RBB Stilbruch 07.10.2004 | ||||
Vom amerikanischen Rebell zum roten Elvis - Dean Reed hat KonjunkturEin Cowboy in der Stadthalle von Karl-Marx-Stadt, Anfang der 80er Jahre. Nein, das ist kein Scherz. Das ist der Mann, über den Hollywood-Star Tom Hanks einen Film machen will. [Tom Hanks auf der Pressekonferenz zu "Catch me if you can" Januar 2003:] "Dean Reed ist ein absolutes Rätsel für fast jeden Amerikaner. Jedenfalls ist er eine Kombination aus vielen Widersprüchen." Ein Pop-Star aus Amerika, der in den 70er Jahren seine Platten in Moskau, Prag und Ost-Berlin aufnahm. Im Westen dagegen blieb er unbekannt. Auch für Stefan Ernsting. Bis ihn vor 3 Jahren Bekannte aus Ost-Berlin auf diesen singenden Cowboy aufmerksam machten. Stefan Ernsting wollte eigentlich nur einen Magazin-Artikel schreiben; daraus wurde ein Buch: "Der rote Elvis". [Stefan Ernsting:] "Das fand ich von Anfang an interessant, dass es da jemanden gab, der einen derartigen Erfolg gehabt hat auf der anderen Seite der Mauer, und man hat eigentlich nie was von ihm gehört. Also es gab natürlich mal so Randspalten, wo er aufgetaucht ist, aber auch immer nur so - lustig, lustig, Amerikaner singt in Moskau." Dean Reed wollte den amerikanischen Traum verkörpern: Ein Junge vom Lande, der reitend und singend die Welt erobert. Doch in seiner Heimat schaffte er es nie ganz zum Superstar. Stefan Ernsting hat gründlich recherchiert. Er entzaubert den von Reed selbst geschaffenen Mythos vom jungen Sänger, der Anfang der 60er Jahre die US-Charts stürmt. Lediglich in den lokalen Hitparaden rangiert er gleich hinter Elvis Presley und Frank Sinatra. Immerhin in Südamerika schafft es der Strahlemann aus Colorado zum Teenager-Idol. Die Konzert-Tournee verändert sein Leben. [Stefan Ernsting:] "Er hat sich immer wieder politisch engagiert, und dadurch ist auch seine Beliebtheit zu erklären. Er hat sich nicht darauf reduzieren lassen, dass er jetzt der Schönling aus Amerika ist mit dem Nummer-Eins-Hit. Sondern er hat sich dann, auch und gerade in Südamerika, von Anfang an engagiert und ist für dies und das eingetreten. Und das hat ihm halt sehr viel Sympathien gebracht. Weil das hat auch sonst keiner gemacht von den amerikanischen Pop-Stars." In Chile unterstützt Dean Reed den Wahlkampf Salvador Allendes. In Moskau singt er Friedenslieder. Ein Protestsänger mit Sexappeal. Er ächtet den Vietnamkrieg. Er protestiert, rebelliert, wird verhaftet. Sein Engagement ist aufrichtig, die heroische Pose oft grotesk. 1971 tritt er zum ersten Mal in der DDR auf. Nach dem Konzert wird eine Frau zu ihm sagen: "Du bist der wunderschönste Mann in dieser Welt." Wegen dieses Satzes und wegen dieser Frau zieht er in die DDR. [Stefan Ernsting:] "Man war froh, dass er da war, dass es einen Amerikaner gab, der sich zum Marxismus bekannt hat und der das auch immer eigenständig, also selbständig... man musste ihn nicht missbrauchen oder irgendwas. Oder ausnutzen für irgendwelche Zwecke. Er hat sich immer freiwillig gemeldet." [Filmzitat "Kit & Co.", Manfred Krug:] "Bis jetzt haben Neulinge hier nie das große Wort geführt. Merk dir das!" Manfred Krug hält Dean Reed für einen Spinner. Für die Schauspielerin Renate Blume ist er ein aufrichtiger Mensch. 1981 wird sie seine 2. Frau. Mitte der 80er Jahre ist der Echtheitsbonus des Amerikaners beim DDR-Publikum aufgebraucht. Der singende Cowboy wird eher geduldet als geliebt. Dean Reed will zurück, plant ein Comeback in seiner Heimat. 1986 ein Auftritt in der US-Fernsehshow "60 minutes". Er soll ihm helfen. Doch er hat fatale Folgen. [Stefan Ernsting:] "Er hat sich dann auch sehr unvorsichtig geäußert, hat Reagan mit Stalin verglichen und solche Geschichten. Nachdem er dann wiederkam, bekam er dann aus den USA bitterböse Briefe; also mit Morddrohungen und allem drum und dran." [Renate Blume in "Glamour und Protest" 1993:] "Und dann hat er sie immer wieder mit ins Bett genommen und hat sie immer wieder gelesen. Er... Die erste Aggression, die erstmal einsetzte, ging dann über in eine stumme Verzweiflung." Das letzte Foto, aufgenommen am 17. Juni 1986. Wenige Stunden später begeht er Selbstmord. Er war nicht mehr gewollt. Und in seiner eigenen Haut fühlte er sich nicht mehr zuhause. "Cowboys sterben nie" - solche Lieder hat Dean Reed gesungen und für seine Unsterblichkeit viel riskiert. Der Osten hatte ihn schon fast vergessen. Postum entdeckt ihn nun der Westen. Stefan Ernsting hat ein gutes, ein kluges Buch über ein ungewöhnliches Leben geschrieben. Nun ist Tom Hanks an der Reihe. Ein Beitrag von Lutz Pehnert |
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www.DeanReed.de
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