Superillu 24/2008, 05.06.2008 |
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Wiebke ReedMit Dean war es Himmel und HölleDean Reeds Ex-Frau redet anlässlich der SUPERillu-DVD "Blutsbrüder" offen über ihre Ehe. Auch über dunkle Seiten des Stars, der sich 1986 das Leben nahm.Wie lange haben Sie den Film "Blutsbrüder" nicht gesehen? 35 Jahre! Dean hat 1973 das Script geschrieben, ich hab's übersetzt. Konnten Sie so gut Englisch? Ich hatte mir das erst mal nicht zugetraut, aber er hat es mit mir gelesen und viele Szenen vorgespielt. Da dachte ich: Warum nicht? Als wir uns 1971 kennenlernten, konnte ich die Sprache gar nicht. Ich habe sie erst für Dean und dann durch ihn gelernt. Die DEFA mietete für uns eine Suite im Interhotel Potsdam, weil wir noch keine vernünftige Bleibe hatten. Es war meine erste Arbeit als Übersetzerin. Später habe ich als Englisch-Lehrerin an der Schauspielschule "Ernst Busch" in Berlin gearbeitet. Das half mir, meine Schauspieler-Agentur aufzubauen, die erfolgreich ist und mich glücklich macht. Ich habe auch gedolmetscht, tolle Leute kennengelernt wie die New Yorker Philharmoniker, Santana und Bryan Adams, den ich jetzt gerade wiedergetroffen habe. Dean hat auch den Titelsong "Love Your Brother, but hate Your Enemies" geschrieben. Ja, "Liebe deinen Bruder, aber hasse deine Feinde". Für ihn gab es nur Liebe oder Hass. Man konnte mit ihm nicht diskutieren, um Konflikte zu lösen. Er wollte, dass seine Meinung akzeptiert wird. Worauf gründete sich das? Er hatte die Welt gesehen, sich in vielen Ländern nach oben gekämpft, gespielt und gesungen. Er war überzeugt: Das, was er sagt, ist unumstößlich. Er konnte auch so viel, traute sich so viel zu. Er sagte eben: Ich schreibe jetzt ein Drehbuch, und das konnte letztlich verfilmt werden. Bei den nächsten Filmen "Sing, Cowboy, sing" und "El Cantor" hat er nicht nur die Hauptrolle gespielt und das Buch geschrieben, sondern auch Regie geführt. Sicher, wenn man alles macht, bleibt etwas auf der Strecke. Aber er wurde akzeptiert. Wie kam das Team mit ihm klar? Ich weiß, dass es bei den Dreharbeiten für "Sing, Cowboy, sing" ganz schöne Konflikte mit Kameramann Hans Heinrich gab. Dean meinte, er käme ja aus Hollywood und wüsste alles besser. Er hat aber nie in Hollywood gedreht. Er hätte es gern. 1961 ging er nach Südamerika, machte als Pop-Sänger Karriere, engagierte sich politisch. 1966 siedelte er mit seiner damaligen Frau Patricia nach Rom über und hat dort in etlichen zweitklassigen Italo-Western mitgespielt. Bekannt wurde "Adiós, Sabata" mit Yul Brunner. Wissen Sie was darüber? Es war nicht einfach. Wenn sie zusammen spielten, musste Dean im Graben laufen, weil Yul kleiner war. Dean war natürlich sauer. Und politisch haben sie sich gestritten. Dean war Verfechter des Sozialismus. Er hatte in Südamerika so viel Armut erlebt. Was faszinierte Sie an ihm? Alles. In den sieben Jahren, die wir miteinander lebten, bin ich mental sehr reich geworden, habe durch ihn etwas von den Zusammenhängen in der Welt begriffen. Dean wirkte immer sehr jungenhaft. War er so? Absolut. An seinem 34. Geburtstag hatte uns ein DEFA-Kollege eingeladen. Er wohnte an einem See. Mitten in der Nacht wollte Dean mit dem Motorboot raus. Ich werde diese Nacht nie vergessen. Er sagte mir zum ersten Mal, dass er mich liebt und ließ sich plötzlich rückwärts aus dem Boot fallen. So verrückt war er. In "Blutsbrüder" ist Dean und nicht Gojko Mitic die Hauptfigur. Wie war ihr Verhältnis? Sie waren sich nicht grün. Das wusste jeder. Dean war eifersüchtig auf Gojkos Popularität. Diese Eifersucht auf andere war sein großes Problem. 1973, wir waren gerade verheiratet, besuchte uns Inge, eine befreundete Journalistin. Wir saßen im Garten und sie schwärmte von einem Künstler, den sie getroffen hatte. Dean kroch immer mehr in sich zusammen. Ich brachte Inge zum Tor. Als ich zurückkam, hatte er sich an einer zerbrochenen Fensterscheibe die Handgelenke aufgeschnitten. Ich war außer mir. Und die Ärztin in der Notaufnahme sagte mir, ich solle aufpassen. Er würde sich noch öfter verletzen... So kam es ja auch. Nach seinem Selbstmord 1986 stellte man etliche Schnittnarben an seinen Unterarmen fest. Ich lernte mit der Zeit, wie ich mit ihm umgehen muss, um ihn nicht zu solchen Reaktionen zu provozieren. Eine Krisensituation gab es noch mal bei den Dreharbeiten zu "Kit & Co.". Unbewusst heraufbeschworen. Alle saßen zusammen, wir kamen etwas später. Keiner nahm Notiz von uns. Dean fühlte sich brüskiert und sagte: "Während ihr hier feiert, sterben meine Freunde in Chile." Jemand machte eine dumme Bemerkung. Dean drehte sich um und ging. Draußen sagte er zu mir: Wenn du jetzt nicht hier wärst, würde ich mir das Leben nehmen. Ich war wie gelähmt. War er so labil? Ja. Er glaubte, dass er keine Schwäche hätte, weil er so viele Menschen überzeugen konnte, so viel Gutes getan hat. In Verhältnissen, in denen nicht Harmonie herrschte, konnte Dean schlecht leben. Er konnte mit Kritik und Widerspruch nicht umgehen. Für ihn war das Wichtigste, geliebt und angenommen zu werden, im Mittelpunkt zu stehen. Haben Sie darunter gelitten? Sehr. Er ließ sich von mir nichts sagen, keinen Ratschlag geben. Wenn ich sein Deutsch verbesserte, fuhr er mich an: You are not my teacher, you are my wife! Du bist nicht mein Lehrer, du bist meine Frau. Um des lieben Friedens willen habe ich mich immer mehr zurückgenommen. Das passt nicht zu dem Bild, das man von ihm als Friedenskämpfer hat. Oder war er kein Kämpfer? Doch. Er hätte sein Leben für die politische Sache gegeben. Als im Südlibanon die Kugeln um ihn herumflogen, wäre er glücklich gewesen, für die Sache der Palästinenser zu sterben. Er hat in Chile "Venceremos" gesungen, als es verboten war. Ich habe zu ihm gesagt: Du bist ein wandelnder Widerspruch. Das hat ihn amüsiert, und er hat ein Gedicht daraus gemacht. Haben Sie herausbekommen, wo die Ursachen dafür lagen, dass er so sensibel war? Ich habe es auf seine Kindheit zurückgeführt. Er war nicht wie sein großer Bruder. Sein Vater lehnte ihn ab, hielt ihn für einen Versager. Deshalb schrieb sich Dean an der Uni ein, um ihm zu zeigen: Ich schaffe es auch. Später hat er ihm aus aller Welt Zeitungsausschnitte geschickt. Sein Vater sollte sehen, wie berühmt er ist. Unter seinen Sachen fand man neben seinem Abschiedsbrief den Abschiedsbrief seines Vaters, der auch Selbstmord begangen hatte. Was wissen Sie von Deans Tod? Dean hatte sein Auto an der Wasserrettungsstelle am Zeuthener See abgestellt. Vielleicht hoffte er, dass man ihn rettet. Er hatte viele Beruhigungstabletten genommen und Alkohol getrunken - was er sonst nie getan hatte. Mochten Sie seine Musik? Eigentlich nicht. Vieles war mir zu schnulzig. Aber er hatte auch sehr schöne Lieder. Ich war mit ihm 1975 auf Konzerttournee in Kuba. Da war er ein total anderer Mann. Er sang tolle Lieder und sprach perfekt Spanisch. Ich bewunderte ihn und war stolz, seine Frau zu sein. Als Sie Dean 1971 kennenlernten, hätten Sie gedacht, dass Sie ihn wiedersehen würden? Nein. Wir verbrachten eine Nacht zusammen und ich dachte: Den siehst du nicht wieder. Nach vier Wochen rief er an. Unsere Affäre begann. Ich liebte ihn so sehr, dass ich ein Kind von ihm wollte. Doch dann hätte ich ihn verloren. Er sagte: Ich komme in die DDR, um mit dir zu leben, nicht wegen eines Kindes. Haben Sie irgendwann bereut, ihn geheiratet zu haben? Nie. Ich liebte ihn, glücklich war ich aber nur am Anfang. Es gibt kein Glück, wenn man nicht man selbst sein darf. Da hatte die Liebe eigentlich gar keine Chance. Er war nicht fähig, die Liebe zu halten. Seine Beziehungen wurden immer kürzer. Von Patricia trennte er sich nach neun Jahren, unsere Beziehung hielt sieben, mit Renate Blume war er fünf Jahre zusammen. Wir sagten uns zigmal am Tag: I love you. Vielleicht, damit er irgendwann selbst daran glaubt, denke ich heute. Würden Sie ihn wieder heiraten? Natürlich! Es gibt so schöne Erinnerungen, die nimmt einem keiner. Mit meiner heutigen Erfahrung würde ich vieles anders machen. War er treu? Unser Leben war ohne Eifersucht. Wenn er nachts von Konzerten nach Hause kam, habe ich ihn erwartet. Vielleicht hat er sich in seine Dolmetscherinnen verliebt, wenn er in der Sowjetunion war. Aber ich bekam 1976 das Kind, das ich mir von ihm gewünscht hatte. War es auch sein Wunschkind? Ja. Ich habe gerade neulich einen Brief gefunden, in dem er schreibt, wie sehr er sich das Kind wünscht. Ich habe so geweint, weil eine so große Liebe daraus sprach. Es war, als ob sie nie aufhören würde. Warum ging Ihre Ehe dann 1978 auseinander? Wir haben den Berg erklommen, aber die Mühen der Ebene nicht geschafft. Hatten Sie nach der Trennung noch Kontakt? Er kam immer wieder vorbei. Ich glaube, er hat mich vermisst. Nicht nur meine Küche. Er sagte immer: Die können alle nicht kochen. Wika, wie machst du denn bloß dieses Gemüse oder den kurdischen Curry-Reis? Und auch sonst sind sie nicht so gut wie du... Er fing an, mich wieder zu respektieren. Ich arbeitete als Übersetzerin. Das gefiel ihm. Und ich musste mich nicht mehr verstellen, konnte wieder ich selbst sein. Oft fragte er mich nun sogar um Rat. Wo liegt Dean begraben? In Denver. In seiner Heimat, die er so geliebt hat. Zuerst hatte man ihn in Rauchfangswerder beigesetzt. Seine Mutter holte die Urne Anfang der 90er nach Hawaii und stellte sie in einen buddhistischen Tempel. Dort habe ich sie und ihren Mann Ralph mit meiner Tochter besucht. Sie erzählten uns: "An dem Tag, als Dean starb, flog eine weiße Taube in unser Zimmer. So wie es in dem Lied 'La Paloma' besungen wird." Was denken Sie über Deans Abschiedsbrief? Er hat Renate Blume damit böse zugesetzt. Das macht man nicht. Wenn er sich unterdrückt gefühlt hat, hätte er sich wehren können. Er hat sich aufgegeben und ist daran zugrunde gegangen. Interview: Bärbel Beuchler |
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