Münsters alternative Zeitung, 2. Quartal 2007

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kultur

Der "rote Elvis"

"Erlebnismillionär" Roger Trash spielt den "Ostcowboy"

Der Münsteraner Rockmusiker, Buchautor und Lebenskünstler Roger Trash macht jetzt auch noch Theater. Im Theater im Pumpenhaus gab er jüngst den im Westen weitgehend unbekannten sozialistischen Superstar Dean Reed.

Von Christoph Hochbahn und Florian Lang

Als Dean Cyril Reed am 22. September 1938 in Denver/Colorado geboren wurde, deutete nichts auf seine spätere Berufung als lateinamerikanisches Teenie-Idol und sozialistischer Rock-Superstar hin. Mit 18 absolvierte Reed kleinere Auftritte auf Ferien-Ranches, wo er Hillbilly Songs spielte. Mit 21 bekam er seinen ersten Plattenvertrag bei Capitol Records. Doch die erste Single erreichte nur Platz 96 der US-Charts. In Argentinien hingegen schoss "The Search" auf Platz 1.

Seine Plattenfirma schickte Reed daraufhin 1961 auf große Lateinamerika-Tournee - mit Erfolg: Allein am Flughafen von Buenos Aires warteten 100.000 Fans. Statt sich jedoch standesgemäß ins wilde Leben von "Sex, Drugs & Rock'n'Roll" zu stürzen, politisierten ihn die Massenarmut und soziale Ungleichheit, die er auf der Tour erlebte. Reed zog nach Argentinien und begann, in Gefängnissen und Fabriken eintrittsfreie Konzerte zu spielen. Er traf sich mit Gewerkschaftsführern und nahm als argentinischer Delegierter an der Sitzung des linksorientierten Weltfriedenskongresses in Helsinki teil.

Seiner Beliebtheit in Lateinamerika tat das keinen Abbruch – im Gegenteil: 1964 drehte er in Mexiko seinen ersten Spielfilm, 1965 erhielt er eine wöchentliche Dean-Reed-Show im argentinischen TV. Zwischen Film, Tourneen und TV-Shows fand "Mr. Simpatico" weiter viel Zeit für das (Links-)Politische – was nicht unbeachtet blieb.

Adiós, Sabata

So besuchte ihn im März 1966 Che Guevara in seinem Haus in Buenos Aires und diskutierte mit ihm angeblich bis in die frühen Morgenstunden über Gott (oder eher: Revolution?) und die Welt. Im gleichen Jahr musste Reed Argentinien jedoch verlassen. Nach einem Putsch wurde er wegen "prokommunistischer Aktivitäten" per Dekret aus seiner Wahlheimat ausgewiesen.

Nach einem kurzen Zwischenkapitel in Spanien begann er im Oktober 1966 als erster amerikanischer Künstler durch die UdSSR zu touren – mit überwältigendem Erfolg. 1968 nahm er sein erstes Album mit Rock'n'Roll, Country und Folk für das sowjetische Plattenlabel Melodija auf. Zu diesem Zeitpunkt lebte Reed in Italien, wo er nebenbei bis 1973 in zwölf Filmen, vor allem Italowestern (u.a. "Adiós, Sabata" mit Yul Brynner) spielte.

Der Politik blieb der "rote Elvis" treu. Er unterstütze politische Kampagnen in Italien, führte eine Anti-Vietnam-Demonstration an. 1970 beteiligte er sich mit Konzerten am Wahlkampf des späteren chilenischen Präsidenten Salvador Allende. Nachdem er 1970 auf der "Leipziger Woche für Dokumentar- und Kurzfilm" seine spätere Frau Wiebke kennen gelernt hatte, zog der überzeugte Marxist 1972 in die DDR, wo er seine Karriere als Film- und Rockstar fortsetzte. So weit, so unglaublich. Aber wahr.

Zwischen Reiser und Reed

"Als ich vor fünf Jahren zum ersten Mal von Reed gelesen habe, hielt ich das erst für eine erfundene Story", sagt Roger Trash. Diese "unglaubliche Lebensgeschichte" habe ihn, den selbst ernannten "Erlebnismillionär", in der Folge nicht mehr losgelassen. Und als er 2005 – zwischen der Veröffentlichung eigener Alben und Bücher und dem Covern von Herman Brood- und Rio Reiser-Songs – auf der Suche nach neuen Herausforderungen die Regisseurin Paula Artkamp kennen lernte, war die Idee des Stückes "Ostcowboy – das rote Wunder Dean Reed" rasch geboren.

"Mir ging es vor allem darum, Dean Reed nicht vor die Wand zu fahren, ihn nicht der Lächerlichkeit preiszugeben", erklärt Trash. Nicht ganz einfach, denn natürlich habe Reed einige "grauenvolle Platten" veröffentlicht, "für die er sicherlich hier von der Geschmackspolente herausgewunken worden wäre."

Viele Lieder des Reed'schen Oeuvres seien sehr pathetisch und "orchestral verhunzt" worden, er habe ein manchmal penetrantes Sendungsbewusstsein und einen unglaublichen Hang zu Pathos und Selbstverliebtheit, zugleich eine starke Harmoniesucht besessen. Aber: "Er war eben auch ein Autodidakt, ein leidenschaftliches Halbtalent genau wie ich, ohne Produzent, ohne Manager. Dean Reed hat seiner Intuition vertraut. Das hat mir gefallen."

"Als Mutmensch" habe er ihn darstellen wollen, als jemanden, "der in Augenhöhe zu seinem Lebenstraum gelebt hat, der eine unglaubliche Ausstrahlung hatte, weder Lobbyist noch Opportunist war – auch wenn viele das anders sehen."

Entsprechend haben Trash, Artkamp und Dramaturg Harald Redmer versucht, sich in der Inszenierung von "Ostcowboy" einer Bewertung zu entziehen und die Interpretation dem Publikum zu überlassen. "Wir wollten den schmalen Grat zwischen Imponiergehabe und Blendwerk, Authentizität und emotionaler Stärke mit einer gewissen Intimität darstellen. Ich hoffe, dass ist uns und mir halbwegs gelungen. Als Schauspieler hatte ich ja bislang null Erfahrung."

Tod im See

Dafür hat sich Trash auf den Brettern des "Pumpenhauses" beachtlich gut geschlagen. So gut, dass das Ensemble plant, auf Deutschlandtournee zu gehen. Wann dafür das "Pferd g esattelt" wird, steht zwar noch in den Sternen. "Aber Anfragen sind da", sagt Trash, "auch aus den neuen Bundesländern, wo das Thema natürlich sehr polarisiert".

Polarisiert, weil Reeds unreflektierte Position zum real existierenden Sozialismus spätestens mit Einsetzen von Glasnost und Perestroika zunehmend kritisch beurteilt wurde. Aber das hat Dean Reed nicht mehr erlebt. Am 13. Juni 1986 – vier Monate nachdem Michail Gorbatschow den Begriff Glasnost auf dem 27. Parteitag der KPdSU erstmals öffentlich gebrauchte – ertrank Reed unter Einfluss von Alkohol und Schlafmitteln im Zeuthener See bei Berlin. Sein Starruhm war seit Beginn der 80er Jahre zunehmend verblasst. Dem Sozialismus hielt er in seinem Abschiedsbrief die Treue.

Möglicherweise wird Reed jedoch posthum gelingen, was ihm zu Lebzeiten verwehrt blieb: Erfolg auch in der westlichen Hemisphäre, vor allem in seinem Heimatland. Denn neben dem Dokumentarfilm "Der Rote Elvis" von Leopold Grün (im August im "Cinema") könnte demnächst auch ein Hollywood-Biopic über den rockenden Sozialisten das Leinwandlicht erblicken: Bereits 2004 erwarben Tom Hanks und Steven Spielberg die Rechte für die Verfilmung der Reed-Biografie von Reggie Nadelson.

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Letzte Änderung: 2008-07-17