melodie und rhythmus 02/2004, 06.09.2004 |
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Back in the GDRWie Tom Hanks mit Dean Reed das Ostalgie-Rädchen in Schwung bringt."Die Kunst, das Lied - sie müssen stets Waffe sein." Wer solche Sachen erzählte, galt in der DDR als ziemlich hinterwäldlerische rote Socke und wurde nicht ganz ernst genommen. Zumal von der pop-interessierten Jugend. Die steckte solche Parolen schon damals in den Siebzigern in die Schublade Klassenkampf-Folklore à la Ernst Busch. Das Zitat stammt jedoch von Dean Reed, einem Sänger, der nicht nur an diese Idee wirklich glaubte, sondern auch sonst irgendwie von einem anderen Stern zu kommen schien. Einem besonders interessanten noch dazu, jedenfalls für viele junge DDRler. Dean Reed stammte aus Amerika, dem auch unter DDR-Jugendlichen gelobten Land des Rock'n'Roll. In den Sechzigern war er in Südamerika als Sänger ein Star, genauso groß wie Elvis. Zum "roten Elvis" wurde er dann, als er sich für die Unterprivilegierten in der Welt zu interessieren begann, in Chile für die Gewerkschaften sang, gegen den Vietnamkrieg protestierte und in der Sowjetunion auftrat. Den "Johnny Cash des Kommunismus" nannt ihn danach die "New York Times". Als er 1971 das erste Mal in die DDR kam und revolutionäre Lieder auf die internationale Solidarität sang, fiel in die kleine graue Republik ein bunter Farbtupfer, gemischt aus Sex, Pop & Politik - den es so noch nicht erlebt hatte. Der charismatische Musikheld Dean Reed kam über die DDR wie einst das Wunder von Bern über die Schweiz. Man war offenbar doch wer in der Welt, wenn sich ein echter amerikanischer Rockstar in das kleine sozialistische Land verirrte und blieb. Die Dankbarkeit war zunächst beidseitig, Dean Reed durfte als Entertainer machen, was er wollte, und das Publikum freute sich. Bis es ein bisschen langweilig wurde. Reeds DEFA-Filme gerieten mehr schlecht als recht. Und seine Platten waren der popmusikalisch pubertierenden Jugend nicht annähernd Ersatz für die (offiziell nicht erhältlichen) Scheiben der Stones oder Doors. So kam auch auf den Cowboy aus Colorado selbst der Frust auf seine Umgebung. Er gipfelte darin, dass sich Reed 1986 selbst aus dem Leben verabschiedete. Nun, 18 Jahre später, ist er quasi wieder da. Die Bild-Zeitung hat seinen Abschiedsbrief verbreitet und die endgültige Gewissheit, dass es sich wirklich um Selbstmord handelte. Alles kaum der Rede wert (weil nicht wirklich neu) - wenn das Timing nicht so bemerkenswert wäre. Es scheint, als würde Dean Reed postum doch noch bekommen, was er am Ende in der unglamourösen DDR so vermisst hatte: Aufmerksamkeit als Künstler. Immerhin spielt in dem ganzen Medienrummel eine wesentliche Rolle, dass kein Geringerer als Hollywood-Star Tom Hanks das Leben seines Landsmannes verfilmt. Dafür hat er sich sogar schon mit einigen Leuten getroffen wie der Reed-Witwe Renate Blume und Egon Krenz. Keine Ahnung, was der Ex-Apparatschik und Reed-Freund (der angeblich nicht wusste, wer Mister Hanks überhaupt ist) dem Filmemacher erzählte, aber es ist anzunehmen, dass es nicht die große Rolle spielt, denn die Story scheint klar: Ami-Popstar, der die Welt verbessern will, zieht aus Liebe hinter den Eisernen Vorhang, wo er sich mit den Politgrößen des Kommunismus gemein macht und letztlich tragisch endet. Mehr Hollywood im real existierenden Leben geht eigentlich nicht. Unklar ist bisher, wann genau der Film heraus kommt, aber fest steht schon jetzt: Der große Hype wird kommen. Die jüngste Reed-Mania in den Medien ist da nur ein Vorgeschmack. Die Ostalgiewelle wird noch einmal einen ordentlichen Nachschub kriegen. Sicher werden dann auch des Barden Musikalben hervor gekramt, und mancher Ostler wird in seinen alten Plattenbeständen auch einige Amiga-LPs finden. Für alle, die sie nicht besitzen, hier mal eine kleine Plattenkritik aus der melodie & rhythmus von 1977. Da hieß es über die LP "Dean Reed aktuell": "Der Einfluss der angloamerikanischen Folklore ist unverkennbar, doch auch Elemente des Rock, des Blues, des Chansons und des aufrüttelnden Songs finden Eingang. In ihrer überschaubaren Liedhaftigkeit geben sie der zart-lyrischen wie kraftvoll akzentuierten Stimmführung des Sängers breiten Raum." Mal sehen, wann die erste "Best of Dean Reed" aus dem Amiga-Nachlass erscheint. Mit den alten Filmen geht es jedenfalls schon los. "Der wilde Korsar der Karibik" gibt es dieser Tage auf DVD. Quasi als Pausenfüller, bis Tom Hanks als "roter Elvis" in die Kinos kommt. Das ist dann auch der besondere Witz an der Geschichte: Ausgerechnet ein aktueller Hollywood-Streifen wird das Ostalgie-Rädchen noch mal etwas in Schwung bringen. Text: Gunnar Leue |
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www.DeanReed.de
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