Sächsische Zeitung 22.09.2015

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Songs aus 1001 Nacht

Beim alljährlichen Dean-Reed-Treffen in Berlin ging es diesmal auch um die Themen Asyl und Willkommenskultur.

Faten, 24, lange schwarze Haare, ist eine Berliner Politikstudentin mit palästinensischen Wurzeln. Ihre Heimat, aus der die Eltern fliehen mussten, hat sie nicht kennengelernt, aber ihre Wurzeln sind ihr wichtig. Sie ist nebenbei Poetry-Slammerin und schreibt Texte wie "Kein Märchen aus 1001 Nacht". Den trägt sie im Rapstyle vor: "Irak grüßt, Afghanistan grüßt, Gaza grüßt und grüßt immer wieder".

Am Ende klatschen die rund 50 Leute, die an zwei Tischreihen im Konferenzraum eines Berliner Hotels sitzen. Die WÄnde sind mit bunten alten Postern provisorisch aufgehübscht: Dean Reed und Gojko Mitic in einem Defa-Indianerfilm, Dean Reed mit Pferd, Dean Reed mit Václav Neckář im Film "Sing, Cowboy, sing". Als sie den Raum betrat, sagt Faten hinterher, hätte sie gedacht: Wo bin ich hier gelandet?! Diese seltsamen Poster, dazu nur ältere Leute und dann dieser unbekannte Mann namens Dean Reed, dem das Treffen gewidmet ist, zu dem sie eingeladen wurde.

Auf einem Poster steht unter seinem Konterfei: "Der rote Elvis". Auch wegen solcher Sätze aus Reeds Mund: "Die Kunst, das Lied – sie müssen stets Waffe sein". Wer solche Sachen erzählte, galt in der DDR als ziemlich hinterwäldlerische rote Socke und wurde nicht ganz ernst genommen, zumal von der popinteressierten Jugend. Die steckte solche Parolen schon in den Siebzigern in die Schublade Klassenkampf-Folklore à la Ernst Busch. Das Zitat ist aber halt vom Sänger Dean Reed, der nicht nur an die Lied-als-Waffe-Idee glaubte, sondern auch sonst irgendwie von einem anderen Stern zu kommen schien.

Ein politischer Entertainer

Dean Reed stammte aus Amerika, dem auch unter DDR-Jugendlichen gelobten Land des Rock'n'Roll. In Südamerika wurde er Anfang der 60er-Jahre ein Star. Dort wurde er auch zum "roten Elvis", nachdem er sich für die Unterprivilegierten in der Welt zu interessieren begann. In Chile sang er für die Gewerkschaften, er protestierte gegen den Vietnamkrieg. Irgendwann wurde man hinterm Eisernen Vorhang auf ihn aufmerksam. Als er 1971 das erste Mal in die DDR kam und revolutionäre Lieder auf die internationale Solidarität sang, fiel in die kleine graue Republik ein bunter Farbtupfer.

Dean Reed kam über die DDR wie einst das Wunder von Bern über die BRD. Man war offenbar doch wer in der Welt, wenn sich ein echter amerikanischer Rockstar in das kleine sozialistische Land verirrte und blieb. Die Dankbarkeit war zunächst beidseitig, Dean Reed durfte als Entertainer machen, was er wollte, und das Publikum freute sich. Bis es ein bisschen langweilig wurde. Reeds Defa-Filme gerieten mehr schlecht als recht. Und seine Platten waren der popmusikalisch pubertierenden Jugend nicht annähernd Ersatz für die offiziell nicht erhältlichen Alben der Doors oder Rolling Stones. So bekam auch der Cowboy aus Colorado den Frust. 1986 schied er freiwillig aus dem Leben, wenngleich sich lange Gerüchte über eine eventuelle Stasi-Beteiligung hielten.

Bei Fans ist Reed so unvergessen, dass sie ihm bis heute ein jährliches Treffen widmen. Es findet stets um seinen Geburtstag herum statt: Heute vor 77 Jahren wurde er geboren. Dieses Jahr sollte das Treffen einen besonderen Schwerpunkt haben, was sich nicht nur an Fatens Auftritt zeigte, sondern auch am dunkelroten Tuch mit der Aufschrift "Refugees welcome", das an der Wand hing: Es ging um Krieg, Asyl und "deutsche Willkommenskultur".

Erstmals ist es kein reines Fantreffen, sondern stärker politisch ausgerichtet, wie Mitinitiator Nico Diener sagt. Der Vorruheständler aus Kiel – "ich bin parteiloser Sozialist" – hat sich vor 18 Jahren zu einem großen Fan des ihm zuvor unbekannten Dean Reed entwickelt. Nicht wegen dessen Musik, sondern weil er sich für Frieden und Völkerverständigung eingesetzt hat. "Er hat seine Popularität genutzt, um auf politische Missstände aufmerksam zu machen." Weil es von denen auch heute genug gibt und sie immer offensichtlicher werden, hat er sich mit anderen Reed-Fans dazu entschlossen, Politik und Fantum stärker zu verknüpfen.

Solikonzert für Flüchtlinge

Deshalb berichtet nun ein Türke, warum er nach langer Haftzeit aus seiner Heimat geflohen ist. Ein deutscher Asylrechtler erklärt, warum die hiesigen Behörden die Hilfe für die aktuellen Flüchtlinge oft auf die freiwilligen Helfer abwälzen. Zwischendurch wird der einst den Palästinensern gewidmete Dean-Reed-Song "Hey Biladi" gespielt. Dann stellt jemand die Kampagne "Stopp Ramstein" vor, die sich gegen den auch von der US-Army-Base bei Kaiserslautern geführten Drohnenkrieg wendet – als einen der Gründe, warum es die heutigen Flüchtlingsströme gibt.

Als der frühere Radiomoderator Peter Bosse später berichtet, wie er aufgrund einer Sendung über die Wasserschutzpolizei zufällig bei der Bergung von Dean Reeds Leiche im Zeuthener See dabei war, erhöht sich die Aufmerksamkeit des Publikums. Es scheint der Moment, der die Fanseele offenbar besonders stark anspricht. Der Tod des schönen "roten Elvis" in der DDR ist ja bis heute ein Mysterium.

Nächstes Jahr soll es beim Dean-Reed-Treffen ein Solikonzert mit mehreren Bands geben, dessen Einnahmen wahrscheinlich Asylsuchenden in Deutschland zugutekommen sollen. Und Poetry Slammerin Faten will sich demnächst auch mal schlau machen, was das eigentlich so für ein Typ war, dieser Dean Reed.

Gunnar Leue


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