heimat eher unbekannten Künstler zu einem Helden und Weltstar hochjubelte. Zum Auftakt der Weltjugendfestpiele intonierte er den Propagandahit "Wir sagen ja".

Seite 186-188:

Die Welt des schönen Scheins begann zu bröckeln - auch für Aushängeschilder wie Dean Reed. Als in der DDR eine Welle von Indianer- und Westenfilmen anbrach, avancierte Dean Reed auch auf der Leinwand zum Cowboy der DDR. 1974 drehte er den Western "Kit & Co.", der zwar mit Armin Mueller-Stahl, Manfred Krug, Rolf Hoppe und Renate Blume eine Starbesetzung aufwies, sonst aber nicht weiter bemerkenswert war. Einer der erfolgreichsten Filme des DDR-Kinos wurde jedoch "Blutsbrüder" mit Gojko Mitic und Dean Reed in den Hauptrollen. Reed hatte selbst das Drehbuch verfasst. Der Film wurde maßgeblich mit dem Argument produziert, dass der Mann aus Colorado als DEFA-Star einen Imagegewinn für die DDR bedeutete. Die Geschichte bestand zwar aus Elementen bekannter US-Filme, wurde aber vielleicht gerade deshalb ein Kassenschlager. Auch mit seinem Film "El Cantor", einem Porträt des ermordeten chilenischen Sängers Victor Jara, feierte er 1978 einen Erfolg. Drei Jahre später folgte die Cowboykomödie "Sing, Cowboy, sing".

Mehr gefragt war Reed allerdings als Sänger - vor allem bei der Partei. In der DDR trat er in den siebziger Jahren bei allen möglichen Veranstaltungen auf, sei es zum 25. Jahrestag der Pionierorganisation "Ernst Thälmann" im Berliner Friedrichstadtpalast, dem Treffen der Jugend, dem Pressefest der SED-Zeitung "Neues Deutschland" oder zum "Tag der Solidarität" im Palast der Republik. 1984 war er sogar der Star der Personalityshow "Sing, Dean, sing" im Großen Saal des Palastes der Republik. Er unternahm Konzerttourneen durch die DDR, die Sowjetunion und die Tschechoslowakei, sang in Kuba und traf Arafat im Libanon, trat aber auch im westlichen Ausland auf. Reisebeschränkungen galten für den amerikanischen DDR-Bürger nicht: Er wurde wie ein Ausländer behandelt, war sich seiner privilegierten Stellung aber offenbar nicht einmal bewusst. Reed scheint sich mit einer gewissen Naivität im DDR-Apparat bewegt zu haben. Die Stasi versuchte zwar, ihn als Informanten zu gewinnen, da er ungehindert Zugang zur US-Botschaft hatte. Seine Berichte waren aber von geringem Wert, und als sich Reed schließlich genervt bei Honecker über die Stasi beschwerte, unterband dieser jede weitere Kontaktaufnahme von Seiten des MfS.

Reed hatte sich dem "internationalen Freiheitskampf", wie er es nannte, verschrieben und tourte immer wieder durch die Ostblockstaaten und Lateinamerika - der Wirklichkeit in der DDR verschloss er sich jedoch. Er sah nicht ein, weshalb er den Protest gegen die Ausbürgerung Wolf Biermanns unterschreiben sollte. Auch von seiner Frau Wiebke, die sich mehr in Intellektuellenkreisen bewegte, entfernte er sich zusehends. Die populäre Schauspielerin Renate Blume wurde seine zweite Frau. "Künstler und Intellektuelle wandten sich ab von ihm, der von vielen als unkritischer Repräsentant der offiziellen Staatskultur betrachtet wurde. ...Man empfand Dean Reed vor allem als Anpasser und Salon-Bolschewiken", heißt es in der 2004 erschienenen Biographie "Der rote Elvis". Reed brachte noch mehrere Platten heraus, zeigte sich aber musikalisch wenig innovativ. Mitte der achtziger Jahre hatte er die vierzig schon überschritten, spielte aber immer noch den Cowboy. Da er im Osten am Ende seiner Karriere angelangt war, bemühte er sich nun, wieder in den USA Fuß zu fassen, allerdings ohne Erfolg. "Er war auch eine tragische Figur", sagte einmal der Berliner Sänger und Komponist Reinhard Lakomy. "Mit geballter Faust auf der Bühne Protestsongs singen in einem Land, das seine eigene Bevölkerung unter Verschluss hält, war anachronistisch, in den Augen der Zuschauer lächerlich. Das war ihm in seinen letzten Lebensjahren wohl bewusst."

Reed litt schon seit Ende der siebziger Jahre an Depressionen und drohte mehrfach mit Selbstmord. Am 12. Juni 1986 ertränkte er sich in einem See unweit seines Hauses in Schmöckwitz. In seinem Lada fand man einen fünfzehnseitigen Abschiedsbrief. Dennoch entschied Honecker persönlich, dass die Zeitungen zu melden hatten, Reed sei bei einem Unfall ums Leben gekommen. Der Abschiedsbrief verschwand, erst nach der Wende tauchte eine Kopie auf. Die Folge war, dass bis heute diverse Verschwörungstheorien über seinen Tod kursieren. Reed sei einem Mordkomplott zum Opfer gefallen, er habe als Spion gearbeitet, habe eine verhängnisvolle Krankheit gehabt oder sei gar noch am Leben. Es ist aber sicher, dass Reed tatsächlich Selbstmord beging. Der Vorzeigecowboy der Partei war wohl daran zerbrochen, dass er diese Rolle nie hatte abstreifen können. Vertuscht wurde sein tragisches Ende unter anderem, weil die SED-Führung nicht vermitteln wollte, dass ihr singender Cowboy und prominenter Überläufer im Sozialismus doch nicht sein Glück gefunden hatte.

Zitate:

"Der Johnny Cash des Kommunismus."
New York Times

Mein Leben ist der Aufgabe geweiht, meinen Ruhm und mein Talent zu nutzen, um gegen die Ungerechtigkeit in der Welt zu kämpfen, wo immer und wann immer ich sie antreffe.
Dean Reed

Eigentlich hätte er glücklich sein müssen. Er war aber unglücklich. Nur nach außen hin war er ein Sunnyboy.
Wiebke Reed

Er [Honecker] entschied, dass der Tod ein tragischer Unfall war und dass der Abschiedsbrief für immer geheim gehalten werden sollte. Niemand dürfe von seinem Inhalt erfahren, auch seine Frau Renate nicht.
Eberhard Fensch

Comments/Kommentare

#1

#2

I want to add the following comment:
Ich möchte folgenden Kommentar beisteuern:

zurück/back

www.DeanReed.de
Fehler, Hinweise etc. bitte an Webmaster@DeanReed.de
Letzte Änderung: 2017-09-14