Dresdner Neueste Nachrichten 17(?).02.2007

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Der zerbrochene Star

Dresdner drehte Dok-Film über Dean Reed

Leopold Grün steht im Rodina, dem neuen Club von Russendiskoautor Wladimir Kaminer, am Tresen. Die offizielle Premierenparty seines Dokumentarfilms über Dean Reed, "Der Rote Elvis", ist im vollen Gange. Der freie Regisseur und Medienberater aus Dresden-Wachwitz, inzwischen wohnhaft in Berlin, ist bester Laune. Seine fünfjährige Arbeit an dem Film, die bei aller Freude immer wieder von Durststecken geprägt war, hat mit der ausverkauften Premiere auf der Berlinale am Mittwoch ihren erfolgreichen Abschluss gefunden. Das Publikum im Kino International war begeistert und applaudierte ausgiebig. Neben dem Filmteam waren auch Günter Reisch und Maren Zeidler, eine unbekannte Geliebte Reeds, als Ehrengäste anwesend.

Die Berlinale ist das wichtigste deutsche Filmfestival und ein ausgezeichneter Rahmen, um sich einem deutschen und internationalen Fachpublikum zu präsentieren. Das Festival ist für den Regisseur aber auch von besonderer persönlicher Bedeutung: 1993 entdeckte er dort seine Liebe zum Film.

Zu seiner Zeit in Dresden ist Film für Leopold Grün noch kein Thema. Seine Fachabitursprüfung legt er am Institut für Lehrerbildung in Nossen ab, nur wenige Kilometer von Döbeln entfernt, wo Dean und Wiebke Reed später heirateten. Zu Wendezeiten unterrichtet er an einer Dresdener Grundschule. Es ist eine wunderbare Zeit der Experimente, mit dem Einzug westdeutscher Regeln an der Schule, geht er nach München. Er kommt bei einem alten Brieffreund unter, das Psychologiestudium wird ihm aufgrund seines Schulabschlusses jedoch verwehrt und er studiert stattdessen Sozialpädagogik. Neben seinem politischen Engagement - er ist in der Studentenvertretung aktiv und organisiert Demonstrationen gegen den Weltwirtschaftsgipfel - kommt er in München in Kontakt mit dem Film. Er beginnt, regelmäßig die Berlinale zu besuchen und sieht jedes Mal bis zu 40 Filme. Im Rahmen seines Studiums entstehen seine ersten Filme, darunter sein Erstlingswerk über Stadtteilentwicklung in München-Schwabing und Dresden-Neustadt.

Nach Berlin führt ihn 1996 ein Job bei der Freiwilligen Selbstkontrolle Fernsehen (FSF), den er bis heute ausübt. Er erwirbt sein Diplom als Medienberater und auch privat stellen sich hier viele Weichen: er lernt seine Freundin kennen, mit der er inzwischen zwei Kinder hat. Neben dem Beruf und Studium widmet er sich in Berlin intensiv der Filmerei und legt sich dabei immer mehr auf Dokumentarfilme fest. Er dreht zwei Portraits über ostdeutsche Frauen. "Ob Sie mir das glauben oder nicht" (1999) handelt von einer 92 Jahre alten Frau, die in 65 Jahren in derselben Wohnung im Prenzlauer Berg vier politische Systeme erlebt hat. "Final Destination" (2001) portraitiert eine Dresdnerin, die vor der Wende erst in den Westen und dann als Au Pair in die USA gegangen ist, seit dem Fall der Mauer jedoch jede Rückkehr nach Deutschland für sich ausgeschlossen hat.

Den Produzenten beim Bier überredet

Erst in einem Biergarten in Ost-Berlin stößt er erneut auf Reed. Ein aus Westdeutschland stammender Freund wollte wissen, wer dieser Dean Reed denn sei. Da er kaum mehr als einige Schlagworte entgegnen kann, beginnt er zu recherchieren. Das Thema lässt ihn fortan nicht mehr los und der Grundstein für das gemeinsame Dean Reed-Projekt war gelegt. Das gleichnamige Buch von Stefan Ernsting erscheint bereits 2004, während die Arbeit am Film weitergeht. Es gelingt mit ein paar Bier, einen Produzenten zu überreden einzusteigen, aber die Doppelbelastung von Arbeit und Familie und die lange unklare Finanzierung ziehen das Filmprojekt in die Länge. Auch die Suche nach verschollenen Originalaufnahmen und auskunftsbereiten Zeitzeugen gestaltet sich äußerst aufwändig. Doch die gründlichen Recherchen und das Durchhaltevermögen zahlen sich aus. Viele Prominente konnten für den Film gewonnen werden. So zum Beispiel letztendlich auch Egon Krenz, der anfänglich aus dem Gefängnis anrief und auf Leopolds Grüns Anrufbeantworter hinterließ, dass ihm Haft, Arbeit und Familie leider keine Zeit für ein Gespräch ließen. Der Großteil von Reeds Familie stand aufgrund von Exklusivverträgen mit Tom Hanks nicht zur Verfügung. Während Manfred Krug trotz eines ausführlichen Briefwechsels und Austauschs von Geschenken nicht zu überzeugen war, stellte Gojko Mitic sofort ummissverständlich klar, dass er zu seinem Kollegen, mit dem er auf der Leinwand noch Blutsbrüderschaft geschworen hatte, kein Wort sagen wird.

"Der Rote Elvis" hat nicht den Anspruch, eine vollständige Biographie zu bieten, sondern geht auf eine Spurensuche nach dem Wirken, den Motiven und dem Menschen Dean Reed. Im Vordergrund stehen dabei vor allem Reeds politisches Engagement, seine widersprüchliche Persönlichkeit und die Gründe seines frühen Todes. Aus Gesprächen mit prominenten Zeitzeugen, Ausschnitten aus Filmen, Konzerten und privaten Aufnahmen entsteht ein dichtes atmosphärisches Portrait des wohl berühmtesten sozialistischen Cowboys der Welt. Verstärkt wird dieser intensive Eindruck durch den Verzicht auf jeglichen Kommentar und die Filmmusik, die aus modernen Interpretationen von Reeds Liedern und Eigenkompositionen besteht.

Das Filmteam besucht die Wirkungsstätten Reeds in Chile und Colorado und befragt vor Ort Zeitzeugen. Während Reed in den USA während einer Radiosendung als Vaterlandsverräter angefeindet wird, sind die Südamerikaner, u.a. Isabel Allende, geradezu euphorisch, wenn sie über Dean Reed sprechen. Sie schätzen den politisch engagierten Star, weil er amerikanischer Staatsbürger war und die Politik seiner Regierung trotzdem so entschlossen öffentlich kritisierte. Die Zeitzeugen aus der DDR, die Reed zum Teil lange Jahre begleitet haben, äußern sich wesentlich nachdenklicher. Dem Regisseur ist es gelungen eine vertrauliche Atmosphäre mit seinen Gesprächspartnern herzustellen, die sehr persönlich Auskunft geben. Man merkt, dass Dean Reed für alle noch ein bewegendes Thema ist.

Starqualitäten wie Tom Cruise oder Brad Pitt

Armin Mueller-Stahl bescheinigt Reed Starqualitäten, die denen eines Tom Cruise oder Brad Pitt um nichts nachgestanden hätten. Will Roberts sieht Reed als den Prototyp des amerikanischen Pioniergeistes, den es rastlos immer weiter nach "Westen" zieht. Zu Wort kommen unter anderen Egon Krenz, Wiebke Reed, Maria Moese, Celino Bleiweiss und Günter Reisch. Sie zeichnen ein vielschichtiges Bild des rastlosen und mitfühlenden Kämpfers für das Gute, eines Menschen, für den Politik auch immer eine Herzenssache war. Eines strahlenden Entertainers, der an Depressionen litt. Dean Reed war auf rastloser Suche nach künstlerischer Anerkennung und litt zunehmend unter dem Gefühl der Stagnation. Trotz seines festen Glaubens an den Sozialismus und seiner privilegierter Stellung wurde ihm die Enge der DDR mehr und mehr bewusst. Er litt in der Ehe mit Renate Blume, hatte Heimweh und verbaute sich durch seine harsche Kritik an der Politik seines Heimatlandes selbst den Rückweg.

Die Originalaufnahmen runden das Bild ab, sie illustrieren die Interviews und tragen zu der emotionalen Stärke des Films bei. Darunter findet sich exklusives, bisher unveröffentlichtes Filmmaterial aus Reeds Privatleben oder sein Tanz mit der Kalaschnikow im Kreise palästinensischer Kämpfer im Libanon. Es gibt noch weitere Neuigkeiten mit denen "Der Rote Elvis" besticht: eine bislang gänzlich unbekannte Frau aus dem Leben Reeds kommt ausführlich zu Wort und auch zum Tod Dean Reeds bringt der Film Neues. Er bietet Kennern der Materie interessante Einsichten. Wer eine oberflächliche Heldengeschichte oder aufgewärmte Verschwörungstheorien erwartet, wird jedoch enttäuscht sein. Aber das ist auch gut so, denn den Held auf dem Pferd der im letzten Moment zu Hilfe eilt, hat Reed oft genug selbst gespielt. Er hat einen sachlichen und respektvollen Blick verdient, der ihn als Menschen mit allen seinen Facetten würdigt und sich nicht auf die Wiederholung von Legenden beschränkt. Im Sommer dieses Jahres wird der Film in den deutschen Kinos anlaufen.

Martin Bialluch

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Letzte Änderung: 2007-07-01