Berliner Zeitung 22.09.2003

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Unser Bruder, Vater des Friedens

Der Schauspieler und Sänger Dean Reed wäre heute 65 Jahre als geworden

Berliner Zeitung 22.09.2003

Im Frührjahr 1978 übergab der Schauspieler und Sänger Dean Reed ein Filmszenarium an die Defa. Sein Thema: die Liquidierung eines palästinensischen Flüchtlingslagers im Südlibanon, eine Leidensgeschichte mit viel Blut und noch mehr Sentiment. Kurz zuvor war er selbst am Ort des Geschehens gewesen, hatte vor den Feddajin "We Shall Overcome" gesungen und sich "Aj Abu Shalom" nennen lassen: unser Bruder, Vater des Friedens. Nun schwebte ihm ein Kinopamphlet vor, unter Mitverantwortung der PLO. Gleichzeitig mit der Post an die Defa hatte er ein Exemplar des Szenariums auch an Yasser Arafat geschickt.

Geschrubbte Fahnen

Der Defa-Generaldirektor Hans Dieter Mäde konsultierte schleunigst zwei Mitglieder des Politbüros, Kurt Hager und Hermann Axen: "Gerade auf diesem Feld möchten wir keine Fehler machen." Weil niemandem das Projekt so recht geheuer war, verschwand es alsbald in den Akten. Dean Reed aber träumte weiter von einer gerechten Welt und schwärmte für die Revolution: romantisch und blauäugig im wahrsten Sinne des Wortes.

Wenn sich Tom Hanks jetzt in Hollywood an die Verfilmung seiner Biografie macht, unter dem Titel "Comrade Rockstar", wird er nicht viel erfinden müssen, um den Idealismus seines Helden wirkungsvoll zu bebildern. Schließlich hat Reed alle "großen" Szenen des künftigen Films vorgelebt: Wie er 1969 vor der amerikanischen Botschaft in Santiago die US-Flagge schrubbte und so gegen den Vietnamkrieg protestierte. Wie er 1983 vor chilenischen Bergarbeitern die verbotene Hymne der Unidad Popular sang. Wie er 1978 in Minnesota verhaftet wurde, weil er mit dem Schild "Die Macht dem Volke" Farmern voranmarschierte, die gegen die Enteignung ihres Bodens zu Gunsten von Kohle-Konzernen protestierten. Solche Aktionen liebte er nicht nur, weil er damit in die Schlagzeilen kam, sondern auch, weil er wirklich daran glaubte, die Welt zu Guten bekehren zu können.

Dass sich der schillernde Sänger aus Colorado 1972 ausgerechnet in der DDR niederließ, war zuallererst einer Liebesgeschichte geschuldet: Die Frau, in die er sich während der Leipziger Dokumentarfilmwoche verguckte, wohnte nun mal an der Pleiße. Dass er im Osten blieb, hatte freilich auch mit jenem exotischen Status zu den, den er weidlich nutzte. Hinter der Mauer waren Übersiedler aus den USA, noch dazu gut aussehende Rock'n'Roll-Sänger, nicht eben zahlreich vorhanden. In der Sowjetunion, durch die er regelmäßig tingelte, blieb er lange Zeit sogar der einzige Rocker, er Einlass fand: als "Stimme des anderen Amerika" oder "Johnny Cash des Kommunismus".

In der DDR wurde er vielen suspekt, als er auch in den 80er Jahren nicht aufhören wollte, noch auf jeder Politparade kämpferisch die Faust zu recken und Bruderküsse mit Egon Krenz zu tauschen. Das "freundliche Gesicht der Revolution", als das er eine Zeit lang angenommen worden war, hatte Flecke bekommen. Auch die Stimme wirkte plötzlich verzweifelt und krampfhaft. So ehrlich Dean Reed an "die Sache" glaubte und sie besang - sein klassenkämpferisches Pathos war längst zur Farce geraten.

Blutiges Herz

Nur noch einmal kam er ins Gerede: als man ihn im Juni 1986 tot aus dem Zeuthener See fischte. An die Sprachregelung "Unglücksfall", von Erich Honecker persönlich angeordnet, wollte niemand glauben. Die Gerüchteküche brodelte; nach dem Ende der DDR hieß es sogar, die Stasi habe ihn ermordet, weil sie ihn als Undercover-Agent des CIA enttarnt habe und er im Begriff gewesen sei,die DDR wieder zu verlassen. - Tatsächlich wird es wohl viel stiller zugegangen sein. Reed wusste, dass sein Ruhm verbraucht war. Zur nachlassenden Popularität im Osten und zu Zweifeln am realen Sozialismus kam die Angst, sich auch eine Rückkehr in die USA verbaut zu haben. In einem CBS-Fernsehinterview hatte er Reagan mit Stalin verglichen, Mauer und PLO verteidigt. Das war zu viel; seine Landsleute schrieben, niemand brauche ihn zurück, er solle gefällig hinter dem "Eisernen Vorhang" bleiben.

Was mochte da noch der neue Film bewirken, den er sich als Entree für seine Rückkehr in die Vereinigten Staaten ausgedacht hatte: "Bloody Heart", eine Verbeugung vor den Indianern von Wounded Knee. Zwölf Tage vor Drehbeginn verschwand Dean Reed, Autor, Regisseur und Hauptdarsteller in Personalunion, von der Bildfläche. Die Potsdamer Schule, die seinen Namen erhielt, legte ihn 1992 wieder ab. Und auch das Grab in Rauchfangswerder ist leer: Seine Mutter holte wenigstens die Urne in die USA zurück.

Ralf Schenk

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