Dean Reed – Reflexionen und Inspirationen

Bericht über die Veranstaltung am 10. Juni 2023

Anlässlich des Geburtstages von Dean Reed (*22.9.1938 - †13.6.1986), der sich im Jahre 2023 zum 85. Mal jährt, fand am Sonnabend, dem 10. Juni 2023, von 16 bis 19 Uhr die Veranstaltung "Dean Reed – Reflexionen und Inspirationen" im Konferenzraum des DDR-Museums Berlin, Sankt-Wolfgang-Str. 2, 10178 Berlin, statt. Die organisatorische Leitung hatten Frau PD Dr. Kerstin Störl und Frau Αndrеa Wіttе inne.

Anliegen der Veranstaltung
Eröffnung
Einleitung: "Wer war Dean Reed?"
Erinnerungen und Anekdoten
· Brief an den verstorbenen Vater
· Interview mit dem Zeitzeugen Victor Grossman
Recherchen
· Recherchemöglichkeiten auf der Dean-Reed-Webseite
· Recherchen zu Dean Reeds Amazonas-Expedition 1962
· Recherchen zur museologischen Darstellung von Dean Reed
Künstlerische Reflexionen
· Bildende Kunst
· Poesie
· Filme und Podcasts in jüngster Zeit
· Musik
· Theater
Schlusswort
Persönliche Gespräche

Anliegen der Veranstaltung

Da Dean Reeds Leben als Rebell, Sänger, Schauspieler und Regisseur, sein Wirken als US-Amerikaner in der DDR sowie die Umstände seines Todes schon vielfach thematisiert wurden, stand als neuer Aspekt bei dieser Veranstaltung die allmähliche Transformation Dean Reeds als gutem Freund, Kollegen oder verehrtem Künstler hin zur historischen Persönlichkeit im Fokus. Neben Augenzeugen­berichten wurden deshalb auch Reflexionen jüngerer Menschen einbezogen, die sich für ihn interessieren, obwohl sie ihn nicht persönlich kannten.

Eine der Hauptfragen, der in der Veranstaltung nachgegangen wurde, war: Wie kann man einen Menschen wie Dean überhaupt kennen lernen? Dean Reed war und ist Spiegel und Projektionsfläche für eigene Gedanken, Theorien, Initiativen, er hat zahlreiche Menschen inspiriert. Für jeden oder jede war Dean ein anderer und hat verschiedenartige Spuren hinterlassen, die sich auf der ganzen Welt verbreiten und ihre Wirkung entfalten. Einige von ihnen konnten die Zuschauer auf der Veranstaltung kennen lernen, die nicht zuletzt als Anregung für weitere spannende Recherchen und ungeahnte Entdeckungen über und mit Dean Reed gedacht war.

Eröffnung

Gordon Freiherr von Godin, der Direktor des DDR-Museums, eröffnete die Veranstaltung und informierte das Publikum über das Museum. Anschließend stellte Frau PD Dr. Kerstin Störl den Mode­rator der Verantaltung, Herrn F.-B. Habel, Film- und Fernseh­wissenschaftler sowie Filmhistoriker, vor. F.-B. Habel arbeitete auch als Schauspieler, Drehbuchautor, Dramaturg und Aufnahme­leiter, wirkt am "CineGraph-Lexikon zum deutschsprachigen Film" mit und veröffentlichte Bücher zu Filmthemen, in denen er sich häufig mit der Geschichte des Kinos und Fernsehens in der DDR beschäftigte. Besonders erwähnenswert ist sein Buch "Dean Reed. Die wahre Geschichte", das er zusammen mit Thomas Grossman im Jahre 2007 im Verlag Neues Leben, Berlin, publi­zierte und in das Episoden seiner persönlichen Begegnungen mit Dean Reed eingeflossen sind.

F.-B. Habel, Moderator der Veranstaltung

FB Habel stellte nun Frau Privatdozentin Dr. Kerstin Störl, Sprach­wissenschaftlerin und Romanistin, vor. Sie hatte eine Universitäts­professur für Romanische Sprach- und Landeswissenschaften an der Universität Wien inne und ist Herausgeberin dreier wissen­schaft­licher Buchreihen. Sie lehrt, forscht und publiziert zur Roma­nistik, insbesondere zur spanischen Sprache, zur Lateinamerika­nistik, Altamerikanistik, Linguistik und Kulturwissenschaft. Seit 2010 führt sie regelmäßig Feldforschungen bei den indigenen Quechuas in Peru durch. Dean Reed kannte sie persönlich, seit er in die DDR kam. Erst im Jahre 2014 stieß sie auf die Dean-Reed-Webseite und nahm das erste Mal an einem der Dean-Reed-Treffen teil, die seit 2007 stattfanden und vorwiegend von ehe­ma­ligen Fans organisiert wurden. Sie ist, zusammen mit Αndrеa Wittе, eine der Organisatorinnen der heutigen Veranstaltung.

Anschließend übermittelte Frau PD Dr. Kerstin Störl an die Teilnehmer der Veranstaltung gerichtete Grußbotschaften: Ramona Reed, die Tochter von Dean Reed, hatte einen symbolischen, an ihren verstorbenen Vater gerichteten, Brief geschickt, der unter dem Programmpunkt "Erinnerungen" verlesen wurde. Weitere Grußbotschaften stammten von dem vor allem in der DDR populären Schauspieler, Entertainer, Sänger und Autor Lutz Jahoda, von der Moderatorin und Sängerin Inka Bause sowie von der Autorin, Moderatorin, Journalistin und Starmoderatorin des DDR-Kultsenders DT64 Christine Dähn.

Kerstin Störl bedankte sich im Namen beider Veranstalterinnen bei den Menschen, die das Event möglich gemacht haben: in erster Linie beim DDR-Museum, speziell beim Direktor, Gordon Freiherr von Godin, und beim Ausstellungsleiter Sören Marotz. Einen besonderen Dank sprach sie Αndrеa Wittе aus, mit der sie gemeinsam die Veranstaltung organisiert hatte. Sie hob besonders ihr beeindruckendes Fachwissen über Dean Reed und seine Zeit hervor, ebenso wie die immense Menge an Daten, Fakten und Materialien über Dean Reed, die sie gesammelt, registriert und der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt hat. Sie bedankte sich auch bei F.-B. Habel, der als Moderator durch das Programm führte, bei Ilga Röder und Petra für die organisatorische Unterstützung sowie bei den Fotografinnen, stellvertretend für viele weitere ehrenamtliche Helfer und Unterstützer, ohne die die Veranstaltung nicht möglich gewesen wäre.

Einleitung: "Wer war Dean Reed?"

Zur Einleitung stellte Frau PD Dr. Kerstin Störl einige Daten und Fakten aus dem Leben von Dean Reed vor, in dem sie als Allegorie die Geschichte eines indischen Fürsten heranzog, der einmal einen Elefanten in einen dunklen Raum bringen ließ und seinen hervorragendsten Wissenschaftlern den Auftrag erteilte, ihn zu untersuchen. Je nachdem, welches Körperteil die Wissenschaftler betasteten, fielen die Antworten sehr unterschiedlich aus: Einer betastete das Bein und sagte, dieses Wesen sei wie ein Baum. Ein anderer berührte das Ohr und hielt es für das Blatt einer Lotusblüte. Ein Dritter hielt den Schwanz des Elefanten für einen Aal, der Erforscher des Rückens schrieb ihm die Eigenschaft eines Walfisches zu und der des Rüssels die einer Schlange. Der Philosoph des Stoßzahnes jedoch wollte erkannt haben, dass dieses Wesen einen glatten elfenbeinigen Charakter hatte.
[Nach: Quelle (19.5.23)]

Jeder hatte sich seine eigene Wirklichkeit konstruiert und sie hörten nicht auf sich zu streiten. Kann man sich überhaupt einig werden über die "wirkliche Welt"? Daran anknüpfend thematisierte Kerstin Störl die Frage: Wie kann man überhaupt einen Menschen kennen lernen? Wie kann man Dean Reed kennen lernen? Er war für viele der auf der Veranstaltung Anwesenden ein guter Freund, ein Kollege oder ein verehrter Künstler. In letzter Zeit aber interessieren sich auch viele Menschen für Dean Reed, die ihn auf Grund ihres jungen Alters gar nicht persönlich kennen konnten. Sie sind inspiriert von ihm, es entstehen Reflexionen seines Tuns und Kunstprodukte. Dean Reed verwandelt sich allmählich in eine historische Persönlichkeit. Und diejenigen, die Dean zu seinen Lebzeiten kannten, sind heute an einem anderen Punkt als damals in ihrem eigenen Leben, sehen viele Dinge anders, auch Dean und sich selbst. Nicht nur die junge Generation kann Dean entdecken, sondern auch für die Alten sind immer wieder neue Facetten von Dean und seiner Zeit zu ergründen. Die Veranstaltung war deshalb auch ein Austausch zwischen den Generationen.

Die Idee der Erforschung eines Elefanten auf die Erkenntnis des Wesens eines Menschen übertragend, und speziell eines ganz bestimmten Menschen, kam Kerstin Störl zu dem Schluss: Auch Dean Reed war und ist Spiegel und Projektionsfläche für eigene Gedanken, Theorien, Initiativen, und er hat zahlreiche Menschen inspiriert. Worüber würden sich die Gelehrten heute streiten, bei der Frage: "Wer war Dean?" Die einen würden sagen, er war ein Sportler, das sieht man doch bei jeder seiner Aktionen im Film! Und wer kennt nicht die Geschichte mit dem Marathonlauf mit einem Maultier im Jahre 1959? Die anderen würden sagen: Nein, Dean Reed war ein berühmter Musiker und Sänger. 1961 schickte ihn Capitol Records auf eine Konzert-Tournee durch Argentinien, Chile, Brasilien und Peru. Am Flughafen von Buenos Aires wurde er von 100.000 Fans empfangen. 1961 stand Dean in den Charts der südamerikanischen Jugendzeitschrift "Ecran" auf dem ersten Platz, VOR Elvis Presley. Wieder andere würden behaupten: Nein, das stimmt nicht. Dean ist in erster Linie ein Schauspieler und Filmemacher. Nach zahlreichen Filmen in den USA, in Mexiko und Italien produzierte er bei der DDR-Filmproduktionsfirma DEFA die deutsche Literaturverfilmung "Aus dem Leben eines Taugenichts" (1973) sowie die Filme "Kit & Co." (1974) nach einer Alaska-Geschichte von Jack London, "Blutsbrüder" (1975), ein Film, in dem er als Hautpdarsteller Gerechtigkeit für die Cheyennen forderte, und "El cantor" (1977) im Andenken an seinen vom Pinochet-Regime ermordeten chilenischen Freund Victor Jara.

Der Streit unter den Gelehrten würde weitergehen: Nein, Dean wollte nicht nur auf der Leinwand zu sehen sein. Er liebte den direkten Kontakt zum Publikum. Er war ein Showman. Er sprach mit seinen Fans, teilte Autogrammkarten aus und liebte die Aufmerksamkeit und Bewunderung. Nein, aber Dean war doch vor allem ein Reisender. Er besuchte unzählige Länder und Kontinente und engagierte sich für die Völkerverständigung. Er setzte sich für die armen Menschen in Chile ein, besuchte Indigene im bra­silianischen Dschungel, traf Daniel Ortega in Nicaragua und drehte Filme in Argentinien und Italien. Besonders interessierte er sich für die sozialistischen Länder, wo er seinen Traum, Gerechtigkeit für alle Menschen, bereits realisiert sah, und lebte seit 1971 in der DDR. Aber Dean, würde einer der Gelehrten einwerfen, war auch ein Familienvater und liebte seine Kinder: seine Töchter Ramona und Natalie, von ihm Natascha genannt, und seinen Adoptivsohn Alexander.

Wieder ein anderer würde Deans Rolle als Friedenskämpfer her­vor­heben. 1971 kam Dean Reed in die DDR, die er als Ver­tre­ter des Weltfriedensrates zur XIV. Internationalen Leipziger Doku­mentar- und Kurzfilmwoche kennen und lieben lernte. Anfang 1972 gewann er das Millionenpublikum des DDR-Fernsehens mit seiner ersten Sendung: "Begegnung am Alex" und 1973 be­geisterte er Menschen aus aller Welt zu den X. Weltfestspielen in Berlin. Die meisten der zur Veranstaltung Anwesenden kennen Dean Reed aus dieser Zeit, durch zahlreiche Lieder, Filme und durch sein politisches Engagement. Die Gelehrten könnten sich noch lange streiten. Für jeden oder jede war und ist Dean ein anderer und hat verschiedenartige Spuren hinterlassen, die sich auf der ganzen Welt verbreiten und ihre Wirkung entfalten.

Kerstin Störl erzählte zum Abschluss ihrer Einführungsrede von ihren Begegnungen mit ihm seit 1971, persönlich zum ersten Mal 1975. Dean Reed und seine Zeit hatten sie damals sehr stark geprägt. In diesem Zusammenhang übermittelte sie eine Grußbotschaft an die Teilnehmer der Veranstaltung von Sabine Feneis, heute Stößel, im Gedenken an Dean, den sie damals beide gemeinsam verehrt hatten.

Erinnerungen und Anekdoten

· Brief an den verstorbenen Vater

Wie oben erwähnt, hatte Ramona Reed, die Tochter von Dean Reed, einen symbolischen, an ihren verstorbenen Vater gerichteten, Brief geschickt, der zur Veranstaltung verlesen wurde. Das Publikum war von diesem Brief sehr berührt. Er erweckte positive Erinnerungen an Dean, ebenso wie Gefühle der Trauer über seinen viel zu frühen Tod und Empathie für die Gefühle und Gedanken von Ramona Reed.

Hier ist der Wortlaut des Briefes.

· Interview mit dem Zeitzeugen Victor Grossman

Anschließend begrüßte der Moderator, F.-B. Habel, einen Zeitzeugen: Dean Reeds langjährigen Dolmetscher und Freund Victor Grossman. Er war neben Dean einer der wenigen US-Amerikaner, die in der DDR lebten. Victor Grossman ließ im lockeren Gespräch mit F.-B. Habel persönliche Erinnerungen an Dean Reed aufleben und erzählte auf anschauliche, humoristische und spannende Weise Anekdoten von der gemeinsamen Arbeit mit Dean bei verschiedenen Filmdrehs. Außer seinen Erinnerungen an Dean im Kosmos der DDR-Promis kamen Fragen des Alltags in der DDR und des Umgangs mit den Kollegen beim Film und bei Konzerten zur Sprache sowie seine Gedanken über die Interviews für Podcasts und Filme, für die Victor Grossman in den letzten Jahren zu Dean befragt wurde.

Victor Grossman (links), Zeitzeuge, und F.-B. Habel (rechts), Moderator, im Gespräch

Recherchen

· Recherchemöglichkeiten auf der Dean-Reed-Webseite

Der nächste Programmpunkt bestand in der Vorstellung von Recherche-Möglichkeiten. Neben den vielen Anwesenden und auch nicht anwesenden Personen, die Dean Reed noch persönlich kannten, gibt es mittlerweile zahlreiche jüngere Leute, die sich für Dean Reed interessieren, die ihm aber allein von ihrem Alter her nie begegnet sein konnten. Für sie ist Dean Reed immer noch ein Quell für Inspirationen und spannende Recherchen. Er ist zu einer historischen Persönlichkeit geworden. Damit keine Informationen über Dean Reed verloren gehen, ist es wichtig, alle Daten und Fakten, Bilder, Filme, Musik und Dokumente zu sammeln, zu systematisieren und zu präsentieren, damit sich sowohl frühere Bekannte als auch die jetzigen und zukünftigen jungen Generationen informieren und nachforschen können.

In diesem Zusammenhang stellte Kerstin Störl nun Αndrеa Wittе vor, die zweite Organisatorin der Veranstaltung. Sie hat mit großem Engagement die Arbeit an der Dean-Reed-Webseite über­nommen, aus Interesse an Dean Reed und seiner Zeit, und hat auf Grund ihrer Fachkenntnis und ihrer Fähigkeit zu systematisieren ein umfangreiches und übersichtliches Werk geschaffen, das für aktuelle und historische Recherchen außerordentlich nützlich und unumgänglich ist.

Αndrеa Wittе gab im Gespräch mit F.-B. Habel anhand eines Schemas einen Überblick über die Struktur der Dean-Reed-Web­seite (www.deanreed.de). Sie stellte die sechs wichtigsten The­men­schwerpunkte mit ihren Unterpunkten vor und gab Einblicke in die Vernetzung zwischen den einzelnen Seiten. Der Vorteil dieses Netzes gegenüber der linearen Struktur eines Buches oder Films besteht darin, dass jederzeit in jede Richtung Informationen ange­baut werden können. Unabhängig davon, an welchem Punkt man einsteigt, durch die Vernetzung/­Verlinkung kann man immer tiefer in die Materie eindringen.

· Recherchen zu Dean Reeds Amazonas-Expedition 1962

PD Dr. Kerstin Störl spricht zu Dean Reeds
Amazonas-Expedition 1962

Als Anwendungsbeispiel für Recherchemöglichkeiten zeigte nun Kerstin Störl, wie sie recherchiert hat, um etwas über die Expe­dition von Dean Reed in den brasilianischen Dschungel im Jahre 1962 herauszufinden. Was Dean Reed im brasilianischen Ur­wald erlebt hatte, ist eine eher selten thematisierte Frage. Kerstin Störl begann sich dafür zu interessieren, nachdem sie selbst zwischen 2011 und 2021 mehrmals im Amazonasgebiet war.

Auf der zuvor vorgestellten Webseite sind wichtige Informationen, Fo­tos und weiterführende Hinweise zu finden, unter der Rubrik "Der Rebell" - "Brasilien". Dadurch hat Kerstin Störl von dem Buch des Leiters der damaligen Exkursion, Fred A. Salazar, erfahren, das er zusammen mit Jack Herschlag 1967 veröffentlicht hat: "The Innocent Assassins" (New York: E. P. Dutton & Co. Inc.). Auf Grund der ausführlichen und authentischen Darstellungen bezog sich Kerstin Störl in ihren Ausführungen vorwiegend auf diesen Band, aber auch auf Dean Reeds eigene Berichte, die in dem Buch von Hans-Dieter Bräuer (1984): "Dean Reed. Aus meinem Leben" (Leipzig, Dresden: Edition Peters) und in dem Artikel "Dean Reed: Ein Rock-'n'-Roll-Sänger im Amazonasdschungel" (in: Ecran 1653, 10/1962) veröffentlicht wurden. Es existieren im Nachlass von Dean Reed weitere Reflexionen von ihm selbst, die aber momentan nicht verfügbar sind.

Da wie erwähnt Dean Reeds Amazonas-Expedition selten thematisiert wurde, mögen für den interes­sierten Leser dieses Berichtes...

...hier einige Fakten aus den Ausführungen von Kerstin Störl zusammengefasst werden.

Am Ende ihrer Ausführungen betonte Kerstin Störl, dass es zweifellos in Deans Sinne ist, Respekt vor den Indigenen und allen Völkern dieser Welt zu fordern und sich auch für die Erhaltung des Urwaldes einzusetzen, der Lunge der Welt. Eine gute Gelegenheit sei die von der UNESCO ausgerufene Internationale Dekade der indigenen Sprachen (2022-2032), um das Bewusstsein für die kritische Situation der indigenen Kulturen und Sprachen in der ganzen Welt zu schärfen, sich für die kulturelle Vielfalt einzusetzen, ebenso wie für die Kenntnis und Erhaltung des jahrhundertealten Wissens indigener Kulturen, das entscheidend sein könnte für die Bemühungen der Menschheit, die Herausforderungen dieses Jahrhunderts zu bewältigen.

· Recherchen zur museologischen Darstellung von Dean Reed

Recherchen sind natürlich auch notwendig bei der Präsentation historischer Persönlichkeiten in Museen. Zur museologischen Darstellung von Dean Reed sprach Herr Prof. Dr. Oliver Rump, Mitbe­gründer des Studienangebotes Museums­manage­ment der Uni­ver­si­tät Hamburg und seit 2008 Professor für die Lehrgebiete Mu­se­ologie, Museums­management und ‑marketing an der HTW Berlin. Sein Schwerpunkt ist die politische Museologie, speziell die Erschließung und Vermittlung von Persönlichkeiten der deutschen Geschichte mit sozialistischem und kommunistischem Kontext wie Tamara Bunke, Tania La Guerillera, Dean Reed und Werner Seelen­binder. Er stellte das studentische Recherche-Projekt "Der Fall Dean Reed: Hammer + Sichel & Rock'n'Roll" vor, das er leitete. Studierende als junge Menschen konnten Dean Reed ja nicht mehr selbst kennen lernen. So regte sie Oliver Rump an, über Dean Reed als historische Persönlichkeit zu recherchieren und sie museologisch darzustellen.

Die Studierenden widmeten sich fünf verschiedenen Lebens­bereichen Dean Reeds, die sie theatralisch nachspielten und per Video aufzeichneten: 1. Das künstlerische Schaffen Dean Reeds, 2. Dean als Aktivist, 3. Dean privat, 4. Deans Tod und 5. Deans Erbe. Oliver Rump zeigte auf der Veranstaltung Ausschnitte daraus. Es zeigten sich interessante Aspekte der Interpretation durch die Studierenden, die Dean aus einer ganz anderen Zeit heraus betrachteten als die, in der er gelebt hatte.

Mit diesem Programmpunkt, der schon künstlerische Aspekte der Widerspiegelung von Deans Leben beinhaltete, war ein guter Übergang zum nächsten Punkt "Künstlerische Reflexionen" geschaffen.

Künstlerische Reflexionen

Im vorangehenden Programmpunkt wurden ja schon einige künstle­rische, speziell theatralische und filmi­sche, Darstellungsformen gezeigt. Das weitere Programm war speziell den künstlerischen Reflexionen Dean Reeds, seines Lebens, seines Wirkens und seiner Zeit gewidmet.

· Bildende Kunst

Es wurden zunächst einige Kostproben aus der bildenden Kunst präsentiert, untermalt durch Musik von und mit Dean Reed. Die Präsentation wurde erstellt von Kerstin Störl und Αndrеa Wittе.

· Poesie

Die zweite Kunstform, die vor­gestellt wurde, war die Poesie. Begegnungen mit Dean Reed zu Lebzeiten oder auch die Be­schäftigung mit ihm, seinem Leben und Werk nach seinem Tode inspirierten einige Dichterinnen. Αndrеa Wittе stellte zunächst zwei von ihnen vor, Gisela Steineckert und Angela Hampel, und rezitierte ihre Gedichte: "Dean" (Gisela Steineckert 1988) und "Ins Wasser gehen (für D.)" (Angela Hampel 2008).

Als dritte Dichterin stellte sie Ilga Röder vor, die selbst anwesend war. Ilga Röder war Übersetzerin für Französisch und Englisch und lernte auch Russisch, Gebärden­sprache, Chinesisch und Japa­nisch mit Kalligrafie. Aus der Beschäf­tigung mit der asiatischen Kunst entstanden zwei Bücher und eine CD mit Haikugedichten, illustriert mit Kalligrafien. Dean Reed inspirierte sie zu ihrem dritten Buch: "Von einem anderen Stern. Gedichte für Dean Reed", das 2017 erschien. Auf der Veranstaltung rezitierte sie daraus zwei Haikus.

· Filme und Podcasts in jüngster Zeit

Nach dem Tod Dean Reeds wurden Aufstieg und Fall des schillernden Stars immer wieder Gegenstand von Dokumentationen und Filmen, besonders bekannt ist Leopold Grüns Dokumentarfilm "Der Rote Elvis" von 2007. Selbst Tom Hanks zeigte Interesse an dem Stoff, beerdigte das Projekt allerdings wieder, bevor es verwirklicht werden konnte, da er keine Finan­zierung für den ihn nach wie vor faszinierenden Stoff bekam.

Nicht so aufwändig wie ein Hollywoodfilm ist das relativ neue Medium Podcast. Victor Grossman wurde für verschiedene Podcasts interviewt, so auch zum Thema Dean Reed vom Podcast "Cold War Conver­sations". Auf dieser Plattform erschien 2019 auch ein 2teiliger Podcast, in dem Ramona Reed über ihren Vater Dean spricht. 2020 erinnerte sich der amerika­nische Friedensaktivist Robert Perschmann an seine Begeg­nungen mit Dean Reed, 2023 der Gitarrist Neil Jacobs an seine Freundschaft mit Dean Reed in dessen letztem Lebensjahr. Im Podcast "Rock Around the Bloc" spürten Deans Landsleute aus Colorado 2019 der bemerkens­werten Geschichte des sogenannten "Red Elvis" nach, befragten dazu u.a. Victor Grossman, den Regisseur Will Roberts und Αndrеa Wittе.

Im Dezember 2022 wurde die 6teilige Podcast-Serie "Red Elvis" publiziert, von und mit Ramona Reed, der Tochter von Dean Reed. Dabei wurde auf Material zurück­gegriffen, aus dem bereits Anfang 2022 die Filmdokumentation "Red Elvis" veröffentlicht wurde. Ramona Reed hat diesen Film mitproduziert und auch auf Festivals in Europa und in den USA vorgestellt. Für die Veranstaltung hat sie einen Aus­schnitt zur Verfügung gestellt, in dem das Publikum den amerika­nischen Schauspieler Mark Valley kennen lernen konnte, der sich mit Dean Reed seit den 90er Jahren beschäftigt hatte und ihn in einem reenactment verkörpert. Es wurde eine Szene gezeigt, in der Mark Valley bei einer aktenkundigen Verkehrskontrolle in seiner Rolle als Dean Reed zu sehen ist.

· Musik

Auch in Musikstücken wird Dean Reed reflektiert, zum Beispiel im Text des lustigen Liedes der Gruppe MTS (Musikkabarett aus der DDR, 1970er Jahre): "Ein Pferd wie Du und ich", das Αndrеa Wittе vorstellte. Ihrer Meinung nach zeigte der Bezug zu Dean Reed und der DEFA, dass Dean inzwischen eine feste Größe im DDR-Kultur- und Promi-Kosmos war.

· Theater

Der nächste Programmpunkt war der künstlerischen Reflexion Dean Reeds im Theater gewidmet. Gerade in jüngster Zeit sind einige Theaterstücke über ihn entstanden. Auf der Veranstaltung wurden zwei davon exemplarisch thematisiert: das Solotheaterstück "Dean Reed ist tot" von Markus Gille (2019) und das Stück "Iron Curtain Man" von Lars Werner und Fabian Gerhardt (2020). Markus Gille war der Einladung, auf der Veranstaltung persönlich aufzutreten, gefolgt, so dass das Publikum sich nun an einem Live-Auftritt erfreuen konnte, bei dem Markus Gille sehr beein­druckend eine Szene aus seinem Stück vorspielte und es kommentierte.

Markus Gille spielt eine Szene aus
seinem Stück "Dean Reed ist tot".

Markus Gille ist künstlerischer Leiter der Bürger-Bühne Freiberg, Sänger am Mittelsächsischen Theater und Theaterautor. Das Solotheaterstück "Dean Reed ist tot" wurde im Schlosshof Döbeln bei Grimma uraufgeführt. Obwohl er dachte, dass das Stück nur bei Leuten mit ostdeutscher Ver­gan­gen­heit funktionieren kann, hat er die erstaunliche Entdeckung ge­macht, dass es auch bei Jüngeren und Leuten mit westdeutschen Wurzeln ankommt. Das Stück thematisiert eine Zeit, in der besondere Schicksale entstanden. Die Szene aus dem Stück hat das Publikum begeistert und das Interesse geweckt, es einmal vollständig anzuschauen.

Nach der Ankündigung der Auf­führung des Stücks "Blutsbrüder" (nach dem gleichnamigen Film mit Dean Reed und Gojko Mitić) in der Waldbühne Jonsdorf ab 24. Juni 2023 wurde das zweite oben er­wähnte Theaterstück vorgestellt und damit wurden gleichzeitig die Schlussgedanken der Veranstal­tung eingeleitet. 2020 hatten Lars Werner und Fabian Gerhardt den Stoff "Dean Reed" für sich entdeckt und brachten unter dem Titel "Iron Curtain Man" einen Dean-Reed-Abend auf die Bühne der Neuköll­ner Oper. Der dramaturgische Kniff, den sie sich vom Bob-Dylan-Biopic "I'm not there" geborgt hatten, war die vielleicht einzige Möglichkeit, einem so widersprüchlichen Menschen wie Dean Reed gerecht zu werden: Dean Reed wurde von gleich sechs Schauspielern und Schauspielerinnen verkörpert. 2022 erfolgte eine Wiederaufnahme von "Iron Curtain Man".

Parallel dazu bereitete die Neuköllner Oper das Stück wegen der Corona-Spielpause auch als sieben­teilige Online-Castingshow auf, in der die Darsteller und Darstellerinnen von Dean Reed um die Gunst des Publikums konkurrierten. Am Schluss wurde der "Dean of Germany" gewählt. Es wurden nun einige Szenen des Zusammenschnitts der ca. siebenstündigen Show gezeigt, die aus sieben Folgen besteht, editiert von Kerstin Störl, mit Einblendungen von Originalaufnahmen von Dean Reed. Als Abschluss der Präsentation wurde die Aussage eines der Dean-Reed-Darsteller gezeigt, der als Dean nach seinem eigenen Tod zum Publikum sprach und dabei den damaligen Sozialismus und den heutigen Kapitalismus gegenüber stellte. Anknüpfend an die Lebendigkeit und den Enthusiasmus Deans, sagte er, als würde Dean zu uns sprechen: "Ich fehle euch. Ihr wisst es noch nicht, aber ich fehle euch. Na ja, ich fehle Euch sogar sehr. Denn erst wenn ihr den letzten Witz gemacht habt über meinen old fashioned idealism, werdet ihr merken, dass der Kapitalismus eure Seelen gegessen hat, dass ihr Tote seid, in einer toten Welt." Die rhetorische Figur des Oxymorons - der Tote lebt und sagt, die Lebenden seien tot - regte zum weiteren Nachdenken über Dean Reed, seine Zeit, unsere heutige Zeit und die aktuelle Reflexion des Wirkens von Dean an und leitete die Schlussgedanken ein.

Schlusswort

Kerstin Störl sprach das Schlusswort und kam dabei auf die Frage vom Anfang zurück: Wie kann man einen Menschen wie Dean kennen lernen? Man müsse - symbolisch gesehen - alle "sechs Deans" des oben genannten Films oder noch mehr "Deans" berücksichtigen, um seine facettenreiche Persönlichkeit zu erfassen. Die vielen Fans, die ihn noch persönlich kannten, haben ihn meist nur in seinen euphorischen Momenten voller Energie, Willenskraft und Optimismus kennen gelernt. Er hat seine extrem starken posi­tiven Emotionen auf sie übertragen, so dass sie heute noch von ihm berührt sind und reflektierend meist sagen: "Dean hat mich in meinem Leben stark geprägt." Was für eine Ausdruckskraft hat ein solcher Mensch, der Millionen begeistert hat und in ihnen Spuren hinterlassen hat, die heute noch wirken!

Seine anderen Seiten, Traurigkeit, Verzweiflung, Leid, kannten eher nur die Menschen, die ihm sehr nahe standen. Aber es machte alle, sowohl die Teilnehmenden der Veranstaltung als auch andere, die ihn kannten, sehr traurig, dass Dean Reed viel zu früh die Welt verlassen hat. Jedoch hat er ein so intensives Leben geführt - wie Kerstin Störl hervorhob -, hat so viel Positives getan, für Menschen aus der ganzen Welt, hat so viele inspiriert, wie es andere in drei Leben nicht schaffen würden. Sie zitierte Goethe, der sagte: "Wer vieles bringt, wird manchem etwas bringen." Genauso wie für jeden der Gelehrten der An­fangsgeschichte der Elefant ein anderes Wesen war, ist es auch nicht möglich pauschal auf die Frage zu antworten: "Wer war Dean?" So ist auch Dean - wie jeder andere Mensch - für jeden ein anderer und jeder findet sich selbst in ihm. Dennoch war er EIN Mensch, wenn auch mit einer sehr komplexen Persönlichkeit, EIN Mensch, dessen Vermächtnis man in drei Worten zusammenfassen kann: Mut, Liebe und Humor.

Persönliche Gespräche

In einer Erfrischungspause gegen 17:30 Uhr und am Ende der Veranstaltung gab es Gelegenheit zu persönlichen Begegnungen zwischen den Referenten, Künstlern und dem Publikum.

Bericht: PD Dr. Kerstin Störl, 12. August 2024, Kontakt: Kerstin@DeanReed.de