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Dean Reed - Revolution und Rock 'n' RollThomas Behlert Das kuriose Leben Dean Reeds gerät wieder in die SchlagzeilenSeit seinem Tod 1986 im Zeuthener See geriet der "singende Cowboy" Dean Reed immer mehr in Vergessenheit. Die DDR-Bevölkerung hatte anderes zu tun, als sich mit einem mittelmäßigen Schauspieler und Sänger herum zu schlagen. Irgendwie war einem dieser Mann aus Colorado sowieso suspekt. Wie kann man aus dem Land der Freiheit, des Überflusses für immer in das kleine und verschlossene Land DDR ziehen? Wiederum war es ja auch so, dass Dean Reed englisch singen und durch die Welt reisen durfte. Kollegen stand der Neid manchmal direkt auf der Stirn geschrieben. Außerdem, wer mit Honecker und Krenz befreundet war, galt sowieso als "nicht ganz dicht". Nach über achtzehn Jahren wird der DDR-Star der 70er und 80er Jahre wieder dem Vergessen entrissen. Der in Berlin als Autor, Redakteur und Tourmanager lebende Stefan Ernstring brachte jetzt das Buch "Der rote Elvis" auf den, mittlerweile von Büchern über den Osten überschwemmten, Markt. Ernsting hatte Reed in seiner Jugend gar nicht mitbekommen, denn er kam in Frankfurt/Main auf die Welt und konnte sich daher eher mit dem echten Elvis beschäftigen. Im Sommer 2001 hörte er zum ersten Mal in einer Ostberliner Kneipe von diesem "unbekannten Superstar". Dessen Leben faszinierte ihn, niemand hatte sich nach der Wende ernsthaft mit Reed beschäftigt und was an Wissen sonst so im Umlauf war, konnte man eher ins Reich der Mythen und Legenden ablegen. Genau das Richtige für Stefan Ernsting. Ursprünglich sollte es nur ein Artikel über Dean Reed werden, doch die Recherchen sprengten den Rahmen, ein Buch erblickte das Licht der literarischen Welt. "Der rote Elvis" ist ein leichtes Buch, es ist angenehm zu lesen. Der Lebensweg des ersten osteuropäischen Rockstars wird genau und akribisch nach gezeichnet. Oft mit gereckter Faust und immer ein Freiheitsliedchen auf den Lippen bereiste Reed 32 Länder, traf sich mit Revolutionären wie Salvator Allende, Yasser Arafat und Fidel Castro. Auf der einen Seite förderte Ernsting wenig bekannte Fakten zu Tage und widerlegte weit verbreitete Legenden, aber auf der anderen Seite zitiert er zu oft bereits erschienene Literatur. So greift er immer wieder auf die Bücher von Gisela Steineckert, Victor Grossmann, Jan Eik und Hans-Dieter Bräuer zurück. Auch benutzt Ernsting gerne Interviews, mit z.B. Dean Reeds erster DDR-Frau Wiebke Reed, Peter-Michael Diestel und dem Karikaturisten und guten Freund des Sängers Willy Moese, die alle für den Dokumentarfilm "Dean Reed – Ein Amerikaner in der DDR" gemacht worden sind. Aber warum nicht, schließlich lieferte Ernsting Idee und Grundlage für Leopold Grüns Film, der voraussichtlich 2005 in den Kinos anlaufen soll. Ungewöhnlich viele Artikel wurden aus dem damaligen SED-Blatt "Neues Deutschland" und aus dem FDJ-Blättchen "Junge Welt" und anderen DDR-Publikationen übernommen. Diese sozialistisch angesäuerten Texte sind oft nicht lesbar. Dass er in den USA ein Star war, erzählte Reed so oft in der DDR, dass er es am Ende selbst glaubte. Bekannt war der Berufsrevolutionär und Rock-'n'-Roll-Sänger allerdings nur in Colorado und bis vor seinem Umzug nach Ostberlin in Südamerika. Leider erwähnt Ernsting nicht, wie lange er die Massen in Südamerika in Bewegung hielt und wie er am Ende dort sein Geld verdiente. Mit dem Leben Reeds in der DDR beschäftigt sich der Journalist und Schriftsteller sehr intensiv, er bringt dem Leser ein vielschichtiges Bild nahe. Am Anfang konnte Dean Reed unbeschwert leben, das Publikum und vor allem die staatlichen Stellen liebten ihn. Jede Menge Privilegien wurden ihm zugestanden, er genoss so eine Art Narrenfreiheit. Zwiespältig war sein Leben trotzdem immer, so befürwortete er die Ausbürgerung Wolf Biermanns, sang aber trotzdem auf manchen Veranstaltungen unerwünschte Lieder. Auch die Zusammenarbeit mit der Staatssicherheit gestaltete sich für den "Horch und Guck-Verein" als sehr schwierig. Reed gab zwar Auskunft über seine Kontakte mit der amerikanischen Botschaft in Berlin, verweigerte sich jedoch beharrlich, Informationen über die PLO weiter zu geben. Schließlich beschwerte er sich persönlich bei Honecker, der daraufhin die Staatssicherheit aus seinem Dunstkreis zurück zog. Mitte der 80er Jahre begann des US-Künstlers Stern zu verblassen. Die revolutionären Darbietungen in den jeweiligen Ländern wirkten nur noch lächerlich, er fühlte sich künstlerisch nicht ernst genommen und auch in der Ehe mit Renate Blume kriselte es gewaltig. Konsequenz kann daher der Selbstmord gewesen sein. Allerdings verleiben, Ernsting zufolge, viele Ungereimtheiten. Reed hätte wenige Tage vor dem Tod mit dem lange geplanten Film "Blutiges Herz" beginnen können. Auch fand man seine Leiche, die mit zwei Winterjacken bekleidet war, erst fünf lange Tage später in dem stark frequentierten Ausflugsgebiet. Alles in allem ist "Der rote Elvis" ein wichtiges Buch, das allerdings weitere Fragen aufwirft. Gerne hätte man mehr über Reeds Kinder gelesen. Wie waren sie in ihrer Kindheit? Wie verkrafteten sie die ständigen Reisen ihres Vaters und dessen Freundschaft zu Revolutionären der Welt? Was machen die Kinder heute und wie stehen sie jetzt zum Vater? Renate Blume kam ebenfalls zu kurz. War sie wirklich so eine Furie, wie Dean Reed es sogar in seinem Abschiedsbrief beschreibt: "Aber Renate seit 5 Jahren terrorisiert mich. (...) Wenn sie mich ständig anschreit, dass ich nur ein Showman bin und keinen Mut habe mich selbst umzubringen. Sie macht mich schon genug verrückt, muss ich auch das hören bis mein Tod?" Viele Zeitungen berichteten in den letzten Tagen, dass Tom Hanks in Hollywood an einer Verfilmung von Reeds schillernden Lebens arbeitet. Auf Nachfrage von Melodie & Rhythmus, wie weit dieses Projekt bereits gediehen sei, antwortete Tom Hanks: "Wir betreiben noch Nachforschungen und versuchen herauszufinden, welche Geschichte dahinter steckt. Wenn wir eine exakte Reflektion dieser Geschichte abliefern können, müssen wir auch prüfen, ob sich ihre Realisierung lohnen kann. Wir haben in den letzten paar Jahren mit vielen Leuten gesprochen und diese Person durchleuchtet. Manche Fakten über ihn liegen im Verborgenen, während andere offenkundig sind. Zwischen diesen Darstellungen gibt es viele Diskrepanzen, Mysterien und unterschiedliche Interpretationen. Es existiert noch nicht so etwas wie ein Drehbuchentwurf. Es gibt erstaunliche Ideen, jetzt müssen wir schauen, ob man sie alle irgendwie unter einen Hut bekommt." Falls dieses Buch über Dean Reed in einer zweiten Auflage erscheint, sollte der Autor unbedingt auf Seite 182 die Wortfügung "Single-Jahrescharts der DDR" tilgen, diese gab es nämlich nicht. Info: Stefan Ernsting, "Der rote Elvis", Kiepenheuer, ISBN 3-378-01073-8 |
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