Angesichts der bevorstehenden
DVD-Erstveröffentlichung
dieses Films am 24.05.2013 wird es Zeit mal ein paar Worte (mehr) dazu zu verlieren...
Der 2. Film Dean Reeds während seiner Zeit in Italien erlebte ein halbes Jahr nach
"Buckaroo"
seine Uraufführung, am 29.04.1968. Wieder durfte Dean durch die "römische Prärie"
reiten, diesmal allerdings in einem wesentlich besseren Film als es noch "Buccaroo" gewesen war.
Wir haben hier eine gelungene Mischung aus Action, Humor und den Italo-Western-typischen
Brutalitäten...
Die Story selber - von den angesehenen Bürgern, die ihre eigene Stadt ausrauben, und dem
Gunfighter, der alles aufklärt - ist eigentlich alles andere als neu. So war diese im
Italowestern bereits mehrfach umgesetzt worden, u.a. in Filmen wie "Stirb oder töte" oder
auch "Von Django – Mit den Besten Empfehlungen" (beide 1966). Das Drehbuch von Fernando Di Leo,
der ein paar Jahre später als Regisseur durchstarten und Kultstatus erlangen sollte (u.a.
durch "Milano Kaliber 9", "Der Mafiaboss"), fügt dem Thema im Prinzip auch nichts wesentlich
neues, orginelleres hinzu. Doch durch das ausgezeichnete Zusammenwirken von Regie, Kamera und
Schauspielern ist der Film zu keiner Zeit langweilig und wird deutlich über das Mittelmaß
gehievt.
Der Film wurde gedreht vom Regisseur Paolo Bianchini, der zuvor meist nur als Regieassistent
fungiert hatte. In Sachen Western war er bis dahin ein Novize, ein unbeschriebenes Blatt. Nach
"Bleigericht" dreht er dann noch weitere Western, darunter "Django Ich Will Ihn Tot" und
"Django spricht kein Vaterunser", die als Kleinod in der Masse der Italo-Western gelten und sich
bei vielen Fans des Genres äußerster Beliebheit erfreuen.
Mit Piero Lulli (u.a. "Mein Name Ist Nobody") und Peter Martell (= Pietro Martanzella, u.a. "Seine
Kugeln Pfeifen Das Todeslied") hatte Dean Reed diesmal zwei versierte und in Sachen Italowestern
erfahrene Darsteller neben sich. Peter Martell, der hier den Bösewicht Don Luis gibt, soll
übrigens lt. verschiedenen Quellen (u.a. dem ital. Filmhistoriker Antonio Bruschini)
unmittelbar vor "Bleigericht" einen ominösen Unfall am Drehort des Films "Gott vergibt – Django nie"
(Almeria, Spanien) gehabt haben, der ihn schließlich die Hauptrolle kostete. Diese ging
stattdessen kurzfristig an Terence Hill, der erstmals gemeinsam mit Bud Spencer (in tragenden
Rollen) auftrat, der Rest ist Geschichte. Genau aus diesem Grund sieht man Peter Martell in
"Bleigericht" des öfteren auch am Stock gehen, da die Verletzung wohl noch nicht ganz
auskuriert war. An Herrn Martell scheiden sich übrigens auch die Geister, von vielen
Filmfans/Kritikern wird ihm eher weniger Talent bescheinigt. Meist war er gut, wenn er in
klein geratenen Rollen den "Sidekick", den Kumpel des Helden spielen durfte, aber überfordert
bzw. schlecht besetzt, wenn er tragende Rollen wie hier zu meistern hatte.
Die 3 weiblichen Rollen des Films wurden mit Linda Veras, Agnes Spaak und Rossella Bergonzetti
besetzt. Interessanterweise begann die Karriere der 3 Damen gleichzeitig mit der Blütezeit
des italienischen Films in den frühen 60ern und endete gleichzeitig Mitte/Ende der 70er
als sich eben diese Blütezeit wieder dem Ende zuneigte. Beispielhaft für die "Karriere"
vieler Darsteller/innen damals... Alle 3 waren auch in weiteren Filmen dieses Genres zu bewundern,
wobei vor allen Dingen Linda Veras in Sergio Sollimas "Lauf Um Dein Leben" eine erinnerungswürdige,
größere Rolle bekam.
Mit Sergio d'Offizi ("Ringo Kehrt Zurück") war hier ein Kameramann am Werk, der über ein
gewisses Talent verfügte und im Film mit einigen sehr gelungenen Kameraeinstellungen
aufzuwarten weiß. Durch die gute Kooperation mit dem Regisseur sieht der Film, trotz des
wohl eher geringeren Budgets nie billig aus. Insbesondere die Drehorte wurden - für
italienische Verhältnisse - glaubwürdig ausgesucht und gut gefilmt. Es kam bisweilen
vor, dass Szenen eines Westerns mitten zwischen alten römischen Gemäuern gedreht
wurden, was diese Filme entsprechend billig und unglaubwürdig aussehen ließ. Dies
war hier erfreulicherweise nicht so.
Für den Landsitz des Don Luis musste mal wieder die häufig im italienischen Western
(meist als mexikanische Hazienda) verwendete "Villa Mussolini" herhalten (u.a. "Sabata").
Auch Dean war wenig später nochmal vor Ort, denn einige Szenen für seinen Film
"Nipoti Di Zorro"
wurden hier gedreht. Die "Villa Mussolini" befindet sich ca. 10-15 km nordöstlich von
Rom, unweit der Via Tiburtina, und ist auch heute noch recht gut erhalten. Allerdings befindet
sich die ehemals auf dem Land gelegene Villa (in der jetzt verschiedene Firmen ihre Büros
haben) nun mitten in einem Industriegebiet und der Weg dorthin ist daher nicht sehr reizvoll.
(Anbei 3 aktuelle Fotovergleiche)
Die Innenaufnahmen wurden in den Cosmopolitan Studios in Tirrenia (bei Pisa) gemacht, die heute
nicht mehr existieren und mittlerweile zu einer Feriensiedlung umgebaut wurden.
Was den Film dann zu einem der besten Filme von Dean macht, ist die Rolle, die ihm hier perfekt
passt. Er durfte hier erstmals einen Charakter in der Tradition von James Bond verkörpern,
einen Playboy, dem die Frauen zufliegen; flotte Sprüche auf den Lippen, aber auch skrupellos
im Umgang mit der Waffe und clever genug um den Gangstern das Handwerk zu legen. Für diese
Rolle war er wie geschaffen und auch den Produzenten schien es gefallen zu haben, denn in
"Adios Sabata" und
"Blonde Köder Für Den Mörder"
spielte er ähnliche Charaktere. Neben Dean fallen vor allem Piero Lulli und Ivano Staccioli positiv auf.
Eine Schande ist es allerdings, dass die alte deutsche Version um gut 11, 12 min geschnitten ist.
So fehlt z.B. die komplette Szene in der der von Dean gespielte Slim Corbett in die Filmhandlung
eingeführt wird, gut 5 1/2 min lang. Dabei ist zu sehen, wie Slim Corbett beim Abendessen
mit einer hübschen Frau (gespielt von Linda Veras) von seinem Auftrag erfährt, es
jedoch vorzieht, sich zuerst noch um die Dame zu "kümmern". Nur um sich dann anschließend
in der Nacht still und leise davon zu stehlen, um seinen Auftrag anzutreten! Der Mann weiß
eben Prioritäten zu setzen... Ebenso um gut 1,5 min geschnitten ist die Szene, in der
Dean/Slim im Saloon von 3 feindlich gesinnten Brüdern gestört wird, während er
mit gleich 2 Damen tanzt. Zu Beginn genauso wie am Ende des Tanzes taucht Dean in der
Originalversion unter der Kamera weg, was der ganzen Szene einen gewissen Rahmen gibt und
mehr Ironie und Humor verleiht.
Es scheint so, als habe man die deutsche Version rein auf die Action reduzieren wollen, ganz
im Stile der brutalen Italo-Western, die Ende der Sechziger Jahre noch angesagt waren (die
vor allem durch die Enzo-Barboni-Filme mit Bud Spencer/Terence Hill ausgelöste Comedy-Welle
im Italo-Western fing in den deutschen Kinos erst so ab ca. 1970 an). Zwar ist der Film durch
die Kürzungen nicht gänzlich entstellt, aber es ging doch etwas an Leichtigkeit
und von der Selbstironie verloren, die den Film vorwiegend auszeichnete. (Man stelle sich
mal vor, man hätte seinerzeit die Bond-Filme mit Sean Connery um die humorvollen Szenen
und ironischen Sprüche gekürzt und rein auf die Action reduziert.)
Nicht wundern darf man sich da, wenn der Film als "zynisch und brutal" (Lexikon des Internationalen
Films) eingestuft wird und von Italo-Western-Kennern als "belanglos" (Ulrich P. Bruckner,
"Für Ein Paar Leichen Mehr")
abgetan wird, oder wie Michael Kraus in seinem Buch
"Once Upon A Time In The West
- 180 Ausgewählte Euro- und Italowestern" schreibt: "ein Film der zu gefallen weiß,
ohne groß Eindruck zu schinden".
Gemessen an Budget und Ergebnis dürfte dies Deans bester italienischer Film sein, neben
"Adios Sabata",
doch der hatte eben ein wesentlich größeres Budget. Aber auch in der Historie der
Italo-Western nimmt dieser Film auf jeden Fall einen Platz im oberen Mittelfeld ein, und wenn
es nicht für einen Platz in der Ruhmeshalle reicht, so ist "Bleigericht" dennoch sehr
schwungvoll, kurzweilig, unterhaltsam geraten und ist zudem sehr gut gespielt von seinen Protagonisten.
Sebastian Bierbach, 18.03.2013
"Bleigericht" ist der erste Film, den Dean in Italien gedreht hat.
Dieser Film wird nicht umsonst zu den Klassikern der Italowestern gezählt
und es ist schade, dass er recht schwer zu bekommen ist (das deutsche Kaufvideo,
das sporadisch bei EBAY erscheint, stammt aus den frühen 80er Jahren).
Dean spielt in diesem "Edel-Western" den Kopfgeldjäger Slim Corbett, der von
den Bürgern von Wells City angeheuert wird, um mit einer Verbrecherbande abzurechnen,
die die Bevölkerung in Angst und Schrecken versetzt. Corbett erledigt seinen Job
äußerst zuverlässig - möglicherweise etwas zu zuverlässig
für einige "gute Bürger", die mit den Banditen unter einer Decke stecken...
Dieser Film zeigt Dean in einer etwas ungewohnten Rolle: als Revolverhelden, der
seine Feinde gnadenlos niederschießt.
Er wirkt dabei aber keinesfalls wie ein Verbrecher. Das liegt einerseits daran, dass er
von Anfang an eine moralische Rechtfertigung für sein Tun erhält, andererseits
die Banditen als sehr brutal und skrupellos dargestellt werden.
Übrigens ist dies auch der einzige mir bekannte Film, in dem Dean öfter mal Zigarre raucht!
Fast überflüssig ist zu sagen, dass Dean auch hier wieder Kunststücke im
Sattel zeigt. Erwähnenswert ist aber, dass er auch das Lied im Abspann singt:
"God made them, I kill them".
Insgesamt ist "Bleigericht" ein sehr guter Western, überzeugend gespielt und sehr
unterhaltsam, auch wenn die Handlung voraussehbar ist.
Für Dean-Fans ein Leckerbissen!
Thilo Greiner, 03.01.2005
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