Berliner Morgenpost 04.08.2007

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Ein Leben, wie für das Kino gemacht

Dean Reeds Biografie ist Thema einer Dokumentation - doch der amerikanische Sänger wäre auch einen Spielfilm wert

Von Denis Demmerle

Kaum eine Geschichte schreit derart nach einer Verfilmung wie die Dean Reeds. Nur wann, wie und von wem? Ideen für Film-Plots liefert sein Leben en masse.

Irgendwo in einem kleinen amerikanischen Nest nahe Denver wird im September 1938 ein Dean Reed als Sohn eines Lehrers und einer Hausfrau geboren. Kaum erwachsen, schafft der inzwischen gutaussehende junge Mann dank einer seltenen Kombination von Talent, Willen und Glück den Aufstieg zum Popstar, als ihn ein aufgelesener Tramper zu einem befreundeten Manager des Plattenlabels Capitol Records schleppt, der ihn umgehend mit einem Plattenvertrag ausstattet. Eine wunderbare Adaption des amerikanischen Traums: vom Tellerwäscher zum Millionär.

Dean Reeds persönlicher Spielfilm des Lebens endet nicht an dieser Stelle, sondern er nimmt erst richtig Fahrt auf: Seine Singles starten in den USA nicht wie geplant durch, dagegen laufen sie gut in Südamerika. Also schicken ihn die Bosse von Capitol Records, wo in diesen Jahren auch Jimi Hendrix oder The Beatles unter Vertrag stehen, auf eine Konzert-Tour gen Süden. Auf dieser füllt er 1961 in Argentinien, Chile, Brasilien und Peru Fußballstadien. In Lateinamerika ist er populärer als Elvis Presley. An seinem 25. Geburtstag lernt er die Schauspielerin Patricia Hobbs kennen, die er ein Jahr später heiratet.

Mordversuche in Chile

Doch Reeds Geschichte endet auch nicht an dieser Stelle. Das Hollywood-Schema des kurzzeitig scheiternden Helden à la "Rocky", der eine kleine Krise durchlebt, um daraus noch erfolgreicher hervorzugehen, greift zu kurz.

Als sich ein chilenischer Chauffeur, der ihn vom Flughafen zum Hotel bringen soll, allzu rücksichtslos seinen Weg durch die Fan-Massen pflügt, verlässt er die Limousine und geht zu Fuß weiter. Anders gesagt: Er hinterfragt, urteilt selbst und schlägt einen anderen, "seinen" Weg ein. Er erlebt die soziale Ungerechtigkeit im verarmten Chile hautnah und widmet sich fortan deren Bekämpfung. In seine amerikanische Heimat kehrt er nur kurz zurück, wandert dann aber nach Argentinien aus. Dort moderiert er ab 1965 die wöchentliche nach ihm benannte "Dean Reed Show" und wird in die argentinische Delegation des damals bedeutenden Weltfriedenskongresses in Helsinki berufen. Nach einem Putsch in Argentinien (1966) verweist ihn die neue wirtschaftsliberale Regierung als Unterstützer des Kommunismus des Landes, nachdem mehrere bewaffnete Anschlagsversuche auf ihn gescheitert waren. Die wenig treffsicheren Schützen verhindern ein rührseliges französisches Drama.

Enttäuscht zieht es Reed mit seiner Familie ins Spanien Francos und wenig später weiter nach Italien, wo er bis 1973 vor allem Italo-Western, wie "Adios Sabata" mit Yul Brynner dreht. Neben der Schauspielerei nimmt er in der UdSSR sechs Platten auf, die sich millionenfach verkaufen und tourt weiter erfolgreich als Musiker um die Welt. Dank seiner hohen Glaubwürdigkeit begeistert er als erster Amerikaner die Russen live auf sowjetischen Bühnen. Ein Superstar, der Millionen fasziniert und dabei sich und seinen Idealen treu blieb - perfekt für eine Künstler-Biografie im Stile von Julian Schnabels "Basquiat".

Auch an dieser Stelle findet Reeds Film kein Ende. Ein Schlüsselerlebnis verändert das Leben des bekennenden amerikanische Patrioten: Bei einem Militärputsch in Chile kommt 1973 Präsident Salvador Allende zu Tode, nachdem er - auch dank Reeds zahlreicher unterstützender Konzerte - vorher die Wahlen gewonnen hatte und sich nun daran machte sein Vorhaben, den Sozialismus auf demokratischem Weg aufzubauen, umzusetzen. Diese Ermordung des Freundes erschüttert die Ideale des Pazifisten Dean Reed und radikalisiert ihn. Der Friedensaktivist mutiert zu einem Revolutionär, der sich an den Gedanken "die Gitarre mit der Maschinenpistole zu tauschen" gewöhnt. Als radikaler Freiheitskämpfer ist er 1977 bereit gemeinsam mit Jassir Arafats Palästinensern im Libanon gegen die Zionisten in den bewaffneten Kampf ziehen. Ab diesem Zeitpunkt wäre seine Geschichte für Regisseure vom Schlage eines Spike Lee ("Malcolm X") interessant gewesen.

Eine Seite Reeds fehlt noch immer: Sein unstetes Privatleben. Auf der Internationalen Leipziger Dokumentar- und Kurzfilmwoche lernt er seine spätere zweite Frau Wiebke kennen, die ihm auf einem Empfang gesteht: "You're the best looking man of the world". Die beiden verlieben sich und Dean verlässt seine Frau, um mit Wiebke zusammen in der DDR zu leben. Ein amerikanischer Patriot, Pop- und Filmstar verlässt den Westen zugunsten des sozialistischen Ostdeutschlands - nicht nur Armin Mueller-Stahl fragte sich damals: "Wieso kommt ein amerikanischer Star hierher?", wie er sich in "Der Rote Elvis" erinnert. Als "Sänger des anderen Amerika" steigt er endgültig zum linken Weltstar auf. Rückblickend bezeichnet ihn Mueller-Stahl in einer weiteren Interviewpassage der Doku als "Sonnyboy" und vergleicht sein Potenzial mit heutigen Stars wie Brad Pitt oder Tom Cruise. Eine Person die sich vom Westen abwendet, um freiwillig im Osten zu leben war ein gefundenes Fressen für die DDR-Propaganda die Reed fortan instrumentalisierte, wie Egon Krenz bekennt. Vielleicht fand Leopold Grün mit der Dokumentation "Der Rote Elvis" den passenden Weg, um diesen vielschichtigen Menschen zu beschreiben, dessen schillerndes öffentliches Leben als Popstar und Politaktivist, ein vertracktes Privatleben gegenübersteht.

Einblicke in sein Privatleben

Grün gewährt dem Zuschauer Einblicke in das Privatleben Reeds. Dort taumelt er privat zwischen seinen Ehe-Frauen, den dazugehörigen Kindern und der geheimen Langzeitaffäre Maren Zeidler, die ihn im Film als depressiv beschreibt. Der Weg zurück in sein Geburtsland bleibt ihm wegen seiner mittlerweile dritten Frau, der Schauspielerin Renate Blume, verwährt, die ihm die Gefolgschaft verweigert. Als er 1986 in der US-Fernsehshow "60 Minutes" seinen Glauben "an Sozialismus" bekräftigt und nur wenig später die Politik Reagans als "Staatsterrorismus" beschimpft, galt er in den USA als Vaterlandsverräter und Persona non grata. Für die DDR verliert er an Bedeutung, seine Platten floppen und Filmprojekte stocken. Einen Tag, bevor er mutmaßlich im Zeuthener See nahe Berlin ertrinkt, will er nach einem Streit mit seiner Frau Renate seinem Leben ein Ende setzen, indem er versucht, seine Pulsadern zu öffnen.

Reeds Tod gilt als ungeklärt - nach Ende der 90 Minuten scheint klar: Einzig Dean Reed spielte im Drama um Dean Reed die Hauptrolle und führte Regie - bis zum letzten Akt.

"Der Rote Elvis" im Kino
Filmportrait
Leopold Grüns Portrait über Dean Reed, den singenden Schauspieler aus Colorado, der in der DDR Karriere machte, läuft u.a. in den Kinos: Hackesche Höfe 2: tgl. 18, 20, So auch 13 Uhr; Kino in der Kulturbrauerei: tgl. 15.45, 18, 20.15 Uhr; Moviemento 2: tgl. 18.15, 20.15; Thalia Potsdam: tgl. 19.15; Union-Filmtheater: Do/Fr/So/Mi 18, Mo a. 20, Di a. 20.30.
BM

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Letzte Änderung: 2011-11-15