Junge Welt 02.08.2007 |
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"Der Hammer, oder?"In scharfen Kurven durch die Weltgeschichte. Leopold Grün über seinen Film "Der Rote Elvis"Interview: Alexander Reich Leopold Grün, 1968 in Dresden geboren, hat in München Sozialwissenschaften und Medienpädagogik studiert. Seit 1999 macht er Dokfilme. Zur Zeit arbeitet er an einer DVD-ROM zum Thema "Krieg in den Medien" Alle, erst recht Popstars, sind Karrieristen. Also hatte Dean Reed keine politischen Überzeugungen. So einfach macht es sich in Ihrem Film ein Radiomoderator aus Denver. Peter Boyles heißt der, KHOW Radio. Der setzt die Anrufer in seiner Sendung solange unter Druck, bis er zu hören bekommt, was er hören will: Reed ist wegen der Karriere gegangen, tschüs. So werden Debatten in den USA geführt. Dafür steht die Szene. Außerdem war es wichtig, Leute im Film zu haben, die Reed attackieren. Manfred Krug hatte leider keinen Bock auf die Rolle: Ich will nicht der Hau-Drauf-Manne sein und so. Hau-Drauf-Manne? Er hätte Reed als Blender beschrieben, als einen, der nichts draufhatte. Kein guter Sänger, kein guter Schauspieler. Die beiden standen damals natürlich in direkter Konkurrenz um Aufmerksamkeit. Reed ist unheimlich bedürftig nach Aufmerksamkeit gewesen. Aber ist das karrieristisch oder psychologische Veranlagung, die einer im Showbusiness hat oder nicht? Reed hat in Chile Fußballstadien gefüllt, bevor er die Kandidatur von Allende unterstützte. Er hätte dort ein klassischer Sunnyboy bleiben können. Wenn du heute diese Fotoromane siehst, die Geschichten mit Dean Reed erzählen, haut es dich weg! Diese Karriere hat er beendet. Als reiner Karrierist hätte er auch nicht Spanisch lernen müssen. Das war eine authentische Entscheidung. Die Mittel wiederum, mit denen er seine Authentizität zu transportieren versucht hat, waren sehr nordamerikanisch: Das Waschen der US-Flagge vor der Botschaft in Santiago hatte nur symbolischen Charakter. Der ist nicht hinter die Barrikaden gegangen oder auf die Barrikaden. Er hat die Flagge gewaschen. Er hat sie auch nicht verbrannt, wie viele sagen. Er hatte US-Flaggen in seinen DDR-Wohnungen hängen. In seinem Haus hing sie an der Wand. In der illegalen Wohnung seiner Geliebten Maren Zeidler lag sie als Decke über dem Schreibtisch. Reed ist von der Mentalität her Amerikaner geblieben, nicht von den Überzeugungen. Was das angeht, hat er sich sozusagen innerlich für eine Seite entschieden, ohne Analyse der gesamtpolitischen Lage. Er war kein extrem politisch gebildeter Mensch. Erst in der DDR fing er an zu reflektieren: Was hat das mit dem kommunistischen Weltbild zu tun? Und stieß auf erste Widersprüche. Kurz nach der Umsiedlung in die DDR wurden Reeds Freunde Allende und Jara ermordet. Das hat ihn radikalisiert. So erklärt es im Film die Reed-Biographin Jennifer Dorn, nachdem sie lange stumm im Bildhintergrund gesessen hat, während im Vordergrund der Dokumentarfilmer Will Roberts sprach. Wie sie da sitzt, das hat etwas Demütigendes. Und dann eiert Roberts da so rum! Aber sie unterbricht mit dieser tiefen Stimme: Kann ich hier mal was sagen? Was Reed mit dem Putsch erkannt hat: Hier werden Leute umgebracht, hier wird eine Diktatur errichtet. Kann man sich anders gegen diese Diktaturen wehren, als in den Widerstand zu gehen? Auch in den bewaffneten Widerstand. Er war dann kein Pazifist mehr, sagt sie. Und was eiert Roberts da vorher rum? Die Stasi habe sich für "Renates Haus" interessiert, nicht für die "Ehen im Nahen Osten"? Er blickt's selber nicht. Das ist herrlich. Er weiß nicht, was er sagen soll, fängt mit der Stasi an und fragt uns: Was wollt ihr Deutschen hier? Ich habe mit einer Amerikanerin bei der Übersetzung gesessen und gesagt: Hilf mir! Was will der Vogel hier? Ich krieg's einfach nicht auf den Punkt. Sie konnte es mir auch nicht genau sagen. "Middle Eastern Marriages"? Unbekannte Zweitfrauen? Ausgeschlossen. Roberts eiert rum, weil er die Auftritte für ambivalent hält, die Reed bei der PLO hatte. Er hat ihn ja begleitet in den Libanon, hat das gedreht für seinen Film "American Rebel". Eine glatte Heldengeschichte. Lief 1986 auf dem Leipziger Dokfilmfestival, gekürzt auch im DDR-Fernsehen, kam aber nie ins Kino. Roberts bewundert Reed. Er hat damals eine persönliche Beziehung aufgebaut. Da fehlt Distanz. An seinem Film habe ich übrigens erkannt, dass es gefährlich ist, wenn man zuviel von Reeds Musik verwendet. Ich mag die ja auch nicht, gerade seine Schlager der letzten Jahre: unsäglich. Da begreife ich gar nicht, wie man so eine Musik machen kann. Aber darum geht's ja im Film nicht. Daher haben wir die Musik sozusagen verfremdet. Von Roberts stammen einige der besten Szenen Ihres Films: Reed führt im Libanon mit PLO-Kämpfern einen Freudentanz auf, hat dabei eine Kalaschnikow in der Hand, zieht dann guerillawesternmäßig durch die Gegend. 1977 war das? 1977 war Reed zum ersten Mal in Palästina, aber die Bilder sind von 1981. Der Hammer, oder? Da hat der Roberts ihn begleitet, mit einer 16-Millimeter-Kamera. Jede Sekunde hat einen Dollar gekostet, sagt er im Film. Die Tonaufnahmen sind weggekommen. Ich habe das auf der Tonspur mit einem Tagebuch aus den 70ern verbunden. Das hat in etwa den gleichen Gehalt. Der Film lebt vom Archivmaterial. Sehr viel Archivmaterial hat sehr viel Geld gekostet. Einige Szenen aus dem Rohschnitt konnten wir nicht verwenden. Wir hätten Tausende Dollar zahlen müssen für wenige Sekunden. Das Italowestern-Archiv hat nicht mit sich handeln lassen. Ist zu verschmerzen. Das wäre schon noch eine Facette gewesen, allein vom Ablauf her: Reed macht in Chile Karriere, bekennt sich zu Allende, macht plötzlich Italowestern, geht dann in die DDR - das sind diese Kurven. Genauso: 1982 rastet er aus, nennt die DDR gegenüber Volkspolizisten einen faschistischen Staat, überlegt, in die USA zurückzukehren. Dann bittet er seine Frau, sie möge ihn vom Auftritt in der CBS-Fernsehshow "60 Minutes" abhalten, fährt aber hin und verteidigt vor einem Millionenpublikum die Mauer, nennt den US-Präsidenten einen Staatsterroristen. Hinterher erhält er Briefe: Wenn du unser Territorium betrittst, ist die erste Kugel deine. Und ist völlig fertig. Jeder einzelne Brief hat ihm etwas anhaben können. Ein Grund, mit der DDR zu hadern, mag die Freie Deutsche Jugend gewesen sein. Vor der tritt Reed im Film auf. Sie ist nicht sehr begeistert. Da sind sicher einige dabei, die begeistert sind. Aber die Leblosigkeit, mit der das zum Teil eben stattfindet, aufgesetzt, verordnet - das wird auch deutlich. Dagegen wirken die Studenten in Chile, mit denen Reed "Venceremos" singt, revolutionär. Das ist eben der Unterschied. Diese Inbrunst, mit der die da für eine Sache agieren. Dort hat es sich aus einer inneren Überzeugung, aus einer Wut, einem Kampf oder was auch immer entwickelt. Dagegen kommt dieses "Hoch die internationale Solidarität" der FDJ nicht an. Wenn ich den Film heute sehe - ich habe wirklich 80.000mal alles gesehen -, aber wenn Reed erst mit Bergarbeitern "Venceremos" singt, dann schneiden wir im Lied, und er singt weiter an der Universität in Santiago, und du hörst am Ende noch diesen Chor: "Das vereinigte Blablabla" (Das vereinigte Volk wird niemals bezwungen werden, Red.) - das geht mir immer noch nahe, das spüre ich einfach körperlich. |
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www.DeanReed.de
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