InterviewEine Stunde bei Dean Reed |
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Interview von Andreas Fürll mit Dean Reed am 07.10.1982 im Berliner Rundfunk Aufgezeichnet und aufgeschrieben von Heike Zastrow Lied: "Wenn du gute Freunde hast" Andreas: Mit diesem Lied begrüße ich jetzt einen meiner guten Freunde, einen Mann, der am 22. September 1938 in Colorado/USA auf die Welt gekommen, dort groß geworden ist und der jetzt in seinem Pass als Wohnanschrift einen kleinen Ort südöstlich unserer Hauptstadt stehen hat. Guten Tag - Dean Reed. Grüß dich. Dean: Guten Tag, Andreas. Ich freue mich, hier zu sein. Andreas: Ich möchte unsere Hörer um Verständnis bitten, wenn wir in der nächsten Stunde beim vertrauten "Du" bleiben. Es würde uns, glaube ich, auch gar nicht gelingen, jetzt in das "Sie" zu verfallen. Dean: Nein. Genau, genau. Andreas: In der letzten Zeit bist du ja ziemlich schwer von zu Hause loszueisen. Du hast dich in eines der schönsten braunen Augenpaare unseres Landes verguckt. Dean: Da hast du recht. Da hast du recht, Andreas. Andreas: Es gehört der Schauspielerin Renate Blume. Seit einen Jahr, ja, seid ihr miteinander verheiratet. Dean: Ja. Und das nächste Lied ist ein Lied, das ich für meine Frau Renate geschrieben habe. Ich bin so, so stolz auf Renate. Sie ist nicht nur ein schöner Mensch mit schönen Augen. Sie hat eine schöne Seele. Sie ist eine sehr talentierte Schauspielerin und sie ist eine Compañera. Und das bedeutet, dass die Frau nicht nur Geliebte war, sie war auch Freund und Kamerad durch das ganze Leben. Und das ist, was Renate für mich ist. Andreas: Dean, du hast mir die Ansage für unser erstes Lied schon aus dem Munde genommen. Dean: Habe ich es geklaut, ja? Das tut mir leid. Andreas: "Wahre erste Liebe" mit einem Text von Gisela Steineckert. - Dean Reed. Lied: "Die wahre erste Liebe" Andreas: "Die wahre erste Liebe". Deine aller erste große Liebe gehörte aber zunächst der Gitarre, die dir dein Vater zum 12. Geburtstag geschenkt hat. Und dann deinem ersten eigenen Pferd. Blondy hieß es, ja? Das Pferd hast du dir mit dieser Gitarre verdient. Dean: Ein bisschen ja. Ich bin mit meiner Gitarre von Restaurant zu Restaurant gegangen. Und ich bin immer reingegangen. Ich habe gesagt, ich bin bereit, umsonst zu spielen und zu singen, nur für Kleingeld. Und manchmal haben sie "ja" gesagt und manchmal haben sie "nein" gesagt. Aber wenn sie "ja" gesagt haben, bin ich von Tisch zu Tisch gegangen und habe besonders für die kleinen Kinder gesungen. Ich habe immer gemerkt, wenn man zu den kleinen Kindern singt, gibt der Vater immer gutes Kleingeld dafür. Mit diesem Geld habe ich mein erstes Pferd gekauft. Es war ein Reitpferd, das auch sprang. Ich habe das Pferd benutzt zum Springen. Weil ich ein Cowboy war in Colorado, habe ich immer Countrylieder gesungen, Cowboylieder. Meine allergrößte Passion, Leidenschaft in dieser Zeit war Countrymusik. Andreas: Dean, du hast hier einige Platten mitgebracht heute. Und wir können jetzt ein Lied hören, das du damals gesungen hast, also mit 15, 16, 17. Jetzt ist es in einer neuen Bearbeitung auf einer... Dean: Das ist eine neue LP von Supraphon, die kommt hier raus bei Amiga im Dezember diesen Jahres, heißt "Dean Reed - Country". Und das Lied heißt "Ghostriders in the sky" von Stan Jones. Lied: "Ghostriders in the sky" Andreas: Ja, Dean, das Pferd Blondy und deine Gitarre sind ja auch zwei Lieben, denen du treu geblieben bist, treuer als eigentlich deinem Vorsatz, Meteorologie zu studieren, nicht? Dean: Gott sei Dank. Meteorologie war ein bisschen eine Idee von meinem Vater, nicht von mir. Das Studium war 4 Jahre an der Universität. Ich habe nur 2 gemacht. Und in dieser Zeit habe ich... Ein Studium in den USA kostet viel Geld, man muss bezahlen in den USA. Die einzige Art, das bezahlen zu können war, dass ich wieder meine Gitarre genommen habe und wieder gesungen habe jeden Sommerurlaub und auch jede Nacht nach dem Studium. So konnte ich meinen Studienplatz bezahlen. Andreas: Ja, aber du hast das Studium dann nicht weitergeführt. Ich glaube, im Sommerurlaub '58 kam dann die Wende, die dich in das Plattenstudio der "Capitol" führte. Ja, das ist eine... Dean: Das war der größte Schallplattenbetrieb in den USA. In dieser Zeit waren dort Ella Fitzgerald und Frank Sinatra und alle diese Leute. Und ich habe ein Lied geschrieben, es heißt "Our Summer romance". Aber das war das dritte Lied, das rausgekommen ist. Die ersten zwei haben total keinen Erfolg gehabt. Und dieses dritte war dann ein Hit. Andreas: Dean, ich bin wirklich schon lange neugierig, mal ein Lied aus dieser Zeit zu hören, wirklich auch den Dean Reed von 1959. In Fotokopien von Hitlisten aus dieser Zeit, z.B. auf einer vom 4. Oktober 1959, der Top-Fifty, stehst du mit dem Lied "Unsere Sommerromanze", du hast es vorhin schon gerade erwähnt, ... Dean: Das habe ich geschrieben, ja. Andreas: ...an zweiter Stelle, weit vor Ronny Hawkins, dem Kingston-Trio, Bo Didley, Cliff Richard und Bill Haley z.B. Und du hast eine Platte, das heißt, ein Band, mitgebracht. Dean: Ja, ein ganz altes Band. Ich weiss nicht, wie es klingt. Es ist etwa 25 Jahre alt, dieses Band, aber man kann vielleicht eine kleine Idee haben, welche Arten von Liedern ich in Hollywood gesungen habe. Andreas: Hm, "Sommerromanze" Lied: "Our Summer romance" Andreas: Der Rock'n'Roll-Sänger Dean Reed, 1959 war das also. Ich habe dich viele Jahre später erst kennengelernt und auch ganz anders. Nämlich als Gast der Dokumentar- und Kurzfilmwoche bei uns in Leipzig 1971. Dort hast du einen Film über deine Begegnungen mit Arbeitern und Bauern im Chile der Unidad Popular vorgestellt. Und davon hast du dann in einem ersten Interview für uns auch erzählt. Ich glaube überhaupt, Dean, die Erfahrungen mit Lateinamerika waren es, die aus dem erfolgreichen, unbeschwerten Rock'n'Roll-Star einen engagierten Künstler gemacht haben. Dean: Wenn man nach Südamerika fährt, man muss blind sein, nicht die Ungerechtigkeit sehen zu können. Es gibt nur zwei Klassen. Eine, die, vielleicht 20%, die total privilegierte ist, und die anderen 80%, die wirklich in Armut und Elend leben mit Hunger. Und ich habe immer diesen Widerspruch gesehen. Ich hatte immer 2 Arten von Verträgen. Meine Verträge waren, abends zu singen in den größten Night-Clubs. Und diese Night-Clubs waren nur für die reichsten Leute. Aber dann am Sonnabend oder Sonntag ist man in die Fußballstadien gegangen und da waren z.B. 20.000 von den Ärmsten. Weil dann, wenn es 20.000 sind, können sie weniger bezahlen und immer noch den Künstler bezahlen. Und es war so ein Kontrast und Widerspruch zwischen diesen zwei Klassen. Ich als Amerikaner habe das zuerst einmal gesehen und ich war geschockt. Und ich..., dann, danach sucht man die Wahrheit Schritt für Schritt und sagt, warum ist das, wie kann das sein, dass es so viel Elend gibt und zur selben Zeit so viel Reichtum auf der anderen Seite. Und dort bin ich ein Revolutionär geworden. Aber sehr langsam, ist klar. Die Wahrheit kommt sehr langsam zu einem. Andreas: Das waren also deine ersten Tourneen, die dich, 1961 war das glaube ich, für längere Zeit nach Chile, Brasilien, Argentinien und Peru geführt haben, nicht. Du warst ja als Rock'n'Roll-Star unerhört populär in diesen Ländern. Und in diesen Ländern hast du auch das erste Mal "Yankee, go home" gehört. Nicht auf dich bezogen!? Dean: Ja, danke, das ist wahr. Ich danke dir, dass du das gesagt hast Andreas. Das ist wahr. Aber das war immer auf alle... Wenn du in Südamerika bist, das erste Mal habe ich auch gemerkt, was für einen Amerikaner ein großer Schock ist: wir glauben in Amerika, die ganze Welt liebt uns, und dann plötzlich fährt man nach Südamerika, wo man in jedem Land "Yankee, go home" sieht, und man sagt zuerst einmal: warum? Ich bin sympathisch. Auf einer Seite sind meine Konzerte voll, aber irgendwie schreiben sie: "Yankee, go home". Es ist ganz klar, sie meinen nicht die Künstler, die aus den USA kommen. Wieder war zu versuchen, diesen großen Kontrast zu verstehen. Warum haben sie die Amerikaner gehasst? Und es gibt einen Grund. Es ist ganz klar, dass diese privilegierten Gruppen nur an der Macht bleiben können, so lange sie die Militär-, ökonomische und politische Hilfe aus den USA haben, gegen den Willen des Volkes. Und das musste ich verstehen. Das ist nicht einfach für einen Amerikaner, das erst einmal zu verstehen. Andreas: Dean, du sprichst perfekt spanisch. Ein Lied jetzt in spanischer Sprache. Dean: Das ist ein Lied von Spanien. Kurt Demmler hat auch einen deutschen Text dazu gemacht. Wir haben es auch in deutsch gemacht hier in der DDR. Das ist ein sehr schönes romantisches Lied in spanisch. "Und ich schäme mich nicht" heißt es auf deutsch. Lied: "No me duele decirlo" Andreas: Dean Reed heute zu Gast beim Berliner Rundfunk. Dean, ich habe in deinem Archiv Fotos gesehen. Eins z.B. aus dem Jahre 1970. Da wäschst du vor dem USA-Konsulat in Santiago aus Protest gegen den Vietnamkrieg symbolisch das blutbefleckte Sternenbanner. Ein anderes Bild, das dich auf einer LKW-Plattform, die Plattform als Bühne im Wahlkampf für die Unidad Pupular zeigt, und eines, auf dem du zusammen stehst mit Salvador Allende bei seiner Amtseinführung am 4. November 1970. Und du hast auch gesagt, dass Chile so etwas wie deine zweite Heimat ist. Dean: Das ist wahr, Andreas. Ich glaube besonders, ich habe in vielen Ländern gelebt, wie du weißt. Aber Chile bleibt immer meine erste Liebe. Möglicherweise, weil das das erste Land war, wo ich, außer in meinem Heimatland, gelebt habe, und wo das Volk mich adoptiert hat. Ich kenne Chile, die ganze politische Entwicklung von ganz rechts bis mittel bis zu den Christdemokraten und dann bis zur Unidad Popular, eine Regierung des Volkes. Andreas: Ich glaube, 4 Monate hast du im Wahlkampf für die Unidad Popular auch gesungen. Dean: Ja, ich war dort für vier Monate im Jahr '71. Wir sind z.B. mit Salvador zusammen von Stadt zu Stadt gegangen. Er hat geredet und ich habe gesungen. Dasselbe hat Victor Jara gemacht. Sehr oft er an einer Seite, ich auf der anderen. Zur gleichen Zeit habe ich für die Gewerkschaft diesen Film gedreht. Ich kenne das ganze Chile von Norden bis Süden. In jedem Betrieb, in jeder Fabrik, in jeder Schule, glaube ich, war ich einmal. Und ich liebe dieses Volk besonders. Und deshalb, was ist mit dem Coup... Der faschistische Coup '73 war die großte Tragödie meines Lebens, weil so viele von meinen Freunden ermordet sind. Deshalb habe ich auch einen Film darüber geschrieben und gedreht und viele Lieder auch. Andreas: Vieles von deinen ganz persönlichen Erfahrungen in Chile hast du in deinem 1977 uraufgeführten Film "El Cantor" eingebracht. Ein Film, den du Victor Jara gewidmet hast. Du kanntest ihn persönlich, ja? Dean: Ja. Andreas: Ich erinnere mich an "An dich, Amanda" z.B., "?" (spanisch) Dean: Ja, ja, genau, genau. Er hat Lieder, wo du stirbst vor Lachen, humorvolle Lieder, wo man lachen kann. Und dann hat er auch Kampflieder, wo man Mut bekommt. Manchmal denken wir, na ja, politischer Sänger, dass muss nur sein: venceremos, venceremos, nichts mehr. Quatsch! Jeder Mensch ist sehr vielseitig und wir haben viele Bedürfnisse und wir müssen lachen, wir müssen weinen, und er hat das gewusst. Und deshalb war er so populär. Andreas: Dean, in wie viel Ländern wurde inzwischen dein Film "El Cantor" gezeigt? Dean: Das war... Ich kann es dir nicht genau sagen. Ich weiß, dass über 13 kapitalistische Länder ihn schon gekauft haben und die ganzen sozialistischen Länder. Das war ein sehr persönlicher Film für mich, weil er einem Freund gewidmet war. Andreas: Dean, ein Lied jetzt aus dem Film "El Cantor". Dean: Okay, das ist von Karel Svoboda, ein sehr guter Komponist, der immer für meine Filme schreibt. (Auch für "Sing, Cowboy, sing" hat er das Titellied geschrieben.) Es heißt "El Cantor", der Sänger. Lied: "El Cantor" Andreas: "El Cantor" - Dean Reed. Dean, du bist ja Mitglied der Kulturkommission des Weltfriedensrates. Und auch dein Engagement für die Weltfriedensbewegung geht, glaube ich, auf deinen Aufenthalt in Lateinamerika zurück. Dean: Ja, als ich in Argentinien war. Ich habe ein Jahr in Argentinien gelebt und gearbeitet. Dort habe ich Alfredo Varela kennen gelernt. Alfredo Varela ist der Präsident der argentinischen Friedensbewegung, ein Schriftsteller. Jetzt hat er inzwischen auch den Leninpreis bekommen. Er ist ein großer Freund geworden und hat mich an die Hand genommen und in die Friedensbewegung gebracht. Ich bin in der Kulturkommission, wie du gesagt hast. Sie hat 26 Mitglieder, einer von jeder Nation. Ich bin von der USA. Früher z.B. war Pablo Neruda aus Chile einige Zeit dabei. David Siqueiros, der Maler aus Mexiko, war bei uns. Aus der DDR ist Hans-Peter Minetti. Einige Jahre haben wir am meisten für Vietnam gearbeitet und auch für Chile. Heute, ist klar, das größte Problem der Welt ist, den Frieden zu behalten. Das ist jetzt unsere Hauptaufgabe. Andreas: Varela hat dich, glaube ich, auch dann mitgenommen zu dem Friedenskongress nach Helsinki 1965, ja? Und dort hast du eine der wunderbarsten Frauen der Welt kennen gelernt, nämlich Valentina Tereschkowa. Dean: Wirklich, eine schöne Frau und eine sehr phantastische Frau, charmant. Aber ich kann etwas erzählen von Valentina. Wir haben ein Interview gedreht für meine Show in Argentinien. Am Ende unseres Interviews habe ich sie geküsst im argentinischen Stil, im südamerikanischen Stil. Du weißt, man küsst in Südamerika die Frau auf die Wange. Na ja, sie ist rot geworden, sie ist total rot. Man sieht das auf dem Film. Und in Moskau, da war ein großer Friedenskongress. Es war voll mit Leuten, bevor das angefangen hat. Und Valentina war auf dem Podium da vorne. Und ich wollte zu Valentina gehen, nur um "Guten Tag" zu sagen, und vor allen Leuten hat sie mich wirklich genommen und sie hat mich geküsst, wo ich rot geworden bin, und sie hat gesagt, das ist die Rache. Andreas: Dean, diese Fernsehshow mit Valentina Tereschkowa hat ja 1965 in Argentinien auch allerhand Staub aufgewirbelt. Dean: Das war vielleicht ein erstes Problem meines Lebens. Ein politisches Problem mit meiner Botschaft und auch mit den politischen Leuten in Argentinien. Ich habe dieses Interview, ich habe niemanden gefragt, ich habe das in meiner Fernsehshow gezeigt einen Sonnabend. Ich hatte jeden Sonnabend eine Fernsehshow. In der nächsten Woche ist die Geheimpolizei bei meinem Haus erschienen und sie haben mich in ihr Büro gebracht und, ich werde es nie vergessen, da war eine Tür, auf der oben steht: PRO SOWJET. Und ich bin reingebracht worden und sie haben gesagt, wie viel haben sie bezahlt, dass du das gezeigt hast? Und bist du ein Agent vom Kreml? Und am Ende wurde ich 1966 aus Argentinien rausgeschmissen, weil der Staat gesagt hat, dass ich ein Risiko für die Sicherheit der Nation bin. Andreas: Was meinst du, was du mit deiner Arbeit, mit deinen Liedern, mit deinem Leben überhaupt, ausrichten kannst für diese wichtigste Sache der Welt, den Frieden? Dean: Ich glaube, jeder Mensch, Andreas, muss etwas tun. Ich bin sicher, dass ich allein die Welt nicht ändern kann, das ist klar. Aber wenn ich sterbe, will ich denken, dass mein Leben irgendwie einen Wert gehabt hat und ich habe ein kleines, wie sagt man auf deutsch, ein kleines "grain of sand", ein kleines... Andreas: Körnchen Salz, ja. Dean: ...gegeben, irgendwie ist die Welt etwas besser geworden, weil Dean da war. Und ich glaube, jeder Mensch muss das sagen, wenn er stirbt; irgendwie ist die Welt besser geworden, weil ich da war, weil ich etwas getan habe, nicht nur für mich, aber für jemand anderes. Ich war immer privilegiert in meinem Leben, weil ich ein berühmter Künstler war, von Land zu Land zu Land, und das bedeutet, man wird privilegiert. Aber ich bin der Meinung, dass der einzige Grund, berühmt zu sein ist, wenn man dieses Glück hat, sehr oft ist es eine Schicksalsfrage oder eine Glücksfrage, man hat eine Verantwortung, diese Berühmtheit zu benutzen für ein Ideal. Und ich will nur etwas helfen und bereit sein, ein Risiko einzugehen für mein Ideal. Andreas: Dean Reed - "Frieden" Lied: "Frieden" Andreas: Dean, du bist häufig Gast in der Sowjetunion, und ich nehme an, dass du auch gern Gast bist, weil du oft in der SU bist. Ich weiß, du bist auch ein gern gesehener Gast. Dean: Ich achte das sowjetische Volk sehr, weil ich auch kein Volk kenne, das so für den Frieden arbeitet. Ich kenne kein Land in der Welt, wo jedes Mal, sicher kennst du das, Andreas, wenn man bei einem offiziellen Essen isst, oder zu Hause bei einem Freund, immer jemand ein Glas Wein oder so etwas hebt und sagt: "Für den Frieden der Welt". Und das ist nicht propagandistisch gemeint. Sie meinen das als Menschen. Ihr größter Wunsch, vielleicht, weil sie den Krieg erlebt haben, und so einen furchtbaren zwei Mal, ist, sie wollen wirklich den Frieden. Und sie sind bereit, alles für den Frieden zu tun, nicht nur mit Worten, auch mit Taten. Und deshalb respektiere und achte ich dieses Volk. Dieses Volk könnte einen viel höheren Lebensstandard haben, wenn es der ganzen Welt nicht so viel Solidarität geben würde. Es gibt Länder, die leben, weil es Solidarität aus der Sowjetunion gibt. Und ich achte dieses Volk sehr, sehr aus diesem Grund. Andreas: Du bist 1965 nach dieser Fernsehshow in Argentinien in die SU gefahren. 1966 war es glaube ich, warst du zum ersten Mal dort. Dean: Ja, die erste Konzerttournee, ja. Andreas: Und dann eigentlich regelmäßig, nicht? Du warst 1978 dann auch Gast des Komsomol-Kongresses. Dean: Na, ich war sehr oft da. Wir haben etwa fünf Mal Konzerttourneen gemacht. Ich war dort sehr oft bei МЕЛОДИЯ, beim Fernsehen, bei Friedenskongressen. Andreas: Du warst 1979 an der BAM, also an der Baikal-Amur-Magistrale, hast dort Konzerte gegeben. Du hast als erster Ausländer, so viel ich weiß, den Leninpreis für Kultur des Komsomol bekommen. Dean: Das war eine große, große Ehre für mich, weil es das erste Mal war, dass ein Ausländer diesen Preis bekam. Jetzt hat übrigens ein zweiter Mann ihn bekommen. Das ist Theodorakis, er hat ihn inzwischen auch bekommen. Andreas: Welche Gegenden der SU kennst du? Kennst du die ganze SU? Dean: Ich kenne, ich glaube, fast die ganze SU, ja, ja. Andreas: Also bis nach Sibirien, Baikalsee, ja? Dean: Ja, na klar. Andreas: Und auch Mittelasien, Samarkand, ja? Dean: Es ist so ein großes Land, ist klar. Es gibt auch, glaube ich, etwas sehr, sehr Interessantes für einen, der aus Amerika kommt, wo Rassismus ein großes Problem ist. Wenn man die Sowjetunion kennt von Nord bis Süd und Ost bis West, wo es 126 Nationalitäten oder so etwa gibt, mit so viel Sprachen und Kulturen, dort habe ich nie ein Problem mit Rassismus gesehen. Und das ist, was mir sehr imponiert, dass sie dieses Problem gelöst haben, was wir in Amerika, wir haben es nicht gelöst bis jetzt. Andreas: Ein Lied von dir, Dean, "Sensible", "Sensible", ja. Dean: Ja. Lied: "Sensible" Andreas: Dean, wir haben uns getroffen, und an diese Tage denke ich noch unheimlich gern zurück, das war bisher meine schönste Reise, wir haben uns getroffen in Havanna bei den Weltfestspielen 1978. Und du hast mir, als wir uns im Hotel trafen, eine Platte geschenkt, die du gewidmet hast der PLO-Delegation, darauf "Hey Biladi", was soviel heißt wie "Heimatland", und "Jerusalem". Wir haben dieses Lied jetzt auch herausgesucht, "Hey Biladi". Du warst auch 1977, also ein Jahr vor den Weltfestspielen, im Libanon auf Einladung der PLO, hast also die Schauplätze der blutigen Auseinandersetzungen der letzten Wochen und Monate mit eigenen Augen gesehen. Und ich glaube, dass dich in ganz besonderer Weise berührt, was wir hören müssen aus diesem Land. Dean: Andreas, ich war dort sehr oft, in Südlibanon. Das letzte Mal war im November letztes Jahr bei der PLO. Wir haben zusammen gelebt, jeden Tag, jede Nacht. Ich kenne die Familien. Inzwischen sind einige der Leute, die ich kannte, tot. Mein bester Freund ist ein Autor von Kinderbüchern. Seine Frau wurde umgebracht. Ich weiß nicht, was inzwischen mit ihm passiert ist. Viel mehr Leute werden sterben, Kinder und Frauen. Sie haben nichts getan. Ihr einziges Ziel ist, in ihrem Heimatland zu leben, in Frieden mit allen Leuten, mit Christen, mit jüdischen Leuten. Aber Zionismus ist genau wie Faschismus. Wie die UNO schon gesagt hat, Zionismus ist Rassismus, weil durch den Zionismus..., es ist eine aggressive Politik, eine expansionistische Politik gegen alle Nachbarländer dort in Nahost. Es ist eine richtige Gefahr, der Weltkrieg. Jeden Tag denke ich an meine Freunde in Beirut. Und ich hoffe, dass sie es irgendwie durchleben werden. Andreas: Dean, ich kenne auch Bilder, die dich zeigen mit Yasser Arafat. Du hast ihn persönlich kennen gelernt, kennst ihn gut. Dean: Yasser ist ein Freund von mir seit '73. Ich habe ihn kennen gelernt hier in Berlin bei den Weltfestspielen der Jugend. Wir haben einen Termin gehabt. Und ich erinnere mich, er hat mich umarmt und ich habe gesagt: "Aber sicher kennst du mich nicht. Ich war nie in einem arabischen Land." Und er sagte: "Ich kenne dich sehr gut, weil ich vor einigen Monaten in Kairo war in einem von deinen italienischen Western. Und davor war ich in Damaskus, und da war ein anderer italienischer Western von dir. Und wir kennen dich gut durch deine italienischen Cowboyfilme." Und danach haben wir uns sehr oft getroffen, überall in der Welt. Und ich habe diese Lieder für die PLO geschrieben. Und ich fühle mich sehr, sehr verbunden mit der PLO. Andreas: "Hey Biladi" - Heimatland. Lied: "Hey Biladi" Andreas: Dean Reed. Wir haben sicher vieles nicht besprochen. Unsere Sendezeit ist aber gleich um. Gibt es etwas, was du unbedingt noch loswerden möchtest, heute und jetzt, hier? Dean: Ich glaube, weil es heute der 7. Oktober ist, ist ganz klar, ich muss dir und euch gratulieren, an diesem Tag, dem Nationalfeiertag. Wir haben gesprochen von Chile als zweites Heimatland. Es ist klar, dass die DDR für mich ein zweites Heimatland ist. Ich danke euch allen für eure Freundschaft. Es ist immer ein bisschen schwer, in einem Land zu leben als Exil, das ist klar. Ich fühle mich immer ein bisschen als Ausländer. Meine Mentalität ist nicht eure. Ich bin fast kein Amerikaner mehr, weil ich seit mehr als 20 Jahren in anderen Ländern der Welt lebe. Aber ich bin ein bisschen Amerikaner, ein bisschen Chilene, ein bisschen Italiener, ein bisschen Argentinier und jetzt sicher ein bisschen DDR-Bürger. Ich habe viel von euch gelernt. Sicher habe ich ein bisschen meine Naivität verloren. Ich sehe alles ein bisschen mehr realistisch. Und ich wünsche euch alles, alles Gute, viel, viel Frieden, viel Liebe, viel Mut, man braucht auch Mut, im Sozialismus auch, und auch viel Humor. Manchmal vergessen wir, dass Humor sehr, sehr wichtig im Leben ist. Wir müssen über uns selbst manchmal lachen. Andreas: Dean, ich danke dir für diese Worte für uns, an uns. Wünsche dir Kraft und viel Erfolg, dass wir viel von dir haben, viel mit dir und von dir erleben. Und ich muss dich auch noch fragen, welche Pläne du hast, woran du im Augenblick arbeitest. Dean: Gerade in diesem Moment schreibe ich ein Drehbuch, ein neues Drehbuch für die DEFA. Das ist ein Gegenwartsfilm über die USA. Das Hauptthema dieses Films ist die gegenwärtige Lage der Indianer in den USA. Aber es ist ein Actionfilm. Es ist ein Film mit Spannung und Action und Liebe zugleich. Das soll übernächstes Jahr gedreht werden. Dann kommt diese neue LP raus. Ich lerne jetzt auch langsam, "nein" zu sagen zur Arbeit. Früher konnte ich das nie. Aber jetzt, seit ich mit Renate zusammen bin, ist klar, dass wir beide miteinander sein wollen und mit unserem Sohn Alexander. Und so versuche ich jetzt immer, auch zu lernen, "nein" sagen zu können. Andreas: Dean, ich danke dir ganz herzlich für dein Kommen, dass du Zeit hattest für diese Stunde auf dem Berliner Rundfunk. Ich wünsche dir, deiner Familie, das Beste. Dean: Ich danke dir, Andreas. Andreas: Auf Wiedersehen. Alles Gute. Dean: Du auch. Alles Gute. Tschüss! Andreas: Tschüss! Lied: "Susan" (deutsch) Lied: "Rock'n'Roll-Medley" |
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