Hamburg, September 1993

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Gescheiterter Cowboy

Ein Amerikaner versuchte sein Glück in der DDR

Hamburg. "Ein Cowboy im Sozialismus"? Seltsame Vorstellung, assoziiert man doch mit einem Kuhhirten Freiheit, Ungebundenheit und ein weites Land. Der amerikanische Sänger und Schauspieler Dean Reed hat als glühender Verehrer des Sozialismus lange Jahre dennoch versucht, in der DDR für Gleichheit und Brüderlichkeit zu reiten. Ein neuer Fernsehfilm erzählt von diesem Politromantiker, der sich 1986 umbrachte.

Der Film, der am 6. September auf N3 gesendet wird, wurde in Hamburg vorgestellt. Erläuterung tat not, denn nur wenige westdeutsche Zuschauer werden den 1938 in Denver/Colorado geborenen Sänger kennen.

Peter Gehrigs Film "Dean Reed - Glamour und Protest" versucht das Phänomen Reed durch Interviews mit Menschen, die ihn gut kannten, zu fassen. Zu Wort kommen Leute wie der Chefideologe Karl-Eduard von Schnitzler, der letzte stellvertretende Kultur- und Filmminister der DDR, Horst Pehnert, die beiden Ehefrauen und ein amerikanischer Freund, der seit 1952 in der DDR lebte.

Die Interviews wechseln sich ab mit Szenen aus seinen fünf Filmen, die der sozialistischen Sache dienen sollten, und seinen Liedern. Das Repertoire reicht in Englisch, Spanisch und Deutsch von Beatlesliedern bis zu lateinamerikanischen Revolutionshymnen. Ein Profil als Musiker scheint er nicht gehabt zu haben. Seinen Karrierehöhepunkt - zu der Zeit sieht er aus wie eine Mischung aus Jürgen Drews und Burt Reynolds - erlebte er 1981 mit dem Musikfilm "Sing, Cowboy, sing".

Obwohl der Film mit gut geschnittenen Szenen und unterschiedlichen Aussagen zur Person beginnt, bleibt er an der Oberfläche. Man erfährt zwar zum wiederholten Male, wie charmant und gut aussehend Reed war, seine politische Motivation wird aber nicht offen gelegt. Auch verschleiern die befragten ehemaligen DDR-Funktionäre die Umarmung des Sängers durch die Macht und die dazugehörigen Konsequenzen. Nur der befragte Fotograf Günter Linke sieht den Sänger aus der Distanz und versteht nicht, wie Reed, der sich in den USA als Protestsänger profiliert hatte, in der DDR politisch so blind sein konnte. "Reed sang eher mit der geballten Faust ein Revolutionslied. Reden hat er dagegen kaum gehalten", erklärte Gehrig. Eine klare politische Einordnung wird so vermieden, dabei sagte Reeds Ex-Frau Wiebke Reed in Hamburg: "Er war fanatisch." Auch dass Reed geradezu starköpfig war und keine andere Meinung als die eigene gelten ließ, wird im Film nur angedeutet. Außerdem fehlen seine Lebensdaten, über seine Kindheit und Jugend erfährt man nichts. "Mich hat Reed nur als Politromantiker interessiert", erklärte Gehrig dazu. Reed sei nicht wichtig genug, um ihn als Person zu porträtieren.

An der Oberfläche bleibt auch die Beschreibung der letzten Zeit vor dem Tod Reeds. An dieser Stelle zeigt es sich als Mangel, dass der Film gänzlich auf einen Sprecher verzichtet, die Interviews müssen für sich sprechen. So wird nur angedeutet, warum der glühende Sozialist 1986 in der DDR keine Zukunft mehr für sich sah - er kam mit seiner sturen politischen Haltung nicht mehr beim Publikum an. "Es ist besser, dass er sich 1986 getötet hat", sagte seine Ex-Frau, "er hätte sich bei der Wende sowieso umgebracht."

Natalie Wohlleben

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Letzte Änderung: 2008-01-24