melodie und rhythmus 06/1986

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Dean Reed - Aus meinem Leben

"Dean Reed erzählt aus seinem Leben" in einem schmalen Bändchen von rund 150 Druckseiten. Aufgeschrieben hat es Hans-Dieter Bräuer, ein hauptstädtischer Journalist, herausgebracht der Verlag Edition Peters Leipzig/Dresden. Es handelt sich um die zweite aktualisierte und erweiterte Auflage, die erste erschien laut Impressum seinerzeit im Verlag Neues Leben. Die Noten von vier Reed-Songs und eine Bildbeilage, zum Teil farbig, ergänzen den Text, der zahlreiche weitere Fotos enthält, viele von beträchtlichem dokumentarischen Wert.

"Dean Reed erzählt aus seinem Leben" ist eine Art biographisch-autobiographische Reportage, bei der Erzähl- und Berichts-Perspektive sich miteinander abwechseln. Eine solche Methode dient sowohl der Anschaulichkeit als auch der Authentizität. Dass ein guter Journalist, als der mir Bräuer bekannt ist, auf flüssige Darstellung des Stoffs und auf Bildhaftigkeit, auf unbehinderte Lesbarkeit und Spannung Nachdruck legt, ist eigentlich selbstverständlich.

Das ist unerlässliches Handwerk, und Bräuer beherrscht seins. Er lässt uns auf diese Weise unmittelbar teilnehmen auch am entferntesten Geschehen, bezieht uns persönlich ein ins Gespräch. Aber die Herstellung der Authentizität ist natürlich ungleich wichtiger und, wenn sie den Leser erreicht, der journalistischen Begabung Bräuers nicht hoch genug anzurechnen. Jeder, der Dean Reed schon einmal leibhaftig erlebt hat, und da meine ich nicht in Filmrollen eingezwängt, sondern bei seinen temperamentvollen Live-Auftritten mit ihrer eigenwilligen Mischung aus Kunstvortrag und politischer Agitation, weiß um seine jungenhafte Ausstrahlung und weiß, dass sie in jeder Situation zum Publikum überspringt. Diese Kraft, die nicht zuletzt auch ein Geschenk der Natur ist, hatte Bräuer auf dem raschelnden Papier erst einmal zu erhalten, und es ist ihm gelungen.

Dies rückt in meiner Wertung deshalb an die erste Stelle, weil es der wesentliche Punkt ist, Dean Reeds Leistung und Bedeutung angemessen zu bestimmen und zu verdeutlichen. Sie erschöpfen sich nämlich nicht darin, dass er Schauspieler und Sänger und Liedermacher und Regisseur ist, und sie werden auch nicht dadurch fühlbar gemindert, dass er seine diesbezüglichen Talente keineswegs immer bis zum äußersten forderte. Wenn Dean Reed eine wichtige gesellschaftliche Rolle spielt, und zweifellos spielt er sie, dann als ein Mann der Öffentlichkeit, nicht als Politiker im engeren Sinne, aber als ein Künstler, der seine Autorität für politische Aktivitäten auf der Seite des Fortschritts einsetzt. Die Tatsache selber ist bekannt, und was bei Reed/Bräuer nun nachzulesen ist an aufregenden und interessanten Geschichten, muss hier nicht nacherzählt werden. Weil ein solches Verständnis von der Funktion des Künstlers aber noch keineswegs selbstverständlich und durchaus mit beträchtlichem Aufwand, etwa schon an Zeit, verbunden ist, sei es vermerkt.

Gewiss hat uns Dean Reed manche hörenswerte Platte besungen, die letzte mit den etwas verquälten Texten schätze ich weniger als die unbeschwerten Country-Klassiker, hat einige zurecht vielbeachtete Streifen gedreht, besinnlich-leise wie "Aus dem Leben eines Taugenichts", klamottig-laut wie "Sing, Cowboy, sing" und schließlich bekennerhaft wie "El Cantor". Doch die wichtigste "Rolle", die er verkörperte, ist die seines eigenen Lebens. Überall wo Dean Reed sich engagierte und noch engagieren wird, ob in Chile, im Nahen Osten oder in Nikaragua, wiegt sein Einsatz schwer. Das mag in den USA selbst nicht übermäßig ins Gewicht fallen, zumal er dort wirklich erst ganz am Anfang einer Kariere stand, als er Position bezog und sich mit dem Regime ein für allemal überwarf, weshalb es auch völlig überflüssig ist, die Hitliste eines örtlichen Senders zu nationalen Charts umzubiegen, wie es auf Seite 20 geschieht, dazu mit falscher Jahreszahlangabe. Seine Entscheidung und Haltung zählen dort doppelt und dreifach, wo er als Botschafter eines "anderen" Amerika geachtet wird.

Dass diese Lebensgeschichte erzählt wird, ist gut. Leider weckte die Inverlagnahme bei Edition Peters, einem Spezialverlag für Musik, auch Erwartungen, die nicht befriedigt wurden. Gewiss berichten Reed/Bräuer von den künstlerischen Tätigkeiten, aber das bleibt im Äußerlich-Informativen, manchmal sogar Anekdotisch-Beiläufigen stecken. Ich verlange von einer Künstlerbiographie jedoch detaillierte Einblicke in die eigene Werkstatt und in den Kunstbetrieb. Diese Chance wurde vertan.

Wolfgang Tilgner

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Letzte Änderung: 2007-04-18