Hamburger Abendblatt 31.07.2007

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Biografie - Vor 21 Jahren starb der Amerikaner, der in der DDR und dann im gesamten Ostblock zum Superstar wurde

Dean Reed - der Elvis des Sozialismus

Ein Kinofilm zeichnet das Leben des Sängers nach - und zeigt einen Mann voller Widersprüche.

Von Matthias Gretzschel

Hamburg - Am 12. [17.] Juni 1986 fischte die Rettungsmannschaft einen leblosen Körper aus dem Zeuthener See. Die Helfer, der Notarzt, die Ost-Berliner Kripo-Beamten und auch die schnell hinzugezogenen Stasi-Ermittler erkannten die Leiche auf den ersten Blick. Kein Wunder, denn fast anderthalb Jahrzehnte lang war das Bild dieses Mannes in den Medien der DDR ständig präsent gewesen, im Fernsehen, in den Zeitungen und Illustrierten, auf Plattencovern. Ein blonder, blendend aussehender Typ mit umwerfendem Charme, ein Star, ein Held und außerdem noch ein echter Amerikaner.

Am Abend vermeldete das DDR-Fernsehen den Tod des Schauspielers und Sängers Dean Reed als tragischen Unglücksfall. Das SED-Zentralorgan "Neues Deutschland" und die übrigen gleichgeschalteten Zeitungen räumten ihm Nachrufe ein, wie sie sonst nur Mitglieder des Politbüros erhielten. Aber Trauer ließ sich nicht verordnen; viele DDR-Bürger nahmen die Nachricht eher gleichmütig zur Kenntnis. An den Unfalltod glaubte ohnehin kaum jemand.

An diesem Donnerstag kommt ein Film in die Kinos, in dem unter dem Titel "Der Rote Elvis" die erstaunliche Lebensgeschichte des ostdeutschen Amerikaners Dean Reed aus der Sicht von Weggefährten und Zeitzeugen rekonstruiert wird. Das Bild, das Regisseur Leopold Grün zeichnet, zeigt kein Heldendenkmal, sondern eine faszinierende Persönlichkeit mit dunklen Flecken und voller Widersprüche, die noch immer Rätsel aufgibt. "Wieso kommt der her? Das ist doch ein amerikanischer Star. Der kann doch eine große Karriere in Amerika machen. Was will der hier?", fragte sich zum Beispiel Armin Mueller-Stahl, der den umgekehrten Weg gegangen ist - von Ostberlin nach Hollywood.

Es begann an einem verregneten Novembertag 1971 in Leipzig. Dean Reed, damals 33, war Gast der Leipziger Dokumentar- und Kurzfilmtage, des einzigen international beachteten Filmfestivals der DDR. Dort verliebte sich die bildhübsche DDR-Bürgerin Wiebke Dorndeck in den verheirateten Amerikaner. Sie konnte zwar kaum Englisch, aber für den entscheidenden Satz reichte es aus. "You are the best looking man of the world", sagte die Lehrerin, die auch als Model arbeitete. Reed war hingerissen, verliebte sich Hals über Kopf, ein Jahr später heiratete er die Sächsin aus Döbeln [Dessau] und siedelte in die DDR über. Triumphierend meldete das "Neue Deutschland", dass der amerikanische Sänger und Filmstar Dean Reed jetzt im "ersten Arbeiter- und Bauernstaat auf deutschem Boden" seine neue Heimat gefunden hatte.

Ein Hollywoodstar, als den ihn die DDR-Propaganda verkauft, war er zwar beileibe nicht, aber eine bemerkenswerte Karriere hatte er schon hinter sich. 1938 in Denver (Colorado) als Sohn eines Lehrers geboren und aufgewachsen, besuchte Reed kurzzeitig eine Kadettenschule, deren hartem Drill er aber nicht gewachsen war. Dafür lernte er reiten und Gitarre spielen, produzierte 1959 seine erste Platte und platzierte sie auf Platz 96 der "Hot 100 Charts". Kurz darauf nahm die kalifornische Plattenfirma Capitol den viel versprechenden Rock- und Country-Sänger unter Vertrag, mit "Our Summer Romance" landete er seinen ersten wirklichen Hit. Reed spielte kleine Rollen in Hollywood-Filmen, ging dann 1961 nach Südamerika, wo er wirklich zum Star wurde. In Chile und Argentinien sang er in Klubs und Fußballstadien, trat in TV-Shows auf und stürmte die Hitparaden. Durch die krassen sozialen Gegensätze in Lateinamerika sensibilisiert, äußerte er sich bald auch politisch. Er verfasste flammende Appelle gegen Atomtests, die Macht amerikanischer Konzerne in Lateinamerika und gegen den Vietnamkrieg. Reed profilierte sich als Protestsänger und Friedenskämpfer und nahm als argentinischer Delegierter am kommunistisch dominierten Weltfriedenskongress in Helsinki teil.

Als er zum ersten Mal in der Sowjetunion auftrat, war er überwältigt von der Begeisterung, die ihm entgegenschlug. Der "Johnny Cash des Kommunismus", wie ihn die "New York Times" taufte, füllte zwischen Ulan Bator und Prag, Moskau und Bukarest Fußballstadien mit Fans, die Dean Reed vor allem deshalb liebten, weil er englisch sang und der einzige amerikanische Rocksänger war, der sich hinter den Eisernen Vorhang verirrt hat. Vielleicht hatte er ja am Ende seines Lebens verstanden, dass seine Popularität im Osten im Grunde genommen auf diesem Missverständnis beruhte. Doch davon war Anfang der 70er-Jahre noch nichts zu spüren. Reed spielte in Italowestern mit und bezog 1973 mit seiner Frau ein schickes Haus in bester Lage in der Nähe von Berlin. Er war Ehrengast der X. Weltjugendfestspiele in Ost-Berlin, wo er die amerikanische Bürgerrechtlerin Angela Davis und PLO-Chef Jassir Arafat kennenlernte. Er trat in DDR-Fernsehshows auf und ließ sich bedenkenlos von der SED instrumentalisieren. Die Defa verfilmte mit ihm die Novelle "Aus dem Leben eines Taugenichts", obwohl er nicht das geringste Gespür für Eichendorffs spätromantische Stimmung aufzubringen vermochte. Es folgten weitere Filme, Plattenaufnahmen, Konzerte und immer wieder politische Auftritte, von denen manche geradezu bizarr gerieten. So ließ er sich während des Libanonkriegs filmen, wie er gemeinsam mit PLO-Kämpfern zur Front fuhr - obwohl er lebenslang nur mit Platzpatronen geschossen hatte.

Reed lebte zwar in der DDR, führte aber nicht das Leben eines DDR-Bürgers. Regelmäßig meldete er sich in Ost-Berlins amerikanischer Vertretung, um seinen US-Pass zu verlängern. Gleichzeitig genoss er zahlreiche Privilegien, einschließlich einer verschwiegenen Berliner Wohnung, wo er sich regelmäßig mit seiner langjährigen Geliebten Maren Zeidler treffen konnte. Als er sich von seiner Frau Wiebke trennte, musste diese feststellen, dass der Kämpfer für eine gerechtere Welt im privaten Bereich ziemlich ungerecht sein konnte: Natürlich musste sie mit der gemeinsamen Tochter Natascha das Haus verlassen und sich eine neue Bleibe suchen. Reed behielt das Anwesen, in das bald darauf seine neue Frau, die Schauspielerin Renate Blume, zog.

Als die SED den Liedermacher Wolf Biermann im Herbst 1976 ausbürgerte, formierte sich zum ersten Mal in der DDR-Geschichte ein Künstlerprotest. Armin Mueller-Stahl und der Schriftsteller Jurek Becker klingelten damals auch bei Reed und baten ihn um seine Unterschrift unter die Protestresolution. Doch so weit reichte die Solidarität des Friedenskämpfers nicht. Während nun immer mehr Künstler die DDR Richtung Westen verließen, wurde Reeds Arrangement mit der SED-Führung immer durchschaubarer. Der Sänger forderte die Freiheit der Völker, wenn er aber auf die fehlende Freiheit in seiner Wahlheimat angesprochen wurde, gab er absurde Antworten. Die Berliner Mauer? Kein Problem, schließlich sei sein Vater auch nie aus Colorado herausgekommen.

Für Reed selbst spielte die Mauer freilich keine Rolle. Er flog 1978 in die USA, beteiligte sich an einer Protestaktion von Farmern in Delano (Minnesota) und wurde mit 19 anderen Demonstranten verhaftet und ins Wright-County-Gefängnis von Buffalo gebracht. Er trat in Hungerstreik und gab aus der Haft dem DDR-Fernsehen ein Interview. Der Moderator der Jugendsendung "Rund" kommentierte markig: "Dean Reed ist verhaftet. Die Teilnahme an einer Demonstration ist in den USA Grund genug, einen Menschen einzukerkern!" Nach 15 Tagen wurde Reed entlassen und kehrte in das Land zurück, in dem Teilnehmer von staatskritischen Demos jahrelang in Gefängnissen verschwinden konnten.

Längst klang sein Friedenspathos hohl, seine Konzerte blieben leer, die Filme ("Blutsbrüder", "Sing, Cowboy, sing!") gerieten immer peinlicher und wurden sogar von der DDR-Kritik verrissen. Als Volkspolizisten den Schauspieler in seinem Lada mit überhöhter Geschwindigkeit stoppten, brüllte er, die ganze DDR sei ein Polizeistaat - eine späte Erkenntnis. Freunde berichten, dass er damals in die USA zurückkehren wollte, doch die Heimkehr verbaute er sich wenige Monate vor seinem Tod mit einem spektakulären Interview in der CBS-Show "60 Minutes", in der er Reagan mit Stalin verglich und die Berliner Mauer und das SED-Regime verteidigte.

Nach Reeds einsamem Tod wurde viel über einen Mord spekuliert, an dem wahlweise die Stasi, der israelische Mossad oder die amerikanische CIA beteiligt gewesen sein sollte. Tatsache ist, dass Dean Reed im Sommer 1986 am Ende war, künstlerisch, politisch und privat. Seine dritte Ehe war kaputt, seine Filmprojekte scheiterten, das Publikum hatte ihn satt, und mit dem Niedergang der DDR wurde immer offenkundiger, dass er sich politisch hatte korrumpieren lassen - bittere Wahrheiten, die für einen Suizid sprechen.

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Letzte Änderung: 2007-08-22