Filmspiegel 06/2006

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Wer war eigentlich dieser Dean Reed?

Ein Amerikaner in der DDR

Vor einigen Jahren stellte ein in der alten Bundesrepublik aufgewachsener junger Autor dem aus Dresden stammenden Regisseur Leopold Grün diese Frage. Die Antwort fiel spärlich aus. Sänger, Schauspieler, Regisseur, Friedenskämpfer aus seiner Heimat USA über Umwege wie Chile und Italien Anfang der 1970er Jahre in die DDR gekommen; 1986 unter nie völlig geklärten Umständen in einem See bei Ost-Berlin gestorben... - mehr als Schlagworte hatte Leopold Grün nicht parat. Und damit war sein Interesse geweckt. Er begann zu recherchieren, andere engagierten sich ebenfalls, der Produzent und Kameramann Thomas Janze von Totho Filmproduktion in Berlin begeisterte sich für das Projekt. Vom Medienboard Berlin-Brandenburg, über DEFA Stiftung und Sony Deutschland GmbH bis zum Progress Film-Verleih konnten Partner gefunden werden und damit auch Geldgeber. Derzeit ist die Dokumentation in der Postproduktion, die Fertigstellung ist für den Herbst dieses Jahres geplant.

"Eine chronologische Filmbiografie wird das nicht", erzählt Leopold Grün, dem man die Begeisterung an der Arbeit im Gespräch sofort anmerkt: "Je mehr ich über Dean Reed erfahren habe, umso stärker war ich fasziniert, besonders von dem Festhalten an seinen Utopien und Träumen."

Ein filmisches Denkmal aber wird der Essay nicht. Die Collage aus Spielfilmausschnitten, Archivmaterial, Statements von Freunden, Kollegen, Bekannten, etwa Wiebke Reed, seiner ersten Ehefrau in der DDR, Schauspiel-Star Armin Mueller-Stahl, Regisseur Günter Reisch und Isabel Allende, Momenten aus privaten Super-8-Filmen entwerfen das Bild eines zwischen persönlichen, gesellschaftlichen und künstlerischen Hochs und Tiefs hin und her gerissenen Mannes. Mit der Schauspielerin Renate Blume, Dean Reeds letzter Ehefrau, konnten Leopold Grün und Thomas Janze nicht sprechen. Sie steht bei Tom Hanks unter Vertrag, der seit längerem plant, die Lebensgeschichte seines ungewöhnlichen Landmannes mit sich selbst in der Hauptrolle in einem Spielfilm zu erzählen.

Einer der spannenden Aspekte dieser Lebensgeschichte für Leopold Grün: Immer wieder wurde Dean Reed instrumentalisiert. Als es mit dem Kinoruhm nach einer zweijährigen Schauspielausbildung bei Warner Bros. in Hollywood nicht so recht klappte, wurde er von der Company "Capitol Records" bewusst nach Chile geschickt, um ihn dort als "Elvis zum Anfassen" aufzubauen. Das klappte. Doch der Rock'n'Roller verschloss bei allem Gefallen an der Popularität nicht die Augen vor der Realität. Ob Vietnamkrieg oder die Unmenschlichkeit des Pinochet-Regimes: Dean Reed hielt mit seiner Kritik nicht hinterm Berg.

Eine der Überraschungen für Leopold Grün bei den Vorbereitungen zum Film: "Wenn wir es in Chile nicht selbst erlebt hätten, wie er dort verehrt wird, ich würd's nicht glauben". In der DDR wurde Dean Reed als Barde für Freiheit, Frieden und Völkerfreundschaft verkauft. Ein Vorzeige-Ami, bestens als Galionsfigur im ideologischen Kampf gegen den Kapitalismus geeignet. Doch er hielt es nicht aus in der Nische, in der er sich mit Privilegien wie Reisefreiheit, materiellem Wohlstand und für die DDR ungewöhnlich reichen Möglichkeiten der künstlerischen Entfaltung bequem hätte einrichten können. Leopold Grün: "Zeitzeugen wissen, dass er in seinen letzten Lebensmonaten mehr und mehr kritisch auf die Zustände in seiner Wahlheimat blickte und auch den Mund nicht hielt."

Der im September 1938 in Denver im US-Bundesstaat Colorado in eine christlich geprägte Familie mit ausgeprägtem Gerechtigkeitssinn geborene Dean Reed starb im Frühjahr 1986. "Suizid" diagnostizierte die Stasi, die den Tod minutiös untersuchte. Bis heute schießen diverse Spekulationen darüber ins Kraut. Für Leopold Grün gibt es daran keinen Zweifel. Denn so erzählt er: "Alle berichten von seiner Schwermut, von seinen Selbstzweifeln, von der Enttäuschung, nicht als gefeierter Star in seine Heimat zurückkehren zu können, in der DDR nicht mehr der große Publikumsliebling zu sein, dem die Mädchen hinterherlaufen. Er war wohl ein Verzweifelter." Im Film geht Grün dezent mit dem Thema um, setzt nicht auf kreischende Effekthascherei. Dies auch nicht bei der Spiegelung von Dean Reeds Leben im Mauerländle. Leopold Grün: "Selbstverständlich spielt das eine Rolle, aber nicht die Hauptrolle. Wir wollen ja wirklich versuchen, die Persönlichkeit zu erfassen und nicht selbst Klischees liefern, indem wir abgegriffenen Klischees hinterherlaufen." Wobei durchaus auch Raum für Marginales ist, beispielsweise die vielen Affären mit verschiedensten Frauen, die den Alltag des umtriebigen Dean Reed ständig und überall begleiteten. Aber auch hier: Grelle Yellow-Press-Stories wird es im Film nicht geben.

Es ist insbesondere die Ernsthaftigkeit und der Respekt vor Biografie und Leistung Dean Reeds, die Grüns und Janzes Arbeit prägt. Dazu gehört der originelle Umgang mit seiner Musik: "Nahezu alle, die wir gesprochen haben, die ihn mögen, stehen gerade seiner Musik eher desinteressiert gegenüber", haben die Filmemacher bei den Recherchen erlebt. "Wobei", ergänzt Leopold Grün: "Als Rock'n'Roller war er in der DDR ja nicht präsent. Da war er immer 'der Sänger des anderen Amerika', wie es offiziell hieß." Schlager, Countrysongs, Politballaden - das Repertoire ist groß. Grün und Janze haben sich entschlossen, nicht überwiegend mit dem üblichen Einspielen historischer Musiktitel zu arbeiten. "Jan Hempel und Olivier Fröhlich von 'Dekadenz 2000' haben die alten Aufnahmen geremixt, so dass ein durchaus heutiger Sound entsteht." Für die Wirkung des Films bei einem jungen Publikum kein unwichtiger Aspekt.

Überhaupt: Wer soll erreicht werden? Die Filmemacher spekulieren diesbezüglich nicht. Ganz klar: Angelockt werden sollen die, die sich an Dean Reed selbst noch erinnern, ebenso die Nachgeborenen, und auch Publikum zum Beispiel in den USA. Thomas Janze: "Wir haben in Denver mit einem dort bekannten Hörfunkmoderator eine Radioshow über Dean Reed gemacht und da kamen 'ne Menge Anrufe von Menschen, die sich erinnerten, und die mehr über ihn wissen wollten. Auch erste Reaktionen im Internet zeigen, dass es durchaus Interesse gibt."

Ein Interesse, das hier wie da sicherlich über die Person Dean Reed hinaus reicht. Denn die große Chance einer solchen filmischen Rückschau ist es ja, mit der Sicht auf Heute Aspekt des Gestern zu beleuchten. Das Engagement der Filmemacher spricht dafür, dass ihnen genau das gelingt. Insbesondere die 70er Jahre des vorigen Jahrhunderts, da die Welt noch klar in Ost und West und die diversen Feindbilder unterteilt war, dürften erhellt werden. Und das durch einen Protagonisten, der sich künstlerisch und menschlich allem raschen Einordnen in Schubladen entzog. Spannenderes ist kaum vorstellbar.

Das eingebettet in ein sehr persönliches Porträt. Im Laufe des Gesprächs zu ihrer Arbeit zeigen Thomas Janze und Leopold Grün einen kurzen Trailer. In wenigen Momenten überträgt sich, woran sich wohl alle erinnern, die Dean Reed einmal begegnet sind: Er blieb immer der große Junge, der von allen geliebt werden, der allen gefallen wollte, dessen energiesprühender Charme jeden sofort für ihn einnahm. Der Mann hatte wirklich Star-Qualität und blieb dabei Mensch.

Peter Claus

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Letzte Änderung: 2007-02-04