Neues Deutschland 09.09.1993

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Im ORB: "Dean Reed - Glamour und Protest", ein Filmessay von Peter Gehrig

Ein Glücksfall redlicher Aufarbeitung

von MARGIT VOSS

Wie ein Paradiesvogel war er vom Himmel gestoßen. Als Dean Reed 1971 in die DDR kam, verkörperte er das Phänomen eines amerikanischen Traums. Ein junger, schöner, wie es schien begabter Mann, Schauspieler und Sänger, brachte die schon abgenutzte, müde Begeisterung für politische Aktionen wieder auf Touren. Alles schien noch einmal möglich: die Beendigung des Vietnamkrieges, der Sieg Allendes in Chile. Wenn sich die DDR nun sogar für Amerikaner als attraktiv erwies, sollte einem nicht bange sein.

Es ist schwer zu sagen, wann sich die Begeisterung legte. Jene fünfzehn Jahre, die Dean Reed in Berlin verbrachte, waren die Jahre zunehmender Stagnation und Enttäuschungen, die jeder auf andere Weise an sich erfuhr. Für ihn, der die Spielregeln nicht kannte, hier nicht zu Hause war, endete der Spagat zwischen dem kleinen deutschen spießigen Land und der weiten amerikanischen Heimat tödlich. Der Versuch, die Spannweite zwischen naivem politischen Engagement und künstlerischer Tätigkeit auszufüllen, scheiterte, vielleicht auch an Selbstüberschätzung.

Selten erwartet man von einer Dokumentation Spannung, Betroffenheit oder gar Faszination. Dass dies alles eintrat, ist dem Münchner Dokumentaristen Peter Gehrig (geb. 1935) zu danken, der sich mit hoher Professionalität, taktvoller Zurückhaltung, Akribie und bohrender Gründlichkeit dieser Gratwanderung annahm und sie bestand. Es ist schon etwas dran, dass der berühmte "Mann von draußen", der unvoreingenommen, neugierig, auf einen Vorgang blickt, mehr herauszulocken imstande ist, als jemand, der dabeigewesen, seine Ressentiments kaum zu überwinden vermag. Und hier handelte es sich um eine doppelte Sperre: die einmal mit der zu porträtierenden Person zusammenhängt, zum anderen aber auch mit der DDR-Vergangenheit der Befragten. Noch weiß jeder alles über jeden, ficht eigene Unzufriedenheit auf seine Weise aus, hadert mit dem Schicksal, indem er sich in Schuldzuweisungen flüchtet.

Peter Gehrig, frei von Vorurteilen, bat Karl-Eduard von Schnitzler ebenso um Auskunft wie Eberhard Fensch, Horst Pehnert, Gisela Steineckert, Victor Grossman, Margit Schaumäker, Günter Linke sowie die Ehefrauen Wiebke Reed und Renate Blume. Wobei die Fragen, ob es sich hier um den Missbrauch einer Person aus politischen Gründen gehandelt habe, oder Dean Reed ein naiver Träumer war, der Konflikte dieser Größenordnungen schließlich nicht auszuhalten vermochte, ob die zunehmend künstlerischen Misserfolge, die Hürde eines schier seine Potenz übersteigenden neuen Filmprojektes wie "Wounded Knee, die Verringerung seiner Konzertbesucher oder die zunehmenden Differenzen in seiner Ehe schließlich zur vollständigen Resignation und zum Suizid führten, natürlich auch nicht vollständig beantwortet werden konnten.

Doch die Art, wie die Interviewten vor laufender Kamera antworteten, wo sie saßen, wie sie reagierten, war nicht weniger wichtig. Da war sie wieder präsent, die DDR-Vergangenheit, mit ihren Strukturen, Denkweisen, kleinlichen Vorbehalten und Vorurteilen. Ergänzt durch mit akribischer Genauigkeit ausgesuchte Filmausschnitte, Interviews und Lieder, in geschickter Montage zusammengefügt, ergab der Film das Bild eines Menschen, der ausgezogen war, ein Ideal zu finden und es vielleicht auch zu leben. Dass er scheiterte, war ein vorweggenommenes Signal weltweiter Veränderung, das jene, die ihn kannten, selbst zu spät wahrnehmen wollten.

Die Annäherung an die Vergangenheit, die Peter Gehrig versucht hat, entspricht geradezu einem Glücksfall redlicher Aufarbeitung.

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Letzte Änderung: 2012-09-14