An unserer Seite: Dean Reed
Wir versprachen unseren Lesern ein ausführliches Gespräch mit Dean Reed. Dazu erhielten wir
viele Leserzuschriften mit Fragen. Aber im Gewühl der großen Festivaltage kam das Treffen
nicht zustande. Jetzt ist Dean Reed aus dem Urlaub zurück, und vorige Woche sprach unser Leipziger
Korrespondent Peter Seidel mit ihm.
Eine der üblichen Zweieinhalb-Zimmer-Altbauwohnungen im Nordwesten Leipzigs. Ein kalkweiß
gestrichenes Zimmer, mit vietnamesischen Maisstrohteppichen ausgelegt. An der Stirnseite eine naturholzfarbene
Anbauwand, vollgestopft mit Büchern und Zeitungen. Auf der Schreibklappe eine kleine Reiseschreibmaschine,
daneben ein Berg Manuskripte. Dean Reed blinzelt liebenswürdig, aufmunternd.
"Taugenichts" - war das Ihr erster Film?
Das war mein erster Film in einem sozialistischen Land.
Den ersten Film meines Lebens drehte ich 1964 in Mexiko. Er hieß
"Guadelayara",
erhielt 1964 auf einem Filmfestival in Mexiko zwei erste Preise.
Werden Sie auch weiterhin filmen, auch bei der DEFA?
Ja, ich habe bereits einen Vertrag mit der DEFA unterschrieben. Im November gehe ich für drei Monate
nach Amerika und schreibe das Drehbuch für einen
Indianerfilm.
Die Aufnahmen beginnen im Juli nächsten Jahres.
Wann erscheint die nächste Schallplatte von Ihnen?
Wann, das weiß ich nicht. Wir haben bisher eine
Langspielplatte
und eine einfache aufgenommen. Ich werde noch vier neue Lieder in der DDR aufnehmen, bevor ich wegfahre,
davon drei Songs in Deutsch und eins in Englisch.
Während der Weltfestspiele haben Sie sicherlich viele Singegruppen gehört. Was halten Sie von
ihrer Qualität?
Hier muss man von zwei Qualitäten sprechen, einmal über die politische und ein andermal über
die künstlerische. Diese Lieder der Singebewegung sind dazu angetan, die Jugend zu vereinen, ihre
Begeisterung zu wecken, sie aber auch zu erfreuen. Und man kann wohl sagen, dass die Jugend der DDR dabei
sehr unterstützt wird. Nirgendwo auf der Welt kann man Singegruppen der Jugend mit einem so hohen
politischen und künstlerischen Niveau finden. Sie erzeugen eine Begeisterungsfähigkeit durch den
aufrichtigen und lebendigen Inhalt der Lieder, die das Bewusstsein der Menschen stärken und ihnen
gleichzeitig Fröhlichkeit vermitteln.
Welche Länder haben Sie schon bereist?
In diesem Jahr war ich in Uruguay,
Chile;
in Italien und Spanien drehte ich einen
Western,
in dem ich einen netten, sympathischen Cowboy spielte. Dann fuhr ich nach Polen, nahm anschließend
am Treffen des Weltfriedensrates teil. Danach war ich als Vertreter des Weltfriedensrates in Bangladesh,
Kuba und Mexiko. Diese Reisen dienten der Vorbereitung des großen Welttreffens der Friedenskräfte,
das am 25.Oktober 1973 in
Moskau beginnen wird.
Welche Eindrücke haben Sie von unserem Land?
Ich war eigentlich nur 4 Monate hier in der DDR, als ich den
"Taugenichts"
machte. Ich will mich auf das Wichtigste beschränken, auf das, was ich während des Filmens
erlebte und über meine Eindrücke während des
Festivals:
Die Filmarbeiten am
"Taugenichts"
waren für mich der 14. Film, und ich muss sagen, dass es für mich das bisher schönste
Erlebnis während der Filmarbeiten war. Während wir bei den Dreharbeiten in Spanien 12 bis 14 Stunden
täglich bis zum äußersten ausgebeutet wurden, beendeten wir hier nach acht Stunden den
Arbeitstag. Jeder der Beteiligten hatte ein Ansehen, und er verlor es während der Arbeiten niemals.
Sehr beeindruckt war ich vom
Festival.
Viele Menschen sagen, es war ein großer Erfolg. Ich habe beispielsweise viele Freunde in
Argentinien,
Uruguay
und Chile,
die auch hier waren und zum erstenmal ein sozialistisches Land gesehen haben. Sie waren stark beeindruckt.
Wie kam es, dass Sie in die DDR kamen?
Das erstemal war ich 1970 zum Dokumentar- und Kurzfilm-Festival hier. Dort wurde ich eingeladen zu
Feierlichkeiten nach Chile. 1971 wurde ich wieder nach
Leipzig
eingeladen. Dazu brachte ich einen
Film
mit, den ich in Chile für die Gewerkschaft gemacht hatte. Dieser wurde auf dem Festival gezeigt.
Damals lernte ich meine
Frau kennen.
Sie sind also verheiratet?
Ja, ich habe Wieke
geheiratet,
die hier in Leipzig wohnt.
Haben Sie Kinder?
Ja, ich habe ein
Kind
aus meiner ersten Ehe,
es lebt in Italien bei seiner Mutter.
Welche Sprachen sprechen Sie?
Spanisch, Italienisch und Englisch, nur etwas Deutsch.
Welche Staatsbürgerschaft haben Sie, wo ist Ihr fester Wohnsitz?
Ich bin Bürger der Vereinigten Staaten. Solange die amerikanische Regierung es mir gestattet, werde
ich es bleiben. Ich bin sehr stolz, ein Nordamerikaner zu sein, der das fortschrittliche Amerika vertritt.
Zwischen meinen Reisen werde ich künftig in Berlin wohnen.
Was machen Sie in Ihrer Freizeit?
In den letzten drei Jahren hatte ich wegen meiner vielen Reisen, die ich aber gern mache, gar keine Freizeit.
Wenn ich einmal Freizeit hätte, würde ich lesen, viel lesen. Eines meiner Lieblingsbücher ist
"Jean-Christoph" von Romain Rolland. Ansonsten Bücher politisch-historischer Art. Ich bemühe mich,
immer auf dem laufenden zu sein, was die aktuelle Weltpolitik betrifft.
Welche Eigenschaften eines Menschen schätzen Sie am meisten?
Die Ehrlichkeit. Ich schätze Menschen, die offen und ehrlich ihre Meinung vertreten. Ich denke dabei
besonders an meine
Mutter.
Warum?
Natürlich sollte jeder seine Mutter respektieren. Aber ich würde meine Mutter auch lieben, wenn sie
nicht meine Mutter wäre. Sie begann, noch mit 42 Jahren, an der Universität zu studieren. Daneben
arbeitete sie noch acht Stunden als Sekretärin. Abends ging sie vier Stunden zur Schule. Jetzt ist sie
fast 59 Jahre alt und wird in diesem Jahr ihr Diplom erhalten. Meine Mutter nahm auch an vielen Demonstrationen
gegen den Aggressionskrieg in Vietnam teil. Sie ist sehr fortschrittlich.
Sie sind in den USA aufgewachsen. Sie kennen aber auch die Jugend der DDR. Worin unterscheidet sich das Leben
eines jungen Mannes oder eines Mädchens in Ihrer Heimat und bei uns?
Der hauptsächliche Unterschied liegt darin, dass wir darum kämpfen, die gegenwärtige Regierung
zu beseitigen, die Verbrechen gegen die Menschheit begeht in einem Ausmaß, wie sie Hitler begangen hat.
Die Jugend in den USA befindet sich in einer Schlacht, in einem Kampf um das Leben, gegen eine Regierung, die
uns unterdrückt. Die Jugendlichen in der DDR haben bereits eine sozialistische Regierung. Ihre
Anstrengungen müssen daher anders verlaufen. Manchmal ist das sogar schwieriger. Die Schaffung einer
sozialistischen Gesellschaft erfordert Geduld und harte Arbeit. Das ist es, was in Ihrem Land geschieht und
womit sich die Jugend in der DDR beschäftigt. Ich glaube, dass das
Festival
dazu beigetragen hat, die Jugend dafür zu begeistern.
Vielen Dank, Dean Reed, dass Sie für uns und unsere Leser Zeit hatten. Ich würde mich freuen,
Sie mal wiederzusehen.
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