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Renate Holland-Moritz

Renate Holland-Moritz: Die tote Else

Die tote Else. Ein wahrhaftiges Klatschbuch

Auszug über Dean Reed

Karlovy Vary 1978 war insgesamt kein besonders guter Festivaljahrgang. Es dominierten die mittenmäßigen und vor allem die überlangen Beiträge, so dass wir den Ort der Spielfilmhandlung sehr oft vorfristig verließen. Doch die auf kollektive Erlebnisse eingeschworene DDR-Crew rottete sich alsbald wieder zusammen, denn ein idyllischer Thermalbad-Swimmingpool mit stark erhöhter Zimmertemperatur lockte bei jedem Wetter zum Bade.

Als ich eines Tages inmitten der lauen Fluten paddelte, schwamm eine weiße Badekappe auf mich zu und frage mit unverkennbar amerikanischem Akzent: "Bist du der Renate, mein größte Feind in Shi-Di-Ar?"

Ich verschluckte mich vor Schreck an den sprudelnden Thermen und rettete mich erst einmal an den Bassinrand. Die weiße Badekappe kam mir nach, wurde höflich grüßend vom Kopf gerissen und legte so die oberen Partien des schönen Dean Reed aus Denver, Colorado, frei.

Dean beklagte sich bitter über die Verrisse, mit denen ich seine bisherige DEFA-Arbeit als Schauspieler, Regisseur und Drehbuchautor bedacht hatte. Ich konnte zu meiner Verteidigung nur vorbringen, mich habe noch keine seiner Leistungen überzeugt, aber er wollte meine negative Einstellung lieber damit erklären, dass ich ihn nicht persönlich kenne. Zwecks Korrektur dieses Umstands lud er mich sogleich zum Essen ein.

Ein solches Angebot ist für einen spesenarmen Journalisten im Ausland so etwas wie ein Gottesgeschenk. Aus altruistischen Gründen und um notfalls einen Zeugen für unser Gespräch zu haben, fragte ich, ob ich eventuell meine Kollegin Regine Sylvester mitbringen dürfe. Dean hatte nichts dagegen.

Regine und ich ließen es uns bei erlesenen lukullischen Genüssen wohlergehen und unterhielten uns angeregt. Dean konnte sich weder am Menü noch am Gespräch beteiligen, weil er von autogrammjagenden Gästen und Kellnerinnen gnadenlos belagert wurde. Verständnisvoll funktionierten wir das verpatzte Arbeitsessen in ein Arbeitstrinken mit allen Kritikerkollegen in Deans Apartment um. Dabei lernten wir ihn als liebenswerten, warmherzigen Menschen kennen, dem es ernst war mit seinem politischen Engagement. Aber er wollte auch als Rocksänger und Unterhaltungskünstler ernstgenommen werden und nicht von Veranstaltern und Kritikern mit dem Etikett des berufsmäßigen Friedenskämpfers versehen werden.

Gern akzeptierten wir Monate später Deans Einladung zu einer Silvesterparty in seinem Haus in Berlin-Schmöckwitz. An der Dielenwand hing eine wunderschöne Eule, aus mexikanischem Hanf geflochen und etwa anderthalb Meter lang. Da mich Freunde, Kollegen und Leser seit Jahrzehnten mit der Kino-Eule identifizieren, erhalte ich ständig - statt Blumen - besonders hübsche Eulen-Exemplare. Und zwar aus jedem denkbaren Material sowie aus aller Herren Länder. Ein solches Prachtstück wie Deans Mitbringsel aus Mexiko befand sich allerdings nicht in meiner Sammlung. Als ich sah, dass es noch einen Zwilling der schönen Eule gab, konnte ich meine Begehrlichkeit nicht länger geheimhalten. Aber der sonst so gutmütige und großzügige Dean reagierte mit keinem Wort.

Genau ein Jahr später, nämlich am Neujahrstag 1980, kam er zu mir und machte mir den so heiß gewünschten Nachtvogel feierlich zum Geschenk. Ich war zwar entzückt, begann aber sofort zu überlegen, was diesen Sinneswandel herbeigeführt haben mochte. Die Erleuchtung folgte auf dem Fuß, denn Dean redete voller Begeisterung von seinem neuen Film "Sing, Cowboy, sing", den er als Autor, Regisseur und Hauptdarsteller in Personalunion gestalten wollte.

Die kostbare Spende an mich pressend, fragte ich argwöhnisch: "Was geschieht aber, wenn mir der Film wieder nicht gefällt? Wenn ich ihn also in der Kino-Eule herunterreißen muss?"

Dean antwortete mit entwaffnender Ehrlichkeit: "Dann musst du geben diese schöne Eule zurück!"

Es kam, wie es lieber nicht gekommen wäre: "Sing, Cowboy, sing" wurde zwar ein Publikumserfolg, war aber dennoch ein misslungener Film. Ich stand nicht an, dies meinen Lesern in deutlichen Worten kundzutun. Nachdem die Kino-Eule erschienen war, fiel mir siedendheiß ein, dass der bestimmt tödlich beleidigte Dean sein Geschenk zurückverlangen könnte. Da ich nicht gewillt war, mich kampflos davon zu trennen, spann ich eine der Situation angemessene Intrige.

Ich rief einige Rundfunk- und Fernsehkollegen an und bat sie, mich unter irgendeinem Vorwand zu interviewen. Meine Freunde Katrin und Ferdinand Teubner, sie Redakteurin, er Kamera-Regisseur beim TV-Kulturmagazin, hatten schon seit längerem die Absicht, in ihrer Sendereihe originelle Sammlungen vorzustellen. Sie lichteten mich also inmitten meiner ganzen Vogelschar ab, ließen mich über das Herkunftsland der einzelnen Exponate sowie über die edlen Spender Auskunft erteilen und gaben mir so die Gelegenheit, die Sache mit Dean Reed an die große Glocke zu hängen. Ich gestand, mich der passiven Bestechung schuldig gemacht zu haben, aber nicht korrumpierbar zu sein. Würde Dean die Eule wieder abholen, käme dies einem Geständnis für aktive Bestechung gleich.

Ich weiß nicht, ob Dean Reed die Sendung gesehen oder ob er ohnehin nie die Absicht hatte, vor einer notorischen Klatschtante das Gesicht zu verlieren, jedenfalls bin ich heute noch im Besitz der Mexiko-Eule. Die Freundschaft hat mir der stille Amerikaner jedoch in aller Form gekündigt.

Mit freundlicher Genehmigung der Autorin Renate Holland-Moritz.
Erschienen in: Die tote Else. Ein wahrhaftiges Klatschbuch. Eulenspiegel Verlag Berlin, 1986

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Letzte Änderung: 2017-06-30