Thüringer Allgemeine 01.02.2007

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Der rote Amerikaner

Dean Reed ist wieder da. Als "Roter Elvis" und "unbekanntester Popstar aller Zeiten" preisen ihn neue Bücher, CDs und Filme über 20 Jahre nach dem Tod eines Cowboys, der zwischen die Fronten des Kalten Krieges geriet.

ERFURT. Während Fernseh-Deutschland unter Anleitung von Dieter Bohlen wieder nach einem Superstar sucht, haben ihn andere längst gefunden: im Fundus. Der "Rolling Stone" widmet ihm einen großen Beitrag, Steven Spielberg und Tom Hanks sind auf seinen Spuren unterwegs, um die Welt mit einem Spielfilm zu beglücken. Vorher wird auf der Berlinale ein neuer Dokumentarfilm über ihn zu sehen sein. Und diese Woche erschien eine CD mit seinen Frühwerken: "The Red Elvis".

Dean Reed, denn um den geht es, hat mit Elvis zumindest zwei Eigenschaften gemein: Beide sind schon eine ganze Weile tot. Und beide waren zumindest in ihren letzten Lebensjahren sehr unglücklich, der Umstände wegen. Ein Elvis war der Amerikaner nie. Reed hatte einen Hit in Südamerika um 1960, der auch auf der CD zu finden ist: "Our Sommer Romance". Und in Osteuropa gelang es ihm tatsächlich, auch große Hallen zu füllen. Aber an seine Platten, die er später in der DDR aufnahm, erinnert sich zu Recht keiner mehr. Sie wurden schon kurz nach dem Erscheinen zu Ladenhütern. Und seine Filme, die er bei der Defa drehte, haben höchstens Nostalgie-Wert.

Von wahrer Popularität war der zugereiste Amerikaner weit entfernt. Und zum Star taugte Reed schon deshalb nicht, weil er eine dafür sehr hinderliche Eigenschaft besaß: Er war ein im Grunde ehrlicher Junge. Der Hühnerfarm-Sprössling aus Colorado entdeckte, nach einem kurzen und erfolglosen Plattenvertrag in den USA, seine Liebe zum Kommunismus und zu den Befreiungsbewegungen in Chile oder Palästina. Er wollte mit Victor Jara singen und die Welt verbessern. Aber wenn man aus den USA kam, ganz passabel aussah und ein bisschen singen konnte, war das nicht so einfach zu dieser Zeit. Und so wurde er in seiner Heimat zum Klassenfeind und im Ostblock zur Ikone gemacht. Er hat lange gebraucht, um zu erkennen, dass nicht seine Lieder und Filme gemeint waren, als ihm Honecker, Arafat oder Breshnew Beifall klatschten. Er war nichts weiter als ihr Symbol der bevorstehenden Weltrevolution. Ein roter Amerikaner, dessen Musik den alten Herren dazu noch eingängiger und sozialistischer erschien als das neumodische Gedudel. Sie liebten ihn, der so sehr nach Zuneigung dürstete, als Ausstellungsstück ihrer Trophäensammlung.

Dean Cyril Reed begann wirklich als singender Cowboy. Nach der Highschool arbeitete er auf einer Touristenranch, führte Kunststücke vor und sang für das Publikum. Und wie die Cowboys mit ihren Herden ziehen, zog "Denver Kid", wie man ihn damals nannte, seinem Erfolg hinterher. Erst nach Südamerika, später in die Sowjetunion und dann in die DDR. Er sang auf der Weltfriedenskonferenz in Helsinki, in Bangladesh oder im Irak. Und er wurde immer wieder verhaftet und bedroht, was seiner Popularität freilich nur zuträglich war. Auch sein Privatleben war unstet, die erste und zweite Frau verließ er jeweils nach der Geburt des ersten Kindes. Nur bei der Schauspielerin Renate Blume, die er selbst die Liebe seines Lebens nannte, blieb er ein paar Jahre. Bis zum Schluss.

Blume und Reed waren so etwas wie das Traumpaar der DDR. Wo es sonst nur Hauff und Henkler oder Spejbl und Hurvinek gab, schien die Ehe des gut aussehenden Amerikaners und der südländisch anmutenden Schönheit ein Stück Bravo-Wirklichkeit im Alltag. Allüren allerdings hat man nie gespürt. Dean Reed blieb, trotz der Hofierung durch die Mächtigen, der nette Junge von nebenan, der auch noch mit dem Publikum redete, wenn das Konzert längst vorbei war.

Die Konzerte aber wurden immer rarer. Hätte es sie damals schon gegeben, er wäre wohl einer der vielen Baumarkt- und Autohausjubiläumskünstler geworden. Und auch das DDR-Fernsehen setzte ihn häufig nur noch als Anheizer ein, weil die hitverdächtigen Lieder ausblieben. Zudem häufte sich die Zahl der Neider, denn trotz fehlender künstlerischer Erfolge bekam er wegen seiner Sonderstellung als Vorzeige-Amerikaner Rollen- und Arbeitsmöglichkeiten, von denen andere nur träumen konnten.

Am 17. Juni 1986 wird seine Leiche im Zeuthener See bei Berlin gefunden. Er soll vorher Schlaftabletten genommen haben, erst nach der Wende wird ein Abschiedsbrief an Erich Honecker veröffentlicht: "Mein Tod hat mit Politik nichts zu tun." Auch die Stasi, wie zunächst gemutmaßt wurde, hatte ihre Hand nicht im Spiel. Von Problemen in seiner Ehe ist die Rede, auch von Depressionen.

Aber es hatte mit Politik zu tun, weil das ganze Leben Dean Reeds mit Politik zu tun hatte. Gerade an einem Jahrestag des Volksaufstandes von 1953 starb ein Mann, der gern Künstler und Politiker sein wollte, aber wohl zu beidem das Zeug nicht hatte und so zum Opfer des Kalten Krieges wurde. Er verließ die Welt mit 47 und nur wenige Jahre vor der DDR. Vielleicht war es eine glückliche Fügung. Und vielleicht entsteht nun, mit etwas Abstand, ein neues Bild von Dean Reed. Das Bild des roten Elvis. Es hätte nicht viel mit der Realität gemein. Aber es würde ihm gefallen.

  • CD "The Red Elvis - The Very Strange Story Of Dean Reed", Bear Family Records;
  • Buch "Der rote Elvis" von Stefan Ernsting, Aufbau-Verlag, 7,95 Euro.
  • Dokumentarfilm "Dean Reed - The Red Elvis" (Regie: Leopold Grün);
  • Steven Spielberg (Produktion) und Tom Hanks (Regie) planen einen Film über Dean Reed.

Von Eberhardt PFEIFFER

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