Berliner Zeitung 25.07.2007

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Leute

Der rote Elvis kommt wieder ins Kino

Warum hat sich Dean Reed in der DDR umgebracht - ein Dokumentarfilm sucht nach Erklärungen

Mathias Raabe

Es ist eine schöne Geschichte - jedenfalls wie sie beginnt. Im November 1971 sieht eine junge Frau auf der Leipziger Dokumentarfilmwoche einen jungen Mann und ist hingerissen. Sie nimmt ihren ganzen Mut zusammen, drängelt sich zu dem Amerikaner durch und sagt in etwas holperigem Englisch zu ihm: "You are the best looking man of the world." Die Frau, die das sagt, heißt Wiebke Dorndeck. Der Mann, der das Kompliment einheimst, ist Dean Reed, Sänger und Sozialist aus Colorado/USA. Und da auch der damals 33-jährige Amerikaner sich sofort in die blonde 30-jährige Lehrerin verliebt, beschließt er, in die DDR zu ziehen.

Das ist dort eine Sensation. Ein Amerikaner, als Sänger und auch als Schauspieler erfolgreich, lässt sich "im ersten sozialistischen Staat auf deutschem Boden", als den sich die DDR sieht, nieder. Das Publikum ist begeistert von dem Import-Sozialisten. Sechs Defa-Filme dreht und inszeniert Reed in fünf Jahren, Schallplatten erscheinen, der Mann tourt durch den Ostblock, lässt sich in der Sowjetunion von Hunderttausenden umjubeln.

Das Phänomen Dean Reed hat auch Leopold Grün fasziniert. "Ich wollte wissen, was einen Amerikaner mitten im Kalten Krieg in die DDR zog", sagt der 39-jährige Dresdener Filmemacher. Grün hat einen Film über dieses Phänomen gemacht. Der heißt "Der rote Elvis", hat am Sonnabend Premiere und erzählt anhand von Zeitzeugen-Erinnerungen vom Aufstieg und Niedergang des Cowboys aus den USA. Der Niedergang beginnt in den 80er-Jahren. Der Film "Sing, Cowboy, sing" floppt, ebenso die Schallplatten, andere Projekte liegen auf Eis.

Warum der Mann, der sich gerne auch im blauen FDJ-Hemd und mit geballter Faust zeigte, ins Abseits geriet? Wiebke Reed, inzwischen Inhaberin einer Schauspieler-Agentur in Karolinenhof in Köpenick, versucht eine Antwort: "Damals gründeten sich eine Menge junger Bands, die nicht so systemkonform waren wie Dean." Die beklagten sich, wie die Gruppe Pankow, in ihren Liedern schon mal über die Langeweile in der DDR. "Er hat sich künstlerisch eigentlich nicht weiterentwickelt", sagt die Ex-Frau. "'Sing Cowboy sing' fand ich nur noch grauenvoll." Viele DDR-Bürger nahmen dem Sänger die oft theatralischen Posen für den Sozialismus nicht mehr ab. Kollegen wie Manfred Krug frotzeln: "Na, heute wieder für den Frieden gekämpft", erinnert sich Reed, die von ihrem Mann 1978 geschieden wird. "So was hat er sich zu Herzen genommen. Er war sehr sensibel", sagt die Ex-Frau, die auch nach Reeds Hochzeit mit Schauspielerin Renate Blume Kontakt mit ihm hält.

Am 13. Juni 1986 wird Dean Reed tot aus dem Zeuthener See gezogen. Nach der Wende gibt es wilde Spekulationen. Er sei, weil er mit dem Sozialismus und der DDR fertig war, von der Stasi getötet worden. Beweise gab es nie, ein Freitod gilt inzwischen als sicher.

Auch in Hollywood findet man Interesse an der Geschichte des unglücklichen Amerikaners und denkt an ein Filmprojekt. Steven Spielberg und Tom Hanks treffen sich mit Angehörigen, darunter auch Wiebke Reed. "Nonsens" nennt sie die Verschwörungstheorien. "Ich denke, sein Tod war die Konsequenz seiner letzten Lebensmonate." Er blieb aber Sozialist, sagt Wiebke Reed: "In seinem Abschiedsbrief hat er geschrieben, dass nur der Sozialismus die Lösung für die Menschheitsprobleme bietet."

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Letzte Änderung: 2007-07-25