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Warum nur? Der in Kupfer getriebene Bogenschütze in der Nähe der Neuen Orangerie in Sanssouci schüttelt verdrossen den behelmten Schädel. Hatten Kaiser Wilhem II. oder gar die braunen Horden, die den Schöpfer der Skulptur, den 70-jährigen Ernst Moritz Geyger 1936 noch mit einem Ehrensold bedachten, den Bogenschützen für ihre militärischen Aggressionen ideologisch verbraten können, so fand dieses Ansinnen endlich ein blutiges Ende. Es kam auch für den Schützen eine Zeit, die ihn hoffen ließ, den gespannten Bogen in die richtige Richtung und diesmal im allgemeinen Volksinteresse halten zu können.
Der Bogenschütze, könnte er sprechen, würde auf manch gute Begegnung mit den damaligen Bewohnern des neuen und einmaligen Landes verweisen. Auf deren Frohsinn, auf manche Sorgen. Und auf jene, die dem Bogenschützen nachahmten. Die tausendfach ihre Bögen gespannt hielten.
Und nun steht er wieder allein im Regen. Verlassen von Leuten, denen er vertraut hatte. Sie warfen um des äußeren Friedens willen das Handtuch. Klar, sie hatten Fehler gemacht. Solche Charakterleute. Solche klugen Köpfe. Und nun duckten sie sich vor denen, die stets verantwortlich sind, wenn es ums Blutvergießen ging und geht.
Einen von ihnen sah er oft schnurstracks in Uniform den Park durchqueren. In Eile immer. Er nannte ihn seinen Schützen. Und immer bei Spaziergängen hatte er eine sehr schöne Frau an seiner Seite. Von den beiden hat er nie mehr etwas gesehen. Und all die anderen Mitstreiter des Schützen und überhaupt? Was die Symbolstatue nicht wissen kann: Inzwischen gibt es eine weit über 900 Bücher zählende Erinnerungsliteratur. Dazu zählt auch "Der Schütze von Sanssouci."
Anlässlich des Pressefestes 1975 in Potsdam schrieb Dean Reed diese Widmung:
Liebe Ingrid
Ich danke Dir für die Freundschaft und Solidarität.
Ich wünsche Dir alles Gute!
Dean Reed
Diese Eintragung findet sich auf Seite 18 im soeben veröffentlichten Buch mit dem Titel "Der Schütze von Sanssouci", Autor Harry Popow. Das Leben mit Ingrid, genannt Cleo, charakterisiert der Autor als eine wunderbare Zweisamkeit in Zeiten des Versuchs einer neuen Zeit in der DDR.
Was treibt einen DDR-Bürger dazu - der den Krieg noch als Kind hat erleben müssen und der sich voller Überzeugung im DDR-Alltag einbrachte und die sogenannte Wende trotz einiger Beulen heil überstand - lange Jahre nach der sogenannten Wende Rückschau zu halten?
Es sind Tagebuchnotizen eines inzwischen 80-Jährigen. Sie umfassen die Zeit von 1944 bis 2016. Die Notizen sind sporadisch entstanden und skizzieren persönliche und geschichtliche Erlebnisse und Erinnerungen. Der Autor hält fest, was ihn am großen Vorhaben fesselte, ein gänzlich anderes und neues Deutschland aufzubauen.
Angesichts des gesellschaftlichen und staatlichen Absturzes blickt der damalige Militärjournalist und Oberstleutnant zurück in die Anfangsjahre der DDR, in die Kindheit und in die Berufsjahre: Lehrling in den Zwickauer Kohlenschächten, Kollektor bei der Staatlichen Geologischen Kommission der DDR, Offizier der NVA und später Militärjournalist in der Wochenzeitung "Volksarmee" und nach Beendigung der Dienstzeit im Fernsehen der DDR.
Im Mittelpunkt des authentischen Lebensberichtes steht die nunmehr bereits 55 Jahre währende Liebe zu seiner Frau, die er als Offiziersschüler 1957 kennengelernt und 1961 geheiratet hatte.
Der Autor verknüpft die Idee seiner Liebe mit der Symbolfigur des Bogenschützen im Park von Sanssouci. So gelingt es ihm, die Probleme der Landesverteidigung der DDR mit persönlichen Erkenntnissen und Bekenntnissen zu verbinden und auf eine poetische Ebene zu heben.
Der Text teilt sich in drei Teile: Der erste bezieht sich auf die Gegenwart im Jahre 2016, stellt das Ehepaar und besonders die Gattin des Autors vor. Der zweite Teil enthält das Tagebuch des Autors seit den vierziger Jahren bis nach 1989. Der dritte Teil kehrt mit inhaltlichen kritischen Fragestellungen und Kommentaren in die Gegenwart des Jahres 2016 zurück.
Lebendig wirkt das Buch durch beigefügte dokumentarische Fotos. Wer das Buch "In die Stille gerettet" des gleichen Autors noch nicht kennt, kommt auf seine Kosten, Authentisches aus dem Leben eines "Schützen" zu erfahren.
Harry Popow: "Der Schütze von Sanssouci. Das Leben mit einer Göttin - Erkenntnisse und Bekenntnisse in acht Jahrzehnten." epubli-Verlag, 356 Seiten, ISBN: 978-3-7375-3830-5, epubli.de
Erstveröffentlichung: cleo-schreiber.blogspot.de 22. Dezember 2016
Frühere Artikel von Harry Popow erschienen am: 12.12.16, 24.10.16, 01.10.16, 02.07.16, 22.06.16, 07.06.16, 19.04.16, 06.11.15
Ehrlicher geht es nicht. In diesem biographischen Bericht erfahren wir die Gedanken eines Zeitzeugen, eines Offiziers der NVA, der drei gesellschaftliche Etappen der deutschen Geschichte durchlebte:
Durch die kritische Sicht auf das neue Staatsgebilde BRD sowie durch persönliche Erlebnisse und Begegnungen lernte er die durchlebte und erkämpfte Zeit im Staat DDR noch mehr schätzen und steht zu ihr - trotz alledem. Das bedeutet aber nicht, dass er das Leben in der DDR und die staatliche Ordnung nicht kritisch hinterfragt hätte und Erscheinungen, die zum Ende der DDR führten, nicht benennt. So entwirft er an Hand seiner Biografie, seiner Erlebnisse und persönlichen Auseinandersetzungen ein realistisches Bild vom kleinen Land mit den hohen Ansprüchen. Damit bekommt der Leser ein Erinnerungsbuch in die Hand, das ihn zum: "Ach ja, so war es - war das alles schlecht?" sowohl in Ost, als auch wegen seiner Aufrichtigkeit in West bringt. Man denke an: "Es höre jeder auf die Flüsterungen der Geschichte" (Antoine de Saint-Exupery).
Mahnende Worte von Bertolt Brecht "Zum Volkskongress für den Frieden" (Wien 1952) sind der sinngebende Ausgangspunkt für des Autors Erkenntnisse und Bekenntnisse. Mit der Schilderung seines Lebens, der letzten Kriegsjahre, die er gebeutelt erleben musste, der Evakuierung und der Rückkehr nach Berlin 1945, die Bemühungen der Eltern, an der Gestaltung des neuen Deutschlands mitzuwirken, benennt er die Probleme der Zeit und seine heutige Sicht darauf. Er erlebte die Leistungen seiner Mutter als Dolmetscherin (sie lebte seit 1934 als gebürtige Russin in Deutschland) beim Bau des Treptower Ehrenmals (stolz, sie in der Krypta abgebildet zu sehen), als Personalleiterin und Dolmetscherin bei der SDAG Wismut in Aue und Schwarzenberg im Erzgebirge, ihre Stationen als Dolmetscherin in Berlin und Dresden, als Dozentin in Merseburg.
Er malt sehr plastisch und wahrhaftig das Bild des Neubeginns, immer dargestellt an den Handlungen seiner Familie, Freunde und Kollegen ohne in Phrasen zu verfallen. Seine Erinnerung an diese Zeit führt er weiter in seinem biografischen Bericht von der Entwicklung als Bergwerkslehrling - auch unter Tage - in Zwickau, seiner beginnenden Ausbildung zum Geologen in Schwerin. Diese bricht er ab, als man ihn "überzeugt", in die KVP, später NVA einzutreten.
Viele Stationen des Armeelebens an den verschiedensten Standorten in der DDR, sein Fernstudium der Journalistik an der Leipziger Karl-Marx-Universität, der Tätigkeit als Diplomjournalist im Offiziersrang an Zeitungen der Armee, sie sind fest eingebettet in das Leben der DDR-Gemeinschaft. So entsteht ein Kaleidoskop des gesellschaftlichen Gefüges in der DDR. Bewusst reiht er sich als "Schütze" in die große Schar der Verteidiger des Sozialismus in der DDR ein, indem er im Klappentext darauf verweist, dass bereits über 900 Ehemalige und aktive DDR-Bürger ihre Erinnerungen als wertvolle Spuren in die Vergangenheit zu Papier gebracht haben. Das macht das Buch so umfassend.
Nach insgesamt 32 Dienstjahren in der KVP/NVA geht er zum Fernsehen der DDR als journalistischer Berater.
Nicht vergessen sollte man den Untertitel "Das Leben mit einer Göttin". Seine Göttin im Focus, nimmt er die wichtigste Bezugsperson in seine Schilderung auf - Cleo, seine große Liebe. Sie steht in allen Lebenslagen schön und klug an seiner Seite, sie erlebte seine Kämpfe mit, erduldend und duldend, aber auch mit kritischen Hinweisen, treu und freudebringend, die Familiengeschicke beeinflussend.
Die Familiengeschicke lenken, bedeutete auch drei Kinder, oft allein, groß zu ziehen, die in der Wendezeit bestanden und heute tüchtig ein selbstbestimmtes Leben führen. Dankbar stellt er diese Seite seines Lebens, die große Liebe und die Fürsorge für die Familie dar, ehrlich und offen. Dabei benennt er auch politisch haltlose Unterstellungen von verschiedenen "Genossen", die die ihm besonders gegen das Ende der DDR hin widerfuhren. Sehr lesenswert wird das Buch auch dadurch, dass er sich nicht als fehlerfreien Menschen, sondern sowohl als kritisch denkendes aber auch als kritisch handelndes Gesellschaftsmitglied darstellt.
Sein Weg nach der sogenannten Wende war steinig, er musste sich mit Minijobs durchschlagen, wie tausende andere Bürger ebenfalls, verließ mit seiner Frau 1996 für neun Jahre Deutschland und ging nach Schweden.
Seit 2005 lebt er wieder mit seiner Frau in der Nähe seiner Kinder in Deutschland, wurde Blogger und Hobbymaler, bespricht interessante politische Sachbücher und macht seine Leserschaft mit Abhandlungen aus linken Zeitungen bekannt. Seine Erlebnisse und Erfahrungen hält er in selbst verfassten Büchern und Essays fest.
Er beendet, wie immer, seine Bücher mit Originalmeinungen und Abhandlungen seiner User zu Zeitereignissen. Besonders erinnerlich ist mir die Erzählung vom "Der Mensch vor dem Supermarkt", die Abhandlungen "Lügenpresse", "Staatsferne" und "Ehe alles zerbricht".
Beigefügte private Fotos erhöhen die Authentizität des Buches. Es ist durch sein breites Spektrum des DDR-Lebens, ob seiner Ehrlichkeit und Vielfalt, interessanter Schauplätze und kritischer Sichten, eine sowohl unterhaltsame als auch nachdenklich machende Lektüre. Der Schütze steht hier für's Ganze, poetisch erweitert durch das Bild des Bogenschützen von Sanssouci.
Elke Bauer, München, 03.01.2017
Ehemaligen US-Geheimdienstlern vom "Veteran Intelligence Professionals for Sanity" ist es ein Rätsel, warum die US-Geheimdienste in der hysterischen Diskussion über die angebliche Beeinflussung der US-Präsidentenwahl durch Russland mit "Indizien" arbeiten; wenn die Hackerangriffe tatsächlich erfolgt wären, hätten sie doch unwiderlegbare Beweise dafür vorlegen können. Am 12. Dezember 2016 veröffentlichten sie dazu ein Memorandum, das in der bürgerlichen Presse keine Beachtung fand.
Ein am Montag in der New York Times veröffentlichter Bericht, in dem behauptet wurde, die CIA könne mit "eindeutigen Indizien" nachweisen, "dass der russische Präsident Wladimir Putin Hacker eingesetzt hat, um die Wahlcomputer zugunsten Donald J. Trumps zu beeinflussen", führt keinen einzigen Beleg an, der diese Anschuldigung stützen könnte. Das hat uns nicht überrascht, weil alle bisher bekannt gewordenen technischen Angaben (über angeblich gehackte E-Mails, weitere Infos dazu hier) darauf schließen lassen, dass die besagten E-Mails weder von Russen noch von Experten anderer Staaten "gehackt" wurden, sondern durch interne "Leaks" in die Öffentlichkeit gelangten.
Ebenfalls am Montag hat die Washington Post berichtet, der republikanische Senator James Lankford aus Oklahoma, der dem Geheimdienst-Ausschuss des Senates angehört, habe gemeinsam mit anderen Senatoren gefordert, die vermuteten russischen Cyber-Angriffe von einer überparteilichen Kommission untersuchen zu lassen. Die Lektüre dieses kurzen Memorandums könnte den Senat vor ergebnisloser Zeitverschwendung und unnötigen Ausgaben bewahren.
Unsere nachfolgenden Ausführungen beruhen auf jahrzehntelangen geheimdienstlichen Erfahrungen - auch im Bereich Internet-Sicherheit - und sollen helfen, die aus durchsichtigen Motiven betriebene Vernebelung von Tatsachen zu durchschauen. Wir wollen nicht anonym bleiben, denn wir sind stolz darauf, uns nach langjähriger, meist verdeckt ausgeübter geheimdienstlicher Tätigkeit nun auch aufklärend an die Öffentlichkeit wenden zu können. Unser Ethos als Geheimdienstexperten verpflichtet uns immer noch dazu, furchtlos und ohne jede Begünstigung einfach die Wahrheit zu sagen - auch wenn das heute nicht mehr üblich ist.
Wir haben die Behauptungen über angebliche Hacker-Angriffe geprüft, und wegen unserer profunden Kenntnisse war es für uns ein Kinderspiel, sie alle zu widerlegen. Die enthüllten E-Mails wurden nicht gehackt, sie sind durch ein oder mehrere interne Lecks in die Öffentlichkeit gelangt. Wir erklären jetzt den Unterschied zwischen einem "Leak" und eine "Hack".
Um ein Leak handelt es sich, wenn Personen wie Edward Snowden oder Chelsea Manning Daten einer Organisation aus deren Computersystem auf einen Datenträger kopieren und diesen Datenträger einer anderen Person oder Organisation übergeben.
Ein Hack findet statt, wenn eine Person, die sich in einem weit entfernten Gebäude oder Land befindet, auf elektronischem Weg alle Firewalls und anderen Schutzeinrichtungen eines fremden Computersystems äberwindet und auf elektronischem Weg Daten aus diesem System abzweigt.
Bei allen von uns untersuchten Fällen kann es sich nicht um Hackerangriffe gehandelt haben, denn die National Security Agency/NSA kann alle Hackerangriffe verfolgen und sowohl den Angreifer als auch den Angegriffen problemlos identifizieren.
Nur wenn der Datenklau von einer realen Person mit Hilfe eines transportablen Datenträgers (Speicherkarte, Stick oder CD) vor Ort vorgenommen wird, entstehen keine elektronischen Spuren, über die der Täter jederzeit zu identifizieren wäre.
Wir wiederholen noch einmal: Die NSA kann bei jedem über das Internet abgewickelten Datenaustausch (also auch bei jedem Hackerangriff) den Absender und den Empfänger, (bzw. den Angreifer und den Angegriffenen) ermitteln. Dank des von Edward Snowden veröffentlichten Materials wissen wir, dass die NSA - u.a. mit Hilfe ihrer Programme Fairview [s. hier], Stormbrew [s. hier] und Blarney [s. hier] - den Datenfluss in den Glasfasernetzen von mindestens 30 US-Kabelgesellschaften, das komplette öffentliche Telefonnetz und das gesamte World Wide Web überwacht. Die NSA kann also auf alle Daten zugreifen, die innerhalb der USA und in der ganzen Welt kursieren - auch auf die, welche die USA nur durchqueren.
Mit anderen Worten, alle Daten, die jemand aus Servern des Democratic National Committee/DNC (s. dazu auch hier), aus einem Server Hillarys Rodham Clintons/HRC oder aus irgendeinem anderen Server in den USA abgreift, werden auch von der NSA eingesammelt. Jeder Datentransfer enthält in einem sogenannten "Packet" (Paket) auch die Adresse des Empfängers und kann deshalb durch das gesamte Internet bis zu ihm verfolgt werden.
E-Mails werden vor dem Transport durch das Internet in kleinere Segmente, die so genannten "Packets" aufgeteilt, vor der Ankunft beim Empfänger aber wieder zusammengefügt.
Damit das geschehen kann, erhalten alle Packets, die zu einem Datentransfer gehören, die gleiche Identifikationsnummer. Außerdem trägt jedes Packet eine IPV4- oder IPV6-Nummer (s. hier), die seine Verfolgung im Netz ermöglicht.
Wenn die E-Mail-Packets die USA verlassen, kann auch in den anderen "Five-Eyes"-Staaten (s. hier) Großbritannien, Kanada, Australien und Neuseeland und in sieben oder acht weiteren ausgewählten Staaten, die eng mit den USA kooperieren, der Weg einer E-Mail bis zum Empfänger verfolgt werden.
Die Möglichkeiten der NSA, den weltweiten Datenverkehr zu kontrollieren, sind sehr vielfältig (s. dazu auch hier, hier, hier, hier und hier); mit Hunderten von Spürprogrammen können die Packets durch das gesamte Internet und in ganz unterschiedlichen Software- und Hardware-Produkten verfolgt oder immer wieder aufgefunden werden. Auch E-Mails, die in einem Server abgegriffen und zu einem anderen geleitet werden, sind mit den genannten Mitteln wenigstens teilweise zu verfolgen oder zu orten.
Daraus ergibt sich, dass die NSA auch alle in den Servern des DNC oder der Frau HRC "gehackten" E-Mails auf ihrem gesamten Weg durchs Internet - auch über Zwischenstationen - bis zum Hacker verfolgen könnte.
Wenn die meist anonym bleibenden Sprecher von US-Geheimdiensten verschwommene Formulierungen wie "vermutlich" oder "unserer Meinung bzw. Schätzung nach" verwenden, heißt das im Klartext, dass die E-Mails in Wirklichkeit nicht "gehackt" wurden, weil sie dann auch den oder die Hacker benennen könnten. Da sie das nicht konnten, sind wir sicher, dass die Server des DNC und der Frau HRC nicht gehackt wurden.
Wenn es tatsächlich Hackerangriffe gegeben hätte, wären die Hacker auch gefunden und benannt worden, denn dazu hätte man weder die Quellen noch die Methoden preisgeben müssen. Daraus schließen wir, dass die E-Mails von einem Insider auf ein Speichermedium übertragen und weitergegeben wurden, wie das auch bei Edward Snowden und Chelsea Manning der Fall war. Dieser Insider könnte aus jedem Ministerium kommen, das Zugriff auf die NSA-Daten hat, oder auch im DNC bzw. in Frau Clintons Umgebung zu finden sein.
Warum sich die Medien auf die CIA berufen, bleibt uns ein Rätsel, denn die CIA könnte ihre Informationen nur von der NSA haben. Wir können uns auch nicht erklären, warum die Medien mit seltsamen Storys über russische Hacker gefüttert werden, die Trump zum Wahlsieg verholfen haben sollen, obwohl die NSA trotz ihrer vielfältigen Möglichkeiten keinerlei Beweise dafür vorlegen kann.
Für den Vorstand der Veteran Intelligence Professionals for Sanity/VIPS
Quelle: Veteran Intelligence Professionals for Sanity (Ehemalige Geheimdienstmitarbeiter
für Vernunft) Consortium.news, 12.12.16
Übersetzung: luftpost-kl.de
Frühere Beiträge "Was die >Tagesshow< verschweigt" erschienen am 16.12.2016, 18.11.2016, 09.11.2016, 26.09.2016, 25.07.2016, 06.07.2016
Ein Kindlein kam im Stall zur Welt,
der Vater Joseph hatte kein Geld
für ein weißes Bett und ein Zimmer.
Im Stroh, da lag die Mutter Marie
und wie sie auch vor Schmerzen schrie,
es hörte nur das stumpfe Vieh
ihr Klagen und ihr Gewimmer.
Der Joseph schaute zum Stalltor hinaus,
doch ach, die drei Könige blieben aus
mit Gold und Weihrauch und Myrrhe.
Maria hielt ihr Kind im Arm,
ihr Leib musst sein der Ofen warm.
Und statt der Milch, dass Gott erbarm,
war nur der Rost im Geschirre.
Ach Joseph, lieber Joseph mein,
wie leid ist mir ums Kindelein.
Ach Joseph, was soll werden.
Fragst du nach Arbeit, sie lassen dich steh'n,
ach Joseph, wir müssen betteln gehn.
Ach Joseph, ist denn kein Ende zu sehn
von diesem Jammer auf Erden.
Und wie sie saßen im kalten Stall
und klagten, hörten sie auf einmal
im Hof ein fröhlich Singen.
Die Tür ging auf, im Laternenschein
traten viel junge Hirten herein,
den Eltern und dem Kindelein
ein frohe Botschaft zu bringen.
Wir kommen aus einem schönen Land,
da haben die Menschen die Not verbannt,
als sie sich selber erlösten.
Dort wachsen die Kinder auf im Licht
und Hunger und Elend gibt es dort nicht,
weil's keinem an Dach und Brot gebricht,
die Kleinsten wurden die Größten.
Ach, führt uns hin, sprach Joseph darauf,
da ging ein Stern am Himmel auf
in einem roten Lichte.
Das ist der Stern von Kraft und Mut,
der Herzen stählt und Wunder tut.
Und kennt ihr ihn, dann lest ihr gut
die biblische Geschichte.
Zitiert nach Ernst Busch: Echo von links. Lieder von Louis Fürnberg.
Aurora 5 80 005. Hrsg. 1964, Nachaufl. 1968, 1974, 1976.
Am 19. Dezember 2016 erschoss - einen Tag vor dem geplanten Treffen des Außenministers der Türkei mit dem Russlands und des Iran - ein türkischer Polizist unter Rufen von islamistischen Parolen den Botschafter Russlands in der Türkei Andrej Karlow. Nach offiziellen Angaben des Bürgermeisters von Ankara, Melih Gökçek, war der Attentäter Mitglied der Anti-Terroreinheit in der türkischen Hauptstadt. Der Ausweis des Attentäters hat ergeben, dass der Attentäter Mitglied einer Spezialeinheit der Polizei in Ankara war und Mert Altıntaş hieß...
"Der Angriff kommt nur einen Tag bevor der türkische Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu und Verteidigungsminister Fikri Işık nach Moskau fliegen wollten. Dort stehen Verhandlungen über ein Frieden in Syrien mit iranischen und russischen Regierungsbeamten an."[1]
Präsident Putin nannte den Mord eine Provokation. Ich kann mich dem nur anschließen. Ich halte das für eine brandgefährliche Angelegenheit und verweise darauf, dass seit Beginn der Terrorangriffe in Syrien die USA immer dann auf den Plan traten, wenn sich in Syrien eine Beruhigung abzeichnete.[2] Jetzt zeichnete sich eine Annäherung in der Syrien-Frage zwischen dem Iran, der Türkei und Russland ab. Und wie auf Bestellung kam es zum Mord am Botschafter Russlands. Wer hat Interesse an einem Scheitern der Gespräche Türkei, Russland und Iran? Die Türken wohl eher nicht. Die Kurden schon gar nicht, denn die russischen Schläge gegen die dschihadistischen Banditen dürften auch den Kurden nützen.
Einzig die USA haben ein Interesse am Scheitern der Gespräche. Hinzu kommt, dass bisher bei allen Initiativen zur Beilegung des Konflikts, es die USA waren, die im letzten Moment quer schossen. Schließlich und endlich handelt es sich beim Attentäter um einen Polizisten, der einer Anti-Terror-Einheit angehörte. Irre ich mich oder haben nicht die USA und andere westliche Nato-Länder diese Spezialeinheiten ausgebildet? Ich habe keinen Zweifel daran, dass nicht nur dieser Anti-Terrorpolizist Mert Altıntaş schoss, sondern auch Obama und die CIA den Abzug betätigten. Die Wahrheit könnte nur der Mörder selbst benennen - aber der ist tot. Erschossen von einem Kollegen. Wie praktisch - Tote reden nicht.
Ob es sich hier um einen dschihadistischen Anschlag handelt, ist noch nicht ganz klar, aber vieles deutet darauf hin. Das offizielle Berlin - nicht nur das - überschlägt sich in Betroffenheit. Jeder Dorfbürgermeister, in dem ein Weihnachtsmarkt stattfindet, versucht einen Strahl des Scheins abzubekommen, der von Berlin rüber scheint.
Da bringt der WDR doch tatsächlich einen Bericht vom Duisburger Weihnachtsmarkt, auf dem Polizisten mit Maschinenpistole bewaffnet terroristische LKW abschrecken sollen. Wollen die, falls etwas passiert - oder scheinbar passiert - mit der Mpi in die Menschenmenge der Weihnachtsmarktbesucher ballern? Offenbar, denn wozu haben sie diese Schießprügel?
Oder der OB Duisburgs, Sören Link, zeigt sich demonstrativ auf "seinem" Weihnachtsmarkt um zu verkünden, wie betroffen er sei.
Ich habe den Eindruck, hier werden wir kräftig verarscht. Natürlich bringen die Meldungen im Merkelschen Staatsfernsehen von oben nach unten die Betroffenheiten.
EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker sagte in Brüssel: "Meine Gedanken und die der gesamten Europäischen Kommission sind bei den... bla bla"
Merkel sagte: "Wir trauern um die Toten... bla bla"
Die EU-Außenbeauftragte Frederica Mogherini äußerte sich auf Twitter mit den Worten: "Erschütternde Nachrichten aus Berlin. Europa einmal mehr getroffen. bla bla"
Merkel: "Wir trauern um die Toten" bla bla;
Der SPD-Chef und Angelas Vize trauert auch und bla bla;
Die Linke-Vorsitzenden Katja Kipping und Bernd Riexinger: "Das ist eine furchtbare Tragödie... bla bla"
Heuchelei auf der gesamten Linie.
Den Vogel aber schoss der Innenminister des Saarlandes und Vorsitzender der Innenministerkonferenz, Klaus Bouillon (CDU), ab. Der halluzinierte "Kriegszustand".
Marschiert nun die Bundeswehr? Nur: wohin? Seine Regierungschefin Annegret Kramp-Karrenbauer (so heißt die wirklich!) müsste seine Meinung teilen, denn sie pfiff ihn nicht zurück.
Dabei wissen die ganzen Betroffenheitserklärer und Traurer sehr genau, dass sie lügen, zumindest aber nehmen sie so etwas wie den Berliner Anschlag billigend in Kauf. Während man bei uns von Krieg und Trauer schwadroniert, unterstützen die gleichen Leute in Syrien die Dschihadisten mit Geld und Waffen und verkünden uns, dort seien Freiheitskämpfer am Werk, die von den bösen Russen und den Assad-Soldaten gemeuchelt werden.
Dass diese Leute in Syrien einen entsetzlichen Terror gegen Andersgläubige, Christen, Drusen, Alawiten, Schiiten oder auch nicht fundamentalistische sunnitische Moslems verüben, und das mit Billigung der Nato-Regierungen - auch Berlins - bleiben sie doch - nach Lesart der gleich geschalteten Presse und des Staatsrundfunks, -fernsehens, Freiheitskämpfer.
Und noch was: Nach dem Berliner Anschlag ist nicht der Mord von Ankara die Topmeldung, sondern eben Berlin. Das ist doch praktisch. Dabei wäre es wichtig, wenn das Morden in Syrien aufhörte.
Nicht nur für das syrische Volk. Es würde ein schlimmer Kriegsbrandherd, der auch den Weltfrieden bedroht, gelöscht. Aber offenbar steuern die USA und der Westen in einen Krieg. Wir sollten unsere Stimme erheben und wir sollten ihnen auf die kriegshetzerische Schnauze hauen. Wir einfachen Menschen wollen keinen Krieg, weder gegen Russland noch gegen sonst wen. Da mag auch der Bouillon-Minister noch so sehr von Kriegszustand schwafeln. Wir schlürfen lieber unsere heiße klare Brühe (Bouillon) mit Ei, wir wollen leben, wir, unsere Kinder und Kindeskinder. Das Gesülze der Herrschaften mag ich nicht mehr hören, sie lügen und heucheln, sie sind die Urheber des Terrorismus, der uns bedroht.
Ich kann gar nicht soviel fressen, wie ich kotzen muss, vor dieser Heuchelei und Menschenverachtung.
[1] rt-deutsch
[2] Siehe auch: "Das Letzte, was die USA wollen: Frieden in Syrien" von Neil Clark
Erstveröffentlichung: kommunisten-online.de, 21. Dezember 2016
Frühere Beiträge von Günter Ackermann erschienen am 14.12.2016, 16.11.2016, 18.10.2016, 09.10.2016, 07.09.2016, 25.08.2016, 16.08.2016, 29.07.2016, 08.07.2016
Wenn von den nach wie vor hohen Arbeitslosenzahlen die Rede ist, wird meistens in erster Linie auf die vielen Jugendlichen hingewiesen, die ohne Arbeit sind. Junge Menschen, denen schon in jĂĽngstem Alter die Zukunft verbaut wird.
Analysiert man die allmonatlichen Statistiken der Arbeitsmarktverwaltung (ADEM)* allerdings im Detail, so fällt auf, dass es dem zuständigen Minister nicht nur im Kampf gegen die Jugendarbeitslosigkeit an Alternativen fehlt. Zu einem ähnlichen, ja sogar noch größeren Problem sind die vielen »älteren« Arbeitsuchenden geworden, denen in den letzten Jahren der Weg zurück ins aktive Arbeitsleben versperrt blieb.
Die Statistiken sprechen in dieser Hinsicht eine deutliche Sprache: Wer heute über 50 ist – vielfach sogar schon ab 40 – wird immer häufiger ausgemustert, als »untauglich« abgestempelt, rücksichtslos ausrangiert. Die Türen ins aktive Arbeitsleben bleiben ihnen versperrt, wenn sie, nachdem sie aus welchen Ursachen auch immer, ihren Arbeitsplatz verloren haben, auf der Suche nach einer neuen Arbeitsstelle sind.
So, und nicht anders sieht die Realität hierzulande aus. Beispiele, die dies belegen, gibt es zuhauf. Ob nun die 54-jährige Verkäuferin, der etwas jüngere Berufsfahrer oder die erst 43 Jahre Sekretärin eines nach dem Tode des Betriebsinhabers stillgelegten Familienbetriebs, sie alle wurden in Vorstellungsgesprächen mit der Bemerkung abgewiesen, sie seien leider zu alt, um den Anforderungen, die den Schaffenden heutzutage abverlangt werden – Flexibilität, Deregulierung der Arbeitsorganisation, innerbetrieblicher Konkurrenzkampf, Druck, Hetze, usw. – gerecht werden zu können.
Doch nicht nur die seit Jahren deutlich schlechter gewordenen Arbeitsbedingungen werden vielen »älteren« Arbeitsuchenden als unüberwindbares Hindernis entgegengehalten. Eine zusätzliche immer schwerer zu überwindende Hürde ist, dass berufserfahrene Arbeitskräfte anders zu entlohnen sind als junge unerfahrene Arbeitsuchende, wodurch sie die Lohnkosten des Betriebs in einem »größeren Ausmaß« belasten.
Eine Einstellungspolitik, die zur Folge hat, dass derzeit nahezu 55 Prozent aller Arbeitslosen älter sind als 40 – bei 22 Prozent Arbeitslosen unter 30 Jahre. Mindestens genau so dramatisch ist, dass sich seit dem Beginn der kapitalistischen Finanz- und Wirtschaftskrise die Zahl der »älteren« Langzeitarbeitslosen mehr als verdoppelt hat So sind inzwischen von den nahezu 8.000 Langzeitarbeitslosen (länger als 12 Monate ohne Arbeit), rund 5.500 älter als 40, etwas mehr als 4.000 davon sind sogar schon länger als zwei Jahre ohne Arbeit.
Eine Situation, die ohne eine andere Politik nicht zum Positiven zu ändern sein wird. Statt dass die Regierung dem Groß- und Finanzkapital immer wieder Geschenke in Millionenhöhe zufließen lässt, und sich an überflüssigen Aufrüstungsobjekten und unsinnigen Kriegen der NATO finanziell beteiligt, sollte sie verstärkt in beschäftigungsintensive Betriebe der Klein- und Mittelindustrie sowie in ausreichend neue Arbeitsplätze investieren, die auch Arbeitsuchenden mit nur geringer Qualifikation zugänglich sein müssen. Wer, wie es die Regierung tut, die Zukunft allerdings nur mehr in der Hochtechnologie sieht, riskiert, dass in absehbarer Zeit noch größere Teile der Bevölkerung nicht mehr am aktiven Arbeitsleben teilhaben werden.
Davon betroffen werden nicht nur jüngere, sondern vor allem »ältere« Arbeitsuchende sein.
* = Ă„hnliche Einrichtung wie die Bundesanstalt fĂĽr Arbeit in der BRD (Anm. der Redaktion)
Erstveröffentlichung: Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek, 9. Dez. 2016
Hallo Gilbert,
das Problem "Langzeitarbeitslose" muss man als nur einen Punkt in einem ausbeuterischen
System sehen. Egal ob in Luxemburg oder bei uns in Deutschland, die Schwierigkeiten
liegen generell an und in Europa. Haben vor langer Zeit die großen Volksparteien
noch Politik für die Menschen gemacht, hat sich diese Tatsache fast ausschließlich
und alarmierend zugleich, zu Gunsten der Unternehmen entwickelt. Es ist die reine Habgier
der Konzerne und Unternehmen die diese Entwicklung voranschreiten ließ und lässt.
Was für sie zählt, sind nur die immer höheren Gewinnspannen. Hierzu
wird diese Habgier auf den Rücken der ArbeitnehmerInnen gnadenlos ausgetragen.
Die Politik ist da "fast immer machtlos". Um die permanenten Drohungen der Konzerne
- "Wenn ihr nicht so wollt wie wir, verlagern wir unsere Unternehmen in andere,
billigere Länder" - abzuwehren, bleibt der Politik oft nichts anderes übrig,
als so ein korruptes und ausbeuterisches System zu unterstützen. Solange die
Politik nicht aufhört sich von den Konzernen und Unternehmen erpressen zu lassen,
wird es auf lange Sicht wohl kaum eine Veränderung an diesem ausbeuterischen System geben.
Wir sagen immer "Lasst die Alten in Rente gehen und die junge Generation arbeiten, die Alten haben ihre Pflicht erfüllt".
Doch leider gibt es da das Problem mit den Renten. Die Rentenkassen sind durch schlecht gemachte Politik nahezu leer, sodass die Politik lieber den Eintritt bis zum Rentenalter erhöht. Es ist einfach ein Widerspruch in sich. Die Alten sollen immer länger arbeiten, während die Arbeitgeber ihre Langzeitbeschäftigten aus Altersgründen vor die Tür setzen, während die jüngere Generation für Hungerlöhne zu Recht nicht arbeiten will!
GdA Betriebsgruppe Echnaton, Bremen und Münster, 26.12.2016
Wir sind stolz und froh die Gründung einer Grundeinheit des Jugendwiderstand in Bremen bekannt geben zu dürfen! Für unsere Arbeit ist das ein weiterer großer Schritt vorwärts und für Bremen ein relevanter Schritt im Hinblick auf die Entwicklung der revolutionären Bewegung in der Hansestadt.
Samstag Abend feierten wir gemeinsam mit Arbeiterjugendlichen aus der Stadt die Gründung in einem ausgelassenen Rahmen: Es gab eine eröffnende Rede von den Bremer Genossen, die auf die spezifische Situation der Jugend und der Arbeiterklasse in Bremen einging. Die Zentrale Leitung des Jugendwiderstand schloss sich mit einer ideologisch sehr scharfen und klaren Rede an. Auch ein Grußwort von SYM (Socialist Youth Movement) wurde verlesen, welches die Bremer Genossen noch einmal zu ihrer Gründung beglückwünschte.
Anschließend wurde ein Buffet eröffnet und Alkohol ausgeschenkt und die Gründung gebührend proletarisch begossen. Darauf folgte ein Kulturprogramm. Taktikka aus Berlin und die Bremer Straßenrapper Detweiler und Abb4z legten einen geilen Auftritt vor den circa 30 bis 40 Genossen und Gästen hin.
Gefeiert wurde bis in die Nacht und zwischendurch ist noch dieses kleine Mobvideo entstanden. Es darf gern als Ansage an die Bremer Nazis, Antideutsche und sonstigen Reaktionäre und Faschisten verstanden werden. Zieht euch warm an, denn die Energie der Bremer Genossen ist groß!
300 GHB Arbeiter werden entlassen und durch billigere und noch besser ausbeutbare Leiharbeiter ausgetauscht werden. 300 Eltern unserer Klassengeschwister werden damit arbeitslos.
Atlas Elektronik liefert dem BRD-Imperialismus aus unserer Stadt die nötigen Waffen die er benötigt, um sie in aller Welt an Lakaien und Knechte zu verteilen, die sie gegen die Unterdrückten richten.
Leute die keinen Sinn mehr in sich und der Gesellschaft sehen, streunen wie Hyänen durch die Straßen hier im Viertel und begrapschen Frauen und verkaufen ohne Ende Drogen an die verzweifelnde resignierende Jugend.
Die hässlichsten und missratensten Lumpenschweine die Bremen zu bieten hat, finden sich dann als Bahnkontrolleure bei der BSAG wieder, die Jugendliche in den Knast stecken, weil sie sich keine verfickte Fahrkarte leisten können.
Die Bullen die immer nur Schwarze rausziehen bei ihren Kontrollen, sind keine Hilfe, wenn es nicht grad um Eigentumsdelikte geht und du ein stinkreicher weißer Mann bist. Sie schützen diesen Staat, der diesen Zustand stiftet. Sie schützen nur die Bonzen die von dieser Scheiße ein Leben in Saus und Braus führen.
Ganz Bremen hasst die Polizei - und das ist gut so!
Überall staut sich der Druck, überall brodelt der Hass.
Ob du als Azubi ausgebeutet wirst, der Prüfungsdruck dich krank macht oder ob deine Brüder und Schwestern auf Drogen abkacken, weil diese Stadt wie ein riesiges nasskaltes Freiluftgefängnis ist.
Wenn du nicht aus Schwachhausen oder Oberneuland bist, dann weißt du, wovon wir sprechen. Dann hast du diese Scheiße am eigenen Leib erlebt. Außerhalb der BRD ist es meistens noch schlimmer, vor allem in den unterdrückten Nationen.
Der Imperialismus hat die ganze Welt in ein einziges Schlachthaus verwandelt.
In Palästina wird ein ganzes Volk seit Jahren vertrieben und abgeschlachtet, unterdrückt und kolonisiert. In Kurdistan schlachtet ein verrückter Faschist ein ganzes Volk ab und verbrennt Menschen in Kellern in seinem chauvinistischen Rassenwahn.
Der Imperialismus auf Weltebene, vor allem der Yankeeimperialismus, produziert Millionen von Flüchtlingen, die hier in Strömen Zuflucht suchen und hier von aufgehetzten Trotteln und Faschistenschweinen weitergejagt und zusammengeschlagen werden.
Überall Tote, überall Krieg, überall Drama. Doch es gibt Widerstand.
Die steineschmeißende Jugend in Palästina ist ein Symbol für die Jugend der ganzen Welt geworden. Ein Symbol für Widerstand. Ein Hoffnungsträger. Ihr Kampf lebt in den Schlachtrufen der randalierenden Jugend in den Pariser Vororten. Ihr Kampf ist der unsere.
Auf allen Kontinenten führen die Völker der Welt den Kampf gegen den Imperialismus. In Peru, in Indien, in der Türkei, in Kurdistan, in Manipur, in den Phillipinen führen die Kommunistischen Parteien die Massen im Volkskrieg und bilden damit die Speerspitze unserer Klasse auf internationaler Ebene.
Wer das nicht anerkennt und mit aller Kraft unterstützt, ist kein Kommunist!
Wir sind Teil einer weltweiten Bewegung, die diese Scheiße beenden wird!
Wir leisten hier in Deutschland unseren Beitrag, die Kommunistische Partei aufzubauen und mit eisernem Proletarischen Besen alle Unterdrücker, Ausbeuter und Kriegstreiber vom Planeten zu fegen!
Wir haben kein Bock zu resignieren und aufzugeben. Dafür sind wir zu stolz. Wir nehmen den Kampf auf. Nichts geringeres ist unser Anspruch!
Schließt euch uns an!
Jugendwiderstand
Dezember 2016
Info: jugendwiderstand.blogspot.de
"Stoppt das faschistische Regime in der Türkei! - Freilassung der HDP-Vorsitzenden
und aller anderen politischen Gefangenen!" Unter diesen Hauptforderungen schließen
sich in Deutschland immer mehr Menschen zusammen und organisieren Protestaktionen gegen
das faschistische Erdoğan-Regime in der Türkei und die Unterdrückung der
HDP und ihrer Abgeordneten.
Kurden, Türken und Aleviten können stolz auf ihren Befreiungskampf sein.
So grausam die Errichtung des Faschismus in der Türkei ist, so ist sie vor allem
eine Reaktion der Herrschenden auf den erfolgreichen Befreiungskampf in
Rojava
und die gewachsene Stärke der fortschrittlichen Bewegung in der Türkei,
die sich auch in den Wahlerfolgen für die HDP ausdrückt.
Aber wie schätzen die Marxisten-Leninisten in der Türkei und Türkisch-Kurdistan
die derzeitige Lage ein? In der bürgerlichen Presse erfahren wir darüber nichts.
Eine Pressemitteilung der
"Partei der Arbeit der Türkei"
vom 28. November 2106 gibt darüber Aufschluss.
Der fehlgeschlagene Militärputsch vom 15. Juli, inszeniert von der so genannten Gülen-Bewegung, einer pro-amerikanischen islamistischen Organisation, die 10 Jahre lang die Macht mit der AKP teilte, bezeichnete der türkische Präsident Tayip Erdogan als "Geschenk Gottes". Auf die Zerschlagung des Putsches folgte rasch die Ausrufung des Ausnahmezustandes (OHAL). OHAL ermächtigte die Regierung, administrative und politische Entscheidungen zu treffen und Gesetze zu erlassen, ohne dass diese juristisch geprüft oder parlamentarisch angenommen werden müssen.
Unter der Führung des Präsidenten Erdoğan erließ die AKP-Regierung permanent Notstandsverordnungen (KHK). Dies führte zur Suspendierung und Entlassung von zehntausenden Militär- und Polizeioffizieren, Richtern, Staatsanwälten und Beamten. Rund 40.000 Menschen, darunter Akademiker und Lehrer wurden inhaftiert. Die Zahl der inhaftierten Journalisten stieg auf die Rekordzahl von 140. Inzwischen wurden 37.000 mit der Begründung, dass es nicht genug Platz in den Gefängnissen gebe, entlassen. Obwohl die Regierung anfangs behauptete, dass Entlassungen und Inhaftierungen nur bei den Putschisten der Gülen-Bewegung vorgenommen würden, wurde rasch klar, dass diese sich auch gegen Demokraten und Sozialisten richteten. Allein durch eine Verordnung wurden mehr als 10.000 Lehrer, alle Mitglieder der Eğitim-Sen (Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft), entlassen. Die große Mehrheit von ihnen waren Demokraten, Sozialisten und Unterstützer der kurdischen nationalen Bewegung.
Nach dem Putschversuch wurden Rechte und Freiheiten, die in der türkischen politischen Demokratie traditionell schwach ausgeprägt sind, zunehmend ausgeschaltet. Die bürgerlichen Gesetze sind blockiert und werden durch tyrannische Erlasse der Exekutive, der Regierung ersetzt. Durch die Beseitigung der Gesetze durch den Ausnahmezustand, das Regieren durch Notstandsverordnungen und die Unterwerfung der Justiz unter die Exekutive durch Sondergerichte sowie die Einsetzung neuer Richter und Staatsanwälte, versuchen Erdoğan und die AKP eine faschistische Diktatur mit einem Mann und einer Partei zu errichten.
Die Regierung erließ Dekrete, die gegen die Verfassung verstoßen und illegal sind. Nach dem Gesetz hätte sie nur solche verabschieden dürfen, die verfassungsgemäß sind und mit dem Anlass für die Ausrufung des Ausnahmezustandes in Zusammenhang stehen. Mithilfe dieser Verordnungen, die auf die Kritiker der AKP zielen, werden Demonstrationen verboten sowie oppositionelle Zeitungen, Zeitschriften, Radiostationen und Fernsehkanäle geschlossen und ihr Eigentum und ihre Ausrüstung beschlagnahmt.
Die von der HDP regierten Ortschaften, der drittgrößten Partei im Parlament mit 40 Abgeordneten sowie Repräsentant der kurdischen demokratischen Bewegung, wurden von der Polizei überfallen und über 20 Bürgermeister verhaftet. Verwalter wurden ohne Wahlen eingesetzt. Schließlich wurden 10 Abgeordnete der HDP, darunter die Co-Vorsitzenden ins Gefängnis geworfen. Zur gleichen Zeit wurden 10 Mitglieder der Geschäftsleitung der Zeitung Cumhuriyet, gegründet vor 93 Jahren mit der Errichtung der türkischen Republik und in den letzten Jahren mit der Sozialdemokratie verbunden, ebenfalls inhaftiert.
Publikationen, die die revolutionäre Linie der Arbeiterklasse vertreten wie Hayatın Sesi TV, Evrensel Kültür (ein Kultur- und Kunstmagazin), Özgürlük Dünyası (eine theoretische Zeitschrift), Tiroj (zweisprachiges kurdisch-türkisches Kulturmagazin) wurden mit den Fernsehstationen und Publikationen von der Regierung geschlossen.
Verfassungswidrig, ohne seit mehr als zwei Jahren seine Verbindungen mit der AKP zu beenden und alle Exekutivmacht in seinen Händen konzentrierend, versucht der de facto Präsident Erdoğan die Verfassung entsprechend der zuvor aufgezeigten Lage zu ändern und ein Präsidialsystem zu erzwingen.
Darüber hinaus macht die Erdoğan geführte Regierung weitere Schritte, wo sie auf einer Außenpolitik des Expansionismus und des religiösen Krieges in enger Verbindung mit islamistischen Terrorgruppen beharrt. In den letzten fünf Jahren hat sie radikal-islamistische Verbrechergruppen und deren Organisationen in Syrien unterstützt, um das Assad-Regime zu stürzen. In einem neuen Anlauf führte die Türkei am Ende des Sommers in Nordsyrien eine Militäroperation durch, um einige tausend islamistische Terroristen zu unterstützen. Diese Intervention fand unter dem Vorwand des Kampfes gegen den IS statt, hatte aber die syrischen Kurden als Hauptziel. Die Türkei kontrolliert und besetzt gemeinsam mit islamistischen Verbrecherbanden ein Gebiet von 2.000 Quadratkilometern. Es erstreckt sich von den Ufern des Euphrat bis zum kurdischen Kanton Afrin, einschließlich Städten und Ortschaften wie Jarablus. Gegenwärtig macht die Regierung Propaganda für die Eroberung von al-Bab. Aber es steckt ein Stachel in diesen Operationen der Türkei: Die Unterstützung der USA für die demokratischen syrischen Kräfte, deren Rückgrat die YPG ist, bei der Operation zur Befreiung der "Hauptstadt" des IS, Raqqa, und die Unterstützung Russlands für das Assad-Regime bei dem Versuch der Eroberung von al-Bab, das strategische Bedeutung als Tor nach Aleppo hat.
Während die AKP-Regierung die PYD-YPG in Syrien bekämpft, befindet sie sich aufgrund ihrer militärischen Präsenz in der irakischen Stadt Bashiqa ebenso mit der irakischen Regierung in einem Konflikt. Der Irak fordert den Rückzug der türkischen Truppen. Die türkische Luftwaffe bombardiert regelmäßig den Nordirak mit der Behauptung, sie greife Camps der PKK an.
In den letzten Jahren hat sich die Syrien- und Irakpolitik der Türkei stark verändert. Ebenso kühlten die Beziehungen zu den USA und der EU ab, weil die Türkei glaubt, dass diese den Putschversuch vom 15. Juli unterstützt haben.
Gemäß dem Abkommen mit der Türkei, um die Migration aus Syrien, Irak und Afghanistan zu stoppen, muss die EU drei Milliarden Euro zahlen und türkischen Staatsbürgern die visafreie Einreise gewähren; aber beide Seiten hielten ihre Versprechen nicht, sodass die Beziehungen zwischen der Türkei und der EU gespannt sind. Die AKP-Regierung verkündet, dass sie noch zwei Monate warten will, bevor sie die Vereinbarungen aufkündigt und ein Referendum über die EU-Mitgliedschaft wegen der Kritik an der Türkei durchführen wird. Die, indem sie die Verhaftung von Journalisten anführt, hat begonnen, darüber zu diskutieren, die Gespräche über die türkische Mitgliedschaft zu stoppen.
Seit ihrer Gründung hat die Türkei starke ökonomische, Handels- und Finanzverbindungen zum Westen und sehr starke militärische Beziehungen mit den USA. Daher ist es unzweifelhaft für die Türkei als NATO-Mitglied sehr hart, ihre "Ausrichtung" und ihren "Boss" zu wechseln. Nichtsdestotrotz hat Präsident Erdoğan bei einem kürzlichen Pakistan-Besuch zur Frage einer Mitgliedschaft in der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ) geäußert: "Warum nicht? Es kann der Türkei helfen, sich besser zu fühlen."
Zusätzlich zu der Politik und den Maßnahmen der AKP-Regierung entwickelt sich die türkische Wirtschaft ebenso in die falsche Richtung. Die Wachstumsrate ist in den letzten vier Jahren gefallen. Das Defizit und die Arbeitslosigkeit steigen. Nach offiziellen Zahlen liegt die Arbeitslosigkeit bei 11%, real sind die Zahlen aber höher. Der Wert des Dollars stieg in den vergangenen Tagen gegenüber der türkischen Lira um 10%, sodass die türkische Lira abgewertet wurde und 10% ihres Wertes verlor. Die Regierung hat die Zinsen gesenkt und den verfügbaren Kredit erhöht, um zu versuchen, die Wirtschaft anzukurbeln. Aber Stagnation herrscht in allen Bereichen - insbesondere beim Bau und im Textilsektor. Eine kapitalistische Krise kündigt sich an, die nicht nur auf den Finanzsektor begrenzt ist und auch nicht notwendigerweise dort anfängt. Sie ist der düstere Schatten der AKP.
Trotz aller Verbote und polizeilicher Unterdrückung werden Streiks an den Arbeitsplätzen fortgeführt. Die Macht der Exekutive steigt ständig, aber Studenten demonstrieren gegen den Beschluss, dass Universitätsrektoren vom Präsidenten ernannt werden. Rechtsanwälte und Intellektuelle demonstrieren und verurteilen die Inhaftierung ihrer Kollegen. Die Opposition gegen die AKP bemüht sich, neue Bündnisse zu schmieden. Die Einheit für Demokratie mit ihren Strömungen aus den demokratischen, sozialistischen, sozialdemokratischen und kurdisch-nationalen Bewegungen, einschließlich unserer Partei, unternehmen weitere Schritte, um eine Serie von Kundgebungen zu organisieren. Neue Zeitschriften werden an Stelle der vorherigen veröffentlicht.
Liegt die Zukunft der Türkei in einer faschistischen Diktatur, die von einem Mann geführt wird? Oder wird der Kampf für Demokratie und Freiheit sich ausdehnen und stärken, um neue Erfolge zu erzielen? Das wird vom Umfang des Kampfes und dem Niveau der Organisierung abhängen. Und natürlich werden internationale Unterstützung und Solidarität einen großen Beitrag zum Ergebnis beitragen!
Frühere Beiträge "Was die >Tagesshow< verschweigt" erschienen am 18.11.2016, 09.11.2016, 26.09.2016, 25.07.2016, 06.07.2016
In Deutschland wird täglich das Recht auf Leben und damit auch das Grundgesetz mit Füßen getreten. Die so genannte Grundsicherung, die der Staat den so genannten Langzeitarbeitslosen, Sozialhilfeempfängern, Behinderten und Sozialrentnern zubilligt, ist zum Sterben zu viel und zum Leben zu wenig. Jeder der Arbeit hat, ist froh, dass es ihn selbst nicht betrifft. Dabei wird viel zu wenig beachtet, dass "Hartz IV" als ständige Drohung mit dem gesellschaftlichen und gar physischen Tod uns alle mit Angst terrorisiert.
Die tägliche Erniedrigung von Arbeitsuchenden hat in Deutschland noch nie gekannte Ausmaße angenommen. Das Jobcenter Soest z.B. stellte die Zahlung an eine Hartz-IV-Betroffene ein, nachdem "Hartz-IV-Detektive" in ihrer Wohnung fremde Schuhe fanden. Das Jobcenter schloss daraus, dass ein Mann mit ihr zusammen lebe, der Geld habe, um sie zu unterstützen. Vor keinem Gericht würden fremde Schuhe als Beweis dafür durchgehen, dass hier jemand wohnt, der so viel Geld verdient, dass ein anderer Mensch nicht bedürftig ist. Es gab nicht einmal einen hinreichenden Beleg dafür, dass ein anderer Mensch in dieser Wohnung lebt.
Über solche Schweinereien, die Sozialrechtgesetzgebung, neue Rechtsprechung aber auch über Proteste und Tipps wie man zu seinem Recht kommt, berichte ich in der neuen Kolumne "Hartz-IV-Nachrichten", der die Redaktion American Rebel eine eigene Unterseite gegeben hat.
Über Hilfe, ob einmalig oder laufend, beim Suchen neuer Fakten und interessanter Meldungen würde ich mich sehr freuen. Ich denke, dass die Thematik "Hartz IV" so aktuell und täglich präsent ist, dass sie eine eigene Seite verdient.
Nico Diener
(61 Jahre alt, aus Kiel, von Beruf Tischler. Seit 2011 chronisch erkrankt, auf dem
Arbeitsmarkt nicht vermittelbar und seither Hartz-IV-Empfänger).
Lenin zum Thema individueller Terror:
Erstens wollte (oder richtiger wohl: konnte) diese Partei (die Partei der Sozialrevolutionäre in Russland; G.A.), die den Marxismus ablehnte, durchaus nicht begreifen, dass es notwendig ist, vor jeder politischen Aktion die Klassenkräfte und ihre Wechselbeziehungen streng objektiv abzuwägen. Zweitens hielt sich diese Partei für besonders "revolutionär" oder "linksradikal", weil sie für den individuellen Terror, für Attentate war, was wir Marxisten entschieden ablehnten. Selbstverständlich lehnten wir den individuellen Terror nur aus Gründen der Zweckmäßigkeit ab; Leute aber, die es fertigbrächten, den Terror der Großen Französischen Revolution oder überhaupt den Terror einer siegreichen und von der Bourgeoisie der ganzen Welt bedrängten revolutionären Partei "prinzipiell" zu verurteilen, solche Leute hat bereits Plechanow in den Jahren 1900-1903, als er Marxist und Revolutionär war, dem Spott und der Verachtung preisgegeben.
(W.I. Lenin: "Der 'linke Radikalismus', die Kinderkrankheit im Kommunismus.")
Die Anschläge von Istanbul der letzten Tage verwurstet die bürgerliche Propaganda als Anschläge der PKK, benennt aber eine Splittergruppe als Urheber. Die "Freiheitsfalken" haben aber mit der PKK nicht das Geringste zu tun. Was hinter dieser Gruppe steckt, ist zweifelhaft, aber die PKK ist es nicht.
Das islamistische Regime in Ankara hat unmittelbar nach den Anschlägen seinen Terror gegen die türkische und kurdische Opposition verschärft. Im ganzen Land werden Politiker der Opposition unter dem Vorwurf des Terrorismus verhaftet. Die türkische Luftwaffe verstärkte ihre Bombenangriffe auf kurdische Stellungen im Irak und in Syrien. Diese terroristischen Handlungen des Erdoğan-Regimes schwächen die Kurden und stärken somit die islamistischen Terroristen, z.B. des IS in diesen beiden Ländern. Kurdische Kämpfer gelten als die konsequentesten im Kampf gegen die Gotteskrieger vom IS und anderen islamistischen Terrorgruppen. Diese profitieren somit von jeder Schwächung ihrer kurdischen Gegner.
Das Regime in Ankara setzt dabei konsequent die Linie fort, die es seit Jahren gegenüber dem islamistischen Terror spielt. Man weiß, dass die IS Geld und Waffen über die Türkei bezieht, man weiß, dass sie über die Türkei Erdöl, das sie illegal aus den Quellen in den Teilen des Irak gewinnt, in dem der IS das Sagen hat. Mit ganzen Karawanen von türkischen Tanklastern wird es in die Türkei gebracht und dort verkauft. Man sagt, dass der Sohn Erdoğans an diesen Geschäften beteiligt ist.
Eine Journalistin, die die offene Unterstützung der Gotteskrieger durch das Erdoğan-Regime dokumentierte, wurde verhaftet. Andere Journalisten bezahlten Berichte über die offene und versteckte Unterstützung des IS durch das Erdoğan-Regime sogar mit dem Leben. Erdoğan und seine Partei- und Staatsführung sind offene Helfershelfer der Banditen im selbst berufenen Namen Allahs. Es sind neben Saudi-Arabien und Qatar vor allem die Türkei die für die Opfer in Syrien und im Irak verantwortlich sind.
Das ist sowohl bei der EU in Brüssel, wie auch in den Hauptstädten des Westens und der USA bekannt. Aber man führt lauthals eine Scheindiskussion, ob man die Verhandlungen über den Beitritt der Türkei zur EU einfrieren oder weiter führen soll. Dabei ist doch klar, dass ohne die Unterstützung und Duldung durch Washington und die EU das Regime Erdoğan nicht den Islamisten helfen würde und könnte. Die Frage ist also: Wer sind die Terroristen? Sind diese Freiheitsfalken "nur" eine Gruppe von Spinnern, die Freiheitskampf spielen oder sind es Agent Provocateur? Ich neige zu Letzteren. Die Anschläge kamen wie auf Bestellung. Sie nützen nicht den Kurden, sondern schaden denen. Allein Erdoğan und sein Regime haben Nutzen von den Anschlägen.
Der bewaffnete Kampf der PKK für die Souveränität der Kurden ist ein berechtigter Kampf und nicht mit dem Terrorismus der Anschläge gleich zu setzen. Sicher, man sagt der PKK nach, sie würde auch individuellen Terror einsetzen. Das sind schlimme Fehler der PKK. Dennoch scheint klar zu sein, dass die PKK mit den Anschlägen von Istanbul nichts zu tun hat. Terrorismus aber begeht Erdoğan und sein Regime täglich tausendfach. Die Regierungen des Westens wissen das, schweigen aber darüber und reduzieren alles auf die Verhandlungen über den EU-Beitritt.
Ich muss zugeben, mir ist das egal. Die EU ist ein imperialistischer Laden, mit dem wir Kommunisten nichts am Hut haben. Es geht in der EU auf jeden Fall gegen die einfachen Menschen, die EU nützt vor allem den Konzernen und ist gegen die Menschen gerichtet.
Wir Kommunisten lehnen individuellen Terror ab - aus Gründen der Zweckmäßigkeit. Er nützt dem Proletariat nichts, gibt aber der Reaktion Vorwände zum Staatsterror - und er schafft Märtyrer. So war in den 70er Jahren einer der am meisten gehassten Menschen in der BRD ein gewisser Hans Martin Schleyer. Als ihn dann aber die RAF entführte, wurde er zum Helden. Ich war damals 1977 auf einem Kongress, an dem der ehemalige Landeskirchenpräsident und Pfarrer Martin Niemöller teilnahm. Wir sprachen auch mit Niemöller über die Entführung Schleyers. Niemöller meinte, es sei nicht schade um Schleyer, aber er sei entschieden gegen diese Entführung, denn er mache aus dem ehemaligen Nazi Schleyer das, was der nicht verdiente: einen Märtyrer. Soweit der fortschrittliche Kirchenmann Martin Niemöller im Jahr 1977.
Ein anderes Beispiel: Der wohl unbedeutenste Präsident der USA war John F. Kennedy. Seine größte "Errungenschaft" war der Krieg in Vietnam. Nur durch den Mordanschlag auf ihn wurde er ein "großer" Präsident nach dem ein Weltraumbahnhof, Straßen und Plätze benennt wurden.
Das wissen wir Kommunisten sehr genau und halten es da mit Georgi Dimitroff:
Massenarbeit, Massenkampf, Massenwiderstand, Einheitsfront, keine Abenteuer - das ist das Alpha und das Omega der kommunistischen Taktik.
(Dimitroff an das Reichsgericht am 13. Dezember 1933)
Erstveröffentlichung: kommunisten-online.de, 12. Dezember 2016
Frühere Beiträge von Günter Ackermann erschienen am 16.11.2016, 18.10.2016, 09.10.2016, 07.09.2016, 26.08.2016, 16.08.2016, 29.07.2016, 08.07.2016
Alte Weisheit: Es gibt nichts, was unpolitisch wäre. Alles und jedes menschliche Tun hänge von den jeweiligen Umständen ab. Seitdem ich das Büchlein "Muckis Beichte" von Arnold Kamenz gelesen habe, kamen mir im ersten Moment Zweifel. Kann man ein Buch, in dem sich dir kleine und große Schweinereien ins Gedächtnis schmuggeln, als politisch bezeichnen? Wo es nur so wimmelt von Prügel gegenüber Kindern, von Sex und Kindesmissbrauch, von Saufereien und Knast, von Entziehungskuren und von Lieblosigkeit gegenüber Kindern sowie von Hurerei und Exzessen, kann man dieses als politische Äußerungen betrachten? Zumal der Text eigentlich nur Zustände beschreibt, also eine naturalistischen Sicht präsentiert?
Unumwunden: Der Autor Arnold Kamenz hat dies alles erlebt. In Westberlin der 60er und 70er Jahre und später. Er konnte nicht richtig Fuß fassen in einem System, das nicht für die Menschen da ist. Geprägt von Arbeitslosigkeit, von bürokratischen Beamten, von Willkürakten gegenüber vermeintlichen Kriminellen, hat ein jeder das Seine zu tun, um über die Runden zu kommen.
Es ist kein Zufall, dass der Autor erst in seinem 65. Lebensjahr diese Schrift verfasste. Und das in einer sehr, sehr offenen Sprache. Er beschönigt nichts, nicht seine Fehler, nicht die Umstände, die ihn zum inneren Widerstand gegen die Unbilden der Macht verführten. Ja, er wird zynisch, er sagt Dinge, die man schier gerne überlesen haben würde. Es ist nicht nur die Sauferei, nicht nur der feuchtfröhliche Umgang mit dem weiblichen Geschlecht. Es ist die Abstinenz vor jeglichem Gedanken an den Sinn des Lebens, es ist die reinste Selbstaufgabe als Persönlichkeit.
Und trotzdem: Dieser Autor, mit Spitznamen nennt er sich Mucki, beichtet eigentlich die Unzulänglichkeit seines Daseins, indem er lediglich Spaß haben will und ums Überleben kämpft. So reihen sich in seinen Berichten Episoden an Episoden (welch ein erstaunliches Gedächtnis), die mitunter langweilig wirken, aber man kommt als Leser nicht umhin, den Kopf zu schütteln über den Mut, nicht aufzugeben. So finden sich denn auch zahlreiche Perlen der Erkenntnis des Mucki, im Interesse der Vernunft Menschlichkeit zu zeigen. Und das geschieht in vielen Momenten, da er sich für andere Kameraden und Bekannte selbstlos einsetzt, ihnen hilft in Notsituationen. Er selbst versucht aus dem Dilemma seines Daseins auszubrechen, indem er sich von seinen Saufbrüdern fernhalten will, indem er ins Ausland reist, indem er die Wohnung wechselt. Oft auch vergebliche Liebesmüh. Interessant auch seine Meinung zu Kriegen.
Sein Aufschrei nach einem sinnvollen Leben zeigt sich beim Autor am klarsten, wo er mit folgenden Worten sein Innertes preisgibt: "Ich hatte Michi immer gesagt: 'Sorge dafür, dass das Kind nie in ein Heim kommt. Ich habe es erlebt, wie schmerzhaft es ist. Keine Familie, mit der man über seine Sorgen reden kann. Und kuscheln kenne ich aus meiner Kindheit überhaupt nicht. Darum kann ich auch heute nur schwer meine Liebe zeigen. Hand in Hand gehen oder von allein mal jemanden in den Arm nehmen, das hab ich gar nicht gelernt. Ich dachte, das braucht man nicht, dabei ist es doch so wichtig. Wonach ich mich auch sehnte und das auch heute noch vermisse.'"
Zweifellos wird dieses Buch mit all seinen Impressionen über das Auf und Ab des ausgebeuteten Menschen seine Leser finden. Und sei es wegen der Gier, mehr über asoziales Verhalten zu erfahren, über die Untergründe menschlichen Fehlverhaltens. Mögen jene Leser aber auch herausfinden, wieviel Kraft dazu gehört, im unmenschlichen System zu bestehen und sich dazu durchzuringen, seinen Zeifeln an den Widrigkeiten des Lebens eigenes Nachdenken und bewusstes Verhalten entgegenzusetzen. Damit sei auch mein Zweifel als Rezensent aus der Welt: "Muckis Beichte" ist - ohne Wenn und Aber - ein Spiegelbild der gesellschaftlichen Verhältnisse, nicht nur vor Jahren, sondern vor allem in der heutigen Zeit der Gefahr neuer Kriege.
Arnold Kamenz: "Muckis Beichte. Prügel-Nonnen u.a. 'Liebesgaben' - ein Lebenskünstler erzählt", Taschenbuch: 311 Seiten, Verlag: dbusiness.de Verlag (11. November 2016), ISBN-10: 3946837263, ISBN-13: 978-3946837268, Preis: 9,90 €
Erstveröffentlichung: KulturPort.de 07.12.2016
Frühere Artikel von Harry Popow erschienen am: 24.10.16, 01.10.16, 02.07.16, 22.06.16, 07.06.16, 19.04.16, 06.11.15
Die Redaktion American Rebel und das Dean-Reed-Websiteteam unterstützen die
XXII. Internationale Rosa-
Seit 1996 findet jeweils am zweiten Samstag im Januar die Internationale Rosa-Luxemburg-Konferenz in Berlin statt. Initiiert wurde sie von der überregionalen marxistischen parteiunabhängigen Tageszeitung junge Welt. Schwerpunkt der Veranstaltung sind Vorträge und Diskussionen zu Erfahrungen, Analysen und Aktivitäten linker Bewegungen und Parteien weltweit sowie der Austausch zu Entwicklungen und politischen Kämpfen in Deutschland.
Auf der Rosa-Luxemburg-Konferenz treffen sich regelmäßig mehr als 2.000 Menschen unterschiedlicher Herkunft und jeden Alters, um über die Aktualität des Werkes von Rosa Luxemburg, über linke Theorie und Politik, Geschichte und Gegenwart antiimperialistischer Bewegungen und Perspektiven gesellschaftlicher Veränderungen zu diskutieren. Vortragende wie Besucher der Konferenz kommen aus unterschiedlichen politischen Zusammenhängen oder sind unorganisiert. Alle eint die Suche nach Wegen, die mörderische neoliberale Entwicklung zu durchbrechen, der Wille, den Kapitalismus zu überwinden und die Einsicht in die Notwendigkeit einer sozialistischen Perspektive. Es ist kein Zufall, dass das Spektrum der Konferenzbesucher dem der Leserschaft der jungen Welt entspricht.
Bewusst werden vor allem internationale Gäste zum Vortrag eingeladen, aus Deutschland kommt gewöhnlich nur ein Referent, eine Referentin. Sprachbarrieren werden per Simultanübersetzung überwunden, Konferenzsprachen sind in der Regel Englisch, Spanisch und Deutsch. An Info-Ständen stellen sich zudem über 30 Organisationen, Parteien und Verlage vor. Am Tag nach der Konferenz findet in Berlin die große Demonstration zu Ehren von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht statt. Viele Besucher verbinden beide Termine miteinander.
Die Rosa-Luxemburg-Konferenz wird von der Tageszeitung junge Welt veranstaltet, unterstützt von Gewerkschaften, linken Medien und Organisationen.
Die junge Welt berichtet online und in der gedruckten Ausgabe von der Konferenz, die Referate werden in einer Beilage publiziert. Die Veranstaltung wird auch in einer Broschüre dokumentiert.
Die Redaktion www.AmericanRebel.de wird mit einem Infostand dabei sein und freut
sich darauf, dort viele Leser/innen von American Rebel begrüßen zu können.
Wir bitten um Unterstützung bei der Standbetreuung, bitte meldet Euch
per eMail: AmericanRebel@gmx.net
Weitere Infos findet ihr >>> hier
Gegen rechts: ist das "für links"? Keins von beiden ist "genug"!
Diskussionen auf dieser Ebene sind nicht zielführend - weil die tiefere Ursache
der Problematik der zivilisierten Gesellschaft DORT weder aufgedeckt noch gelöst werden kann.
Mein Großvater, Jg. 1902, als Kind im Kaiserreich aufgewachsen und als 12-jähriger
mit dem Beginn des 1. "Weltkrieges" konfrontiert, engagierte sich als junger Mann
bei den "Roten". Tetje Lotz war ein "Freund des Hauses". Aber mein Großvater
erkannte irgendwann, dass die Konzepte der verschiedenen "roten" Gruppen/
Ähnliche und evtl. auch noch weitergehende, deutlichere, Literatur ist möglicherweise den Bücherverbrennungen der "Braunen" zum Opfer gefallen. Ähnlich wie nach 1945 - bis in die Jetztzeit - kritische Literatur - selbst wenn sie gedruckt und am Markt angeboten wird - auf seltsame Weise (schnell) "verschwindet". Als wenn es geheime Kräfte gibt, die solche Bücher vom Markt "wegkaufen", damit sie keine weite(re) Verbreitung finden können.
In einem konkreten Fall ist mir bekannt geworden, dass sogar ein Verlag geschlossen
wurde. Hier war das Thema "Ursache und Möglichkeit der grundlegenden Heilung
von psychischen/
Und in diesem Bereich - "Psychiatrie"/
Auch ich habe mich einige Jahre politisch aktiv engagiert - aber auch dieser Bereich der modernen Gesellschaft ist - natürlich! - durchsetzt von DER Krankheit. Das wahrhaft Vernünftige hat dort keine Chance, auf die Tagesordnung zu gelangen, geschweige denn, in konkretes Planen und Handeln umgesetzt zu werden.
Wir brauchen eine Qualität von "Umdenken", die das FÜHLEN mit einbezieht,
von dem die große Mehrheit durch die KZN entffremdet/
Wir, die jetzt Lebenden, stehen in/
Wolfgang Heuer, Hamburg, 07.12.2016
Es ist schwer zu verstehen, was Wolfgang Heuer eigentlich will. Vor allem stößt mich seine heilbringerische Botschaft ab. Ansonsten ist doch klar, dass die Ratio und das Gefühl zusammengehören, auch ist klar, dass rechts ablehnen nicht unbedingt identisch ist mit Linkssein. Wenn schon Heilung, dann sehe ich das in der endgültigen Befreiung aus der Umklammerung der ganz Großen in der Privatindustrie. Im übrigen bin ich kein Pazifist und stehe für einen kämpferischen Humanismus. Aufklärung - schön und gut. Aber wenn die Verblödungsindustrie soweit geht, dass niemand mehr zur Wahl geht, dass viele die Schnauze voll haben? (Siehe Landtagswahl kürzlich in Oder-Spree mit einer Wahlbeteiligung von 31,8 Prozent.) Oder die Absage der CDU an die Möglichkeit einer Volksabstimmung in der BRD? Unter dem entfremdenden Wort Demokratie werden das Mitdenken und die Mitbestimmung systematisch abgewürgt. Was muss passieren, dass die Lämmer unter uns aufwachen? Jedenfalls dient der Beitrag von Heuer nicht der hellen Freude über neue Erkenntnisse.
Harry Popow, Schöneiche bei Bln., 08.12.2016
Mit neunzig Jahren ist der wichtigste Führer der kubanischen Revolution von 1959, Fidel Castro, verstorben. Mit ihm geht die vielleicht letzte Persönlichkeit einer Generation von Revolutionsführern und Guerillakämpfern, die das Gesicht der Welt nach dem Zweiten Weltkrieg geprägt haben. Fidel Castros Memoiren sind in Form eines Interviews mit dem kubanischen Revolutionsführer veröffentlicht worden, das Ignacio Ramonet, Herausgeber der Le Monde Diplomatique und Gründer von Attac, in über einhundert Stunden führte. Im September 2008 erschienen sie in deutscher Sprache, meine Buchbesprechung und Schlussfolgerungen habe ich im Januar 2009 verfasst.
Auf 700 Seiten gibt das Buch Einblicke in das Denken des Commandante en Jefe und
enthüllt einiges bisher Unbekannte. Dabei wird das Potenzial, das diese Form
der Literatur in sich birgt - eine kritische Auseinandersetzung mit dem Interviewten
zu führen - durch Ramonet nicht ausgeschöpft. Er stellt Fragen, die nur
selten kontroverse Themen behandeln. Er hinterfragt kaum, konfrontiert Castro weder
mit Fakten, noch Argumenten. Er bietet Castro eine saubere Plattform - dementsprechend
hat das Buch tatsächlich den Charakter einer Autobiographie und weniger den einer
Auseinandersetzung zweier selbständiger Gesprächspartner. Die Interview-
Die Form ist aber weniger interessant als der Inhalt - die politischen Ideen Castros und seine Interpretation der Geschichte Kubas, des Stalinismus, der aktuellen Weltlage und, vor allem, die politische Methode Castros. Denn viele ArbeiterInnen und Jugendlichen, nicht nur in Lateinamerika, orientieren sich an Kuba und seinem Führer in ihrem Wunsch, den Kapitalismus zu überwinden.
Castro verteidigt selbstbewusst die Errungenschaften der kubanischen Revolution von 1959, ohne dabei mit Kritik und der Erwähnung von Unzulänglichkeiten hinterm Berg zu halten. Er spricht sich gegen einen Kult der Revolution und seiner Person aus, distanziert sich in dieser Frage vom Stalinismus und erweckt den Eindruck, seinen Optimismus für die Zukunft auf ein Vertrauen in das kubanische Volk zu stützen.
Er hat guten Grund sein Lebenswerk zu verteidigen. Kuba hat nicht nur 50 Jahre gegen vielfältige Versuche des US-Imperialismus und kubanischer Konterrevolutionäre, die Planwirtschaft und die politische Macht der Kommunistischen Partei zu stürzen, widerstanden, sondern auf dem Gebiet des Bildungs- und Gesundheitswesens geradezu Unvorstellbares geleistet. Die kleine Insel in der Karibik mit ihren heute 11 Millionen EinwohnerInnen gibt mit ihren sozialen und wissenschaftlichen Errungenschaften einen Hinweis darauf, was in einer weltweiten sozialistischen Demokratie möglich wäre.
Trotz US-Embargo, trotz Sabotage und Terror (Castro spricht von 3.500 Todesopfern aufgrund terroristischer Angriffe auf Kuba zwischen November 1961 und Januar 1963), trotz über 600 Attentatsversuchen gegen Fidel Castro selber, trotz der Emigration vieler Spezialisten und Akademiker (zum Beispiel von 50 Prozent der Ärzte) nach der Revolution in die USA, gelang es Kuba unter anderem die Kindersterblichkeitsrate auf sechs pro eintausend Neugeborenen zu senken (weniger als in den USA) und die Lebenserwartung von sechzig Jahren zum Zeitpunkt der Revolution auf 77,5 Jahre heute zu steigern. Kuba verfügt heute über 70.000 Ärzte, von denen 30.000 im Ausland im Einsatz sind. Castro sagt, dass kein Land der Welt so schnell Ärzte in Krisenregionen entsenden kann, wie Kuba - so geschehen zum Beispiel nach dem schweren Erdbeben in Pakistan und Kaschmir 2006. Mit einer gewissen Genugtuung stellt er fest, dass die USA Hubschrauber, aber keine Ärzte entsenden können und Kuba den USA nach den Verwüstungen durch Hurrikan Katrina den Einsatz von über 1.600 Ärzten anbieten konnte. Heute gibt es auf Kuba 90.000 Studierende im Bereich der Medizin, in einem Bildungswesen, das kostenlos und für alle Menschen zugänglich ist.
Zweifellos vermittelt Fidel Castro in diesem Buch Meinungen, Werte und Prinzipien, wie es kaum ein anderer Staatschef auf der Welt tun würde. Er spricht von der Notwendigkeit universeller Bildung aller Menschen als Voraussetzung zu einer harmonischen Entwicklung der Gesellschaft, geißelt die kapitalistische Profitgier, die Verschwendung in der Werbeindustrie und drückt eine grundlegend internationalistische Haltung aus. Diese, so Castro, habe Kuba nicht nur durch die Entsendung von Ärzten in andere Länder praktisch umgesetzt, sondern auch durch die praktische Unterstützung anti-kolonialer Befreiungskämpfe in Afrika in der Vergangenheit. Mit offensichtlichem Stolz spricht Fidel von den 300.000 Kämpferinnen und Kämpfern, die über 15 Jahre in Angola am Krieg gegen die pro-imperialistischen Invasoren teilgenommen haben und einen Beitrag zum Sturz des Apartheid-Regimes geleistet haben (wenn Castro in diesem, wie in vielen anderen Fällen auch, die militärische Seite im Vergleich zur politischen Seite, vor allem zu den Massenbewegungen und der allgemeinen Veränderung der objektiven Weltlage, überschätzt).
Ebenso interessant und beeindruckend ist Castros Bilanz der kapitalistischen Restauration in der Sowjetunion und den anderen bürokratisch-diktatorisch regierten nicht-kapitalistischen Staaten, die er fälschlicherweise "das sozialistische Lager" nennt. Er führt aus, wie er von verschiedener Seite, unter anderem vom spanischen sozialdemokratischen Führer Felipe Gonzales, dazu gedrängt wurde ebenfalls den Weg der Privatisierung und Restauration kapitalistischer Verhältnisse einzuschlagen. Doch Castro widersetzte sich solchem Drängen und solchen Ratschlägen, und Kuba war in der Lage in den 90er Jahren des 20. Jahrhunderts trotz des plötzlichen Wegfalls der sowjetischen Wirtschaftshilfe und der daraus resultierenden völligen Isolierung und ökonomischen Schwierigkeiten den Zusammenbruch des kubanischen Wirtschafts- und Gesellschaftssystems zu verhindern. In dieser Sonderperiode wurden gewisse Zugeständnisse und Öffnungen zum Markt durchgeführt, ohne jedoch die entscheidende Kontrolle über Wirtschaft und Staat aus der Hand der Kommunistishen Partei zu geben und das System grundlegend zu ändern. Mit dem Prozess der bolivarischen Revolution in Venezuela und der daraus resultierenden Wirtschaftshilfe durch Hugo Chávez konnte sich Kuba stabilisieren und sogar ein relativ hohes Wirtschaftswachstum in den letzten Jahren erreichen.
Die Ablehnung einer Restauration des Kapitalismus wird von Castro mit den katastrophalen Erfahrungen in Nicaragua nach der Abwahl der Sandinisten und in Russland nach der Privatisierungswelle begründet. Ein weiterer materieller Faktor für diese ideologische Haltung war aber sicher auch die Tatsache, dass auf Kuba, anders als in Russland oder China, eine Umwandlung der KP-Eliten in eine neue kapitalistische Klasse aufgrund der Existenz der kubanischen Exil-Bourgeoisie (und -Mafia) schwerer möglich ist, denn diese würde jede Öffnung dazu nutzen verlorenes Eigentum und Macht zurück zu fordern und will die Köpfe der ehemaligen Guerilleros rollen sehen.
Eine wirkliche Aufarbeitung der Außenpolitik Kubas leistet das Buch jedoch nicht. Es wird weder kritisch hinterfragt, warum Castro 1968 zum Massaker an mexikanischen Studierenden schwieg (weil Mexiko zu den wenigen Staaten gehörte, die Kubas Regierung anerkannten) oder warum er den Sandinisten nach ihrer erfolgreichen Machtübernahme nicht riet, einen "kubanischen Weg" einzuschlagen und den Kapitalismus vollständig abzuschaffen. Dass die ökonomische Abhängigkeit von der Sowjetunion auch zu einer an deren Interessen orientierten Außenpolitik führte, wird nur angedeutet. Im Fall des "Prager Frühlings" bezeichnet Castro die Bewegung für eine Demokratisierung des Systems und einen "Sozialismus mit menschlichem Antlitz" als reaktionär und konterrevolutionär und rechtfertigt die militärische Niederschlagung der Massenbewegung durch sowjetische Panzer. Und der herausragende Fall, in dem Castro nicht mit der Politik Chrustschows, dem sowjetischen Staats- und Parteichef der 1960er Jahre, überein stimmte, spricht nicht gerade für Fidel. In der Krise, die der US-Invasion in der Schweinebucht auf Kuba und der Stationierung sowjetischer Nuklearwaffen auf der Insel folgte, schlug Castro der sowjetischen Führung unter Chrustschow faktisch einen nuklearen Erstschlag gegen die Vereinigten Staaten im Falle einer Offensive derselben gegen Kuba vor. Chrustschow, die internationalen Konsequenzen einer solchen Aktion verstehend, lehnte diesen Vorschlag ab. Castro distanziert sich in seinen Memoiren nicht von seiner damaligen Haltung. So wirkt die Aussage, dass Kuba nicht nach Atomwaffen strebe, da der Einsatz von Atomwaffen einem Selbstmord gleich komme, zumindest widersprüchlich, wenn nicht gar unglaubwürdig.
Castro behauptet, er sei schon zu einem frühen Zeitpunkt Marxist-Leninist geworden. Seine Politik vor und in der ersten Phase nach der Revolution ließ darauf jedoch nicht schließen. Auch in der Literatur über die kubanische Revolution werden Ché Guevara und Raúl Castro in der Regel als die Kommunisten in der Guerilla dargestellt, die radikalere Positionen als Castro vertraten. So gibt der damalige sowjetische Staats- und Parteichef Nikita Chrustschow in seinen Memoiren einen Witz wieder, der viel über die Einschätzung Castros sagt: "Die Führer der kubanischen Revolution kommen in den Himmel. Petrus als offizieller Vertreter Gottes empfängt sie draußen und befiehlt ihnen, sich alle in einer Reihe aufzustellen. Dann sagt er: 'Alle Kommunisten drei Schritte vortreten!' Guevara tritt vor, Raúl tritt vor und noch irgend jemand anders. Aber alle übrigen, einschließlich Fidel, bleiben in der Reihe stehen. Petrus blitzt Fidel an und ruft: 'He, du da. Der Lange mit dem Bart! Was ist los, hast Du nicht gehört, was ich gesagt habe? Alle Kommunisten drei Schritte vortreten!'" Chrustschow fügt hinzu: "Die Pointe der Geschichte ist, dass während Petrus und alle anderen Fidel als Kommunisten betrachteten, Fidel selbst das nicht tat."
Ob Castro hier an einer Legende bastelt oder seine marxistischen Überzeugungen nur nicht zum Ausdruck brachte, ist zweitrangig. Fest steht, dass die Revolution von 1959 nicht als eine sozialistische konzipiert war. Es ging der "Bewegung des 26. Juli" um den Sturz der Batista-Diktatur und die Errichtung eines demokratschen Kuba. Dies passte auch in die, in der kommunistischen (also stalinistischen) Bewegung vorherrschende Etappentheorie (die einen Übergang zum Sozialismus in halbkolonialen Staaten wie Kuba nur nach einer langen Phase demokratisch-kapitalistischer Entwicklung als möglich betrachtete). Schritte zur Verstaatlichung der gesamten Wirtschaft und zur Abschaffung des Kapitalismus ergriffen die neuen Machthaber erst, nachdem sich die USA eindeutig gegen das neue Regime stellten und die Öllieferungen einstellten, die Sowjetunion sich als einziger starker Bündnispartner anbot und die Erwartungen und der Druck der Massen zu Maßnahmen zwang, die weiter gingen als es Castro und seine Mitstreiter ursprünglich wollten.
Fidel fehlt eine klare Analyse des Stalinismus. Wie könnte es auch anders sein, entspricht das System auf Kuba doch im Prinzip der Struktur der Sowjetunion. Dementsprechend weist Castro zwar auf Fehler Stalins und Unzulänglichkeiten in der UdSSR hin, ohne diese jedoch einer tiefgreifenden Analyse zu unterziehen. Vor diesem Hintergrund ist es auch kein Zufall, dass es auf 700 Seiten keine ernsthafte Auseinandersetzung mit Trotzki und dem Trotzkismus gibt. Castro bezeichnet an einer Stelle Trotzki zwar als den im Vergleich zu Stalin "intellektuelleren", ohne jedoch auf die politischen Differenzen im Fraktionskampf in der KPdSU der 1920er Jahre einzugehen. Nebenbei schreibt er sogar Lenin fälschlicherweise die Haltung des "Aufbaus des Sozialismus in einem Land" zu. Wer eine fundierte Auseinandersetzung mit den viel diskutierten und strittigen Fragen der marxistischen und revolutionären Bewegungen des 20. Jahrhunderts in Castros Memoiren sucht, wird enttäuscht. Ebenso enttäuschend sind Castros Aussagen über Ché Guevara. Er ignoriert völlig die kritische Sichtweise, die sich bei Ché hinsichtlich der bürokratischen Verhältnisse in der UdSSR und den anderen stalinistischen Staaten (auch nach Stalins Tod und nicht an die Person Stalin geknüpft) und auch auf Kuba selbst entwickelte. Auf Chés Haltung zu Trotzki angesprochen antwortet Fidel: "Nein, nein, lassen sie mich Ihnen sagen, wie Ché wirklich war. Ché besaß bereits eine politische Kultur. Natürlich hatte er eine Menge Bücher über die Theorien von Marx, Engels und Lenin gelesen. Er war Marxist. Ich habe ihn nie über Trotzki sprechen hören. Er verteidigte Marx, er verteidigte Lenin, und er kritisierte Stalin. Sagen wir mal, er kritisierte damals den Personenkult und die Fehler Stalins; aber über Trotzki habe ich ihn nie sprechen hören. Er war Leninist, und in gewisser Weise erkannte er auch einige Verdienste Stalins an. Die Industrialisierung und andere Dinge zum Beispiel. Ich selbst war tief in meinem Inneren wegen einiger seiner Fehler kritischer."
Unabhängig davon, ob Ché gegenüber Castro über Trotzki sprach oder nicht (in seinen letzten Lebensjahren haben sich beide wahrscheinlich relativ selten getroffen, da Ché auf internationalen Missionen war), ist es belegt, dass sich Guevara mit den Ideen Trotzkis auseinander setzte. So fand man in seinem Rucksack nach seiner Ermordung in Bolivien ein Buch Trotzkis. Ebenso ist bekannt, dass Ché eine kritische Einstellung zum Bürokratismus in den sogenannten "sozialistischen Staaten" entwickelte. Er war zu dem Zeitpunkt, als er erschossen wurde, ein Revolutionär, der sich ideologisch noch nicht endgültig ausgeformt hatte und sich noch in einem Denkprozess befand. Wenn Castro ein einfaches und einseitiges Bild von Ché malt, dann wahrscheinlich auch, um seine eigene Position zu Bürokratismus, Ein-Parteien-Herrschaft, Trotzki usw. mit mehr Autorität auszustatten.
Denn von überragendem Interesse ist die Frage nach dem Charakter des kubanischen Staates. Ist Kuba sozialistisch bzw. auf dem Weg zum Sozialismus? Castro beantwortet diese Frage überzeugt mit Ja. Ignacio Ramonet stellt diese Antwort nicht in Frage. Er stellt Fragen zur Menschenrechtslage, zum Umgang mit Dissidenten und dem Ein-Parteien-System, geht aber der Natur des kubanischen Staates nicht auf den Grund.
Die spezifische Entwicklung der kubanischen Revolution führte zum spezifischen Charakter des Staates unter Fidel Castro. Ein entscheidendes Merkmal der Revolution und des Staates ist das Fehlen einer unabhängigen, führenden und demokratisch organisierten Rolle der Arbeiterklasse. Die kubanische Revolution genoss zweifelsfrei die Unterstützung der breiten Massen inklusive der städtischen Bevölkerung und der Arbeiterklasse, wie sich auch in dem Generalstreik am 1. Januar 1959 zeigte. Doch die Arbeiterklasse drückte den Ereignissen nicht ihren Stempel auf. Der neue Staat erwuchs nicht aus den selbständigen Organen der organisierten Arbeiterschaft, wie den Räten (Sowjets) in der Russischen Revolution, sondern aus den Strukturen der siegreichen Guerilla-Armee. Dies führte nicht zu einem demokratischen Arbeiterstaat, in dem - wie in Russland der ersten Jahre nach der Oktoberrevolution und vor der Stalinisierung - demokratisch gewählte VertreterInnen aus den Betrieben in stadt- und landesweit zusammen gefassten Räten die politische Macht direkt ausübten. Stattdessen entstand auf Kuba ein Staat, der in seinen Strukturen sehr dem bürokratisch-diktatorischen Regime der damaligen Sowjetunion glich, wenn er auch eine weitaus größere Massenbasis in der Bevölkerung genoss. Dementsprechend war Kuba nicht von den Exzessen stalinistischer Herrschaft geprägt, wie wir sie unter Stalin selber oder bei verschiedensten Repressionsmaßnahmen nach seinem Tod (Ungarn 1956, Prag 1968, Polen 1981 etc.) sahen, aber die grundlegende bürokratische Struktur entsprach doch der des "großen Bruders".
Grundlegende Prinzipien der Pariser Kommune und der jungen Sowjetunion für einen demokratischen Arbeiterstaat und zur Verhinderung der Entwicklung einer abgehobenen Kaste, die Macht und Privilegien in ihren Händen konzentrieren kann, wurden in Kuba nicht umgesetzt. Dazu gehören die jederzeitige Wähl- und Abwählbarkeit von Funktionären, die Begrenzung von Funktionärsgehältern auf einen durchschnittlichen Arbeiterlohn und das Verbot von Privilegien für Funktionäre, die Rotation von Ämtern und die Ersetzung des stehenden Heeres durch eine demokratisch organisierte, allgemeine Volksbewaffnung. Nach den Erfahrungen mit dem Ein-Parteien-System in der Sowjetunion, Osteuropa und China fügen MarxistInnen heute grundsätzlich das Recht zur freien Bildung von Parteien hinzu, solange diese nicht für eine bewaffnete Konterrevolution eintreten. Angesichts der besonderen Lage des isolierten und vom US-Imperialismus bedrängten Kuba mag es diskutabel sein, dieses Recht vorübergehend auf solche Parteien zu beschränken, die das System der verstaatlichten und geplanten Wirtschaft nicht in ein kapitalistisches System ändern wollen (denn für Kuba gibt es nicht nur die Gefahr einer mit Gewehren und Raketen bewaffneten Konterrevolution, sondern auch die Gefahr einer mit US-Dollar, billigen Waren und Touristenfluten "bewaffneten" Konterrevolution). Das würde aber die Freiheit zur Bildung verschiedener Arbeiterparteien, inklusive trotzkistischer Organisationen beinhalten müssen. Solche oder ähnliche Regelungen gab und gibt es auf Kuba nicht (wenn es auch direkt nach der Revolution Elemente von betrieblicher Arbeiterkontrolle durch Belegschaften gab, was sich aber nicht auf das Staatswesen ausdehnte). Wenn auch für die Wahl der Nationalversammlung Elemente dieser Prinzipien vorgesehen sind (Möglichkeit für jedeN BürgerIn in den lokalen Volksversammlungen zu kandidieren, Rechenschaftspflicht, jederzeitige Abwählbarkeit, keine überhöhten Diäten), so ist das System doch so indirekt aufgebaut, dass letztlich die KandidatInnen zur Nationalversammlung von den Bezirksregierungen bestimmt werden. Dies führte dazu, dass es bei der letzten Wahl für 614 Sitze in der Nationalversammlung ganze 614 KandidatInnen gab und diese mit einem Kreuz, dem sogenannten "Voto Unido" kollektiv gewählt wurden. Wenn auch formell an den Wahlen zu den lokalen Körperschaften die Kommunistische Partei nicht als solche antritt, sondern Individuen, so hat die KP als einzige legal organisierte Partei logischerweise den entscheidenden Einfluss auf die politischen Prozesse im Land. Castros Behauptung, dass die "Feinde der Revolution" ganz legal durch die Wahlen zur Nationalversammlung eine Mehrheit erringen könnten ist angesichts der realen Machtverhältnise daher nur eine theoretische Möglichkeit, die praktisch kaum vorstellbar ist.
Das Fehlen von demokratischer Kontrolle und Selbstverwaltung durch die Arbeiterklasse führt zwangsläufig zu Einschränkungen der Initiative der Massen und zu Bürokratisierung, Misswirtschaft, Korruption etc. Eine sozialistische Gesellschaft kann nicht durch eine Person oder eine kleine Gruppe von Personen sinnvoll geleitet werden. Castro widerspricht sich in seinen Äußerungen zu seiner eigenen Rolle und der Frage der Demokratie auf Kuba. Während er zweifellos in der Bevölkerung eine enorm hohe Autorität aufgrund seiner Leistungen für die Revolution genießt, so hat sich bis zu seinem Rücktritt ein großes Maß der Entscheidungsgewalt offensichtlich in seinen Händen konzentriert. Auch wenn er versucht einen anderen Eindruck zu erwecken, fällt in seinen Aussagen auf, wie oft er davon spricht, dass er persönlich diese oder jene Entscheidung getroffen habe, diese oder jene Instruktion erteilt habe. Ignacio Ramonet fasst das in seinem Vorwort zum Buch treffend zusammen: "Wo er ist, hört man nur eine Stimme: seine. Er ist es, der alle Entscheidungen trifft, ob kleine oder große. Auch wenn er sich mit den politischen Entscheidungsträgern der Partei- und Staatsführung berät und die kollektive Entscheidungsfindung respektiert, so bleibt er doch stets die letzte Instanz."
Wenn Castro selber auch bescheiden lebt, er behauptet im Monat dreißig Dollar zu verdienen, so genießt er zweifellos gewisse Privilegien. Castro selber weist in seinem Buch auf Fälle von Korruption und Bereicherung durch Staats- und Parteifunktionäre hin.
Castro behauptet, auf Kuba herrsche das sozialistische Prinzip "von jedem nach seinen Fähigkeiten, an jeden nach seinen Bedürfnissen" und weist gleichzeitig auf seine eigenen bescheidenen Bedürfnisse hin. Das mag für ihn gelten, aber sicher nicht für die Masse der einfachen Bevölkeung, deren Lebensgrundlagen zwar gesichert sind, die aber auf viele Verbrauchsgüter verzichten müssen. Castros wiederholte Kritik an der kapitalistischen Konsumgesellschaft ist in diesem Zusammenhang zwar sehr sympathisch, aber auch undifferenziert. Denn es ist eine Sache, die profitgetriebene Erweckung künstlicher Bedürfnisse durch Werbekampagnen und die Produktion unsinniger Produkte und stumpfsinniger Filme oder Fernsehserien zu kritisieren. Eine andere Sache ist es, die Produktion von sinnvollen Verbrauchsgütern, die das Leben erleichtern und bereichern, damit in einen Topf zu werfen, um von den Unzulänglichkeiten der kubanischen Wirtschaft abzulenken.
In Castros Ausführungen fehlt jeder Bezug zur Rolle der Arbeiterklasse in der sozialistischen Revolution und beim Aufbau des Sozialismus. In seinen Kommentaren zur internationalen Lage fehlt ebenso ein Hinweis auf die Notwendigkeit des Wiederaufbaus der Arbeiterbewegung in den kapitalistischen Ländern oder ein Bezug zu Arbeiterkämpfen. Selbst in seinen Äußerungen zum Mai 1968 in Frankreich gibt Castro dem größten Generalstreik in der französischen Geschichte nicht das ihm zustehende Gewicht. Stattdessen wundert man sich als Leser über die vielen positiven Kommentare von Castro über bürgerliche, pro-kapitalistische Politiker von John F. Kennedy bis Charles de Gaulle. Hier wird Castros Selbstverständnis als Staatsführer deutlich, der sein Verhältnis zu anderen Staatsführern darlegt.
Castro ist aufgrund seiner Erkrankung mittlerweile von den wichtigsten Staats- und Parteiposten zurück getreten und diese wurden von seinem Bruder Raúl übernommen. Dieser Wechsel ging scheinbar relativ problemlos vonstatten und die Hoffnungen des US-Imperialismus auf einen schnellen Zusammenbruch der kubanischen Revolution nach Fidel Castros Rückzug platzten wie eine Seifenblase. Raúl hat sich öffentlich für eine Fortsetzung des bisherigen Kurses zur Verteidigung der Revolution und Planwirtschaft ausgesprochen, gleichzeitig aber einige Reformen zur Öffnung des Landes in Richtung marktwirtschaftlicher Elemente umgesetzt. Offensichtlich gibt es in der kubanischen bürokratischen Führungselite Kräfte, die einen "chinesischen Weg" in Richtung kapitalistischer Verhältnisse unter Führung der Kommunistischen Partei einschlagen wollen, während es ebenso Kräfte gibt, die die verstaatlichte Planwirtschaft gegen eine kapitalistische Konterrevolution, egal in welcher Form, verteidigen wollen. MarxistInnen und TrotzkistInnen müssten, angesichts der realen Gefahr einer Wiedereinführung kapitalistischer Verhältnisse, mit solchen Kräften in KP, Gewerkschaften und Staat einen prinzipienfesten, kritischen Block zur Verteidigung der staatlich geplanten Wirtschaft bilden, ohne auf die Propagierung eines Programms für sozialistische Arbeiterdemokratie zu verzichten.
Die Obama-Präsidentschaft in den USA wird möglicherweise einen Politikwechsel des US-Imperialismus gegenüber Kuba zur Folge haben. Sollte Obama auf Diplomatie und den Aufbau direkter, ggf. auch wirtschaftlicher Beziehungen setzen, könnte das eine größere Gefahr für die Revolution auf Kuba sein, als alle konterrevolutionären Aktionen der exil-kubanischen Bourgeoisie in Miami in den letzten 50 Jahren zusammen. Insbesondere, wenn zusätzlich die Unterstützung durch Venezuela aufgrund fallender Ölpreise zurück gehen sollte, kann dies zu einer kritischen Situation für Kuba führen und es ist nicht ausgeschlossen, dass dann eine Mehrheit der kubanischen Staatsführung, trotz der kapitalistischen Weltwirtschaftskrise, den einzigen Ausweg in einer schrittweisen Öffnung hin zum Kapitalismus sieht. Dies kann zu Polarisierungen in der Gesellschaft und einer Zunahme gesellschaftlicher Auseinandersetzungen führen. In dieser Situation ist es von zentraler Bedeutung, dass eine tatsächlich marxistische Kraft aufgebaut wird, die überzeugend erklären kann, dass nur die Einführung einer sozialistischen Arbeiterdemokratie nach den oben ausgeführten Prinzipien die kubanische Revolution dauerhaft retten und eine Perspektive für ein sozialistisches Lateinamerika eröffnen kann.
Fidel Castro wird sehr wahrscheinlich aufgrund seines Gesundheitszustandes auf diese Entwicklungen keinen entscheidenden Einfluss mehr nehmen können. Dies erhöht die Gefahr, dass sich in der kubanischen Führung pro-kapitalistische Kräfte durchsetzen. Andererseits mag das Abtreten Castros von der politischen Bühne auch eine offenere Debatte über Marxismus und Trotzkismus, die nicht zuletzt durch die Veröffentlichungen der kürzlich bei einem Autounfall verstorbenen Celia Hart schon begonnen hat, intensivieren.
Castro ist sein Platz in den Geschichtsbüchern sicher. Ohne den Personenkult, den er selber ablehnt. Er wird geehrt werden als standhafter, anti-imperialistischer Kämpfer, der sein Leben in den Dienst der kubanischen Revolution gestellt hat. Und auf sein Lebenswerk wird ein kritischer Blick fallen, aufgrund seiner vielen politischen Fehler, der Anpassung an die stalinistische Sowjetunion und der Schaffung bürokratischer Strukturen im Kuba nach der Revolution von 1959.
* Oberbefehlshaber
Fidel Castro/Ignacio Ramonet: Mein Leben, 812 Seiten, gebunden, 29,90 €, Rotbuch-Verlag
Lest dazu auch: Ignacio Ramonet: "Der Fidel, den ich kannte" vom 27. November 2016
Über den Autor:
Sascha Stanicic ist verantwortlicher Redakteur der sozialistischen Zeitung Solidarität
und von sozialismus.info. Er ist Bundessprecher der Sozialistischen Alternative (SAV)
und aktiv in der Partei DIE LINKE.
Früherer Beitrag von Sascha Stanicic erschien am 29.09.16
Ganz ehrlich? Viel, viel zu lang - so wie Fidels Reden. Wenn ich das alles lesen wollte, was in der Buchbsprechung steht, kann ich auch das Buch lesen und muss mir nicht diese Inhaltsangabe antun. In seiner Absicht, sowohl Fidel Castro als auch seinem Interviewer/dem Autor des Buches gerecht zu werden, ist Stanicic WEIT, WEIT ¨ber das Ziel hinausgeschossen. Bei aller Leidenschaft für die Sache und Verständnis für das Bestreben des Autors, es in seiner Buchbesprecheung allen wohl und niemand wehe tun zu wollen, verliert er den SINN einer Buchbesprechung völlig aus dem Auge: Der kurzen, zum Lesen verführenden oder vom Lesen abratenden, wertenden Inhaltsangabe. Eine solche Bleiwüste als Buchbesprechung liest NIEMAND - und auch ich habe mich nur deshalb hindurchgequält, weil ich es der Redaktion versprochen hatte. Verzeiht mir, dass ich so ehrlich bin. Aber das sagt ein Redakteur mit 25 Jahren Berufserfahrung. So gut, wie die Buchbesprechung ist, aber hier wäre weit weniger bedeutend mehr gewesen. Sorry und nichts für ungut!
Michael Schäfer, Grevenbroich, 05.12.2016
Castro war nie Kommunist. Ein Zweck-Sozialist. Castro hat natürlich vieles geäußert was in die Richtung Marxismus-Leninismus ging. Aber das halte ich für reinen Zweckoptimismus. Ein anderer Block stand nicht zur Verfügung. Castro stammt aus Galizien. Nordspanien. Ich sehe ihn als einen typischen galizischen Patriarchen. Um Kuba zu dienen, hätte er sich auch katholisch oder Buddhist genannt, wenn das was gebracht hätte. Durch sämtliche Phasen seiner und der Geschichte Kubas in seiner Zeit zieht sich dieses Motiv durch. Der korporative Staat mit dem patriarchalen Famlienoberhaupt Castro, der alle Interessen moderiert und im Zweifel gegeneinander austrickst. Gerade in den Anfangsjahren der Revolution sieht man verschiedene seiner Angebote an die USA. Wenn die sich auf seine Seite gestellt hätten, wäre ihm das viel lieber gewesen als der Flirt mit der UdSSR. Warum? Weil es den Kubanern mehr gebracht hätte - solange die Souveränität Kubas gewahrt worden wäre. Das wollten die USA nicht, also lief er zum "Osten" über. Es blieb ihm nichts anderes übrig. Ich betrachte, als Galizier, Castro als eine Art Franco. Nur eben ein guter, nicht egomaner, nicht egoistischer, nicht faschistischer Patriarch. Ein guter Vater. Kommunismus, Sozialismus... das waren nur die Anzüge die er trug, um das Beste für seine Leute herauszuholen. Ich fürchte ich bin der Einzige, der Franco im positiven Sinn mit Castro vergleicht. Der Charakter der nationalen Befreiungsbewegungen wird hierzulande oft missverstanden. Es sind tatsächlich "nationale" Bewegungen. Links oder nicht... ist zweitrangig. Links konnten sie nur eher andocken.
Manuel Rodrigues, Kinshasa, 05.12.2016
Ich finde den Beitrag von Sascha sehr gut und teile die Aussagen seines Beitrags.
Eine durchaus angemessene, kritische Würdigung Fidel Castros. Was mich aber erfreut,
ist die Tatsache,dass American Rebell
Platz für kontroverse, "rebellische" Standpunkte einräumt. Das CWI hat
sich kritisch und oft in Opposition zu anderen Strömungen und Tendenzen entwickelt,
die sich auf Trotzki berufen. Ich selber glaube, dass dieser Beitrag ein Schritt ist
zum fairen und offenen Umgang mit dem, was als "Trotzkismus" bezeichnet wird. Ich bin
zutiefst davon überzeugt, dass es sich keinesfalls um eine "Antileninistische
oder gar Antikommunistische Strömung" handelt, sondern vielmehr um modernen
Marxismus-Leninismus. Dieser Beitrag ist ein gutes Beispiel dafür, wie konstruktiv
streitende, linksdenkende Menschen einen "Schritt aufeinander zu machen". Dafür
möchte ich der Redaktion von American Rebell
meinen Dank aussprechen!
Mit sozialistischem Gruß
Jens Lustig, Augsburg, 05.12.2016
Im Laufe der Vorbereitung der Veröffentlichung des obigen Artikels bekam ich den nachstehenden Text des griechischen Kommunisten Nikos Mottas in einer deutschen Übersetzung zu lesen. Er bezieht sich nicht unmittelbar auf Fidel Castros Leben, spricht aber einige Punkte an, die man als gute Grundlage zur Beurteilung des "Kubanischen Weges", den ich keinesfalls für einen kommunistischen halte, nutzen kann.
"Eine historische Figur der internationalen kommunistischen Bewegung des 20. Jahrhunderts, deren ideologisch-politisches Vermächtnis verschiedene politische Lager versucht haben sich anzueignen, ist zweifellos Che Guevara. In den Jahren, die seiner Ermordung in Bolivien folgten, wurde Che zum Symbol einer Reihe von Organisationen der breiteren Linken (von Trotzkisten bis Sozialdemokraten), aber auch aus dem anarchistischen Lager. Eine große Anzahl derer, die den argentinischen Revolutionär bewunderten und bewundern, bezeichnen sich als 'Antistalinisten', sie hassen und verfluchen Stalin, indem sie die berüchtigten 'Verbrechen' der stalinistischen Periode erwähnen. Widerspruch und historische Ironie: Che Guevara selbst war ein Bewunderer Stalins.
Anlässlich des 63. Todestages des großen sowjetischen Führers wollen wir daran erinnern, was Che über Josef Stalin dachte, wie es aus seinen eigenen, Ernesto Guevaras, Schriften und Briefen hervorgeht: Im Jahr 1953 befand sich der 25-jährige Che in Guatemala und schrieb in seinem Brief an Tante Beatrice: Auf meiner Reise hatte ich die Gelegenheit durch das Gebiet der 'United Fruit Co' zu kommen, und ich überzeugte mich ein weiteres Mal davon, wie schrecklich diese kapitalistischen Kraken sind. Ich schwor vor einem Foto des alten und bedauernswerten Genossen Stalin, dass ich nicht ruhen werde, bis ich die Vernichtung dieser Kraken sehen werde. (Quelle: Jon Lee Anderson, Che Guevara: A revolutionary life, 1997).
Fünf Jahre später, 1957, im Brennofen des Guerillakampfes in der kubanischen Landschaft schrieb Guevara an das Mitglied der Bewegung des 26. Juli René Ramos Latour (Danielle): In den sogenannten 'Fehlern Stalins' liegt der Unterschied zwischen einer revolutionären und einer revisionistischen Auffassung. Man muss Stalin im historischen Kontext studieren in dem er sich bewegte, und nicht (nur) als eine Art Wilden, sondern in den bestimmten historischen Grenzen. Wegen Väterchen Stalin nahm ich den Kommunismus an und niemand muss kommen und mir sagen, ich solle Stalin nicht lesen. Ich las ihn, als es etwas sehr Schlimmes war, ihn zu lesen. Das war zu einer anderen Zeit. Und weil ich nicht sehr intelligent, aber stur bin, lese ich ihn weiter. Gerade in dieser neuen Zeit ist es noch schlimmer (Stalin) zu lesen. Damals, wie auch jetzt, finde ich eine Reihe von Dingen, die sehr gut sind.
Che Guevara ließ die Kritik an der konterrevolutionären Rolle Trotzkis, dessen Aktivität er 'versteckten Motiven' und 'grundlegenden Fehler' verschuldet sah, nicht außen vor. So schrieb er zum Beispiel: Ich glaube, dass der Kern der Ideologie, auf die sich Trotzki stützte, falsch war, die versteckten Motive seines Handelns (waren) falsch und seine letzten Lebensjahre waren dunkel. Die Trotzkisten haben absolut nichts zur revolutionären Bewegung beigetragen - dort wo sie mehr gehandelt haben, war in Peru, aber am Ende scheiterten sie, weil sie schlechte Methoden verwendeten. (Kommentare zu 'Critical Notes on Political Economy' by Che Guevara, Revolutionary Democracy Journal, 2007).
In einem Brief an den kubanischen Trotzkisten - und wichtigen Führer der Revolution - Armando Hart, stellte Che fest: In Kuba gibt es praktisch keine Publikationen die herausgegeben worden sind, mal abgesehen von den sowjetischen Ziegelsteinen, die den Nachteil haben, dich nicht selber denken zu lassen; die Partei hat es schon für dich getan, und dir bleibt nur noch die Verdauung überlassen. [...] Hier wäre es zunächst notwendig, die kompletten Werke von Marx und Engels, Lenin, Stalin und anderen großen Marxisten zu veröffentlichen. Hier kämen die großen Revisionisten (wenn ihr wollt, könnt ihr hier auch Chruschtschow behandeln), treffend analysiert; ausführlicher behandelt als irgendjemand sonst, wäre hier dein Freund Trotzki vorzunehmen, welcher ja wirklich existiert und geschrieben hat, allem Anschein nach. (Quelle: Zeitung Contracorriente, Heft 9, Havanna 1997).
Der revisionistische Kurs, dem die sowjetische Führung nach den Beschlüssen der 20. Parteitags der KPdSU folgte, war eine Quelle intensiver Sorge für Che. Die Politik der 'Entstalinisierung' und der falschen, opportunistischen Auffassungen bezüglich des Aufbaus des Sozialismus, den die Chruschtschow-Führung nach 1956 einführte, wirkten nachhaltig auf die Sichtweise Guevaras auf die Revolution und den Sozialismus.
Einer der Biografen Guevaras, der mexikanische Politiker Jorge Kastaneda, schrieb dazu (noch ein wenig antikommunistische Soße hinzufügend): Guevara wurde Stalinist zu einer Zeit, als Tausende junger Leute begannen sich über die offizielle Version des 'Kommunismus' zu empören. Er lehnte die Rede Chruschtschows von 1956, welche die Verbrechen Stalins verurteilte, als 'imperialistische Propaganda' ab, während er die russische Intervention in Ungarn im selben Jahr, die den Arbeiteraufstand im Lande niederschlug, unterstützte. (J. Kastaneda, The life and death of Che Guevara, 1997).
Vier Jahre nach Beginn der berühmten 'Entstalinisierung', im November 1960, besuchte Guevara Moskau als Vertreter der kubanischen Regierung. Trotz der Ermahnungen des damaligen kubanischen Botschafters, bestand Che darauf, am Grab Stalins an der Mauer des Kremls einen Kranz niederzulegen.
Ernesto Che Guevara verehrte den Führer Josef Stalin und seinen Beitrag zum sozialistischen Aufbau zutiefst. Und dies weil, wie er sagte, wir Stalin im historischen Kontext in dem er sich bewegte, [...] in bestimmten historischen Grenzen, studieren müssen. Diesen historischen Kontext und die extrem widrigen sozio-ökonomischen und politischen Bedingungen, unter denen J. Stalin handelte, verschweigen die eifrigen Anhänger des Antistalinismus. Sie verschweigen die Tatsache, dass der Werdegang des Aufbaus des Sozialismus in der UdSSR in einem Umfeld verschärften Kampfes, mit zahlreichen internen und externen Bedrohungen (imperialistische Umschließung) stattfand, mit einem gigantischen Aufwand an Industrialisierung, der sich Widerständen und großer Sabotage gegenüber sah, mit dem Kampf für die Kollektivierung, der mit heftigen Reaktionen der Kulaken konfrontiert war. J. Stalin war als Figur und führende Persönlichkeit ein Produkt des Handelns der Volksmassen in einem bestimmten historischen Kontext. Und als solche Persönlichkeit führte Stalin für 30 Jahre die bolschewistische Partei und das Volk der Sowjetunion, fest gestützt auf dem ideologischen Erbe Lenins. Es war zu erwarten, dass ein wirklicher Kommunist, ein Revolutionär im Denken und - vor allem - im Handeln, wie Che Guevara, das anerkannte und ehrte."
Nico Diener, Kiel, 06.12.2016
M. E. ist es doch nicht so wichtig in welche Schublade Castro passt: Kommunist, Marxist, Sozialist, Linker... entscheidender sind doch die Taten. Da findet man Gutes, Schlechtes, Kritisches... und das große Gesamtergebnis unterm Strich, d.h. für mich: Fidel Castro hat im Vergleich zu den meisten westlichen Staatschefs (insbesondere den US-Präsidenten) wesentlich mehr für seine Bürger und sein Land getan: keine Arme-Reiche-Schere wie in USA und bei uns, Sozial- und Krankenversicherung für alle, vorbildliche medizinische Versorgung, organische Landwirtschaft und Umweltschutz; Staatsverschuldung liegt seit Jahren unter 40%, derzeit bei 31%. Das ist im Vergleich zu westlichen Ländern vorbildlich. Mit Begriffen wie Kommunismus o.ä. verbinden wir leider sehr schnell negativ behaftete Vorstellungen. Deshalb sind für mich Taten, Entscheidungen, Handlungen von Personen oder Organisationen wichtiger als pauschalisierende (oft negativ behaftete) Begriffe die zu voreiligen Vorurteilen führen können.
Johannes Schmidt, Bernau, 06.12.2016
Castro "spricht von der Notwendigkeit universeller Bildung aller Menschen als Voraussetzung zu einer harmonischen Entwicklung der Gesellschaft, geißelt die kapitalistische Profitgier..." Wie sollen sich Menschen bilden, wenn sie täglich um ihre Existenz kämpfen müssen?
Cuba: Mit mehr Kapitalismus zu mehr Sozialismus?
50 Jahre nach ihrer Revolution hat die Kommunistische Partei Kubas ihren Feinden und Verächtern die Genugtuung bereitet, dass sie selber in ihrem neuen Programm verkündet, zum Fortbestand ihres Staates bliebe ihr nur noch ein Ausweg: möglichst viel Kapitalismus zur Effektivierung und Verwohlfeilerung ihres Volkes! Dabei bleiben sich die alten Kämpfer um die Castro Brüder in ihrem kämpferischen Pathos treu:
Rene Wolf, Dresden, 06.12.2016
Mir ist es völlig wurscht, wie sich eine Gesellschaftsordnung nennt. Das Kaiserreich, die Weimarer Republik, das 3. Reich, die DDR und die BRD, erst recht nicht die BRD 2.0 will ich nicht. Für mich wäre wichtg kein Arm und Reich, kein Profit, Besitz-, Macht- und Geldgier, keine Einschränkungen, die jemandem nützen und anderen schaden, kein sinnloser Verbrauch von Ressourcen jeglicher Art, keine Ausbeutung des Menschen durch nichts, Empathie und wahrer Gemeinsinn, kein Mensch ist besser als der andere... usw. - Alles andere ergibt sich eigentlich. - Eine Gesellschaft von der wir noch, sollte es nicht einen weltweiten "Cut" irgendeiner Art geben (Natur-, Klima-, Gesundheits-, Finanz- oder Kriegskatastrophe) der uns per Arschtritt zum Umdenken zwingt, mindestens hundert Jahre entfernt sind. Die Menschheit = Kinder im Vorschulalter, die im Kindergarten dumme Spiele auf dem Pausenhof machen, sich austesten und auf der Suche nach dem Großwerden sind.
Emilie Dornblutt, Zerbst, 06.12.2016
Vor Madrid auf Barrikaden
In der Stunde der Gefahr
Mit den Inter-Kampf-Brigaden,
Sein Herz voll Hass geladen,
Stand Hans, der Kommissar.
Seine Heimat musst er lassen
Weil er Freiheitskämpfer war
Auf Spaniens blut'gen Straßen
Für das Recht der armen Klassen
Starb Hans, der Kommissar.
Eine Kugel kam geflogen
Aus der "Heimat" für ihn her
Der Schuss war gut erwogen
Der Lauf war gut gezogen -
Ein deutsches Schiessgewehr.
Kann dir das Wort drauf geben
Vencerá la liebertsd!
Und du wirst weiterleben
In uns und unserem Streben -
Hans Beimler, Kamerad.
Text: Ernst Busch, Musik: trad. (nach der Melodie von "Ich hatt' einen Kameraden").
Version von 1953
Hans Beimler, Kamerad von abertausend Genossen auf der ganzen Welt, starb heute vor 80 Jahren am 1. Dezember 1936 - Wer genau war der unbeugsame Genosse, nach dem, nicht nur in der DDR, Straßen, Plätze, Schiffe und Schulen benannt wurden?
Hans Beimler wurde in München geboren und wuchs in Waldthurn in der Oberpfalz bei seiner Großmutter auf, wo er die Volksschule besuchte und das Schlosserhandwerk erlernte. 1913 wurde Beimler in München Mitglied des Deutschen Metallarbeiterverbandes. Den 1. Weltkrieg musste er als Matrose mitmachen; im November 1918 beteiligte er sich an der Revolution in Cuxhaven. Er wurde Mitglied der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) und nahm im Mai 1919 aktiv an den Kämpfen um den Erhalt der Münchner Räterepublik teil. Mit seiner Frau Lena, die er 1919 heiratete, hatte er zwei Kinder, die 1919 geborene Rosi und den 1921 geborenen Hansi. Von 1921-23 saß er als politischer Häftling in der Strafanstalt Niederschönenfeld ein (Verurteilung wegen angeblich geplanter Brückensprengung, die die Verlegung bayerischer Truppen in das mitteldeutsche Aufstandsgebiet verhindern sollte). 1925 wurde er als Gewerkschaftsverantwortlicher in die KPD-Bezirksleitung Südbayern gewählt. Nach dem Freitod seiner ersten Frau Lena war er als Sekretär des Unterbezirks Schwaben der KPD in Augsburg tätig und wurde 1929 in den Stadtrat gewählt. In Augsburg heiratete er die Münchnerin Centa Herker-Beimler, geb. Dengler.
Aufgrund seiner inzwischen großen Popularität in Bayern stieg er 1932 zum politischen Leiter im Bezirk Südbayern auf und war von April bis Juli Abgeordneter des Bayerischen Landtages, anschließend bis 1933 dann Mitglied im Deutschen Reichstag. Am 11.4.1933 erfolgte in München die Verhaftung durch die Nazis, die ihn im Polizeigefängnis wie auch im Konzentrationslager Dachau, in das er am 25.4.1933 verschleppt wurde, brutal folterten. In der Nacht vom 8. auf den 9. Mai 1933 gelang ihm die Flucht über München, Berlin und Prag in die Sowjetunion. Ab Ende 1933 bis zum Sommer 1936 arbeitete er in Paris, Prag und Zürich für die Rote Hilfe, um den Widerstand in Deutschland zu unterstützen. 1934 wurde Beimler aus Nazideutschland ausgebürgert. Als Teilnehmer am spanischen Bürgerkrieg und politischer Kommissar des "Thälmann-Bataillons" der XI. Internationalen Brigade, fiel er am 1. Dezember 1936 vor Madrid.
Nach der Flucht Beimlers aus dem Konzentrationslager Dachau wurde im August 1933 in Moskau sein Erlebnisbericht "Im Mörderlager Dachau - Vier Wochen in den Händen der braunen Banditen" veröffentlicht. Das Buch fand als eines der ersten authentischen Zeugnisse über den Terror in den deutschen Konzentrationslagern weltweite Beachtung. Hier ein kurzer Auszug:
(...) Während ich so ... nachdachte, wurde die Tür meiner Zelle aufgestoßen und drei SS-Männer ... traten ein mit den Worten: "Jetzt haben wir dich, Hetzer, du Landesverräter, du Bolschewistensau, du Bonze." (Danach beschreibt er, wie er Jacke und Hose ausziehen musste und, auf einer Pritsche liegend, mit einem Ochsenziemer geschlagen wurde, Anm. der Red.).
Nun überreichte er (der Lagerverwalter Vogel, Anm. der Red.) mir einen 2 Meter langen Kälberstrick von der Stärke eines Fingers und forderte mich auf, denselben am kleinen Wasserleitungshahn aufzuhängen. ... Ich stieg auf die Pritsche und hängte den Strick ... an den Hahn. Nachdem ich wieder heruntergestiegen war, gab er mir folgende Weisung: "Wenn in Zukunft wieder jemand die Zelle betritt, haben Sie eine militärische Haltung einzunehmen und zu sagen: 'Der Schutzhaftgefangene Beimler meldet sich zur Stelle' und" - auf den Strick zeigend - "sollten Sie irgendwelche Zweifel bekommen, dann steht er ihnen zur Verfügung." Später: "Na, Beimler, wie lange gedenkst du denn die Menschheit mit deinem Dasein zu belästigen? Ich habe dir schon einmal gesagt, dass du in der heutigen Gesellschaft, im Nationalsozialistischen Deutschland, ein überflüssiges Subjekt bist." Ihm wurde eine "Frist" von 2 Stunden gesetzt. Nach einer Stunde erschien einer der SS-Männer und knüpfte die Schlinge: "So, jetzt habe ich alles getan, was ich tun konnte, mehr kann ich dir nicht helfen. Also, du brauchst jetzt bloß mehr den Kopf hineinzustecken, das andere Ende in das Fenster hinhängen und alles ist fertig. In zwei Minuten ist alles erledigt. Es ist doch nichts dabei; außerdem kommst du ja doch nicht mehr lebendig aus der Zelle raus. Der Befehl des Herrn Kommandanten muss ausgeführt werden!"
(...) Sie hatten die Zellentür kaum zwei Minuten zugeschlossen, da wurde schon wieder aufgesperrt. - Der Mordbandit riss mich mit dem Wort: "Raus!" aus der Zelle und warf mich in die Zelle 4. Es war der erschütterndste Augenblick meines Lebens. Vor meinen Füßen auf dem Steinboden lag die zerschundene, mit dicken Beulen bedeckte Leiche meines langjährigen Kampfgenossen Fritz Dressel.
Der linke Arm lag ausgestreckt auf dem Boden, quer über den Vorderarm drei Schnitte, das Brotmesser daneben.
Es war alles aufgeklärt. Der Genosse wurde durch die unerhörte Quälerei in den Tod getrieben, gezwungen, Hand an sich zu legen, wie das an mir und auch an den Genossen Götz und Genossen Hirsch geschah. Er wurde dabei "unvorsichtigerweise" von einem Sturmführer gefunden, als er noch nicht verblutet war...
Sollte ich vielleicht so lange bei meinem toten Genossen in der Zelle gelassen werden - bis ich es ihm gleichtat? - Wenn sie mich auch nach wenigen Minuten wieder aus der Zelle holten und in "meine" zurückbrachten - so sollte ich doch gleich erfahren, warum sie mich in die Todeszelle geworfen haben.
"So!" - sagte der Verbrecher, im Lager als Kommandant bezeichnet - "so, jetzt hast du es wohl gesehen, wie man es macht. Du musst nicht glauben, dass du deshalb zu deinem Freund hineingekommen bist, um ihn nochmals zu sehen und von im Abschied zu nehmen, du sollst bloß sehen, wie man es macht, und dass er nicht so feig war. Er hatte mehr Charakter als du, feige Sau. (...)"
Im Juli 1936 begann der faschistische Aufstand in Spanien. Dieser Aufstand war eine Antwort der Reaktion auf den Sieg der spanischen Volksfront bei den Parlamentswahlen im Februar (zum ähnlichen Zeitpunkt hatte auch die Volksfront im Nachbarland Frankreich einen Sieg gefeiert). Während der ersten Wochen war der Aufstand nicht erfolgreich. Ein Großteil des Heeres und fast die ganze Flotte sind nicht den Generälen gefolgt, und die republikanische Regierung konnte die Macht in den meisten Städten erhalten. Einer der Anführer des faschistischen Aufstandes, General Molah, schrieb in den ersten Tagen an Franco, er hielte die Sache für verloren. Dann kam Hilfe für die Aufständischen von außen. Mit Transportflugzeugen des faschistischen Hitlerdeutschlands wurden 18.000 voll bewaffnete marokkanische Soldaten und Offiziere und dann auch Fremdenlegionen nach Spanien eingeflogen. Auf Hitlers Weisung wurden mehrere Fliegerregimenter (die so genannte Legion Condor) geschickt. Außerdem erhielten die aufständischen spanische Faschisten 650 Flugzeuge, etwa 200 Panzer und 700 Geschütze aus Nazideutschland.
Das faschistische Italien schickte über 150.000 Soldaten und Offiziere, mehr als 1.000 Flugzeuge, 950 Panzer und gepanzerte Fahrzeuge, fast 2.000 Geschütze und riesige Mengen von Munition nach Spanien. Faschistische Länder begannen eine breite propagandistische Kampagne, der Berliner Rundfunk teilte der Welt mit, dass eine Gefahr der "Bolschewisierung" Spaniens drohe und dass die sozialistische Sowjetunion Spanien für einen "Sprung nach Frankreich" benötige. Westliche Demokratien haben die spanische Republik in keiner Weise unterstützt. Sie mischten sich nicht in angeblich "spanische Angelegenheiten" ein.
Die Führung der Sowjetunion (UdSSR) ging davon aus, dass, wenn alle Großmächte an dieser Politik festhalten würden, die spanische Republik den Aufstand auch alleine niederkämpfen könne, und hat diesen politischen Ansatz zunächst unterstützt. Aber sehr bald wurde klar, dass beide faschistischen Mächte es nicht beabsichtigten, dem Geschehen fernzubleiben und dass sie ihre Einmischung in den Bürgerkrieg in Spanien verstärkten. Bereits im Oktober 1936 hat die sowjetische Regierung von der Notwendigkeit gesprochen, der vom Volk gewählten Regierung Spaniens erneut das Recht und die Möglichkeit zu geben, Waffen außerhalb Spaniens zu kaufen.
Im Laufe eines Jahres "von Oktober 1936 bis September 1937" sind 23 Transportschiffe mit Lebensmitteln, Medikamenten und Kriegsmaterial aus sowjetischen Häfen in Richtung Spanien ausgelaufen. Die spanische Republik wurde mit 806 Kampfflugzeugen, 1.555 Geschützen und über 15.000 Granatwerfern unterstützt. Sowjetische Flieger, Artilleristen und Panzergrenadiere kamen dem spanischen Volk zur Hilfe. Als militärische Berater der republikanischen Armee kamen hervorragende militärische Spezialisten, und 160 sowjetische Flieger nahmen an der Verteidigung Madrids teil. Die Gesamtzahl der sowjetischen militärischen Spezialisten, die auf der Seite der Republik gekämpft haben, betrug 2.000.
In der UdSSR entwickelte sich eine breite Solidaritätskampagne mit der Spanischen Republik. Arbeiter, Bauern, Ingenieure, Ärzte, Künstler haben Geld gesammelt, mit dem Waren für die spanische Bevölkerung bezahlt wurden. An Kundgebungen in Moskau, Leningrad und anderen Städten nahmen Hunderttausende teil. Tausende Kinder republikanischer Kämpfer wurden in die UdSSR geschickt und vom Sowjetvolk herzlich begrüßt.
Viele Städte Spaniens wurden von den Eindringlingen aus der Luft bombardiert und von der See beschossen, zwei Städte, Almeria und Guernica, ganz zerstört. Die Förderer der Aufständischen haben versucht, eine Blockade der Republik zu organisieren. Italienische U-Boote griffen sowjetische Schiffe an. Die Transportschiffe "Komsomol", "Timirjasjew" und "Blagojew" wurden versenkt. Die sowjetische Regierung nahm an der Konferenz von neun Staaten in Nion (September 1937) teil, auf der England und Frankreich, die eine Ausweitung der Piraterie befürchteten, eine Verpflichtung übernahmen, jedes U-Boot bzw. Flugzeug zu vernichten, das Handelsschiffe angegriffen hat.
Die Ereignisse in Spanien machten den demokratischen Kräften deutlich, dass der Faschismus zur bewaffneten Offensive übergegangen ist. Überall entstanden Solidaritätskomitees mit der Spanischen Republik. In Spanien wurden sechs internationale Brigaden aus Freiwilligen gebildet, die von allen Kontinenten gekommen waren. Ihre Gesamtzahl betrug über 30.000. Das waren in der Regel Mitglieder kommunistischer und sozialistischer Parteien. Um die spanische Republik zu verteidigen sind Palmiro Togliatti, Luigi Longo und Pietro Nenni (Italien), Franz Dahlem, Hans Beimler, Erich Mielke, Manfred Stern und Ludwig Renn (Deutschland), André Malraux (Frankreich), Ralf Fors (England), Mate Zalka (Ungarn), Karol Svercherskj (Polen) und viele, viele andere gekommen. Nicht weniger als die Hälfte der Freiwilligen ist ums Leben gekommen bzw. wurde verletzt, und viele sind Invaliden geworden.
Hans Beimler wurde zum Kommissar der beiden deutschen Bataillone "Edgar André" und "Thälmann" ernannt. Ende November 1936 waren die schweren Kämpfe um Madrid abgeflaut und der Angriff der Franco-Truppen zum Stehen gebracht worden. Vor seiner Abreise nach Barcelona wollte Hans Beimler am 1. Dezember mit seinem Begleiter Franz Vehlow ("Louis Schuster") die Stellungen des Thälmann-Bataillons besuchen. Allen Warnungen zum Trotz benutzte er einen von faschistischen Scharfschützen, wahrscheinlich Marokkanern, einsehbaren Hohlweg unweit des zur Universität gehörenden Musterguts "El Palacete".
Was in den nächsten Minuten wirklich geschah, wird wahrscheinlich nie mehr definitiv aufgeklärt werden können, zu unterschiedlich sind die Aussagen der Zeitzeugen. Nach offizieller Darstellung wurde Hans Beimler von einer Kugel mitten ins Herz getroffen und war sofort tot. Vehlow, der ihm zu Hilfe eilen wollte, wurde am Kopf verletzt und verstarb ebenfalls kurz darauf. Schnell wucherten Gerüchte, Beimler, der Unbequeme, der Unangepasste, sei von den eigenen Leuten umgebracht worden. Die Mord-These wurde aber schnell widerlegt. Hans Beimler erwarb sich durch seinen mutigen und unerschrockenen Kampf nicht nur die tiefe Achtung seiner Kameraden in Spanien, er wurde zum Vorbild vieler tausend Kämpfer und Kämpferinnen der Internationalen Brigaden.
Die geografische Nähe Deutschlands und Italiens zum Schauplatz und der reibungslose Nachschub für die Aufständischen aus beiden großen faschistischen Staaten führten zum wesentlichen Vorteil der Faschisten und ihrer Verbündeten gegenüber den Kräften der republikanischen Armee. Im März 1939 nach 32 Monaten eines heldenhaften Kampfes ist die Spanische Republik gefallen. Für fast 40 Jahre wurde im Land eine totalitäre Diktatur errichtet. Aber das war nur die erste Schlacht in der stürmischen Geschichte der 30er und 40er Jahre.
Quellen: Ilja Kremer (Moskau), Roter Morgen Dez. 1976, Hans-Beimler-Zentrum Augsburg, Kämpfer und Freunde der Spanischen Republik 1936 - 1939 e.V.
Siehe auch:
Spanische Erinnerungen
Frauen und der spanische Krieg 1936 - 1939
While Americans try to swallow the prospect of four Trump years, Germans can now wonder, after months of suspense, about the chance of four more Angela Merkel years. Between the two there are certainly huge differences, not only in gender and language. Most obviously, while he spoke often of throwing immigrants out, she was spotlighted for calls to let them in. Only gradually, under great pressure, has she reduced this; not any and all immigrants, only refugees from certain war-torn areas like Iraq and Syria - and not too many more of them.
There was pressure from many sides, also within her own Christian Democratic Union (CDU) but far more from its sister party (Christian Social Union, CSU), which has a separate status only in Bavaria. Usually both work together but the Bavarians, known abroad for lederhosen, dirndls and the October Fest, always lean further right. Currently losing ground in their own habitat, they are threatening to punish her "leftist leanings". Such pressures take their toll, not only of her usually cheery countenance but also in the polls. Her personal popularity, now at about 55%, is reviving after a record low, but her party stands at only about 35%, which hardly guarantees victory in the September election.
But Merkel's current coalition partners, the Social Democrats (SPD), face poll figures stagnating at under 25%. Their stout warrior Sigmar Gabriel, far less popular than Merkel, lost even more luster by forcing reluctant followers to support the Canadian equivalent (CETA) of the trans-Pacific trade deal TPP and the US-Europe deal TTIP. Luckily, both hang inches away from the final shredder, thanks to worldwide campaigns but also, believe it or not, to disapproval by Donald Trump, even if it may have been for the wrong reasons.
Trump's very ambiguous yet welcome campaign words about meeting Putin and withdrawing NATO from Europe caused storms of confusion here. But while they struck at the underpinning of decades-long declamations about "our eternal bonds of trans-Atlantic friendship" they also supplied new footing for people like Defense Secretary Ursula von der Leyen, who yearn to build up a big "European defense force", separate from the USA and led by a powerful Germany, with its century of valuable experience in "how to defend humane European values against invading hordes". Now, without British meddling and with France facing calamity, German tanks, fighters (and soon "Made in Israel" drones) can take the lead, reinforcing right-wing rulers in Poland and the Baltic states and building up strength to within 85 miles of St. Petersburg, to the furthest reaches of the Black Sea and on to Africa and Asia as well.
With a smiling Angela speaking simply and reasonably as ever, we have a one "good cop" and two "bad cop" situation, for Finance Minister Schäuble is still busy pressuring weaker European leaders in the south not to reject austerity fetters but to keep buying big expensive weapons from Germany.
But there is also a second "good cop". While Angela was giving her long-time ally Barack a goodbye hug, Germany was also preparing for a line of moving vans to and from its White House equivalent, Bellevue Palace. After February, President Joachim Gauck's perpetual smile, a triumph of hypocrisy, can soon be forgotten. Who should replace him in this ceremonial job, where the president is supposed to avoid the political scene? Since they had no better offer, Merkel's crowd OK'd a Social Democrat, Foreign Minister Frank-Walter Steinmeier, 60. Handsome, white-haired, with a deliberate way of speaking full of pauses, his one-time promotion of laws against the jobless fully forgotten, he is the most popular man in his party, perhaps because he sometimes seemed more sensible than others in trying to settle conflicts, as in Minsk and the Ukrainian conflict. He will now be kicked upstairs into the columned palace to welcome visiting kings and dignitaries and make nice speeches.
Without him, the SPD faces the difficult job of finding a candidate to oppose Angela Merkel in the main election. Will it be the unpopular Gabriel? Or perhaps Martin Schulz, now president of the European Parliament, also a smiler with a hidden poniard up his sleeve when Greek or other upstarts try to upset the apple-cart. Foreign minister or chancellor - which is he aiming at? We shall see.
Media speculation is rife about the vote and its aftermath, with stress on the math, since no party can win enough seats to rule by itself. The CDU may agree to join again with the SPD - only if the SPD will play junior partner again. What about the Greens? Once considered young militants, they have long since cooled down as their well-educated core of voters became successful in their professions or in government jobs. Their current strong man, Winfried Kretschmann, 68, minister-president in the state of Baden-Württemberg, has become ecologically paler green thanks to his friendship with the area's powerful Daimler-Benz concern, now facing charges of emission fraud as serious as those hitting Volkswagen. Could the Greens and the CDU join hands? They have done so in some states, some rightist Greens leaders excel in belligerency in world conflicts. But this still seems unlikely.
A constant debate concerns any coalition between the SPD, Greens and the LINKE (Left). The math might just work out. But the SPD and the Greens reject any alliance unless the LINKE agrees to support NATO and approve the deployment of Bundestag troops outside Germany. This goes against the LINKE program, and some insist that any softening on this issue would mean accepting the path of German military expansion which dominated the last century so tragically and sacrificing the distinguishing feature of the LINKE as the Peace Party. Others in the party, like Thuringian Minister-President Ramelow, call for compromises, in hopes that the LINKE can accomplish more within a government than outside it.
This question of such a three-way coalition is now front stage in Berlin, where just such a tripod will take charge next month if approved by all participants (in the LINKE with a referendum of all Berlin members). Already almost certain, it will consist of the present SPD mayor plus four cabinet posts (here called Senators) for the SPD and three each for the Greens and the LINKE.
But casting a menacing shadow over the whole political scene is the Alternative for Germany (AfD), whose voters gave it 24 seats (out of 149) in Berlin's House of Deputies plus seats in all twelve borough councils, where some will even head departments. With a mix of far righters, pro-Nazis, former embezzlers and the like, they will follow the line worked out at their recent national congress; hit out at foreigners, above all Muslims, defend "German nationality and culture" and, by the way, stand for every rightwing tendency from homophobia and anti-abortion to low taxes for the wealthy and a strong military. This may sound familiar; with prospects for the extreme right in Austria, the Netherlands, perhaps France and already existing in Hungary and Poland, the prospect is frightening.
The main resistance to the alienation, fear and uncertainty feeding this trend should be coming from the LINKE. Sadly, its leaders have often been distracted by internal disagreement and by a neglect of battles for the needs and wishes of working people - not only in parliamentary meetings but in the streets, factories and other centers. There have been some - but far too few.
Happily, perhaps, the LINKE has decided on a candidate of its own for the job of president. Professor Christoph Butterwegge, 65, not a party member but a resolute expert on the question of poverty, the forces causing it and the fight against it, knows he has no chance to win against Steinmeier. But he wants to provoke discussion about the social gap between wealthy and poor in an otherwise toothless election debate. Although the Greens have stated they will not support him, but instead probably CDU and SPD candidate Steinmeier, he hopes to win over at least some votes from other parties among the many delegates who choose a president - as a good symbol.
However, this contest will pale when the slugging begins for the main election in September. Will the LINKE put up a tough fight against social cutbacks and military advances? If so, and only if it does, it could gain ground again and reduce to some degree the threat from the far right.
More by Victor Grossman: Berlin Bulletin No. 121 (deutsch), No. 121, No. 120, No. 119, No. 118, No. 117, No. 116, No. 115, No. 114, No. 113, No. 112, No. 111, No. 110, No. 109, No. 108, No. 107, No. 106, No. 105, No. 104, No. 103, No. 102, No. 101.
Als ich vom Tode des Genossen Fidel Castro erfuhr, erschütterte mich diese Mitteilung in höchstem Maße. Denn nicht nur ein Politiker, linker Patriot und Miterbauer des Friedens in der Welt war von uns gegangen, sondern auch ein Mensch, der ein Ziel hatte und daran bis zum Ende seiner Tage festgehalten hat. Dieses Durchhaltevermögen, diese Charakterstärke und dieser Mut gegen eine scheinbare Übermacht imperialistischer Kräfte aufzubegehren, müssen uns Mahnung sein, es ihm gleich zu tun. Sie müssen uns aber auch dazu bringen, darüber nachzudenken, was Fidel für uns geleistet hat und das, obwohl die Revolution noch nicht hierzulande angekommen ist. Wenn wir darüber nachsinnen, kann uns nur eines bleiben: Tiefste Dankbarkeit. Letztere habe ich einmal versucht, in folgenden Versen zusammen zu fassen:
Die Welt nimmt Abschied von dir
Von einem, der nicht geschwiegen hat.
Von einem, der wusste, was kommt.
Von einem, der nie Ruhm für sich erbat.
Du hast der Welt ein Stück Hoffnung gegeben.
Kalt und bleiern grau wölbt sich der Himmel über der Mutter Erde.
Blut tränkt den Boden, Leid quält die Völker auf allen Kontinenten,
Jene Völker, die den Blick angstvoll in alle Richtungen wenden.
Immer hoffend, dass die Endzeit niemals kommen werde.
Ein Vergessen wird es nicht geben.
Eine Erinnerung wird immer bleiben.
Eine Erinnerung an Dein Versprechen, das da lautete:
"Ja, zum friedlichen Leben!"
Nun hast du die Augen geschlossen
Hast Deine Ruhe gefunden, fort von den schweren Stunden unserer Welt, hin zu leichterem Sein. Denn wir wissen:
Dein Herz hat aufgehört zu schlagen, doch sind wir niemals allein.
Und darum ist's nun Zeit, dir "Adiós" und "Danke" zu sagen.
Frühere Artikel von Matthias Wolf erschienen am:
10.10.16, 13.09.16,
29.08.16, 03.08.16,
15.06.16, 24.05.16,
11.05.16, 02.05.16, 27.03.16
Danke für deinen Kampf Genosse, in unseren Herzen lebst du weiter und kämpfst
stets an unserer Seite für die gute Sache mit.
Rot Front!
Uwe Ullmann, Vogtland, 28.11.2016
Auch, wenn die Menschenrechtslage in Kuba verbesserungsfähig ist, sollten
wir die großartigen Verdienste Fidel Castros immer in Erinnerung behalten.
Wenn ich an die flächendeckende medizinische Versorgung innerhalb Kubas denke
und an die medizinische Hilfe, die Kuba den Entwicklungsnationen gibt (sogar mehr
als es die WHO tut!), dann ist das etwas, woran wir immer denken sollten. Etwas,
womit er sowohl den Kubanern als auch anderen Völkern geholfen hat.
Kuba ist kein reiches Land, aber es tat viel in diesem Bereich. Davon können
insbesondere reiche Länder sehr viel lernen.
Ruhe in Frieden, Genosse!
Saskia Freytag, Bad Bramsted, 28.11.2016
Kuba zumindest hat er nicht zum Nachteil der Kubaner verändert. Manches wurde
ihm aufgezwängt, war gewollt, anderes eher zufällig. Er hat keine Demokratie,
sondern ein korruptes Regime beseitigt. Er hat keine Demokratie ermöglicht, aber
dem kubanischen Volk Grund gegeben, auf sich selbst stolz zu sein. Die Weltläufe
der Geschichte konnte er nicht beeinflussen, aber er hat beeindruckt und Geschichte geschrieben.
Er verdient Respekt.
Dieter Faulenbach da Costa, Offenbach, 28.11.2016
Der Tod ist jedem beschieden, aber nicht jeder Tod hat die gleiche Bedeutung. In alten Zeiten gab es in China einen Schriftsteller namens Sima Tjiän. Dieser sagte einmal: 'Es stirbt allerdings ein jeder, aber der Tod des einen ist gewichtiger als der Tai-Berg, der Tod des anderen hat weniger Gewicht als Schwanenflaum.' Stirbt man für die Interessen des Volkes, so ist der Tod gewichtiger als der Tai-Berg; steht man im Sold der Faschisten und stirbt für die Ausbeuter und Unterdrücker des Volkes, so hat der Tod weniger Gewicht als Schwanenflaum.
Nico Diener, Kiel, 29.11.2016
Ein großer Revolutionär hat uns verlassen. Während die Lumpen und
Feinde sich freuen, ist es für die werktätigen Menschen und die Ausgebeuteten
auf der Welt ein Trauertag. Wir werden sein Werk fortführen und eines Tages auch
bei uns reinen Tisch machen mit den Bedrängern!
Immer ein Vorbild - immer in unseren Herzen! Comandante en Jefe Fidel Alejandro Castro Ruz - PRESENTE!
Dieter Unterpete, Osnabrück, 29.11.2016
Es ist immer dasselbe Spiel. Zuerst werden Staaten durch die Finanzwelt in den Ruin getrieben um dann mit Hilfe des IWF, der Weltbank, ... auch noch das letzte Bisschen der öffentlichen Werte an Großkonzerne und Superreiche zu verramschen und die Bevölkerung bis auf den letzten Tropfen auszuquetschen. Uns Idioten wird dann noch eingeredet, dass z.B. die Griechen zu faul sind, über ihre Verhältnisse gelebt hätten und deshalb jetzt die Konsequenzen tragen müssen. Indirekt wird uns damit noch suggeriert, dass wir "brav und fleißig" sein müssen, damit uns nicht das gleiche Schicksal ereilt. So kann man einfacher Löhne und Sozialleistungen senken und auch die Bevölkerung nicht direkt betroffener Staaten ausbeuten. Wie blöd muss man sein, um diese Scheiße immer noch zu glauben?
Das alles passiert nur wegen der Gier ein paar perverser Drecksäcke, die den Hals nicht voll genug bekommen! Man sollte sich in diesem Zusammenhang auch mal überlegen, wie die Schulden z.B. in Griechenland überhaupt entstanden sind. Vorab muss man wissen, dass in diesem System allem Vermögen auf der Welt die gleiche Summe an Schulden gegenüber steht. Wenn einige Vermögen besitzen, müssen also andere Schulden haben, und umso mehr Vermögen einzelne besitzen, desto mehr Schulden müssen andere haben. Das Ganze ist ein Schwarzerpeterspiel, und einen beißen eben am Ende die Hunde.
Sind die Schulden entstanden, weil zu viele Omas 600 € Rente bekommen haben, oder weil Menschen, die krank waren, medizinisch behandelt wurden? Da hauptsächlich in diesen Bereichen gekürzt wurde, müsste es ja nach dieser Logik so sein. Das ist aber absoluter Schwachsinn!
Die Schulden sind hauptsächlich entstanden:
Das Problem der ungerechten Verteilung, durch das sich dieses perverse System letztendlich sogar selbst auffressen wird, könnte relativ einfach durch die Abschaffung von Zinsen und sonstigen Kapitalgewinnen und die Einführung einer Besteuerung von Vermögen und Besitz gelöst und die Verteilung umgekehrt werden. Da aber unsere Regierungen absolut kapitalhörig sind, unternehmen sie nichts in diese Richtung und unterstützen stattdessen die Kapitalbesitzer und Machthaber in der Umsetzung ihrer Pläne.
Früherer Artikel von Alexander Mink erschien am: 02.11.16
Es war eine der seltenen Gelegenheiten am letzten Wochenende in Bangor, die Lieder
und Erzählungen von Tommy Sands zu erleben, als er seine Multimedia-
Jenny Lee von der Onlinezeitung "THE IRISH NEWS" traf Tommy Sands ein paar Tage
vorher auf seiner aktuellen Skandinavien Tour, während er sich auf eine
Präsentation seiner Lebensgeschichte in Liedern in Bangor freute, und schreibt
unter anderem:
Sands kehrt zurück in die Bangor Abbey als Programmteil der diesjährigen "Reise zu den Ereignissen eines einzigen Tages" (Festival "Journey of a Single Day") in der Stadt, die das Leben und Vermächtnis des heiligen St. Columban feiert. Geboren um 540 (n. Chr.), war Columban (von Luxeuil) eine der höchst einflussreichen spirituellen Persönlichkeiten des frühen Mittelalters, einer dessen Vermächtnis bis heute nachwirkt. Im Jahr 591 reiste er mit 12 Getreuen durch Europa, um Gemeinden und Klöster zu gründen.
Sands ist besonders erfreut, an dem Festival "Journey of a Single Day" teilzunehmen, weil zwei seiner Onkel, Hugh und Tom, Columbanische Missionare waren. "Aus Bangor kamen bedeutende Mönche, die einen großen Einfluss auf Europa hatten. Mein Onkel Hugh Sands war ein Gefangener im kommunistischen China. Darüber werde ich auch in meiner Show sprechen", sagt Sands.
"Ballad of a Songman" wurde zusammengestellt in Zusammenarbeit mit dem Bühnenautor Martin Lynch aus Belfast. Sie enthält Erzählungen, Kindheitsvideos, Geschichte, Gedichte, Philosophie, Politik, Comedy und natürlich den großartigen Stempel von Tommy Sands' Songbook. "Es geht um die Leute, die mein Schaffen beeinflusst und inspiriert haben. Es geht darum, was entlang der Straße und auf beiden Seiten der Hecke passiert", sagt der Siebzigjährige über sein musikalisches Theaterstück.
Hineingeboren in eine musikalische Familie aus dem Vorland des Mourne Gebirges in Co Down, trug Sands seine Musik in die ganze Welt hinaus. Er wurde auch bekannt für seinen politischen Aktivismus und seine humanitäre Arbeit, zu Haus wegen des Aufruhrs im Norden Irlands und im Ausland in den Gefängnissen von Nevada. Sands studierte zunächst Theologie und Philosophie an einem College, um sich dann ganz darauf zu konzentrieren, in der Sands Family Band mitzumachen. Über seine musikalischen Erfolge ist ihm nur die Feststellung zu entlocken: "Wir haben das nie eingeplant." "Wir spielten überwiegend zu Haus und in Gemeindesälen, bevor wir einen Folk-Wettbewerb gewannen, der uns bis in die Carnegie-Hall nach New York führte. Es war eine phantastische Reise."
Natürlich hat es viele Hochs und Tiefs gegeben, die Sands auch in seinen Liedtexten in der Show dokumentiert - vom Tod seines Bruders Eugene während einer Tour durch Deutschland bis hin zu Betrachtungen über einen Auftritt im Madison Square Garden, 2009 in New York, anlässlich des 90. Geburtstages seines Freundes Pete Seeger. "Es war eine wundervolle Nacht. Ich unterhielt mich in meiner Garderobe mit dem Schauspieler Tim Robbins über seine Hauptrolle in dem Film 'Die Verurteilten' (engl. 'The Shawshank Redemption'). Ich fragte ihn, wann wir dran seien und er antwortete: 'Ich glaube, ihr kommt nach Kris Kristofferson und vor Bruce Springsteen.' Es war die größte Geburtstagsparty, die ich jemals erlebt habe", fügte Sands hinzu. Für den nächsten Februar plant er die nächste USA-Tour.
Auf der aktuellen Tour in Norwegen traf ich den irischen Mayobridge-Mann an dem Tag nach dem Sieg Donald Trumps bei den US-Präsidentschaftswahlen in einer nachdenklichen Stimmung an. "Ich habe gerade das Friedens-Nobel-Zentrum in Oslo besucht, um die Schwingungen dieses Ortes mitzunehmen angesichts der bösen Überraschung bei den Wahlen in den Staaten. Eine Menge von Amerikanern war auch dort, um sich mit der veränderten Realität auseinander zu setzen. Ich denke, dass das Wahlergebnis etwas aufreißt, was viele von uns ausgeblendet haben - viele Menschen gehen leer aus. Und wenn Leute sich ausgeschlossen fühlen, dann schauen sie nach etwas anderem."
Wenn er nach seinem stärksten Lied gefragt wird, dann wählt er "There were Roses", das erzählt, wie ein protestantischer Freund in Newry von republikanischen Paramilitärs ermordet wurde, und wie als Ironie der Geschichte dann ein katholischer Freund des Ermordeten zur Vergeltung getötet wurde. "Es wurde geschrieben für eine Kleinstadtwelt, aber darin enthalten ist etwas Universelles."
Deutsche Übersetzung: Manfred Englisch
Yes the multi media show "The Ballad of a Songman" is based on the book "The Songman" and is all about my growing up, my observations not only on the road but what is happening behind the hedges on that road and the songs that came out of all that.
Tommy Sands, Rostrevor, 30.11.2016
Ja, die Multimedia-Schau "Ballade eines Liedermachers" beruht auf dem Buch "Der Liedermann", alles über meine Herkunft und Jugendzeit, meine Beobachtungen und Eindrücke von der Zeit auf der Straße, dabei wird aber auch über den Zaun geschaut - die Lieder sind die Summe aus all dem.
Tommy Sands, Rostrevor, 30.11.2016
Übersetzung: Manfred Englisch
Foto: Heike Zastrow
Tommy Sands ist Leser von American Rebel (soweit wir Artikel in englischer Sprache veröffentlichen): Zur Unterstützung unserer Arbeit übergab er uns einige CDs. Zwei davon wollen wir verkaufen. Der Erlös wird ausschließlich für die Werbung für American Rebel wie z.B. unseren Infostand auf der Rosa-Luxemburg-Konferenz, am 14. Januar 2017 in Berlin, verwendet.
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Bitte gebt an, ob ihr die CD Nr. 1 oder auf die CD Nr. 2 kaufen möchtet. Der Preis pro CD beträgt 15,00 € (incl. Versandkosten).
Trackliste | |
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There Were Roses | 6:18 |
All The Little Children | 3:29 |
I'm Going Back On The Bicycle | 3:00 |
Humpty Dumpty Was Pushed | 3:00 |
Misty Mourne Shore | 4:30 |
The Woman At The Bann | 4:15 |
Peter's Song | 4:07 |
Children Of The Dole | 3:47 |
Daughters And Sons | 3:37 |
Don't Call Me Early In The Morning | 3:55 |
Trackliste | |
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The Music Of Healing | 3:42 |
Who Knows Where The Wind Blows | 3:18 |
Sudako | 3:51 |
The Age Of Uncertainty | 3:17 |
Irish Molly-O (Traditional) | 3:57 |
Back To School Again | 3:16 |
Short Cut Through The Fields | 3:18 |
The Day We Won The All Ireland | 3:21 |
I Hate To Hear People Cry | 2:44 |
A Little Bit More | 3:15 |
Sailing Through The Sky | 3:49 |
Good-Bye Love | 4:28 |
"Frauen im spanischen Krieg 1936 - 1939" ist eine biografische Dokumentation von
Ingrid Schiborowski und Anita Kochnowski, die soeben aus Anlass des 80. Jahrestags
der Gründung der Internationalen Brigaden erschienen ist. Vorgestellt wurde das Buch
kürzlich vom Verein "Kämpfer und Freunde der Spanischen Republik 1936 - 1939 e.V."
(KFSR) in Berlin. Die Herausgabe wurde unterstützt von der Rosa-
Frauen, die zwischen 1936 und 1939 die Spanische Republik und die soziale Revolution verteidigten, stehen im Mittelpunkt dieser biografischen Dokumentation von Ingrid Schiborowski und Anita Kochnowski. Sie ist ein Projekt des Vereins "Kämpfer und Freunde der Spanischen Republik 1936 - 1939 e.V." mit Sitz in Berlin.
Mit ihrer Arbeit holen die Autorinnen den Kampf der mutigen Frauen für Frieden, Freiheit und Demokratie in Spanien, außerhalb Spaniens für die Solidarität mit der spanischen Republik und später im Widerstand gegen den Zweiten Weltkrieg in das Gedächtnis der heute Lebenden. Sie erfassen nach fast einem Jahrzehnt unermüdlicher Recherchearbeit viele Internationalistinnen und Antifaschistinnen aus zahlreichen Ländern, die sich als Milizionärinnen, Krankenschwestern, Ärztinnen, Kraftfahrerinnen, Dolmetscherinnen, Journalistinnen, Fotografinnen für die Republik einsetzten.
Einen großen Raum nehmen die Biografien spanischer Frauen ein, deren historischer Kampf gewürdigt wird. Sie erkämpften sich nach dem Sieg der Volksfront eine völlig neue aktive Rolle in der vom Katholizismus geprägten Gesellschaft. Selbstlos und aufopferungsvoll übernahmen sie in der Landwirtschaft, in den Betrieben, in den Verwaltungen die Arbeit ihrer Männer, die an der Front kämpften. Ihre Emanzipation führte sie auch in die Politik.
Die Sammlung biografischer Daten gibt Auskunft über die familiäre, geografische, berufliche oder politische Herkunft, über die Tätigkeit im Krieg gegen Franco sowie über das Wohin der Frauen nach ihrem Einsatz in Spanien. In den seltensten Fällen fanden die Autorinnen bisher Angaben zu all diesen Lebensbereichen. Oft blieben nur die Namen. Diese Angaben über 3.331 Frauen offenbaren dennoch, dass sie ihren eigenständigen Anteil an der Entstehung und Verteidigung eines neuen Spanien hatten und dass es der Mut, die Einsatzbereitschaft, die Kenntnis der Frauen waren, die den Widerstand gegen Franco so lange aufrecht hielten.
Schiborowski/Kochnowski: Frauen und der spanische Krieg 1936 - 1939. Eine biografische Dokumentation. edition ost, Verlag am Park, 652 Seiten, 16,0 × 23,0 cm, brosch., ISBN 978-3-945187-75-3, Buch 29,99 €.
Ingrid Schiborowski, geboren 1946 machte eine Lehre als Bootsmann beim VEB Binnenreederei,
wurde Stenotypistin, ging zu den bewaffneten Organen und später in die Stadtverwaltung.
Nach einem Fernstudium an der Fachschule Staat und Recht in Weimar war sie als politische
Mitarbeiterin in einer SED-Kreisleitung tätig. Nach 1990 arbeitete sie in der Altenpflege.
Anita Kochnowski, geboren 1951, studierte am Instiiut
für Lehrerbildung in Schwerin und arbeitete als Horterzieherin. Von 1977 bis 2016
war sie als Heimerzieherin in Wittenberge tätig. Sie ist die Schwester von Ingrid Schiborowski.
Beider Vater Adolf Preissler kämpfte in den Internationalen Brigaden in Spanien.
"Ich ziehe meinen Hut vor der immensen Recherchearbeit, die hier geleistet worden ist.
Es ist mehr als verdienstvoll, eine solche Dokumentation zusammengetragen zu haben.
Diese Arbeit wird nie wieder jemand leisten. Aber damit ist der Beitrag von Frauen
bei der Verteidigung der Spanischen Republik für alle Ewigkeit festgehalten.
Dessen können sich alle rühmen, die zur Erarbeitung des Manuskriptes beigetragen haben."
Frank Schumann, Verleger, Berlin, Oktober 2016
Siehe auch:
Spanische Erinnerungen
Seine Heimat musst er lassen, weil er Freiheitskämpfer war
"Es heißt, das Erste, was im Krieg stirbt, sind Wahrheit und Anständigkeit", sagte der deutsche Journalist und Satiriker Wolfgang J. Reus in den 70er Jahren. Heute, im Zeitalter globaler Vernetzung und digitaler Kommunikation, haben es die Herrschenden und ihre Marionetten in den Regierungen und den bürgerlichen Presseagenturen noch viel einfacher, Informationen zu filtern, hinzuzudichten und denen zugänglich zu machen, die es wissen sollen.
Der in Brüssel lebende US-Amerikaner und Russland-Experte Gilbert Doctorow warnt eindringlich vor dem Dritten Weltkrieg und stellt dazu Überlegungen an, die der »Tagesshow« und Anderen fremd sind.
Die zwischen den USA und Russland wegen der Ukraine entstandene Konfrontation, die
sich wegen Syrien noch verschärft hat, sei viel gefährlicher, als die Analysten
der US-
In einem Interview mit der BILD-Zeitung, das am 8. Oktober veröffentlicht wurde, beschrieb der für seine zurückhaltende Rhetorik bekannte deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier die gegenwärtige internationale Lage mit folgenden besorgten Worten: "Leider ist es eine Täuschung, zu glauben, der alte Kalte Krieg sei wieder zurückgekehrt. Die neuen Zeiten sind anders, sind gefährlicher. Früher war die Welt zweigeteilt, aber Moskau und Washington kannten ihre roten Linien und respektierten sie. In einer Welt mit vielen Regionalkonflikten und abnehmendem Einfluss der Großmächte sind künftige Entwicklungen kaum noch vorhersehbar." Steinmeier sagte weiter: "Aus diesen Gründen müssen die USA und Russland ihre Gespräche fortsetzen." Er schloss seine Aufforderung mit der ausgewogenen Empfehlung, zur Lösung der humanitären Krise im Ostteil Aleppos sollten sowohl Russland als auch die USA auf die am Boden kämpfenden Parteien einwirken.
Leider ist festzustellen, dass dieser Appell an die Vernunft auf taube Ohren stieß. Noch am selben Tag erklärte ein Sprecher des US-Außenministeriums vor Journalisten in Washington, man habe am Wochenende die Friedensgespräche mit Moskau abgebrochen, "weil es mit den Russen nichts mehr zu besprechen gab". Die russische Seite fühlt sich nach dieser einseitig verkündeten Entscheidung der USA nicht mehr an die am 9. September zwischen US-Außenminister John Kerry und dem russischen Außenminister Sergei Lawrow getroffene Vereinbarung gebunden; darüber war 14 Stunden verhandelt worden, und beide hatten geglaubt, damit hätte die Kooperation über die Konfrontation gesiegt.
Nach russischer Ansicht wurde diese Vereinbarung de facto bereits am 17. September vom Pentagon gebrochen, als Kampfjets der USA und ihrer Koalition einen Vorposten der regulären syrischen Armee bei Deir ez-Zour bombardierten und mehr als 60 syrische Soldaten töteten (s. hier). De facto halten sich auch die Russen seit dem 23. September nicht mehr an die Waffenruhe; gemeinsam mit der syrischen Luftwaffe fliegen sie seither wieder schwere Luftangriffe auf den Osten Aleppos - zur Unterstützung der syrischen Bodentruppen. Nachdem die USA die Zusammenarbeit mit Russland in Syrien offiziell als beendet erklärt haben, reagierte auch Russland sehr deutlich, indem es "eine radikale Veränderung der Beziehungen zwischen beiden Staaten" ankündigte.
Mehrere Reaktionen der Russen, die am 3. Oktober und in der darauffolgenden Woche erfolgten, wurden auch von den Mainstream-Medien der USA und anderer westlicher Staaten zur Kenntnis genommen. Sie berichteten über die Entscheidung der Russen, das im Jahr 2000 mit den USA geschlossene bilaterale Abkommen über die Wiederaufbereitung waffenfähigen Plutoniums zur Stromgewinnung in Atomkraftwerken auszusetzen. Das geschah, weil die USA die mehr als 18 Milliarden Dollar nicht aufbringen wollen, die sie der zugesagte Bau einer dafür notwendigen Anlage kosten würde.
Außerdem erfuhren wir, dass in Russland Zivilschutzübungen für 40 Millionen Menschen durchgeführt werden - allerdings ohne Angabe des Grundes. (Damit sollen die Russen auf die Gefahr eines Atomkrieges aufmerksam gemacht werden.) Die westlichen Medien berichteten auch über die Erklärung des russischen Verteidigungsministeriums, dass die beiden modernsten russischen Luftverteidigungssysteme mit Raketen der Typen S-300 und S-400 nach Syrien gebracht wurden und bereits einsatzbereit seien. Der Pentagon-Sprecher tat überrascht, und stellte die rhetorische Frage, was das wohl solle?
Schließlich hörten wir in dieser Woche auch noch, dass Russland Boden-Boden-Raketen des Typs Iskander, die schneller als der Schall und mindestens 500 Kilometer weit fliegen und vermutlich auch einen Atomsprengkopf tragen können, in seine zwischen Litauen und Polen liegende Exklave Kaliningrad verlegt hat. Die polnischen Militärs fühlten sich sofort bedroht und verkündeten, sie hätten ihre Streitkräfte in Alarmbereitschaft versetzt. Der Pentagon-Sprecher versuchte sie mit dem abwiegelnden H inweis zu beruhigen, diese Raketen seien ja vor zwei Jahren schon einmal zu einem Manöver dorthin verlegt worden; jetzt werden sie aber dauerhaft dort stationiert (s. hier).
Das Verhalten des Pentagons zeigt, dass man in der Öffentlichkeit die Bedeutung der in der letzten Woche getroffenen russischen Maßnahmen herunterspielen möchte. In diesem Zusammenhang sind auch weitere Informationen wichtig, die am vergangenen Sonntag im Abendprogramm des staatlichen russischen Fernsehens verbreitet wurden. Daraus können auch Laien erkennen, wie radikal die "Veränderung der Beziehung zwischen Russland und den USA" tatsächlich ist. Das auf Kanal Rossiya 1 des staatlichen russischen Fernsehens gesendete Programm "Vesti Nedeli" (Neuigkeiten der Woche) wird von Dmitri Kisseljow moderiert. Dieses zweistündige, zur Hauptsendezeit ausgestrahlte Magazin ist die wichtigste Nachrichtensendung Russlands und hat regelmäßig viele Millionen Zuschauer. Die erste halbe Stunde der Sendung am Sonntag, dem 9. Oktober, war aber hauptsächlich an Adressaten in Washington D.C. gerichtet; man wollte kaltes Wasser über die Hitzköpfe im Pentagon und bei der CIA gießen, und die Führung der USA wieder zur Vernunft bringen.
Dmitri Kisseljow ist nicht nur der Moderator von "Vesti Nedeli". Er ist auch der Chef aller Nachrichten- und Informationsprogramme des staatlichen russischen Rundfunks und Fernsehens. Er hat großen Einfluss und macht aus seinem Patriotismus keinen Hehl. Wir können davon ausgehen, dass alles, was er sagt, vom Kreml gebilligt wird. Wegen der Wichtigkeit der von Kisseljow verbreiteten Botschaft möchte ich sehr ausführlich und mit nur geringen Kürzungen aus meiner (englischen) Niederschrift seiner Äußerungen zitieren:
"In der letzten Woche haben sich die Beziehungen zwischen den USA und Russland, wie
zu erwarten war, dramatisch verändert. Es macht nämlich wenig Sinn, sich
angesichts der Verlogenheit und Unzuverlässigkeit der US-
Kisseljow fuhr fort: "Wer uns dabei unterstützen will, kann sich uns anschließen. Die USA schienen das zu wollen, haben es sich dann aber anders überlegt und ihre militärische Zusammenarbeit mit Russland in Syrien am Montag eingestellt - mit einer Ausnahme, die Funkverbindung, die verhindern soll, dass es zu militärischen Zusammenstößen kommt, besteht derzeit noch. Damit sind wir wieder da angelangt, wo wir vor dem 9. September waren - bevor sich Kerry und Lawrow auf eine Waffenruhe verständigt haben. Dann kam aber US-Verteidigungsminister Ashton Carter ins Spiel; er eröffnete eine zweite Front und zwang Kerry, an beiden Fronten zu kämpfen. Kerry, der glaubte, sich nur mit den Russen auseinandersetzen zu müssen, geriet unter 'eigenes Feuer' aus dem Pentagon.
US-Kampfjets bombardierten Vorposten der syrischen Armee - und zwar vorsätzlich. Der Angriff war mit den Terroristen abgestimmt, denn sie griffen sofort danach an. Dann gab es am 20. September auch noch den gefakten Angriff auf einen humanitären Konvoi in der Nähe von Aleppo (den man den Russen in die Schuhe schieben wollte s. hier). Damit war Moskau klar, dass Diplomatie für das Pentagon nur ein Mittel zum Zweck ist. Kerry musste den US-Luftangriff (auf den Vorposten) dann auch noch als Versehen verkaufen. Wir müssen uns heute Abend mit der radikalen Veränderung unserer Beziehungen zu den USA befassen. Dazu gehören auch die drei mit Kalibr-Marschflugkörpern ausgerüsteten russischen Kriegsschiffe vor der syrischen Küste, die Verlegung zusätzlicher Luftverteidigungssysteme S-300 nach Syrien und die Entsendung von 5.000 russischen Fallschirmjägern nach Ägypten. Zu nennen sind auch die Kündigung von Atomabkommen mit den USA und die Zivilschutzübung in der letzten Woche, bei der sich 200.000 Zivilschützer um 40 Millionen Menschen kümmerten. Eine solche Häufung von Vorsichtmaßnahmen hat es vorher noch nie gegeben."
Kisseljow erklärte außerdem: "Die Aufmerksamkeit richtet sich jetzt vor allem auf den Osten Aleppos; der befindet sich noch unter der Kontrolle von Terroristen, die Hunderttausende von Zivilisten als Geiseln und menschliche Schutzschilde festhalten. Sie exekutieren Menschen, die fliehen wollen. Das können wir nicht länger dulden. Mit den Terroristen kann man auch keine Vereinbarungen treffen. Die syrische Armee führt deshalb eine Offensive gegen sie durch. Über den Kampf Russlands gegen die Terroristen in Syrien werden ganz viele Lügen und Verleumdungen verbreitet, weil die USA dadurch ihren Anspruch auf Alleinherrschaft bedroht sehen und die Dinge sich nicht so entwickeln, wie man sich das in Washington vorgestellt hat. Es sieht so aus, als werde Barack Obama noch vor Baschar al-Assad aus dem Amt scheiden. Und die gegen Russland verhängten Sanktionen haben nicht die erhoffte Wirkung...
Washington hat bereits verkündet, es werde jetzt zum so genannten Plan B übergehen. Man hat zwar keine Details genannt, aber jeder weiß, was damit gemeint ist. Plan B besteht darin, dass die USA jetzt mehr direkte militärische Gewalt in Syrien anwenden wollen. Es ist nicht schwer zu erraten, gegen wen sie das tun wollen - natürlich gegen Assad, gegen die reguläre syrische Armee und gegen die russischen Truppen, die sich (auf Bitten der syrischen Regierung, also) völlig legal in Syrien aufhalten. Können wir diese Entwicklung verhindern? Nein, wir müssen uns schon wieder auf Provokationen einstellen - wie in den beiden Weltkriegen. Der Vietnam-Krieg hat mit einer von den USA organisierten Provokation begonnen (s. hier), ebenso die Überfälle auf den Irak und auf Libyen. Die USA ignorieren das Völkerrecht und haben sich bisher noch von niemandem von ihren Angriffskriegen abbringen lassen."
Kisseljow ergänzte: "Moskau reagiert gelassen auf Plan B. Es sattelt in aller Ruhe, damit es gut gerüstet losreiten kann. Um zu verstehen, wie rasch sich die Beziehungen zwischen Russland und den USA verändert haben, müssen wir zum Anfang der Woche zurückgehen. Lassen Sie uns noch einmal die Ereignisse seit Montag überblicken. Zuerst will ich Ihre Aufmerksamkeit auf die jüngste Rede des russischen Präsidenten Wladimir Putin lenken. Er hat noch ruhiger und besonnener als sonst gesprochen, als er die erste Sitzung der neuen 7. Duma eröffnet hat. Er wollte uns allen die anstehenden schwierigen Probleme bewusst machen, damit sie in unsere Herzen und Hirne dringen. Er hat nicht über Gesetzentwürfe, sondern über die aktuelle Weltlage geredet. Putin hat uns aufgefordert, zusammenzustehen. Er bezeichnete die Einheit der Russen als wesentliche Voraussetzung für die Existenz unseres Staates. Zur Erhaltung unser Souveränität sei Stärke notwendig. In dieser Duma-Sitzung kündigte Putin auch an, das Plutonium-Abkommen mit den USA werde ausgesetzt."
Hier ging Kisseljow über Putins Aussagen zu dem Plutonium-Abkommen vor der Duma hinaus und erläuterte die Bedeutung dieser Maßnahme für Außenstehende. Er lenkte die Aufmerksamkeit vor allem auf die Gründe für die Aussetzung des Abkommens: Die feindlichen Aktivitäten der USA gegen die Russische Föderation "bedrohten die strategische Stabilität", außerdem seien die USA nicht der ihnen aus der Vereinbarung erwachsenden Verpflichtung nachgekommen, waffenfähiges Plutonium auch tatsächlich durch Wiederaufbereitung unbrauchbar zu machen. Kisseljow legte besonderen Wert auf Punkt 2 des Aussetzungsbeschlusses. Der Text war auf dem Fernsehschirm zu lesen; die wichtigsten Passagen waren mit gelber Farbe unterlegt und sind nachfolgend abgedruckt:
"Das Plutonium-Abkommen und die dazugehörenden Protokolle können wieder in Kraft treten, wenn die USA die Ursachen, die zu seiner Aussetzung geführt haben, beseitigen.
1) Die militärische Infrastruktur und die Truppen, welche die USA auf den Territorien von NATO-Staaten stationiert haben, die dem Bündnis erst nach dem 1. September 2000 beigetreten sind, müssen auf das Niveau reduziert werden, auf dem sie sich am Tag des Inkrafttretens des Plutonium-Abkommens befanden.
2) Die USA stellen ihre feindliche Politik gegenüber der Russischen Föderation ein, indem sie
a) das als Sergei-Magnitsky-Gesetz (s. hier) bezeichnete US-Gesetz aus dem Jahr 2012 (s. hier) und das gegen Russland gerichtete US-Gesetz zum Schutz der Freiheit der Ukraine aus dem Jahr 2014 aufheben,
b) durch die Aufhebung aller von den USA gegen die Russische Föderation - und zwar gegen Personen und Einrichtungen - verhängten Sanktionen,
c) durch die Entschädigung aller unter b) genannten Schäden, die der Russischen Föderation durch die Sanktionen entstanden sind, einschließlich der Verluste durch Gegenmaßnahmen, die von der Russischen Föderation infolge der Sanktionen getroffen werden mussten.
d) durch Vorlage eines Planes, mit dem die USA nachweisen, wie sie die vertraglich eingegangene Verpflichtung zur Wiederaufbereitung ihres Plutoniums erfüllen wollen."
Kisseljow nannte diese Bedingungen zu Recht ein "Ultimatum" an des Weiße Haus. Es verschlägt einem den Atem, denn der Kreml ließ seinen deutlichen Worten sofort Taten folgen. Kisseljow teilte nämlich ebenfalls mit, die russische Regierung habe am Dienstag alle im Bereich der Atomphysik bestehenden wissenschaftlichen Kontakte zu den USA abgebrochen. Am selben Tag wurde auch die Zusammenarbeit zwischen RosAtom und dem US-Energieministerium auf dem Gebiet der Kernreaktoren gestoppt. Dann wies Kisseljow noch darauf hin, dass die Russen "von jetzt an nicht mehr auf die Bremse, sondern auf das Gaspedal treten". Es seien drei russische Lenkwaffen-Kriegsschiffe der Schwarzmeer-Flotte ins östliche Mittelmeer verlegt worden - als Vorsichtmaßname für den Fall, dass die USA ihren Plan B umsetzen. Sie seien mit zwei Typen von Raketen ausgestattet: mit Kalibr-Marschflugkörpern, die atomar bestückt werden können und eine Reichweite von 2.600 km haben, und mit Onyx-Raketen, die schneller als der Schall fliegen und zur Bekämpfung von Schiffen dienen.
Am gleichen Tag, den Kisseljow als "Schwarzen Dienstag" bezeichnete, habe die russische Regierung bestätigt, dass sie ihr modernstes Luftabwehrsystem S-300 in Syrien installiert hat. Zum Beweis zeigte er ein Video von einer Pressekonferenz, die Igor Konaschenkow, der Chef des Presse- und Informationsamtes des russischen Verteidigungsministeriums zur Lage in Syrien gegeben hatte. Konaschenkow hatte erklärt, das russische Luftabwehrsystem sei nach Syrien verlegt worden, weil die USA und Frankreich mit der Errichtung einer "Flugverbotszone" gedroht und die USA und ihre Koalition am 17. September einen Vorposten der syrischen Armee bei Deir ez-Zour angegriffen hätten. Konaschenkow hatte außerdem betont, es bleibe jetzt keine Zeit mehr, um mit den US-Amerikanern über einen heißen Draht über die Ziele anfliegender Tarnkappenbomber oder Raketen der USA zu diskutieren, sie würden einfach abgeschossen, was auch immer "die Dilettanten in US-Militärkreisen" darüber dächten. Konaschenkow hatte außerdem mitgeteilt, das russische Militär führe in umkämpften Gebieten in Syrien, in denen militante Gegner zu Verhandlungen bereit seien und ihre Waffen niederlegten, auch humanitäre Aktionen durch. Deshalb könnten bei US-Luftangriffen auch russische Kräfte zu Schaden kommen, was man aber nicht hinnehmen werde.
In seiner Sendung am Mittwoch ließ Kisseljow sein Publikum außerdem wissen, Russland habe Washington offiziell mitgeteilt, dass die bereits installierte US-Raketenbatterie in Rumänien und die geplante in Polen beide gegen das Abkommen über Mittelstreckenraketen verstoßen, weil sie sowohl defensiv als auch offensiv eingesetzt werden können. Russland habe eigentlich nicht vor, das Abkommen über Mittelstreckenraketen zu kündigen, weil es diese wichtige Abrüstungsvereinbarung aus den Reagan-Gorbatschow-Jahren erhalten möchte, werde es aber tun, wenn die USA nicht einlenkten. In diesem Zusammenhang steht auch die Ankündigung Moskaus vom gleichen Tag, dass Iskander-Raketen dauerhaft - und nicht nur für ein Manöver - nach Kaliningrad verlegt wurden. In der gleichen Woche gab das russische Verteidigungsministerium ein beispielloses Manöver in Ägypten bekannt: Dort üben 5.000 mit neuartigen Fallschirmen ausgerüstete Fallschirmjäger Absprünge und Gefechte in Wüstenuniformen.
Kisseljow sagte, der stellvertretende russische Verteidigungsminister habe mitgeteilt, sein Ministerium prüfe gerade die Möglichkeit, wieder Militärbasen in Kuba und in Vietnam zu errichten. Und zum Jahrestag des ersten Sputnik-Starts feierte Moskau sein Raketen-Korps mit Videos vom Start neuer "schrecklicher" Raketen. Zusammenfassend stellte Kisseljow fest, die Ereignisse der vergangen Woche zeigten, dass die Atmosphäre sehr aufgeladen sei. Daran schuld seien die ständige Osterweiterung der NATO, die Kündigung des ABM-Vertrages durch die USA, die vom Westen inszenierten bunten Revolutionen, die Verleumdung Russlands und der auf Lügen beruhende Propagandakrieg des Westens. Diese unfreundlichen Akte müssten aufhören.
Gegen Ende seiner Sendung stellte er die rhetorische Frage, ob das gefährlich sei und bejahte sie natürlich. Obwohl Russland moralisch und waffentechnisch auf einen Krieg gegen die USA vorbereitet ist, um seine nationalen Interessen - auch in Syrien - zu verteidigen, beendete Kisseljow den halbstündigen Nachrichtenteil seiner wöchentlichen Sendung versöhnlich. Er sagte, die russische Regierung sei zwar auf das Schlimmste gefasst, hoffe aber immer noch auf einen guten Ausgang. Er zitierte Dmitri Peskow, den Pressesprecher Putins, der darauf bestanden habe, dass Russland immer noch zur Zusammenarbeit bereit sei. So schlimm sich die Aufzählung der "radikalen Veränderungen in den Beziehungen zwischen Russland und den USA" auch anhören mag, die von Kisseljow genannten Maßnahmen und Absichten Russland waren noch nicht einmal vollzählig. In der gleichen Woche sickerte die russische Absicht durch, in Ägypten eine Marinebasis zur Unterstützung russischer Operationen im westlichen Mittelmeer zu errichten; die gab es noch nicht einmal im Kalten Krieg.
Es sollte auch beachtet werden, dass über das Thema russische Militärbasen im Ausland ebenfalls zur Hauptsendezeit in einem anderen wichtigen Programm des russischen Staatsfernsehens informiert wurde - in der Sendung "Sonntagabend mit Wladimir Solowiew" am 9. Oktober, der populärsten und beliebtesten Talkshow, die ebenfalls vom Kanal Rossiya 1 ausgestrahlt wird. Abweichend von der normalen Praxis nahmen an dieser Ausgabe nur russische Diskutanten - und zwar überwiegend hochrangige - teil. Die bekannteste Politikerin war Irina Jarowaja, die knallharte und kluge Stellvertretende Duma-Vorsitzende, die vor allem dadurch bekannt wurde, dass sie ein Überwachungsgesetz durchsetzte, das Edward Snowden im Juli als "Gesetz des Großen Bruders" bezeichnet hat. Frau Jarowaja, die gerade Stellvertretende Vorsitzende der Duma geworden war, eröffnete die Talkshow, in der es um einen Vergleich der militärischen Stärke der USA und Russlands ging. Frau Jarowaja stellte fest, das Verteidigungsbudget der USA sei 1992 noch 77mal so hoch wie das Russlands gewesen, 2015 immerhin noch zehnmal so hoch. Auf die USA entfielen 36 Prozent der weltweiten Militärausgaben, auf Russland gerade mal 4 Prozent. Sie frage, sich, warum die USA so viel Geld für ihr Militär ausgäben und gab sich selbst die Antwort, um die politische Landschaft zu beherrschen. In diesem Zusammenhang erklärte sie, Russland werde das nun nicht mehr zulassen.
An dieser Stelle schaltete sich das zweite politische Schwergewicht in die Debatte ein - Wladimir Schirinowski, der Vorsitzende der nationalistischen Liberal-Demokratischen Partei Russlands/LDPR, die bei den Wahlen im September bemerkenswert gut abgeschnitten und als Belohnung den Vorsitz im Auswärtigen Ausschuss der Duma erhalten hat. Auch dieses wichtige Detail der politischen Situation in Russland ist den Kommentatoren in den USA und im übrigen Westen völlig entgangen. Schirinowski betonte, Russland sei militärisch viel stärker, als ein Vergleich der Militärausgaben der USA und Russlands vermuten lasse. Schließlich gäben die US-Amerikaner einen großen Teil ihres Verteidigungsbudgets für Toilettenpapier, Würstchen und den Unterhalt ihrer über 700 Militärbasen im Ausland aus. Trotz dieser ironischen Bemerkung über die US-Basen, hielt er sie natürlich auch für bedrohlich und schlug im Lauf der Diskussion vor, auch Russland solle sich mindesten 100 Militärbasen im Ausland zulegen. Um einschätzen zu können, wie wahrscheinlich die Errichtung russischer Militärbasen im Ausland ist, müssen wir uns daran erinnern, dass Wladimir Putin vor nicht allzu langer Zeit gesagt hat, weil Russland keine Auslandsbasen habe, zähle es auch nicht zu den Supermächten und er habe auch nicht den Ehrgeiz, es in eine Supermacht zu verwandeln.
Die "US-Kriegsfalken", die Putin unterstellen, von der Wiedergeburt der Sowjetunion zu träumen, verbreiten kompletten Unsinn. Aber es gibt einen Traum, einen ganz neuen Traum in Moskau, den es vor der direkten und existenzbedrohenden Konfrontation mit den USA nicht gab. Russland möchte nicht nur als Großmacht, sondern als Weltmacht mit globalen Interessen anerkannt werden. Mit der Russland entgegengebrachten Feindschaft und den gegen seine Existenz gerichteten Bedrohungen haben die USA in den Russen schlimme (in ihrer Vergangenheit begründete) Ängste geweckt. Übrigens stammen alle in meinem Artikel verwendeten Informationen aus offenen Quellen. Die Fernsehprogramme wurden öffentlich ausgestrahlt und konnten auch von den Mitarbeitern der US-Geheimdienste angeschaut werden, die in der US-Botschaft in Moskau beschäftigt sind. Sie sind auch für alle daran interessierten Russisch sprechenden CIA-Analysten in Langley zugänglich, weil sie innerhalb von 24 Stunden auch auf youtube.com zu sehen sind.
Außerdem schickt die CIA häufig sogar einen eigenen Agenten in die Talkshows, die mehrmals pro Woche zur Hauptsendezeit im russischen Fernsehen stattfinden. Wegen seiner hervorragenden russischen Sprachkenntnisse ist er ein willkommener und gut bezahlter Gast bei staatlichen russischen Fernsehsendern, und weil er regelmäßig die Politik Washingtons verteidigt, ist er genau der US-Amerikaner, dem die russischen Zuschauer eine Art Hassliebe entgegenbringen. Er hat natürlich den Auftrag, in den Talkshows den russischen Politikern zu widersprechen und ihnen in den Pausen auch selbst Fragen zu stellen. Von einem russischen Politiker weiß ich, dass ihn der CIA-Mann letzte Woche gefragt hat: "Wird es Krieg geben?" Wenn die US-Geheimdienste ihren Job professionell betreiben, und ich will einmal annehmen, dass sie das tatsächlich tun, dann müssten sie nicht nur den Präsidenten Obama, sondern auch die beiden Präsidentschaftskandidaten bereits auf die oben aufgezeigten Entwicklungen in den US-amerikanisch-russischen Beziehungen hingewiesen haben.
In diesem Fall erhebt sich die rätselhafte und eigentlich skandalöse Frage: Warum hat der US-Präsident bisher kein Wort über die "radikale Veränderung der Beziehungen zu Russland" gesagt? Und warum haben sich weder die Kandidatin noch der Kandidat dazu geäußert, als sie bei ihrem zweiten Zusammentreffen am 9. Oktober gefragt wurden, wie sie auf das Töten im Osten Aleppos zu reagieren gedenken? Hillary Clinton hat bei ihrer Antwort, die USA sollten durch die Errichtung einer "Flugverbotszone" über Syrien weitere Bombenangriffe der russischen und der syrischen Luftwaffe unterbinden, "übersehen", dass dann wohl US-Kampfjets und US-Kriegsschiffe von den Russen beschossen und zerstört würden, was vermutlich den Dritten Weltkrieg auslösen würde. Entweder sind sie und ihr Team nicht auf dem neuesten Stand, oder sie spielen ein sehr gefährliches Spiel. Donald Trump hat etwas besser reagiert - er sagte, Ost-Aleppo sei eh verloren, und kam damit der Realität sehr viel näher. Das offizielle Schweigen der USA zur Botschaft Russlands, dass es auch aus nationalem Eigeninteresse Syrien mit allen militärischen Mitteln verteidigen werde, lässt vermuten, dass sich die US-Regierung gerade in einem Blindflug befindet.
Gilbert Doctorow ist der Europa-Koordinator des American Comitee for East West Accord. Sein neuestes Buch "Does Russia Have a Future?" (Hat Russland eine Zukunft?, Anm. der Red.) wurde im August 2015 veröffentlicht.
Quelle: Gegenmeinung vom 26. Oktober 2016
Übersetzung: luftpost-Kl.de
Originaltext in englisch 14. Oct. 2016
Frühere Beiträge "Was die >Tagesshow< verschweigt" erschienen am 09.11.2016, 26.09.2016, 25.07.2016, 06.07.2016
Es ist nun mal so: Die Arbeiter der großen Werke wie GM oder Ford haben diesen reaktionären Oligarchen Trump ins Amt des Präsidenten gewählt. Glauben die Arbeiter wirklich, dass einer, der im Privatjet durch die Gegend düst, der an einem Tag mehr verdient als ein Arbeiter von GM im Jahr, dass der sich für die Interessen der Arbeiter einsetzt? Kaum zu glauben!
Das wird er auch nicht. Er macht die Politik der Wallstreet, wie sie bisher Obama, Bush und der Ehemann der Dame Clinton und alle Präsidenten der USA seit Menschengedenken auch machten. Wenn es im Interesse des Monopolkapitals ist, stürzen die USA andere Völker - auch das eigene - in Kriege. Immer geht es dabei um die Profite und den ökonomischen und damit politischen Einfluss der USA überall in der Welt. Die Partei - ob Republikaner oder Demokraten - spielt da keine Rolle. Die beiden US-Parteien unterscheiden sich kaum. Die reaktionärsten Rassisten gehören beiden Parteien an, ja die Südstaaten-Demokraten sind meist rassistischer.
Unsere Medien gaukeln uns vor, dass die Demokraten fortschrittlicher seien und eher zu friedlichen Lösungen neigen als die Republikaner. Wie aber war es mit dem Krieg in Korea? Während der Präsidentschaft des Demokraten Harry S. Truman begann der Koreakrieg, die Regierung Eisenhower (Republikaner) beendete ihn. Ähnlich im Vietnamkrieg: Unter dem Präsidenten Kennedy begann dieser Krieg, der Demokrat Johnson weitete ihn aus und unter dem Republikaner Nixon ging er zu Ende. Sicher nicht ganz freiwillig. In Korea mussten die USA einsehen, dass sie den Krieg nicht gewinnen können. Ihnen standen neben der Volksarmee des Nordens mindestens 100.000 chinesische Volksfreiwillige gegenüber und sie hatte die UdSSR Stalins gegen sich.
Beide US-Parteien sind sich in ihrer Haltung sehr ähnlich. So die Welle von Putschen in Lateinamerika, z.B. Guatemala, Argentinien, Chile, Venezuela usw. in den 60er und 70er Jahren bis heute wurden von Regierungen der Republikaner und der Demokraten angezettelt. So war Henry Kissinger, der Sicherheitsberater Nixons, Drahtzieher des Putsches in Chile und des Mordes an Zehntausenden Chilenen - auch des Mordes am chilenischen Präsidenten Allende.
Jetzt haben wir wieder einen neuen US-Präsidenten der reaktionärsten Sorte: Der hantiert - vorerst nur verbal - mit Atomwaffen. Demnächst auch real? Die Clinton sprach nicht von Atomwaffen, aber einsetzen würde sie sie ggf. auch.
Offensichtlich sehen viele der Industriearbeiter ihn als Hoffnungsträger. Wie kommen sie zu diesem naiven Glauben? Nun:
Diese Manipulationen sollen verhindern, dass das Volk das Wissen bekommt und es befähigt wird, die Politik der Herrschenden zu durchschauen. Und so erscheint ihnen eben ein Oligarch als Interessensvertreter der Arbeiter. Das ist eigentlich absurd, aber Irrationalität ist im Kapitalismus normal. Eine Gesellschaft, in der Erfolge als Betrüger und Spekulant das Ansehen steigern, diese Gesellschaft sucht auch nach Lösungen, wie sie in die Zukunft sehen kann. George W. Bush legte die Bibel fundamentalistisch aus, Trump glaubt an die Macht der bedruckten bunten Scheine - Dollars genannt, und ihm glauben die kleinen Leute. Wer viel Geld hat, kann nicht bestochen werden und der ist auf meiner Seite - sagen viele.
Natürlich passten den Herrschenden in Europa - vor allem auch in Deutschland - die Clinton mehr als Trump. Die Clinton kannte man aus der Vergangenheit, man hatte gute Kontakte zu deren Anhang und man war sich sicher, dass sie die Wahl gewinnt. Auch mit Trump bricht in den USA nicht der Sozialismus aus. Die USA machen die imperialistische Politik, wie sie seit Ende des 2. Weltkrieges gemacht wurde, weiter. Das wird und kann auch ein Trump nicht ändern und will er auch nicht. Vielleicht ändert sich der Regierungsstil, aber das ist auch das Äußerste.
Viele der Herrschenden in Europa sahen sehr schnell nach dessen Wahl Positives in Trump. Wenn die USA sich mehr nach innen ausrichten und weniger Dollars für NATO und anderes ausgeben wollen - bitte. Herr Junckers faselte sogar schon von einer Europaarmee, und dann sieht z.B. Herr Gauck die Möglichkeit für den deutschen Imperialismus in die Bresche zu springen und in einigen Kriegen selbst führend zu sein und die Beute kassieren.
Deutschland soll wieder Weltmacht werden. Zu was das führt, erlebten unsere Vorfahren im 1. Weltkrieg und deren Kinder im 2. Weltkrieg: Millionenfacher Tod, Kriegsverbrechen und Massenelend. Imperialismus ist nun mal ein Verbrechen an der Menschlichkeit - ob fortschrittlich getarnt (wie bei den Demokraten in den USA oder den Sozialdemokraten Europas) oder nicht.
Erstveröffentlichung: kommunisten-online.de, 15. November 2016
Frühere Beiträge von Günter Ackermann erschienen am 18.10.2016, 09.10.2016, 07.09.2016, 26.08.2016, 16.08.2016, 29.07.2016, 08.07.2016
Dass es so kommen konnte, war ja schon dadurch möglich, dass Trump die Möglichkeit hatte, überhaupt anzutreten. Dass man ihn in Amerika offenbar unterschätzt hat, ist ein Beleg dafür, wie realitätsfremd dort die Regierung Obama, die Medien und die Demoskopen sein müssen. Nach einem Wahlkampf, der fast nur persönliches Hickhack war, gab es nun dieses Ergebnis. Amerika und die Welt muss sich darauf einstellen. Ich bin mal gespannt, nach welch wahrscheinlich kurzer Zeit unsere Regierung ihn als FREUND in die Arme schließt. Über die medialen Ergüsse, der Leitmedien, der letzten Tage möchte ich nicht spekulieren, und ich glaube sogar, die warten ab. Ansonsten werden die, die hier wirklich Macht haben (Wirtschaftsbosse und Banken) jetzt mehr auf Börsenentwicklungen achten, als auf Zeitungsartikel in der BILD usw.
Dirk Benicke, Berlin, 16.11.2016
Ich stimme Günter Ackermann grundsätzlich zu. Vor allen Dingen deshalb, weil die Wähler keine wirkliche Alternative hatten außer Pest oder Cholera. Ich gehe davon aus, dass ein entscheidender Aspekt für die Wahl von Trump die Vermutung war, dass es dann nicht so weiterlaufen wird, wie es mit Clinton voraus zu sehen war. Das ist aus Sicht der sogenannten Volksvertreter in Berlin und Brüssel bestätigt. Wenn Clinton gewonnen hätte, dann war man sich sicher, einfach zur Tagesordnung übergehen zu können. Ob Trump für ein sozialeres Umfeld sorgen wird, wage ich auch zu bezweifeln. Aber es könnte hinsichtlich Kriegstreiberei und dem Verhältnis zu Russland Verbesserungen geben.
Bernd Rittmeyer, Nauheim, 16.11.2016
Hier mal meine Einschätzung zur "Großwetterlage", also zu Trump, Merkel, Europa, Vasallen, Interessengruppen, Monopoly und Strategien.
Aus meiner Sicht geht gerade aus den aggressiven Reaktionen aus Politik und Mainstream-Medien und den Aussagen von Merkel und Obama hervor, dass sich gewisse Kreise wirklich Sorgen darüber machen, dass Trump aus der Reihe tanzen, bzw. die USA nun stärker von anderen Interessengruppen gesteuert werden und einen Strategiewechsel vollziehen könnten. Deshalb wenden sich diese Kreise sofort stärker der deutschen Regierung und Europa zu, um ihre Interessen weiterhin durchgesetzt zu bekommen, und Merkel als Frau der deutschen Eliten und neuer Kopf Europas übernimmt mehr als bereitwillig. (Zitat Merkel: "Deutschland hat von den USA viel Hilfe bekommen. Jetzt ist Deutschland in der Lage, die Ordnung der Welt aufrecht zu halten.")
Hier bestätigt sich auch, dass Deutschland kein Vasall der USA ist und dass das Geschwätz mancher Leute über Souveränität völlig am eigentlichen Ziel vorbei geht. Nein, wir sind wirklich keine Vasallen der USA, wir sind genauso wie die USA und nahezu alle anderen Staaten Vasallen des globalen Finanzkapitals und der Großkonzerne. Auch europäische Player mischen hier durchaus stark mit, und auch die Eliten Deutschlands sind ein wesentlicher Motor, die die aktuelle Spielart des Neoliberalismus weltweit verankern möchten und dafür sorgen, dass die damit notwendige Militarisierung und das Auseinanderdriften von Gesellschaften vorangetrieben wird.
Das alles soll aber nicht bedeuten, dass ich Trump positiv werte. Trump ist genauso ein Clown gewisser Interessengruppen wie Obama, Clinton oder Merkel und er stünde nicht dort, wenn ihn diese nicht dort hin gepusht hätten. Er vertritt aber andere Interessengruppen, und deren Ziele bedeuten auch eine andere Politik. Ich würde das Ganze mit einem Monopoly-Spiel vergleichen, bei dem die einzelnen Spieler Joker ins Rennen schicken. Trump soll eine Mieterhöhung für die Parkstraße und Clinton sollte eine Mieterhöhung für die Schloßallee durchsetzen. Der einzige Spieler, der keinen Joker besitzt, sind wir, die "normalen" Leute, und daher kann man es auch nicht als positiv werten, wenn nun ein anderer Spieler in Führung geht.
Wer sind nun also diese Spieler und deren Strategien? Hier kann ich natürlich auch nur verallgemeinern, aber bei Clinton und Merkel handelt es sich wohl um Clowns des militärisch-industriellen-Komplexes, zu dem natürlich auch die deutsche Rüstungsindustrie und Teile des Maschinenbaus zählen, sowie die global agierende Finanzwirtschaft. Um deren Strategie zu erkennen, muss man ja nur die Entwicklungen der letzten Jahre betrachten. Sie konzentriert sich hauptsächlich auf den Nahen Osten und Russland und scheint wohl an heißen, möglichst begrenzten und ewig schwelenden Kriegen interessiert zu sein, da diese die höchsten Gewinne bescheren. Trump ist hingegen ein Clown der "Geheimdienstcommunity" und der "Old Economy". Viele Indizien lassen darauf schließen, dass sich in der Strategie der Geheimdienste eine Wendung vollzogen hat. Nachdem sie 2001 noch die "alte Strategie" durch 09/11 einleiteten, gelangten sie zunehmend zu der Einschätzung, dass diese durch die aktive Einmischung Russlands und hohe Kosten nicht mehr wirklich zielführend sein kann, und da ja auch schon viele Ziele erreicht wurden (die Destabilisierung des Nahen Ostens und der damit erleichterte Zugang zu Ressourcen, sowie die Isolierung Russlands von Europa), eingestellt werden sollte. "To make USA great again" wurde es für sinnvoller erachtet, diese Mittel dann im Inland und gegen China, den wirtschaftlichen Hauptkonkurrenten, vor allem der "Old Economy", einzusetzen und nicht weiter an eine festgefahre Situation zu verschwenden.
Welche Vor- oder Nachteile diese Strategieveränderungen für uns bedeuten, ist schwer einzuschätzen und wird sich in den nächsten Jahren zeigen. Es hängt aber stark davon ab, ob Deutschland und Europa die "alte Strategie" nur abwickeln oder mit Dampf weiterfahren soll und wie weit der Wirtschaftskrieg mit China auf die Spitze getrieben und somit ein heißer Krieg riskiert wird.
Alexander Mink, Leutkirch, 18.11.2016
Ich weiß nicht, warum alle so geschockt sind. Trump war aus meiner Sicht nur die logische Folge dessen, was Marx im Kapital beschrieben hat. Schwache Wirtschaft plus starker Populismus. Der vergessene weiße Mittelstand braucht Zuspruch. Legale Hispanos wollen keine Illegalen, die nur benefits aber keine Abgaben mögen. Frauen fühlen sich vom Charisma Trumps angezogen (Hitler???). Obama care hat versagt. Frauen können die hohe Einstufung kaum zahlen. Die US-Amerikaner möchten bessere Verteilung der Kosten der Nato-Kriegseinsätze. Sie sind es leid, dass im eigenen Land kaum Investitionen erfolgen. Wenn sich jemand hinstellt und sagt, er nimmt das in Angriff, dann wird er gewählt und nicht jemand, der russophob schon auf dem Außenministerposten auf geostrategischem Kriegszug war.
Irina Mahlow, Berlin, 21.11.2016
Ich kann den Schock vieler Menschen nachvollziehen. Ich empfinde es auch so, also eigentlich als einen Kulturschock. Es bedeutet für mich einen absoluten Werteverlust im menschlichen Umgang. Toleranz, Respekt und Rücksicht voreinander ist da auf der Strecke geblieben. Eigentlich nur laut, egozentrisch und selbstdarstellerisch. Es hält uns ganz deutlich vor Augen, wie Geld nach Macht giert und kommt. Für mich hat vieles, was ich seit der Wende empfinde und erlebte, nun die große Weltpolitik erreicht, was mich sehr traurig macht. Wir müssen uns nun mit ihm ab- und die Großen der Welt eine gemeinsame Sprache finden, denn eine Verständigungsebene muss es geben. Vielleicht gibt es ja auch Positives wie Annäherung an Russland - ich glaube, das hätte noch schlimm eskalieren können - da hoffe ich auf eine Wende auch im Nato-Denken, keinen Freihandel und... Aber dem gegenüber stehen so viele Ankündigungen und Versprechungen von ihm, die fortschrittliche Entwicklungen im Land wieder zurückwerfen würden. Aber da ist ja schon einiges wieder zurückgerudert worden von ihm, ich denke, man kann ihm vieles nachsagen, dumm wird er wohl nicht sein...
Hella Scholz, Leipzig, 21.11.2016
Es ist ein Graus für die internationale Politkaste, dass jemand wie Trump gewonnen hat. Er, der nicht auf das Geld der Bosse und des Staates angewiesen war. Er ist weniger bestechlich und käuflich. Allerdings sind seine Tage gezählt, wenn er sich nicht diesem Druck, der von der Wallstreet und vom Militärisch-industriellen Komplex ausgeht, beugt. Er könnte die kürzeste Amtszeit eines US-Präsidenten haben. Es gibt dann neben dem 33-Tage-Papst den vielleicht 3-Monats-Präsidenten. Die hohen Herren und Damen in den USA, die dem Untergang geweiht sind, werden nicht kampflos ihre Macht abgeben. Sind ja nicht so verweichtlicht wie die Kopfnicker und Ja-Sager in den ehemaligen sog. sozialistischen Ländern.
Franz Liefferts, Aachen, 21.11.2016
Das im Oktober 2016 im Orell Füssli Verlag erschienene Buch "Illegale Kriege. Wie die NATO-Länder die UNO sabotieren" von Daniele Ganser beantwortet viele Fragen, die sich dem friedensbewegten Menschen heutzutage stellen. Eine davon lautet: Warum werden illegal, also trotz weltweiten Kriegsverbotes durch die UNO, weltweit Kriege geführt? Am Beispiel von 13 Ländern wird aufgezeigt, wie die Wirksamkeit der UNO vor allem durch Einfluss der NATO-Länder untergraben wurde und wird.
Für den Leser aus Deutschland ist das Buch ein "must read". Ganser beschreibt zum Beispiel, wie es 54 Jahre nach Ende des zweiten Weltkrieges wieder zu deutscher Beteiligung an Kriegen kommen konnte. Besonders für die deutsche Friedensbewegung ist es wichtig zu wissen, warum und wie Deutschland sich an den Kriegen gegen Serbien 1999 beteiligt hat und gegen Afghanistan seit 2001 und gegen Syrien seit 2015 immer noch beteiligt.
Ganser versteht es, komplizierte Zusammenhänge auf den Punkt zu bringen. Das hat den Vorteil, dass sowohl der gut informierte wie auch der weniger informierte Leser ein solides und klar strukturiertes Wissens- und Argumentationsfundament zur Verfügung gestellt bekommt, zum Beispiel zum Thema Ukraine, Jemen und Syrien. Insofern kann das Buch ein Hand- und Arbeitsbuch für die Friedensbewegung sein.
Was Ganser ebenfalls auszeichnet, ist das ständige Herstellen von Bezügen. So macht er beispielsweise deutlich, dass wenn kritisch von "USA" und "US-Imperium" die Rede ist, damit eine machtvolle reiche Elite gemeint ist, die nur 1% der Gesamtbevölkerung Amerikas ausmacht, also 3 Millionen Menschen. Die restlichen 99% der Bevölkerung Amerikas sind wahrscheinlich überwiegend ehrlich, großzügig und friedlich.
Das ist auch ein Grund, weshalb es weiterhin "richtig und wichtig erscheint, das Gewaltverbot der UNO zu achten und zu stärken". Denn die Ineffizienz der UNO liegt Ganser zufolge nicht in ihrem System begründet, sondern darin, dass gelogen wird. "Jede Reform der UNO, die das dominante Problem der Lügen nicht einbezieht, muss längerfristig scheitern."
Medienkompetenz, Energiewende, aber auch persönliches Wachstum sind demnach wichtige Faktoren, die zu einer Veränderung führen können. Es lohnt sich also, weiter engagiert zu sein und nicht in Resignation zu verfallen. Denn nach wie vor gehört die UNO-Charta "zu den wertvollsten historischen Dokumenten" des 21. Jahrhunderts und sie kann der Friedensbewegung als Orientierung dienen.
Fazit: Ganser liefert mit seinem Buch Fakten und Argumente, welche die Friedensbewegung stärken können. Es ist ein wichtiges und wertvolles Buch.
Daniele Ganser: Illegale Kriege - Wie die NATO-Länder die UNO sabotieren. Eine Chronik von Kuba bis Syrien, Orell Füssli Verlag, Zürich 2016, 374 Seiten, ISBN: 978-3-280-05631-8
Ich denke gerade für jüngere Leser zu empfehlen. Aus meiner Sicht und persönlichen Erfahrung kann ich besonders die Zeit des "Kalten Krieges" und die damit verbundenen Aktionen der USA in aller Welt, aber insbesondere die Ost-West-Problematik in Deutschland und Europa beurteilen. Nach dem 2. Weltkrieg bis heute beanspruchen die USA die Rolle der Führungsmacht in der Welt und bekämpfen insbesondere Versuche von Ländern der nationalen Befreiungsbewegung und Staaten, die den Sozialismus aufbauten oder es wollten; diese wurden massiv unter Druck gesetzt. Es waren ja nicht nur die heißen Kriege in Korea, Vietnam usw. Im Programm stand und steht Druck mit Handelsblockaden (z.B. DDR, CUBA) oder Hilfe bei Konterrevolutionen mit Geheimdienstaktionen, wie 1973 in Chile. Helfer in diesen Jahren und bis heute war stets die BRD, die Nato und eben teilweise korrumpierte internationale Organisationen. Der aggressive Charakter des international verflochtenen Großkapitals zeigt genau dort sein wahres Gesicht. Die Menschheit muss lernen, dass für dauerhaften Frieden der Imperialismus abwesend sein muss. Dabei kann dieses Buch hilfreich sein.
Dirk Benicke, Berlin, 14.11.2016
Am 7. November 2016 jährt sich zum 99. Mal der Begin der sozialistischen Oktoberrevolution in Russland. Die klassenbewussten Arbeiter/innen, Kommunisten/-innen, Revolutionäre, und Proletarier in aller Welt feiern heute den Jahrestag der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution. Die eine heroische Tat war und die ein neues, revolutionäres Zeitalter einläutete.
"In Russland (...) ist der Beamtenapparat völlig zerschlagen worden, dabei wurde kein Stein auf dem anderen gelassen, die alten Richter wurden vertrieben, das bürgerliche Parlament wurde auseinandergejagt (...). Diese Tatsache alleine genügte, damit alle unterdrückten Klassen anerkannten, dass die Sowjetmacht, das heißt die gegebene Form der Diktatur des Proletariats, millionenfach demokratischer ist als die demokratischste bürgerliche Republik. (...) Der "Rote Oktober" änderte radikal den Kurs der Weltgeschichte. (...). Der Sieg der Oktoberrevolution führte zur Herausbildung kommunistischer Parteien weltweit und zur Gründung der Kommunistischen Internationale mit dem Ziel, die Vorhut des Proletariats neu zu gruppieren und die Weltrevolution zu organisieren. (...)", schrieb Lenin im Nachhinein.
Schaut Euch in diesen Tagen die »Tagesshow« und die anderen "Nachrichten"sender an und seht selber, was wir über diesen großen Tag erfahren sollen. Da anzunehmen ist, dass die bürgerliche Presse dieses Ereignis wieder einmal totschweigt, möchte ich heute J. Stalin selber zu Wort kommen lassen. In einem Artikel unter dem Titel: "Der internationale Charakter der Oktoberrevolution", der in der "Prawda" Nr. 255 vom 6./7. November 1927 veröffentlicht wurde, fasste er die internationale Bedeutung der sozialistischen Oktoberrevolution und die der Gründung der Sowjetunion glänzend zusammen. Als Quelle diente mir der Band 10, J. Stalin-Werke aus dem Dietz Verlag (1953).
Der vorliegende Text kann nur bedingt als Informationsquelle über die Verdienste
der sozialistischen Oktoberrevolution dienen. Zu der Zeit als Stalin ihn aus seiner
Sicht erstellt hat, war die Sowjetmacht gerade einmal 10 Jahre alt und wurde von innen
und außen angefeindet und massiv bekämpft. Daraufhin folgte ein teilweise
völlig unkontrollierter Kampf gegen alles, was wie ein Feind aussah, und den
Hauptfeind der Volksmacht, den Revisionismus, konnte Stalin zu der Zeit noch nicht
einmal benennen. Aber er war es, der die Erfolge der Oktoberrevolution zerstört
hat und eine neue Clique von antikommunistischen Bürokraten an die Macht hievte.
Deshalb bitte ich um viele Leserinnen/briefe zu diesem Betrag, die mithelfen, die
Erfolge der sozialistischen Oktoberrevolution im Ganzen zu bewerten.*
Die Oktoberrevolution darf nicht nur als eine Revolution "im nationalen Rahmen" betrachtet werden. Sie ist vor allem eine Revolution von internationaler, von Weltbedeutung, denn sie bedeutet eine grundlegende Wendung in der Weltgeschichte der Menschheit, die Wendung von der alten, der kapitalistischen Welt zu der neuen, der sozialistischen Welt.
Die Revolutionen der Vergangenheit endeten gewöhnlich damit, dass am Regierungsruder eine Ausbeutergruppe durch eine andere Ausbeutergruppe abgelöst wurde. Die Ausbeuter wechselten, die Ausbeutung blieb. So war es zur Zeit der Befreiungsbewegungen der Sklaven. So war es in der Periode der Aufstände der Leibeigenen. So war es in der Periode der bekannten "großen" Revolutionen in England, in Frankreich, in Deutschland. Ich spreche nicht von der Pariser Kommune, die der erste, ruhmvolle, heroische, aber dennoch erfolglose Versuch des Proletariats war, die Geschichte gegen den Kapitalismus zu wenden.
* Einleitung am 14.11.2016 ergänzt
Frühere Beiträge "Was die >Tagesshow< verschweigt" erschienen am 26.09.2016, 25.07.2016, 06.07.2016
Der 99. Jahrestag der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution zeigt uns auf,
wie schnell die Zeit vergeht. Im nächsten Jahr begehen wir den 100. Jahrestag
und wir müssen mit Erschüttern feststellen, dass der gesellschaftliche
Fortschritt um 100 Jahre zurückgeworfen wurde. Wir stehen wieder am Anfang.
Da wir aber nicht nur Kommunisten sondern auch Optimisten sind, geben wir nicht auf.
Es muss ja nicht noch einmal hundert Jahre dauern, bis der Kampf gegen die imperialistische
Ausbeutung wieder real und überzeugend wird. Dazu gehört natürlich
auch, sich auf die Wurzeln zu besinnen, auf das Kommunistische Manifest, auf Lenin,
auf Stalin, auf Thälmann und W. Pieck, um nur einige zu nennen. Das Studium
dieser Dokumente ist für uns aber nicht Selbstzweck. Die kommunistische Idee
werden wir an die jungen Generationen weitergeben. Und es wird wieder eine oder
auch mehrere kommunistische Revolutionen geben.
Sozialismus oder Barbarei!
Rot Front!
Jürgen Geppert, Westerhausen, 09.11.2016
Ich bin nicht damit einverstanden, zur Würdigung der Oktoberrevolution und des Internationalismus diesen Stalin-Text von 1927 zu präsentieren, ohne ihn entsprechend einzuordnen. Stalin schildert hier keine Ereignisse als Zeitzeuge oder Beobachter, er schrieb diesen Artikel zum Lobe der III. Internationale aus der Position des Machthabers, der später den Tod vieler Vertreter dieser Internationale und deren Auflösung zu verantworten hat. Damit wird der Text für mich zur ideologischen Phrase. Die alte Garde der Bolschewiki, Lenins Kampfgefährten bei der Oktoberrevolution, gehörten zu Stalins ersten Opfern im Terrorjahr 1937 bzw. schon 1936. Wir leben nicht 1927 mit dem damaligen Wissensstand, wer sich 2016 mit Stalins Worten beschäftigt, sollte auch seine Taten zur Kenntnis nehmen. Sonst halte ich es für ganz schwierig, eine gemeinsame Basis für eine Diskussion zu diesem Thema zu finden. Ich stehe zum Motto dieser Onlinezeitung "für Frieden, Humanismus, Völkerverständigung und Kultur".
Andrea Witte, Berlin, 09.11.2016
Die Oktoberrevolution von 1917: Initialzündung zur Veränderung oder Lehrstück über Erfolg und Scheitern des Sozialismus in Europa? - Ein Leserbrief und alarmierender Lagebericht
Liebe Freundinnen und Freunde, Genossinnen und Genossen, Kritiker und Weggefährten,
das Ereignis der Oktoberrevolution im Jahre 1917 bedeutete, damals noch mehr als heute,
einen Funken Hoffnung. Dieser Funken Hoffnung war, wie im Artikel angesprochen, nicht
nur von nationaler Bedeutung für das russische Volk, sondern hatte bereits
auf zar-russischem Territorium mehrere Völker erfasst und wurde in seinen Gedanken,
Ideen, Zielen und Haltungen zu allen europäischen Völkern jener Zeit exportiert.
Sei es nach Deutschland, das sich im Krieg mit Russland befand und plötzlich Töne
des Friedens aus Moskau hörte oder in Paris, wo auch schon Menschen die Ursache
allen Leids und Elends im System des Kapitalismus erkannt hatten und nach Veränderungen
strebten. Doch das ist nur die Oberfläche der Ereignisse und bemisst keinesfalls
den Wert, den die Oktoberrevolution über den Rahmen der Geschichtsschreibung hinaus,
also, bis in die heutige Zeit hat. Diesen Wert möchte ich einmal in diesem Leserbrief
zu umreißen versuchen, da ich glaube, dass Genosse Stalin mit seiner Einschätzung
aus dem Jahre 1927 nach wie vor Recht behalten hat. Allerdings müssen hierbei
ein paar entscheidende Parameter der heutigen Weltlage in Politik und Wirtschaft
berücksichtigt werden, die sowohl wichtige Ansätze der linken Bewegung,
als auch sich wiederholende Denkfehler in den einzelnen Zivilvölkern umfassen.
Diese werden ja in Stalins Text beschrieben und eindeutig als falsche Schlussfolgerungen
der Arbeiterklasse qualifiziert. Daher müssen wir sie als solche erkennen und
schauen, wie wir sie für uns als Bewegung progressiver Kräfte nutzbar
machen können. Daher zunächst ein paar Vorschläge:
Matthias Wolf, Potsdam, 09.11.2016
Ich habe diesen Text mit dem Smartphone verfassen müssen da mein Laptop leider
den Geist aufgegeben hat. Bitte deshalb Fehler verschiedester Art zu entschuldigen.
Kurz was zu meiner Person. Ich bin Raimund, seit 1979 in der Bewegung und 1982 mit
18 Jahren Mitglied der DKP geworden. Dies bin ich mit Unterbrechungen bis Heute geblieben.
Hier bringe ich meine persönliche Position bzw. Fragestellungen zum Ausdruck
die mich beschäftigen.
Als erstes möchte ich mich bedanken, da ihr den Focus auf Inhalte lenkt, die
sonst meistens untergehen. Stalins Text hat aus meiner Sicht bis heute in seinen
Grundsätzen immer noch recht. Ich habe aber mehr Fragestellungen als Antworten.
Die Rahmenbedingungen haben sich auf Grund der Konterrevolution und der Kolonisierung
der Staaten des real existierenden Sozialismus doch um einiges verändert. Darauf
möchte ich in diesem Zusammenhang nicht eingehen, da das den Rahmen sprengen würde.
Allerdings müssen wir uns über einiges klar sein, ohne den Roten Oktober
gäbe es heute keine allgemein anerkannten Regeln des Völkerrechts, der
Menschenrechte usw. Ohne die UdSSR und die sozialistische Staatengemeinschaft wären
eine Menge an Zugeständnissen nach 1945 an die Arbeiterklasse in den imperialistischen
Kernländern trotz großer Kämpfe kaum erreicht worden. Dazu lässt
sich noch vieles ausführen.
Ich nenne das mal die zivilisatorische Wirkung des roten Oktobers bzw. Stalins.
Der ungezügelte Imperialismus zeigt seit der Konterrevolution wieder weltweit
seinen neokolonialen Anspruch.
Raimund Baytz, Lüdenscheid, 09. und 11.11.2106
7. November - 99. Jahrestag der Oktoberrevolution
Gewissen in Aufruhr ...
gewidmet dem 99. Jahrestag des Beginns und des Sieges der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution
Heute und in diesen Tagen und Stunden gibt es nicht wenige Gleichgesinnte, die sich
zu diesem Jahrestag gegenseitig Glückwünsche übermitteln. Ja es ist
gut so, dass wir uns gegenseitig daran erinnern, dass es vor 99. Jahren diese
Oktoberrevolution gegeben hat.
In der Gesellschaftsordnung, in der wir zur Zeit leben müssen und in der bürgerlichen
und von der Bourgeoisie beherrschten Medienlandschaft wird zumindestens im Herzen Europas
diesem Ereignis nicht die erforderliche Aufmerksamkeit geschenkt.
Nun, es ist auch kaum verwunderlich:
1. Die Oktoberrevolution war nicht zuletzt ein ganz praktisches Zeichen im vergangenen
Jahrhundert, dass das "Gespenst des Kommunismus" keine Phantasterei von Ideologen
und Wissenschaftlern, wie Marx und Engels war und ist, sondern letztendlich auch
das große Verdienst von W.I. Lenin war und ist, der gemeinsam und an der Spitze
seines "jungen" Kollektivs und auf der Basis der bis dahin gesammelten wissenschaftlichen
und praktischen Erfahrungen entscheidende organisatorische Arbeit leistete, um zu
diesem wichtigen Erfolg zu gelangen.
Es wurde und wird über die Oktoberrevolution viel geschrieben.
Wahrheiten und Tatsachen sowie Hetze des Klassengegners liegen eng bei einander!
Lothar Häupl (VKP), Dresden, 09.11.2016
Die Oktoberrevolution läutete ein neues, revolutionäres Zeitalter ein!
Die Oktoberrevolution war eine heroische Tat und läutete ein neues, revolutionäres
Zeitalter ein! - Ja, und mehr noch: Zum ersten Mal seit der Sklavenhaltergesellschaft
beseitigte eine Revolution für lange Zeit eine Herrschaftsform der Ausbeutung
und wies einen Ausweg aus dem bis dahin unbesiegbaren System von Feudalaristokratie,
Kapitalismus, Ausplünderung und Krieg. Diese Revolution sorgte in ihrer Folge
dafür, dass mit ihr die Menschen in Russland erstmalig in nunmehr würdiger
und ausbeutungsfreier Form das taten, was Karl Marx als "die erste geschichtliche Tat"
bezeichnete: Sie nahmen die Erzeugung der Mittel zur Befriedigung ihrer Bedürfnisse,
die Produktion des materiellen Lebens selbst in die Hand. Dies wurde gleich zu Beginn
deutlich, als der Allrussische Sowjetkongress nach der Enteignung der Gutsherren und
Kapitalisten seine berühmten drei Dekrete (über den Frieden, über Grund
und Boden und über die Rechte der Völker Russlands) beschloss.
In der Folge gelang es den Sowjetmenschen und ihrer Roten Armee nicht nur, die
konterrevolutionären "Weißen" zu schlagen, sondern auch, die vierzehn
ausländischen Interventionsarmeen aus dem Land zu jagen, die seit 1919 Seite
an Seite mit ihnen kämpften. Was diese Armeen dort wollten?
Martin Emko, Playa Guardalavaca (Kuba), 09.11.2016
Mit Interesse lese ich die Lesermeinungen. In vielen Punkten stimme ich mit anderen überein. Doch eine Frage an den Genossen Häupl bleibt. Er spricht von der Schlampigkeit der Kommunisten wie ein Außenstehender. Ist er kein Kommunist mehr? Wie auch ihm bekannt ist kämpft die KPD für eine einheitliche kommunistische Partei in Deutschland und auf der Grundlage des Marxismus/Leninismus, übrigens die einzigste Partei, die das in ihrem Programm hat. Wann schließt er sich diesem Kampf an? Viele Angebote von uns dazu blieben unbeantwortet.
Jürgen Geppert (KPD), Westerhausen, 10.11.2016
Wir bedanken uns für die vielen Leser/innenbriefe und möchten in diesem Zusammenhang mitteilen, dass die Redaktion American Rebel eine Diskussionsveranstaltung mit dem Arbeitstitel:
"Wie gehen wir mit Stalin um".
plant.
Zeit/Ort: Freitag, 13. Januar 2017, 19:00 Uhr in Berlin-Friedrichshain (genauer Ort wird noch mitgeteilt).
Dafür suchen wir nicht nur viele Besucher/innen, sondern auch Referenten/-innen zu verschiedenen Themen.
Näheres per eMail AmericanRebel@gmx.de.
Nico Diener, (Redaktion American Rebel), Kiel, 10.11.2016
Entschieden distanziere ich mich von der hier realisierten Weise Stalin zu hofieren. In gleicher Weise wie Andrea Witte halte ich diese Vorgehensweise für unvereinbar mit dem eigentlichen Motto dieser Onlinezeitung "für Frieden, Humanismus, Völkerverständigung und Kultur" und nicht im Sinne des amerikanischen Rebells Dean Reed.
Ingo Karras, Cottbus, 11.11.2016
Dass man sich mit Stalins Wirken auseinandersetzt, halte ich für sehr wichtig, wenn es kritisch geschieht. Hier wird jedoch ohne jeglichen reflektierenden Abstand, wie mir scheint sogar zustimmend, ein überlanger Artikel des Diktators widergegeben. Dass es sich bei ihm um einen Massenmörder unter dem Deckmäntelchen des Kommunisten handelt, der der kommunistischen Bewegung unermesslichen Schaden zugefügt, sie pervertiert hat, wird völlig außer Acht gelassen. Schon die unkritische Wiedergabe bei American Rebel eines Berichts des "Zeitzeugen" und Stalin-Bewunderers Enver Hoxha, der sein Volk auf schlimmste Weise knechtete und dem man kein Wort glauben darf, war unerträglich. Schlimmer ist, dass diese "Ausrutscher" im Namen von Dean Reed geschehen, der als echter Sozialist die Menschen liebte und sich engagiert für ein besseres Leben besonders der sozial Benachteiligten und gegen imperialistischen Größenwahn einsetzte. Wie sehr er fehlt, haben die jüngsten Ereignisse in seinem Heimatland gezeigt. Müsste Dean American Rebel lesen, würde er sich bei den genannten Beiträgen, die in seinem Andenken veröffentlicht werden, sehr schämen.
Ich bedaure sehr, dass die Onlinezeitung, die einmal "für Frieden, Humanismus, Völkerverständigung und Kultur" angetreten war, jetzt diese Tendenz nimmt und bedaure auch, dass ich mit meinen Feuilletons gutwillige Leser auf diese Seite gezogen habe. Es soll nicht wieder vorkommen. Bei der gegenwärtigen Redaktion liefere ich keine Beiträge mehr.
F.-B. Habel, Berlin, 11.11.2016
Ich hatte schon als ganz junger Mensch einige Bücher von Stalin gelesen. Damals
mit dem Wissen eines unerfahrenen und heranwachsenden Menschen. Meine Fragen konnten
in der Schule nicht beantwortet werden. Wenn eine Antwort kam, dann mit Verweis auf
seine Diktatur.
Nun sammelt der Mensch im Leben Erfahrungen, vergleicht geschichtliche Vorgänge
und kommt zu neuen Erkenntnissen. Durch meine eigene MfS-Untersuchungshaft fielen mir
alle Panzerplatten von den Augen und ich erkannte, wie sich denunzierte Kommunisten
damals gefühlt haben mussten. Da fiel mir ein Gedicht aus der Schule über
das Bauen ein und ich stellte mir neue Fragen.
Durch das Aufbegehren der Bevölkerung 1989 und viele Forderungen nach einem
besseren Sozialismus war ich in der Lage, die Frage richtig zu beantworten, auf welcher
Seite ich eigentlich stehe. Als der Oberevisionist Schabowski die Tore aufriss, war
das Ende meines Mutterlandes besiegelt. Ja, Mutterland - denn die DDR war das Land
der Mütter, der Frauen, da der Krieg die Männer regelrecht weggefressen
hatte.
Durch Zufall bekam ich die 13bändige Stalinaugabe und studierte viele Seiten.
Ich stellte fest, wenn das umgesetzt worden wäre, was dort geschrieben stand,
hätte es den revisionistischen Verrat an den sozialistischen Prinzipien nicht
geben können. Heute bin ich der Meinung dass es notwendig ist, Stalin seinen Platz
in der Geschichte zurück zu geben, der ihm gebührt. Sein Verdienst und der de
unter seiner Führung stehenden Partei war gewesen, den weißen Terror zu
zerschlagen, das Land zu elektrifizieren, zu industrialisieren und dem Faschismus
das Genick gebrochen zu haben. In den Augen der Kapitalisten sind das schlimmere
Verbrechen als Hitlers Terror in Deutschland selbst oder seine Toten des Weltkrieges.
Einen Stalinismus im wissenschaftlichen Sinne gibt es nicht. Es gibt aber die guten
wie auch die schmerzlichen Aufbaujahre zum Sozialismus, welche auch künftig beherzigt
werden müssen. Mein Fazit, zurück zu Stalin und säubern wir uns selber
von dem Schmutz der täglich über uns ausgeschüttet wird. Der Hauptfeind
weltweit ist das Kapital und sein mörderisches System. Übrigens, warum ist
Gorbatschow der Lieblingskommunist aller Ausbeuter? Diese Frage musste auch beantwortet werden.
Karl-Heinz Schulze, Sassnitz, 14.11.2016
Oktoberrevolution und Stalin. Den Artikel gerade gelesen. Die Einleitung war gut und das Erinnern an dieses wichtige Ereignis auch sehr lobenswert, aber Stalin zu zitieren, wenn überhaupt ihn noch zu Wort kommen lassen, dürfte man dies nie unzensiert machen, ist nicht nur unglücklich, sondern geschichtlich unüberlegt geschehen, eine Absicht will ich jetzt mal nicht unterstellen. So schließe ich mich Andrea und F.-B.Habel an, dass so etwas einfach nicht geht in einer von Humanismus geprägten Zeitung. Stalin hat sich, wie wir mittlerweile alle wissen, alles andere als als Menschenfreund und Humanist erwiesen und sich damit trotz aller anfänglichen fortschrittlichen Grundideen selber ins Abseits gestellt und da sollte er auch bleiben. Er, der selber keine anderen Meinungen, Ansichten u.s.w. zu- und dafür Menschen ermorden ließ und sich als ein solcher Despot, autoritärer Undemokrat, Massenmörder entwickelte, dürfte doch nie mehr undokumentiert zu Worte kommen, meiner Meinung nach.
Hella Scholz, Leipzig, 15.11.2016
"Das Loch ist der Grundpfeiler dieser Gesellschaftsordnung, und so ist sie auch. Die Arbeiter wohnen in einem finstern, stecken immer eins zurück, und wenn sie aufmucken, zeigt man ihnen, wo der Zimmermann es gelassen hat, sie werden hineingesteckt, und zum Schluss überblicken sie die Reihe dieser Löcher und pfeifen auf dem letzten."In Kurt Tucholskys Glosse "Zur soziologischen Psychologie der Löcher" gibt es für den Rezitator sprachliche Feinheiten auszukosten. Am Wochenende trugen Germanistik-Studenten aus Szczecin diesen und andere Texte des Meisters mit fröhlicher Leichtigkeit vor. Ein würdiger Abschluss der Jahrestagung der Tucholsky-Gesellschaft in der Stadt an der Oder-Mündung, in der Tucholsky - bekannt als frankophiler Berliner - einen großen Teil seiner Kindheit verbracht hatte. Im Alter von drei Jahren war er mit seinen Eltern nach Stettin gezogen, hatte dort auch die ersten Schuljahre verbracht.
Den Anstoß für die Tagung in Polen gab der Verein "Kamienice Szczecina". Mitglieder traten 2013 anlässlich der Anbringung einer Gedenktafel an einem früheren Wohnhaus der Familie des Schriftstellers an einem markanten Platz der Stadt in Kontakt zu der literarischen Gesellschaft in Berlin. Geleitet wurde die Tagung vom britischen Germanisten Ian King und der polnischen Germanistin Dorota Sośnicka. Sie verlief nicht so beliebig, wie der Titel "Tucholsky, Szczecin/Stettin, Polen und die Ostsee" befürchten ließ. Schnell kam man zu einem wunden Punkt in Tucholskys Biographie. Bevor als Ergebnis des Ersten Weltkriegs im März 1921 in einer Volksabstimmung darüber entschieden wurde, ob das von Alliierten verwaltete Oberschlesien künftig zum Deutschen Reich oder zu Polen gehören solle, kämpften beide Seiten mit harten Bandagen. Tucholsky ergriff gegen die polnische Partei. Der Zeitschrift Kocynder, die gegen die deutsche Haltung hetzte, stellten die Deutschen die satirisch gemeinte Zeitschrift Pieron (Blitz, auch als Anrede von Oberschlesiern gebräuchlich) gegenüber, zu deren Leiter Tucholsky für gutes Geld berufen wurde - zumindest für den Berliner Teil der Redaktion, wie Harald Vogel auf der Tagung konkretisierte.
"Tucho" zog befreundete Karikaturisten wie Kurt Szafranski, Walter Trier und Heinrich Zille zur Mitarbeit heran. Der Pieron verbreitete Hetzpropaganda auf zum Teil niedrigstem Niveau. Irrationale Ängste und Nationalitätenhass wurden geschürt. Ob Tucholsky jemals einen eigenen Text für dieses Blatt schrieb, konnte nicht ermittelt werden. Zeitgenossen wie Franz Pfemfert und Karl Kraus nannten ihn danach noch viele Jahre lang einen "Konjunkturritter" und "chauvinistisch".
In dem Konflikt "kochten viele ihr eigenes Süppchen", stellte Michael Segner aus Hamburg in seinem Vortrag fest. Auf deutscher Seite mischten Reichswehrtruppen und Freikorps mit, es kam zu Fememorden. Auf Drängen seines väterlichen Freundes Siegfried Jacobsohn, aber auch von Parteifreunden aus der USPD, legte der Journalist seine Arbeit im Sommer 1920 offiziell nieder, wirkte aber eine Zeitlang noch im Stillen für den Pieron. Bei vielen Freunden stand er fortan in zweifelhaftem Ruf.
Zu einer kritischen Sicht auf seine Haltung sollte er sich erst Jahre später durchringen. In der Weltbühne schrieb er 1929 über damalige Gewalttaten: "In Polen taten das Patrioten und bezahltes Gesindel, in Deutschland waren es Patrioten und bezahltes Gesindel; die Atmosphäre dort roch nicht gut. Es spielten sehr gewichtige Interessen der Großindustrie mit, von denen die Freikorps, die mit unerhörter Brutalität eingriffen, nicht viel ahnten." Und er setzte selbstkritisch hinzu: "Von beiden Seiten wurden damals große Fonds in den korrumpierten Volkskörper hineingepumpt (...) - ich selbst habe die Hände in diesem Bottich gehabt, ich hätte es nicht tun dürfen, und ich bereue, was ich getan habe. Auf beiden Seiten ist gemordet und spioniert worden, verraten und gekauft und verkauft; bestialische Untaten sind verübt worden und ungesühnt geblieben."
Besondere Bedeutung hatte der gemeinsame Austausch über den deutschen Dichter, dessen polnischer Nachname von der Tucheler Heide, der Bory Tucholskie in Nordpolen, abgeleitet ist, da dem gegenseitigen Verständnis in beiden Ländern verstärkt nationalkonservative Propaganda entgegenschlägt. Die Mitveranstalter Julita Miłosz-Augustowska und Bartosz Wójcik bekräftigten angesichts guter Erfahrungen ihren Willen, in der Grenzregion weitere Projekte dieser Art anzugehen.
Eingedenk eines Satzes, den Tucholsky als Ignaz Wrobel formuliert hatte, schlug die Jahrestagung zwei Fliegen mit einer Klappe: "Wer die Enge seiner Heimat begreifen will, der reise. Wer die Enge seiner Zeit bemessen will, studiere Geschichte."
Zuerst veröffentlicht in: junge Welt, 3. November 2016
Frühere Artikel von Frank Burkhard erschienen am: 12.10.2016, 25.09.2016,22.09.2016, 08.09.2016, 26.08.2016, 19.05.2016, 11.05.2016, 22.04.2016, 13.04.2016, 26.02.2016, 16.02.2016, 15.02.2016, 20.01.2016, 01.01.2016
In rasender Eile richteten einige wenige Offiziere vor 80 Jahren in Albacete, dem Zentrum der spanischen Region La Mancha, notdürftig Quartiere für 500 Mann ein, die am nächsten Tag kamen, gefolgt von weiteren 500 und mehr. Bald 3-4 Tausend, irgendwie zu Einheiten formiert trotz einer irren Vielfalt von Sprachen, in kunterbunte Uniformen eingekleidet und mit veralteten Waffen ausgerüstet, dann trainiert wie diese abzufeuern und neugeladen wurden und wenig mehr. Um dann wenige Wochen später als letztes Aufgebot in eine mörderisch blutige Schlacht zur Rettung Madrids, der Hauptstadt, geworfen zu werden, gegen gut bewaffnete und trainierte, mordbrennende Angreifer. Die Verteidigung gelang, aber sehr viele Polen, Deutsche, Franzosen, Italiener und andere starben neben ihren spanischen Kameraden.
Vier Jahrhunderte davor, im April 1616, starb ganz friedlich ein Mann in Madrid, der den Namen von Albacetes Region unsterblich gemacht hat. Die erdachte Kunstfigur des Miguel de Cervantes, der sich selbst Don Quijote de la Mancha nannte, war ein ziemlich irrer Phantast, dessen unglückliche Abenteuer mit seinem Knappen und Diener Sancho Panza immer noch viele Leser fasziniert, in dem Buch, das ehrfurchtsvoll als "Spaniens Bibel" geehrt wird.
Ungefähr 150 von uns begingen den Jahrestag des Oktobers 1936 mit einer Tour zur Erinnerung an die Gründung der Internationalen Brigaden, gebildet von männlichen und weiblichen Freiwilligen, die kamen um sich dem Krieg gegen den Faschismus anzuschließen. Wie einige jener anmerkten, die uns in Albacete begrüßten, sind es nicht nur Daten und Landschaft, die verknüpft sind mit der legendären La Mancha Geschichte in dem zerrissenen Spanien der 1930iger.
Der hagere selbsternannte "Don" mit seiner dürren Schindmähre Rosinante, einer Barbierschüssel als Helm, einer dürftigen Lanze und dem plumpen Sancho auf einem Esel, war bedauernswürdig schlecht vorbereitet auf die kommenden Begegnungen.
Die waffentechnische Unterlegenheit der 40.000 Freiwilligen aus über 50 Ländern war fast ebenso bedauernswert, darüber hinaus tragisch - und unheilvoll. Jene Waffen und Ausrüstungen für die gewählte legitime Regierung der spanischen Republik, verschifft von ihren beiden Alliierten, Mexiko und der Sowjetunion, wurden größtenteils aufgehalten von italienischen Kreuzern im Süden und von britischen Blockadeschiffen im Norden. Eine dichte französische Schraubzwinge verhinderte den Nachschub über Straßen- und Bahnübergänge. Dadurch waren viele Freiwillige gezwungen, ihren Weg über gefährliche Bergpfade zu nehmen, um in das belagerte Land zu gelangen. Deutsche und italienische Faschisten, Flugzeuge und Waffen, amerikanische Trucks und Treibstoffe kamen ungehindert zu Francos gut ausgerüsteten Truppen. Die widerwärtigste Heuchelei - überhöht als "Politik der Nicht-Intervention" - brachte der britische Tory-Premierminister Neville Chamberlain hervor, assistiert von dem schwachen französischen Volksfront-Sozialisten Leon Blum, bestätigt von US-Präsidenten Franklin Roosevelt.
Vielleicht war das Verbindende über die Jahrhunderte der ziemlich wahnwitzige aber entschlossene Idealismus Quijotes, der sich in der Welt fortpflanzte als "Rückentwicklung zu allerlei Missständen" für "die Gequälten, Geketteten und Unterdrückten". Cervantes bilanziert dies mit dem erdverbundenen Sancho, der ungebildet, nicht uneigennützig, aber dicht dran ist an der Sichtweise einfacher arbeitender Menschen wie er selber. Sein Traum war es, Gouverneur einer Insel zu werden. Sobald er das Ziel (in Wirklichkeit nur ein Dorf) seiner Herrschaft erreichte, würde er trotz aller Fehler tapfer versuchen, Gerechtigkeit auf der Grundlage des gesunden Menschenverstandes herbeizuführen. Aber all zu früh endete es "vorbei, verendet, aufgelöst und verschwunden in Rauch und Schatten." Der mächtige Herzog und seine Herzogin übernahmen wieder alle Macht. Ach, so viele Parallelen!
Bedrohliche Windmühlen, "böse Riesen" für den Don, triumphierten wieder 1939. In unserer Reisegruppe hatte nur einer in den Internationalen Brigaden gekämpft, einer jener zahlreichen spanischen Mitglieder, heute einer von drei noch Lebenden: Josep Almudever, 97, ist erstaunlich vital und so zornig wie je auf die Truppen von Hitler und Mussolini, die nach seiner Überzeugung Franco steuerten. Daher wäre es kein echter Bürgerkrieg gewesen, sondern eine Selbstverteidigung gegen ausländische Gegner, darin eingeschlossen jene "westlichen Demokratien", die sie verrieten. Wenn er sich nicht in Erzählungen über diesen Teil seiner Lebensgeschichte ausließ, dann sang der alte Mann fröhlich Lieder aus dem spanischen Bürgerkrieg und posierte geduldig für Fotos, auch mit dem kleinen, 95 Jahre jüngeren Sohn von Almudena Cros, die unsere Rundfahrt organisierte.
Wer war noch in der Gruppe? Oftmals faszinierende, feine Leute, die meisten von ihnen Nachkommen oder Verwandte von Inter-Brigadiers. Der Vater eines Mitreisenden, ein kommunistischer Bergarbeiter aus Deutschland, schloss sich früh den Interbrigaden an, verteidigte Madrid und wurde Hauptmann des Thälmann-Bataillons. Seine Frau unterzog sich einer Ausbildung zur Rotkreuzschwester, um ihm zu folgen und ihn zwischen den Schlachten zu treffen. So wurde der Sohn in Albacete geboren, dem ständigen Hauptquartier der Interbrigaden, drei Monate nachdem der Vater in der Schlacht von Belchite gefallen war.
Eine Frau, Anastasia Tsackos, erzählte von einem anderen kurzen Zwischenspiel von Liebe und Heirat inmitten des Krieges, zwischen ihrer spanischen Mutter und einem griechischen Freiwilligen. Weder sie noch ihre Mutter haben jemals sein Schicksal aufklären können - endete es auf dem Schlachtfeld, in Francos Kerkern oder als Partisan bei der Verteidigung seines Heimatlandes gegen die Eroberer, die über ganz Europa herfielen, nachdem die spanische Republik bezwungen war, und die Länder bombardierten, besetzten, versklavten und zerstörten, bis nach Stalingrad.
Eine weitere weißhaarige, würdige und freundliche Mitreisende in der Gruppe war Claire Rol-Tanguy, Präsidentin der "Vereinigung der Freunde der Kämpfer für die Spanische Republik" (ACER). Ihre Mutter, Cécile, 97, ist die Witwe von Henry Guy-Tanguy, der in den Interbrigaden kämpfte, dann in der französischen Résistance und schließlich den Pariser Aufstand anführte und die Übergabe der Stadt vom deutschen Stadtkommandanten entgegennahm. Sie war, wie er auch, aktive Widerstandskämpferin und Kommunistin im Nachkriegs-Frankreich. In Paris, unserem ersten Stopp, enthüllte die kleine alte Dame mit der heroischen Vergangenheit ein Monument für die ausländischen Freiwilligen am Bahnhof Austerlitz, wo viele durchkamen auf dem Weg zu den Schlachtfeldern. Dieses späte aber berührende Denkmal konnte schließlich erbaut werden nach Unterstützung durch Anne Hidalgo, der sozialistischen Bürgermeisterin von Paris, selber in Spanien geboren, wo ihr Großvater durch ein Gericht Francos zum Tode verurteilt wurde (dann begnadigt zu Lebenslänglich).
Unter jenen, die ich traf, war Miriam Peet, Tochter des in Ostberlin lebenden Journalisten John Peet, der zweimal in der Schlacht am Ebro verwundet wurde. Sie fand auch heraus, dass ein Großonkel ihrer bulgarischen Mutter in Guadalajara gekämpft hat, einer von uns besuchten Stätte, einem der wenigen Siege der Republik, möglich dank der guten Koordination zwischen spanischen und internationalen Truppeneinheiten (Franzosen, Deutsche und insbesondere Italiener, wichtig im Kampf gegen die Soldaten Mussolinis) und den Gruppen von Kommunisten, Anarchisten und anderer Richtungen, hier eng vereint. Aber Miriam Peets Verwandter war in der Schlacht gefallen.
Ein junges Gruppenmitglied wurde besonders respektiert. Zuza Ziółkowska Hercberg aus Warschau, deren Gro&szlilg;vater in Spanien gekämpft hatte; sie hat den Bemühungen der rechtsgerichteten klerikalen Regierung getrotzt, die Erinnerungen an die große polnische Beteiligung in Spanien auszulöschen. Sie und viele andere, meistens Studierende, trugen eine Flagge für das polnische Dombrowsky Bataillon in Spanien und das überwiegend jüdische Botwin-Polafox Bataillon zum Grabmal des unbekannten Soldaten auf einem der Hauptplätze in Warschau. Sie lasen ein Gedicht, verharrten in Schweigen und legten einen Kranz nieder am Denkmal der gefallenen polnischen Helden, an dem die Namen jener in Spanien Gefallenen ausgelöscht worden waren. Nun kämpft diese Gruppe, inzwischen sehr gewachsen, für die Beibehaltung von Straßennamen, die das Dombrowsky Bataillon ehren, gegenüber Versuchen, diese zu ändern. Es war bewegend, die jiddisch-hebräischen Buchstaben auf der Flagge zu sehen, die sie an allen Stätten zeigte, die wir besuchten.
Es gab da viele, viele Leute mit interessantem Hintergrund, so z.B. die Tochter von Steve Nelson, einem der höchsten Offiziere des Abraham Lincoln Bataillons, verwundet in Belchite. Oder Len und Nancy Tsou aus Kalifornien, die die Tatsachen über ein Dutzend von chinesischen, japanischen, indischen und indonesischen Freiwilligen in Spanien ausgegraben haben. Erfreuliche Anmerkungen gab es bei informellen Liederabenden mit einer vergnügten Waliserin und einem wunderschön singenden schwedischen Gitarrenspieler, der jahrelang mit der amerikanischen Songschreiberin Malvina Reynolds zusammengearbeitet hat. Er sang oft sein Lieblingslied, "Last Will", von dem schwedisch-amerikanischem Songschreiber und Märtyrer Joe Hill.
Die Begrüßung an jedem Platz, den wir besuchten, war stets herzerwärmend - und offenbarte das wachsende Interesse an Spaniens bislang totgeschwiegener Vergangenheit und der mutigen Haltung von Menschen, die ihr Leben riskierten um das spanische Volk im Kampf gegen den Faschismus zu unterstützen - und gegen elendige Armut, Unbildung und Hunger, trotz jener die ihre Anstrengungen brechen wollten. Wir halfen, das Denkmal in Paris zu enthüllen, eine neue Tafel in Albacete, Informationsschilder in Benicássim, wo die Verwundeten behandelt wurden, und in Vicálvaro (Madrid) beim Aufbau eines neuen "Garten der Internationalen Brigaden".
Natürlich gab es, bei Teilnehmern aus 16 Nationen, Verständigungsprobleme. Zuzuhören bei zwei oder drei Übersetzungen bei noch einer freundlichen Begrüßungsrede war nicht immer einfach. Für einige, die ohne eine Übersetzung auskommen mussten, war das sicher kein Vergnügen. Aber mit den Erklärungen auf Englisch, Französisch, Deutsch, Italienisch oder insbesondere auf Spanisch gab es unzählige Gelegenheiten, etwas von anderen Ländern zu erfahren.
Ich habe gelesen (und auch in einem Buch über den Spanischen Bürgerkrieg geschrieben), wie Malaga im Februar 1937 fiel. Das darauf folgende Massaker an den Antifaschisten war verheerend; die Mehrheit der Bevölkerung floh, ohne Schutz und Versorgung, über eine enge Küstenstraße. Die Eroberer, überwiegend italienische Mussolini-Soldaten, schossen ohne Unterbrechung mit Maschinengewehren und bombardierten die hungrigen Frauen, Kinder und älteren Menschen vom Meer und aus der Luft. Als ich mich in meinem schwerfälligen Französisch mit einer Frau in einem unserer Busse unterhielt, erfuhr ich von ihr, dass sie als kleines Mädchen dabei gewesen war in diesem grauenvollen Treck.
In den letzten Jahren war das Gespräch mit einzelnen Interbrigadiers über den spanischen Bürgerkrieg ein Dauerthema mit Erinnerungen an Siege und Niederlagen, an Angst und Heldentum. Mit den neuen Generationen richtete sich das Gespräch auf die gegenwärtigen Ängste - und aktuell bedrohlichen Windmühlen. Die scheußlichen, bedrohlichen Ritter des Hasses sind heute genauso wenig Illusion wie 1936. Eine österreichische Frau erzählte von der Wahrscheinlichkeit, dass ihr Land schon bald einen protofaschistischen Präsidenten haben könnte. Andere aus Skandinavien haben schon Rassisten in ihren Regierungen. Frankreich und die Niederlande erwarten ähnliche Gefahren in den kommenden Monaten. In Deutschland hat sich auch eine ausländerfeindliche, islamophobe, extrem rechte Alternative für Deutschland (AfD) entwickelt, alarmierende Anzeichen im ganzen Land.
Es gibt zu viele Parallelen. In Spanien sah ein Schweizer Freiwilliger Nachbarn, die eine extrem traumatisierte Mutter wegtrugen, nachdem ihre kleine Tochter getötet wurde von Kugeln eines tieffliegenden deutschen Jagdflugzeugs. "Was haben wir den Deutschen jemals angetan?", fragte der Bauer. Ich erinnere mich daran, über den 12-jährigen Ali im Irak gelesen zu haben, dessen Traum war, Arzt zu werden, bis ihm ein Luftangriff beide Arme raubte - und beide Eltern. "Was haben wir den Amerikanern angetan?", fragte er. Und sind die Tausenden von Männern, Frauen mit Kindern, sogar Babys, die immer noch ihr Leben auf dem Mittelmeer riskieren, so viel anders als jene, die 1939 über die Pyrenäen flohen und zusammengepfercht wurden an den nackten kalten Stränden Frankreichs?
Als unsere leidenschaftliche antifaschistische Tourleiterin Almudena alle Namen der vertretenen Länder aufrief, wurde sie lautstark unterstützt, als sie Syrien zu der Liste hinzufügte und zur Solidarität aufrief - die heute so sehr gebraucht wird wie vor 80 Jahren.
"Die Verantwortung fahrender Ritter", verkündete Don Quijote, wäre nicht "festzustellen, ob die Gequälten, die Geketteten und die Unterdrückten, die sie auf ihrem Weg treffen, reduziert sind auf diese Umstände und ihr Elend erleiden wegen ihrer Sünden oder wegen ihrer Tugenden. Des Ritters einzige Verantwortung ist, ihnen beizustehen als Menschen in Not, und nur Augen zu haben für ihre Leiden..."
Mit Worten, so bedeutsam auch heute, wenn man sie nicht exakt wörtlich nimmt, schrie er:
"Siehst du, mein Freund Sancho, dort in der Ferne 30 oder 40 schwergewichtige Riesen? Ich will sie angreifen und niedermachen."
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Persönliche Anmerkungen für die Leser:
Wenn jemand wissen möchte, wie ich, ein New Yorker, in Ostberlin gelandet bin,
um solche Bulletins zu schreiben, kann er oder sie es herausfinden in meiner Autobiografie
"Crossing the River - Vom Broadway zur Karl-Marx-Allee".
Übersetzung: Manfred Englisch, Bremen
Mehr von Victor Grossman: Berlin Bulletin No. 121 (engl.), No. 120, No. 119, No. 118, No. 117, No. 116, No. 115, No. 114, No. 113, No. 112, No. 111, No. 110, No. 109, No. 108, No. 107, No. 106, No. 105, No. 104, No. 103, No. 102, No. 101.
Siehe auch:
Frauen und der spanische Krieg 1936 - 1939
Seine Heimat musst er lassen, weil er Freiheitskämpfer war
In one hurrying day, eighty years ago, in Albacete, a center of Spain's La Mancha region, a few officers somehow created quarters for five hundred men arriving the following day, then five hundred more, and more. Soon 3 or 4000 thousand, somehow organized in units despite a mad variety of languages, were issued a motley array of uniforms and dated weapons, taught to fire and reload them and little else, and sent after a few weeks into a murderously bloody, last-ditch battle to save Madrid, the capital, from well-armed, trained, murderously marauding attackers. They succeeded. But very many, Poles, Germans, French, Italians and others died next to their new Spanish comrades.
Four full centuries ago, in April 1616, a man died in Madrid quite peacefully, who had made the name of Albacete's region immortal. The fictional creation of Miguel de Cervantes', who titled himself Don Quixote de la Mancha, was a rather mad fantast, whose misadventures with his page and servant Sancho Panza still fascinate readers of what is reverently honored as "Spain's Bible".
About 150 of us marked the anniversary of October 1936 with a tour commemorating the founding of the International Brigades, made up of men and women volunteers who came to join in a mortal struggle against fascism. As some of those welcoming us in Albacete remarked; not only dates and geography echoed the fabled La Mancha story of the 1500's in the torn Spain of the 1930's.
The scrawny self-titled "Don" with his lean nag Rosinante, a helmet made of a shaving basin and a skimpy lance, with squat Sancho on a donkey, was sadly unfit for the coming encounters.
The weapons inadequacy of the 40,000 volunteers from over 50 countries was almost as pitiful but truly tragic - and sinister. Even those weapons and supplies the legitimate, elected Spanish government could obtain from its only two allies, Mexico and the USSR, were largely shut out by Italian cruisers in the south and British blockade vessels in the north. A tight French vise shut rail and road entries, forcing many volunteers to steal over narrow, dangerous mountain trails to reach the besieged land. Fascist German and Italian men, planes and weapons, American trucks and fuel could, untroubled, get to Francisco Franco's well-stocked forces. The supreme hypocrisy involved, managed by Tory Prime Minister Neville Chamberlain, acceded to by the weak French Popular Front Socialist Leon Blum, permitted by Franklin Roosevelt, was exalted with the title "non-intervention".
Perhaps a bond across the centuries was the rather mad but determined idealism of Quixote, setting forth into the world to "regress all manner of wrongs" to "the afflicted, the enchained and the oppressed". Cervantes balanced this with down-to-earth Sancho, illiterate, not altruistic, but close to common working people like himself. His dream was to become governor of an island; when he achieved this (only a village in reality) his reign, despite some blunders, was yet a valiant attempt to achieve justice with common sense. All too soon it "ended, perished, dissolved and vanished into smoke and a shadow." The mighty duke and duchess took over again. Alas, the many parallels!
Menacing windmills, "evil giants" for the Don, triumphed again in 1939. In our group only one had fought in the International Brigades, one of their many Spanish members, and now one of perhaps three survivors. Josep Almudever, 97, is amazingly vital and as wrathful as ever about the forces of Hitler and Mussolini who, he is convinced, steered Franco, making it no genuine "civil war" but a defense against foreign adversaries, not excluding those "western democracies" which betrayed it. When not expanding on this, part of his life story, the old man joined lustily in singing the songs of the Spanish War and patiently agreed to pose for photos, including one with the tiny, 95 years younger son of Almudena Cros, who arranged the tour.
Who else was in the group? Fine, often fascinating people, most were children or relatives of the Brigaders. The father of one, a German Communist miner, volunteered early, fought to save Madrid and became a captain in the Thälmann Battalion. His wife took a Red Cross nursing course to follow him and tried to meet briefly between the battles. In Albacete, always headquarters city for the Brigades, he was born - three months after his father had died in the battle of Belchite.
One woman, Anastasia Tsackos, told of another brief interlude of love and marriage in the midst of war, of her Spanish mother and a Greek volunteer. Neither she nor her mother could ever learn his fate - on a battlefield, in a Franco prison, or as a guerrilla fighting in his homeland against the conquerors who, after Spain was subjugated, could then move on to bomb, occupy, enslave and wreck all Europe as far as Stalingrad.
Another white-haired, dignified and friendly group member was Claire Rol-Tanguy, president of the "Association des Amis des Combattants en Espagne Républicaine" (ACER). Her mother, Cécile, 97, the widow of Henri Guy-Tanguy, who fought in the Brigades, then in the French Résistance, then led the Paris uprising and received the surrender of the German commander. She, too, was a resistance fighter and, like him, an active Communist in post-war France. In Paris, our first stop, the little old lady with the heroic past unveiled a monument to the foreign volunteers at Austerlitz Station, where most of them departed on their way to the battlefields. This late but moving monument was finally achieved with the help of Anne Hidalgo, Socialist mayor of Paris, herself born in Spain where her grandfather was sentenced to death by the Franco courts (and then pardoned to life imprisonment).
Among those I met was Miriam Peet, daughter of the East-Berlin-based English journalist John Peet, who was wounded twice in the Ebro battle. She also discovered that a great-uncle on her Bulgarian mother's side fought at Guadalajara, a site we visited, one of the Republic's few big victories, possible thanks to good coordination between Spanish and foreign battalions (French, German, and especially Italian, most important against the Mussolini troops) and units with Communist, Anarchist and other backgrounds - and here closely united. But Miriam Peet's relative had died in the battle.
One young group member was especially respected. Zuza Ziółkowska Hercberg from Warsaw, whose grandfather fought in Spain, had defied efforts by the clerical right-wingers dominating her country to wipe out recollections of the large Polish participation in Spain. She and several others, mostly students, carried a large flag of the Polish Dombrowsky Battalion in Spain and one of the largely Jewish Botwin-Palafox Battalion to the Tomb of the Unknown Solider on one of the main squares in Warsaw. They read a poem, stood briefly in silence and laid a wreath near the monument to fallen Polish heroes, where mention of those who died in Spain had been erased. Now the group, already larger, is fighting to keep street names honoring the Dombrowski Battalion from being altered. It was moving to see Yiddish-Hebrew letters on the same flag she showed eye-catchingly at all the sites we visited.
There were many, many people with interesting backgrounds, like the daughter of Steve Nelson, a top officer in the Abraham Lincoln battalion, wounded at Belchite. Or Len and Nancy Tsou of California, who have dug up the facts about a dozen or so Chinese, Japanese, Indian and Indonesian volunteers in Spain. Pleasant notes were offered in informal song sessions by a jolly Welsh woman and the beautiful singing with guitar of a Swedish man who worked for years with the American songwriter Malvina Reynolds. He often sang his favorite, the "Last Will" song by the Swedish-American songwriter and martyr Joe Hill.
The welcomes in each place we visited were always heart-warming - and often displayed growing interest in Spain's previously hushed-up past and the courageous role of men and women who came and risked their lives to support the Spanish people against fascism - and miserable poverty, illiteracy and undernourishment, despite those out to crush their attempts. We helped unveil the Paris monument, a new plaque in Albacete, information signs in Benicássim, where the wounded were treated, and in Vicálvaro (Madrid) with the start on a new "Garden of the International Brigades".
Of course, with sixteen nationalities, our many languages were a problem. Listening to two or three translations of one more warmly welcoming speech was not always easy. For some, doing without a translation was certainly no more enjoyable. But with either English, French, German, Italian or especially Spanish, personal meetings offered countless opportunities to learn about other lands.
I had read (and written in a book about the Spanish War) about the fall of Malaga in February 1937. The resulting murder of anti-fascists had been devastating; most of the population fled, with neither supplies nor protection, along a narrow coastal road. The conquerors, mostly Mussolini-Italians, shot the men and incessantly machine-gunned and bombed the hungry women, children and elderly from sea and air. Now, speaking in my labored French to a woman on one of our buses, I learned that she had been a little girl on that horrible trek.
In past years, with more than just one lonely Brigader, talk of the Spanish War had been a frequent theme, with recollections of victories and defeats, of fear and of heroism. With the changing generations conversation now turned to current fears - and current menacing windmills. The ugly, menacing knights of hatred were no more illusions today than they were in 1936. An Austrian woman told of the likelihood that her country would soon have a proto-fascist president. Those from Scandinavia already had racists in their governments. France and the Netherlands faced similar dangers in coming months. In Germany as well, the foreigner-hating, Islamophobic, extremely right-wing Alternative for Germany (AfD) has developed alarming roots in nearly all the country.
There are too many parallels. In Spain, a Swiss volunteer I quote in my book saw neighbors carrying a wildly traumatized mother when her little daughter was killed by bullets from a low-flying German fighter plane. "What have we ever done to the Germans?" the farmers ask. I recall reading of 12-year-old Ali in Iraq, who dreamt of becoming a doctor until an air attack robbed him of both arms - and both parents. "What have we done to the Americans?" he asked. And are the thousands of men, women with children, even babies, still risking their lives in the Mediterranean, so very different from those who fled across the Pyrenees and were herded onto bare, cold French beaches in 1939?
When our passionately anti-fascist organizer Almudena called the names of all the countries represented - she was cheered when she added Syria to the list, calling for solidarity - needed as much today as 80 years ago.
"The responsibility of knights errant", Don Quixote insisted, was not "to discover whether the afflicted, the enchained and the oppressed whom they encounter on the road are reduced to these circumstances and suffer this distress for their vices, or for their virtues: the knight's sole responsibility is to succor them as people in need, having eyes only for their sufferings..."
In words so relevant today, if not to be taken exactly literally, he cried:
"Do you see over yonder, friend Sancho, thirty or forty hulking giants? I intend to do battle with them and slay them."
+++++++
Personal Note to readers:
If anyone is curious as to how I, a New Yorker, landed in East Berlin writing
such bulletins, he can find out in my autobiography, "Crossing the River - A Memoir
of the American Left, the Cold War, and Life in East Germany" (University of Massachusetts Press).
More by Victor Grossman: Berlin Bulletin No. 120, No. 119, No. 118, No. 117, No. 116, No. 115, No. 114, No. 113, No. 112, No. 111, No. 110, No. 109, No. 108, No. 107, No. 106, No. 105, No. 104, No. 103, No. 102, No. 101.
Am 29. Oktober, vor 10 Jahren starb der verdiente Kommunist und Wiederständler Peter Gingold. Er emigrierte im Herbst 1933 nach Frankreich, arbeitete bei der deutschsprachigen antifaschistischen Tageszeitung "Pariser Tageblatt" und war in einer kleinen Gruppe des Kommunistischen Jugendverbandes Deutschlands (KJVD) in Paris politisch tätig. Im Juni 1936 gründete er in Paris mit anderen jungen deutschen Antifaschisten die Freie Deutsche Jugend (FDJ) und lernte dort Ettie Stein-Haller, seine spätere Frau, kennen. 1937 trat er in die Kommunistische Partei Deutschlands ein. Im Januar 1940 heiratete er Ettie Stein-Haller und wurde im Mai als sog. "deutschstämmiger Staatenloser" von den Franzosen interniert. Im Juni 1940 wurde ihre erste Tochter Alice geboren.
Peter Gingold kehrte im Oktober nach Paris zurück und war im deutschen antifaschistischen Widerstand aktiv. Im Frühjahr 1941 gab er die Tätigkeit auf, da die Gestapo nach ihm fahndete. Er ging im April nach Dijon und wurde in der Travail allemand (TA), einer Gruppe in der Résistance, tätig, die antifaschistische Flugblätter unter den deutschen Soldaten verbreitete. Seine Aufgabe war unter anderem, den Kontakt zu den Soldaten der Wehrmacht herzustellen, um Hitler-Gegner herauszufinden und für die Zusammenarbeit in der Résistance zu gewinnen.
Im Juli 1942 wurden zwei seiner Geschwister in Paris verhaftet und in das KZ Auschwitz deportiert. Im Februar 1943 wurde er in Dijon von der Gestapo verhaftet und mehrere Wochen lang verhört und gefoltert. Gingold wurde nach Paris überführt, dort gelang ihm im April die Flucht, und nach ein paar Wochen war er wieder in der Résistance tätig. Im August 1944 beteiligte er sich am Aufstand zur Befreiung von Paris und ging als Frontbeauftragter des Nationalkomitees Freies Deutschland mit dem 1. Pariser Regiment nach Lothringen. 1945 wurde er von der US-Armee inhaftiert und kam wegen falschen Verdachts für kurze Zeit in ein französisches Kriegsgefangenenlager. Ende April war er als Frontbeauftragter bei den Partisanen in Norditalien und erlebte dort das Ende des Zweiten Weltkrieges.
Gingold kehrte im August 1945 nach Frankfurt am Main zurück und wurde wieder zusammen mit seiner Frau Ettie in der KPD aktiv. Er wurde Mitglied des Sekretariats der hessischen KPD und dort Schulungsleiter; für den Grenzapparat von Richard Stahlmann bei der SED-Führung in Berlin arbeitete er als Kurier.
Seit der Gründung der DKP 1968 war er dort Mitglied und übernahm wichtige Funktionen; so war er in den 1970er Jahren Vorsitzender der Bezirksschiedskommission der Partei, die satzungsgemäß die Ideologietreue der Mitglieder zu prüfen und zu gewährleisten hat. Er lebte bis zu seinem Tod in Frankfurt am Main und war unter anderem in der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN/BdA), im Verband Deutscher in der Résistance, in den Streitkräften der Antihitlerkoalition und der Bewegung "Freies Deutschland" e.V. (DRAFD) sowie im Auschwitzkomitee politisch aktiv. 1990 kandidierte er noch einmal auf der offenen PDS-Liste für den Deutschen Bundestag. Er war als Zeitzeuge bei den verschiedensten Gelegenheiten und Veranstaltungen in ganz Deutschland aktiv.
Peter Gingold wird uns als aufrichtiger Antifaschist und Kommunist immer in Erinnerung bleiben.
Dieses kapitalistische System, das Mensch und Natur einer extremen Ausbeutung unterwirft, besitzt durch den festen Glauben an Fortschrittsmythen, wie die Logik der endlosen Geldvermehrung, eine so enorme zerstörerische Kraft, dass die Zukunft der Menschheit schwer in Frage gestellt wird.
Dieses System beruht auf Ausbeutung und Krieg - schon immer. Um unsere westliche Lebensweise allen Menschen zu ermöglichen, bräuchten wir 2,7 Erden. Da wir aber nur eine Erde haben, nehmen wir uns mehr als uns zusteht. Dies ist im Prinzip auch der Grund für die meisten von den USA angeführten Kriege. Es geht um Wachstum und die Sicherung von Ressourcen, da ohne dieses ständige Mehr und Mehr unser System nicht funktioniert. Es sind also Beutezüge im Namen des Wachstumszwangs, den unser Geldsystem, das nur dazu dient, Reiche noch reicher zu machen, verursacht.
Einerseits sind wir selbst Opfer die ausgebeutet werden, andererseits unterstützen wir durch unser Handeln, unseren Konsum und unsere Gier dieses System und machen uns somit mitschuldig an Elend, Kriegen und Umweltzerstörung. Ja, wir alle haben Blut an den Händen, und es wird bei jeder Tankfüllung, jedem neuen Smartphone, oder wenn wir Lebensmittel wegwerfen, jedes mal ein bisschen mehr.
Eigentlich gibt es nur zwei Wege, die man einschlagen kann.
Wenn wir uns nur alle zuerst einmal auf Weg 2 einigen könnten, ganz egal was man sonst über viele Themen denkt, wären wir einen riesigen Schritt weiter, aber selbst davon sind wir wohl leider Lichtjahre entfernt...
Nun, versuchen wir uns als Lehrlinge von Nostradamus und wagen einen zaghaften Blick in die Zukunft. Arbeit, wie wir sie heute verstehen, wird verschwinden, Maschinen übernehmen sie für uns. Das ist nicht schlecht, denn diese Aufgaben sind meist nicht sehr attraktiv, und so bleibt den Menschen mehr Zeit anderen Tätigkeiten nachzugehen, wie zum Beispiel in sozialen Berufen. Schulen, Kindergärten, Altenversorgung, Krankenbetreuung, Seelsorge, um nur einige zu nennen, sind wichtige, aber leider vernachlässigte Bereiche.
Autos werden schon lange mit minimalem menschlichen Einsatz hergestellt, bald sollen Sportschuhe völlig von Robotern hergestellt werden, Banken entlassen laufend Mitarbeiter, da die Kundenbetreuung von Automaten übernommen wird, an der Supermarktkasse scannen wir unsere Einkäufe selbst, den Tankwart gibt es ohnehin schon lange nicht mehr und so weiter.
Das bedeutet, immer mehr Menschen werden keine Arbeit haben, also kein Einkommen, oder müssen von sozialer Unterstützung leben, die es ihnen kaum ermöglicht, ihre Rolle als Konsument wahrzunehmen. Kein Urlaub, kein zweites Auto, kein Freizeitsport und so weiter. Die Wirtschaft wird einen letzten großen Aufschwung erleben, ein helles Auflodern sozusagen, in dem sie selbst verglüht.
Die Konzerne werden immer mehr, schneller und billiger produzieren, da sie ja keine Menschen mehr anstellen müssen - wunderbar! Die Absatzmärkte werden globaler und die Hersteller verkaufen ihre Produkte und Leistungen weltweit, da die Kaufkraft im eigenen Land zu stark gesunken ist. Doch dieser Trend ist weltweit. Wer konsumiert die billigen, immer schneller erzeugten Produkte, die in immer größerer Menge hergestellt werden, wenn immer weniger Menschen eine Arbeit haben, mit der sie genug Geld verdienen?
Die Sozialleistungen wie wir sie heute kennen sind weit gestreut, Arbeitslosengeld, Wohngeld, Familiengeld, Kindergeld, Kindergartenzuschuss, Studienbeihilfen, Sozialgeld, Pensionen und Steuererleichterungen wie Alleinverdiener- und Alleinerzieherabsetzbetrag und viele mehr. Dieser unübersichtliche Irrgarten an Zuschüssen und Absatzbeträgen könnte durch ein einfaches und menschenwürdiges System ersetzt werden, bei dem sich der Antragsteller nicht offenbaren oder sich als Schmarotzer fühlen muss, denn jeder Mensch bekommt es, das Menschengeld. Müssen wir ein schlechtes Gewissen haben? Nein, denn es ist kein sozialer Gedanke, der dahintersteht, sondern schlichtweg die Überlebenschance für den Kapitalismus. Denn wir, die Konsumenten, nicht der Mensch, sind es, die das System überhaupt erst am Laufen erhalten, denn ohne Konsumenten, kein Kapitalismus.
Und wer soll das bezahlen? Gegenfrage: Wer macht denn mehr Gewinn mit der Situation? Genau, die Konzerne. Natürlich müssen die einen großen Teil des durch Mitarbeiterkürzungen ersparten Geldes in Form von Abgaben an den Staat zahlen, und der verteilt es an die Konsumenten, die das Geld wieder an die Konzerne ausgeben. Es wird bereits von einer Maschinensteuer gesprochen - eine gute Idee!
Warum ist das zwingend notwendig? Der Verlust der Arbeit ist nicht nur für die Menschen, die kein Einkommen mehr haben, ein Problem, sondern auch für die Staatskasse, die dadurch Sozialzahlungen übernehmen muss. Aber viel schlimmer ist, dass ihr ein Steuerzahler verloren geht.
Der Erlös, der vorher durch die Besteuerung der Gehälter erwirtschaftet wurde, muss nun auf anderen Wegen eingenommen werden. Vermögenssteuer, Umweltsteuer und Maschinensteuer sind nur einige der möglichen Quellen.
Wir müssen verstehen, dass dieses System nur funktionieren kann, wenn der Kreislauf des Geldes erhalten wird, es muss also wieder zu den Konsumenten wandern - ganz egal auf welchem Weg.
Der Regen kann nur fallen, wenn das Wasser wieder verdunstet. Egal wie wichtig Wasser für unser Überleben auch sein mag, würden wir es in riesigen Behältern speichern, würden wir unsere Umwelt und letztlich uns dadurch töten.
Aber vielleicht erschaffen wir ja auch ein gänzlich anderes System, ohne Wettstreit, ohne Unterdrückung und ohne Ausbeutung, indem wir unsere Werte neu priorisieren, uns darauf besinnen, was wir zum Leben wirklich benötigen - und einfach nur leben.
Ihr nachdenklicher
Ferit Payci
Über den Autor:
Der Wiener Ferit Payci ist Journalist, Blogger und Buchautor. Sein spannungsgeladener Thriller
"Der Administrator"
inspiriert durch den zunehmend bedenkenlosen Umgang mit dem Medium Internet und
seinen Möglichkeiten.
Auf seiner
Facebookseite
berichtet er regelmäßig über seine Gedanken, Erlebnisse und Erfahrungen,
die ihn beim Schreiben ereilen oder ihn auf andere Weise heimsuchen.
"Das bedeutet, immer mehr Menschen ... müssen von sozialer Unterstützung
leben, die es ihnen kaum ermöglicht, ihre Rolle als Konsument wahrzunehmen."
Die Definition des Menschen als Konsumenten seitens von Protagonisten des 'bedingungslosen
Grundeinkommens' lässt mich befürchten, dass auch diese Idee weder sozial,
links oder gar revolutionär ist, sondern eher einer der letzten Rettungsanker
dieses dem Untergang geweihten Systems. Eines Systems, dessen Kreativität
zum eigenen Erhalt größer ist, als der Selbsterhaltungstrieb des einzelnen
Menschen, bzw. der ganzen Gattung.
Dominic Hoffmann, Berlin, 31.10.2016
Meiner Ansicht nach der einzig vernünftige Weg zur sozialen Gerechtigkeit, zu mehr Lebens-Qualität und um keine Argumente mehr für so himmelschreiende Jobs wie MA im Schlachthof etc. zu haben... ALLERDINGS nicht gleich von der Schule in das Bedingungslose Grundeinkommen, erstmal zum Aufbau des eigenen Lebens, der eigenen Familie und Selbstständigkeit arbeiten müssen, jedenfalls die erste Generation!
Gerlinde Kröger, Eutin, 01.11.2016
Also wenn das BGE kommt, wird es die Armenfürsorge etablieren, denn: warum nennen allesamt eine Summe, von der kein Mensch leben kann. Nehmen wir mal eine realistische Summe zum Überleben, dann sind das 1.800 € im Monat mit jährlichem Inflationsausgleich. Und wir alle wissen, dass die derzeitige kapitalistische Produktion genug Reichtum dafür produziert. Wir könnten also alle mit wesentlich weniger Arbeit und einem anständigen Grundeinkommen leben. Aber, es wird eben immer gesagt: "Höhö, naja, vielleicht 800 oder 1.000 €." Davon kann man nicht mal in Berlin Miete und Leben zahlen oder geschweige denn noch eine Sozialversicherung.
Inett Kleinmichel, Berlin, 01.11.2016
Ja natürlich... Wer zur Untermiete wohnt aber auch... Er macht die Reichen noch reicher. Sollen die nun alle auf die Straße ziehen, um den Kapitalisten zu schaden? Erkennt Ihr die Logik in Euren Argumentationen? Sicherlich habt Ihr auf der einen Seite Recht, aber der Mensch sollte wichtiger sein als die Ideale, vor bei denen die eh nichts haben. Wenn Ihr Revolutionen haben wollt hier, dann haut auf den Alkohol 200% Steuern :-) Und das ist Quatsch, dass Menschen dann faul und träge werden. Ansprüche steigen immer. Sie können überleben, und dafür sollte das da sein. Die meisten Menschen wollen Anerkennung, Wünsche erfüllen usw. Von wegen sich mit Kapitalismus abfinden wegen BGE, das sehe i ch nicht so...
Paul Kult, Weimar, 02.11.2016
Das BGE ist die letzte Rettung für das System. Schön, dass dies noch jemand so sieht. Nur die Tatsache, dass die Einführung eines BGE das Eingeständnis darstellt, die Grundsätze des Kapitalismus "arbeite um zu leben", "wer nicht arbeitet braucht auch nicht zu essen" & "Arbeit macht frei" seien Schwindel. Ja, die Entwicklung der Produktionsmittel ist nun mal weiter, als die der Produktivkräfte. Diesen Konflikt kann der Kapitalismus nicht lösen. Jedenfalls nicht friedlich. Ein BGE würde ihnen nur Zeit verschaffen. Oder eben eine 3. Kraft, die alles durcheinander bringt. Asylanten zum Beispiel. Spannend wird, ob die Menschheit endlich die Zusammenhänge begreift, ohne Verschwörungstheorien nachzuhängen, Juden oder Chasaren dafür verantwortlich zu machen. Kurz: Ob die gezielte Verdummung der Menschen erfolgreich ist oder aufgehalten wird. Jeder kann bei dieser Entscheidung mitmachen.
Emillie Dornblot, Magdeburg, 02.11.2016
Das BGE ist einerseits und vor allem anfänglich die Rettung des Systems. Dann kommt es aber darauf an was wir daraus machen! Auch wir müssen uns Zeit kaufen, um zu einem anderen System zu kommen. Wenn über 90% die Mechanismen dieses Systems verstanden haben, wie will man dann "über Nacht" ein neues System etablieren? Wenn wir aber glauben, wir hätten allein durch die Einführung des BGE die Welt geändert, dann ändern wir gar nichts. Überall wo man das BGE eingeführt hat, gab es direkt positive Auswirkungen auf den Menschen. Das Problem war, dass die erhofften Auswirkungen auf das Wirtschaftswachstum nicht eingetroffen sind. Wenn wir die Freiheit, die uns ein - wie auch immer geartetes - BGE bringt nutzen, um das System immer mehr zu ändern, dann ist ein BGE zu befürworten!
Rainer Classen, Kempen, 02.11.2016
Nehmen wir mal an, es gäbe dieses BGE für jeden volljährigen Staatsbürger
und für Ausländer, die eine bestimmte Zeit (nehmen wir mal 5 Jahre) hier
gelebt und auch gearbeitet haben. Damit würden zahlreiche Behörden auf
einen Schlag entlastet. Hartz IV als "Grundsicherung" wäre für genannte
Gruppen somit vollkommen überflüssig. Die Jobcenter (Sklavenagenturen)
würden dadurch in erheblichem Maße an Macht verlieren, weil sie keinen
Druck mehr auf Erwerbslose ausüben können. Da dann auch Kindergeld und
Unterhalt nicht mehr angerechnet werden müssen, könnte es für die
Kinder dieser Familien die Chancen verbessern. Ebenso müssten Studierende
und Azubis kein BAföG mehr beantragen. Laut einer Erhebung des Studierendenwerks
haben ca. 67% der BAföG-Leistungen beziehenden Studierenden einen Nebenjob,
um ihr Studium finanzieren zu können. Ohne Zuverdienst hat so ein Studi weniger
als ein Hartz-IV-Bezieher. Dies nimmt Studierenden oftmals viel Zeit zum Lernen
und ebenso für einen Ausgleich weg. Studierende mit Handicaps, die dadurch
in ihrer Leistungsfähigkeit eingeschränkt sind, haben bei BAföG-Bezug
ab dem 4. Semester enorme Probleme existenzieller Natur. Diese können ebenso
von einem BGE profitieren. Warum? Weil Existenzsorgen die Entfaltungsmöglichkeiten
enorm einengen, von der Leistung mal abgesehen. Azubis profitieren genauso wie
Studierende, sobald sie ebenfalls volljährig sind. Rentner hätten ebenso einen Puffer.
Man rechne das mal durch... eine Durchschnittsfamilie (2 Erwachsene, 2 Kinder)
hätte so schon allein 2.000 € im Monat, plus zweimal Kindergeld, da käme
man gut mit hin. Meine Mum (alleinerziehend, 3 Kinder) verdiente zu Zeiten ihrer
Berufstätigkeit 2.500 € netto im Monat als Grundgehalt (ohne Zuschläge),
da kamen wir sehr gut mit über die Runden. Mit einem BGE käme dies wieder:
Mittlerweile bin ich volljährig, meine Mum, mein jüngster Bruder (14)
und ich leben in einem Haushalt, wir kämen damit hin, unsere Möglichkeiten
wären besser. Der Mittlere lebt mit seiner Verlobten und dem gemeinsamen Sohn
in einem eigenen Hausstand, auch diese Familie hätte dann ähnliche Möglichkeiten
(er könnte so locker seine Tonmeisterausbildung finanzieren, auf die er sich freut).
Und so dürfte es vielen, vor allem Familien, dann gehen.
Doch auch Einzelpersonen, Wohngemeinschaften etc. profitieren davon. Keinen Zank
mehr darum, wer die Miete zahlt und wer welchen Anteil daran hat. Das Dach über
dem Kopf wäre auf jeden Fall gesichert.
Doch wie finanzieren? Über Steuern ginge es. Eine Risikosteuer für Börsengeschäfte,
ebenso eine Reichensteuer wäre eine Möglichkeit. Da gäbe es Wege.
Nur nützt das allerdings wenig, wenn es weiterhin prekäre Beschäftigungsverhältnisse,
Niedriglöhne etc. gibt. Auch muss das Rentenniveau angehoben werden. Das BGE
sollte möglichst nur ein Puffer sein und nicht das Haupteinkommen. Als Grundsicherung
auf jeden Fall eine gute und sozial gerechte Idee.
Saskia Freytag, Bad Bramsted, 03.11.2016
Ich sehe die BGE-Bewegung sehr kritisch, denn die Massenarbeitslosigkeit ist das
Ergebnis des Gesetzes der Profitmaximierung im Kapitalismus - und kann auch nur
auf Kosten der Profite bekämpft werden. Wer dagegen grundlegend antreten will,
muss die Ursachen ins Visier nehmen und gegen den Kapitalismus kämpfen. Denn
dieses Gesetz wird erst fallen, wenn in einer sozialistischen Gesellschaft die
Produktion nach dem Willen und den Bedürfnissen der Arbeiterklasse und ihrer
Verbündeten organisiert und so das Problem der Arbeitslosigkeit ein für
alle Mal aus der Welt geschafft wird. Eine solche Lösung liegt aber nicht
in der Absicht der meisten Wortführer des bedingungslosen Grundeinkommens.
Sie beschränken sich auf Vorschläge, wie ihrer Meinung nach die Massenarbeitslosigkeit
"zeitgemäß" zu verwalten wäre.
So wird auch Spaltung zwischen Arbeitende und Erwerbslose gesät und davon
kann nur einer profitieren: Das Monopolkapital. Der enge Schulterschluss zwischen
Arbeitenden und Erwerbslosen muss diese Rechnung durchkreuzen. Ihre Einheit und
Solidarität sollten wir fördern und dabei niemals das Endziel, die klassenlose
Gesellschaft aus den Augen verlieren.
Nico Diener, 03.11.2016, Kiel
Ich wäre gern in dieses Haus gezogen
Ins elfte Stockwerk einer andern Zeit
Mit all den Mängeln unterm Himmelsbogen
Mit Zweifeln und mit Hoffnung meilenweit
Ich schlendere mit dir auf den Balkonen
Durchs schöne unvollkommne Paradies
Und weiß bei jedem Schritt, hier lässt sich's wohnen
So zwischen erstem Grün und Schlamm und Kies
Hier, wo die Menschen offnen Herzens fragen
Woher kommt einer und wo geht er hin
Das tausendmal Gesagte nochmals sagen
Und alles hat am Ende einen Sinn
Ein guter Mensch zu sein, kann hier gelingen
So wie es einen gibt, der es entdeckt
Hier kann ich dir die alten Lieder singen
Bevor ein neues seine Flügel streckt
Zur Nacht erklärst du mir dann all die Sterne
Und manches, was im Leben sonst nichts zählt
Wir schauen in die wunderschöne Ferne
Wo sich die Wirklichkeit dem Traum vermählt
Ich wäre gern in dieses Haus gezogen
Ins elfte Stockwerk einer andern Zeit
Mit all den Mängeln unterm Himmelsbogen
Mit Zweifeln und mit Hoffnung meilenweit
Frank Viehweg © 2012
Zuerst veröffentlicht in: Das Blättchen, Nummer 21, 10. Oktober 2016
Frank Viehwegs Homepage: frankviehweg.de
Früherer Beitrag von Frank Viehweg erschien am: 06.09.2016
Am Abend des 24. Oktober twittert der EU-Ratspräsident Tusk, er sei sich mit dem kanadischen Premier Trudeau einig: Der CETA-Gipfel sei weiter möglich. Der Druck auf die belgischen Regionen Wallonien und Brüssel bleibt also weiter hoch. Sie weigern sich, die demokratischen Einschränkungen widerstandslos hinzunehmen, die mit dem Handelsabkommen CETA verbunden sind.
Unsere Solidarität und Unterstützung gilt insbesondere dem wallonischen Premierminister Paul Magnette, der bisher standhaft bleibt. Wie Millionen Bürgerinnen und Bürger in der EU will er nicht hinnehmen, dass Demokratie und Rechtsstaatlichkeit zugunsten der Interessen internationaler Konzerne eingeschränkt werden.
Die Europäische Kommission und die großen Mitgliedsstaaten der EU wollen Premier Magnette mit aller Macht in die Knie zwingen. Er soll klein beigeben, damit bereits Donnerstag der Vertrag zwischen Kanada und der EU unterzeichnet werden kann. Aber Paul Magnette bleibt aufrecht - zwei tapfere belgische Regionalparlamente stützen ihn.
Mit unserem Appell stellen wir uns hinter sie. Wir zeigen, dass Hunderttausende von uns aus ganz Europa CETA ebenfalls ablehnen.
Regierung und Parlament Walloniens treffen keine voreilige oder gar trotzige Entscheidung. Sie haben sich informiert und sie haben einen gesellschaftlichen Diskussionsprozess organisiert, der über ein Jahr dauerte.
Sie kommen zu dem Ergebnis, zu dem auch wir kommen: CETA ist ein Handelsabkommen voller Tücken und Gefahren für die Demokratie. Die häufige Aussage der Befürworter, ein besseres Abkommen könne die EU gar nicht bekommen, überzeugt uns nicht. Stimmt die EU zu, werden Umweltstandards, Verbraucherschutz und Rechtsstaatlichkeit zugunsten von ökonomischen Interessen aufgegeben.
Es ist erschreckend, auf welch vielfältige Weise die EU-Kommission und Regierungschefs der wichtigen EU-Mitgliedsländer Druck ausüben: Paul Magnette sagt, er erhalte kaum verschleierte Drohungen. Dabei ist es sein Ziel, ein Abkommen zu bekommen, das unsere grundlegenden demokratischen Werte nicht aushebelt. Was er jetzt braucht und was die EU-Kommission erfahren muss: Er steht nicht allein! Wir, hunderttausende Bürgerinnen und Bürger aus Europa, unterstützen ihn.
Vor nicht einmal zwei Wochen haben wir in Europa mobilisiert, um die österreichische Regierung zu bestärken. Sie wollte CETA ebenfalls ablehnen, hat sich aber aufgrund der Zusatzerklärung zum CETA-Abkommen und durch den Druck der Staats- und Regierungschef umstimmen lassen. Unser Protest in der größten Tageszeitung hat zwar Aufsehen erregt, aber leider nicht gereicht. Jetzt haben wir eine weitere Chance und wir treffen auf einen Premierminister, der sehr entschlossen ist. So entschlossen, wie auch wir es sind, gegen dieses Abkommen aufzustehen.
Aus verschiedenen Regionen Europas grüßen herzlich
Jörg Rohwedder (Lübeck), Virginia López Calvo (Madrid), Martin Caldwell (Berlin), Mika Leandro (Bordeaux), Julia Krzyszkowska (Warschau), Olga Vukovic (Bologna) und das gesamte WeMove.EU - Team
WeMove.EU ist eine Bürgerbewegung, die sich für ein besseres Europa einsetzt; für eine Europäische Union, die sich sozialer Gerechtigkeit verpflichtet fühlt; die für ökologische Nachhaltigkeit und bürgernahe Demokratie steht. Wir sind Menschen unterschiedlicher Lebensläufe, Kulturen und Religionen, die Europa ihr Zuhause nennen - egal, ob wir in Europa geboren wurden oder anderswo.
Heute sind sie zwischen 60 und 70, aber einmal galten sie als Deutschlands Zukunft in der DDR. Sieben Filmemacher, die sich vom Studium an der Babelsberger Filmhochschule kennen, haben 2015 gemeinsam den Dokumentarfilm-Essay "Als wir die Zukunft waren" gedreht. Peter Kahane, Thomas Knauf, Andreas Voigt, Hannes Schönemann, Ralf Marschalleck, Lars Barthel und als einzige Frau unter ihnen Gabriele Denecke erzählen mit zum Teil originalem Film- und Fotomaterial von ihrer Kindheit und Jugend in den fünfziger und sechziger Jahren. Wie sind sie ins Leben gestartet, woran haben sie geglaubt, was haben sie beobachtet und erfahren?
Die Ausgangspunkte sind sowohl örtlich wie sozial unterschiedlich. Kleinbürger, kleine Funktionäre waren die Eltern. Manche stellten sich mit Überzeugung der neuen Zeit, andere hielten sich zurück. Peter Kahane wuchs als Sohn einer jüdischen Familie in Berlin auf. Seine Eltern hatten sich in der Résistance kennengelernt, nach Rückkehr aus der Emigration geheiratet, und entsprechend linksliberal war das häusliche Umfeld. Frappierend, wie Kahane aus kindlicher Sicht seine Umgebung im geteilten Berlin mit Naivität und einer gewissen Verwunderung beobachtet.
Thomas Knauf schildert sein Schlüsselerlebnis, als der damals 17-Jährige sich 1968 beim tschechoslowakischen Botschafter in Warschau für den Prager Frühling begeistert und es nach Rückkehr in die DDR schwer hat. Andreas Voigt wächst in einer Provinzstadt auf - wie auch Gabriele Denecke, die hier lernt, dass Adenauer ein Kriegshetzer ist und der verblüfften Westverwandtschaft erklärt, ihn erschießen zu wollen. Ralf Marschalleck, in Weimar mit dem Bewusstsein der Verbrechen von Buchenwald aufgewachsen, hatte einen Vater, der republikflüchtig wurde. Hannes Schönemann, dessen Beitrag mit assoziativen Montagen stilistisch heraussticht, und Lars Barthel sind die beiden, die die DDR in den achtziger Jahren verließen, Schönemann nach politischer Haft, Barthel nach Heirat mit einer Inderin. Das erfährt man nur nebenbei. Faszinierend sind aber sowohl für Alt- wie für Neu-Bundesbürger die Lebenswege der Filmleute, bevor Studium und Arbeitsleben begannen, und die doch die Zukunft auch heute noch nicht völlig hinter sich haben.
Als wir die Zukunft waren, DVD bei missingFILMS, 17,99 €, auch als Video on Demand verfügbar.
Der Schwarzwald soll wieder mal ins Kino locken. Dabei sind die wenigsten Aufnahmen
des Filmmärchens für Halbwüchsige "Das kalte Herz" dort entstanden,
sondern im Elbsandsteingebirge und in den Babelsberger Studios. Hier entstand auch
1950 der legendäre DEFA-
Im Gegensatz zu der ZDF-Version des Märchens, die vor zwei Jahren erschien und sich langweiligerweise eng an das DEFA-Urbild anlehnte, hat Regisseur Johannes Naber (bekannt geworden 2014 durch den globalisierungskritischen Film "Zeit der Kannibalen") dem Film neue, sozialkritische Akzente gegeben. Auch Peters Vorgeschichte mit seinem durch Entbehrungen hart gewordenen Vater (André Hennicke) erzählen Naber und seine Autorenkollegen. Dafür hat der Film dem Märchen doch einiges von seinem Zauber genommen - besonders in der wenig zauberhaften Gestaltung von Holländer-Michel und Glasmännlein (Moritz Bleibtreu, Milan Peschel). Dafür tragen alle Figuren geheimnisvolle Tattoos im Gesicht, deren Funktion sich nicht jedem Zuschauer erschließt.
Wie man hört, hat der Film bereits Fans in Südkorea gewonnen. In unseren Breiten kann man mit ihm einen interessanten Nachmittag haben, aber zum Kult-Film taugt er nicht.
Das kalte Herz, Regie Johannes Naber, Verleih Weltkino, seit 20.10. in zahlreichen Kinos.
Zuerst veröffentlicht in: Das Blättchen, Nummer 22, 24. Oktober 2016
Medien-Mosaik früherer Monate: 03.09.16, 22.08.16, 05.08.16, 22.07.16, 04.07.16, 08.06.16, 09.05.16, 28.04.16, 17.03.16, 02.02.16, 07.12.15
Vor 60 Jahren, am 23. Oktober 1956, standen Studenten und Intellektuelle gegen die herrschende revisionistische Partei, die "Partei der Ungarischen Werktätigen", und gegen die ungarische Regierung auf und zettelten einen konterrevolutionären Aufstand an. Es zeigte sich, welche Folgen es haben kann, wenn der Revisionismus die Führung einer kommunistischen Partei erobert. Es führt zur Entfesselung der rechtesten, reaktionärsten Kräfte, zur Entfesselung des weißen Terrors. In seinem Buch "Die Chruschtschowianer" (Erinnerungen), beschreibt der albanische Marxist-Leninist Enver Hoxha im 9. Kapitel die Ereignisse und Umstände aus der Sicht der Kommunisten, die sich nicht dem Chruschtschowdiktat unterworfen haben.
Der ansteckende Geist des 20. Parteitags gab allen konterrevolutionären Elementen in den sozialistischen Ländern und in den kommunistischen und Arbeiterparteien Auftrieb, er flößte denen Mut ein, die maskiert nur auf den Augenblick warteten, an dem sie den Sozialismus, wo er gesiegt hatte, stürzen konnten.
Die Konterrevolutionäre in Ungarn, in Polen, in Bulgarien, in der Tschechoslowakei und anderswo, die Verräter am Marxismus-Leninismus in den Parteien Italiens und Frankreichs sowie die jugoslawischen Titoisten begrüßten jubelnd Chruschtschows berüchtigte Thesen über die "Demokratisierung", den "Stalinkult", die Rehabilitierung verurteilter Feinde, die "friedliche Koexistenz", den "friedlichen Übergang" vom Kapitalismus zum Sozialismus usw. Diese Thesen und Parolen fanden bei den Revisionisten, an der Macht oder gestürzt, bei der Sozialdemokratie und den reaktionären bürgerlichen Intellektuellen begeisterte und hoffnungsvolle Aufnahme.
Die Ereignisse in Ungarn und Polen waren das Vorspiel zur Konterrevolution, die sich später noch breiter und tiefgreifender nicht nur in diesen Ländern, sondern auch in Bulgarien, in Ostdeutschland, in der Tschechoslowakei, in China und besonders in der Sowjetunion abspielen sollte.
Nachdem sie ihre Stellungen in Bulgarien, in Rumänien, in der Tschechoslowakei usw. bis zu einem gewissen Grad abgesichert hatte, fiel die Chruschtschow-Clique über Ungarn her, dessen Führung dem sowjetischen Kurs nicht so gehorsam folgte. Doch auf Ungarn hatte es auch Tito und die Amerikaner abgesehen.
Wie sich zeigte, gab es in Ungarn viele schwache Punkte. Dort war die Partei geschaffen worden; an ihrer Spitze stand Rakosi, um den sich einige alte kommunistische Genossen scharten, etwa Gerő und Münnich, aber auch junge, erst vor kurzem dazu gekommen, die sich an den von der Roten Armee und Stalin gedeckten Tisch setzen konnten. Man begann in Ungarn "den Sozialismus aufzubauen", doch die Reformen waren nicht radikal. Das Proletariat wurde zwar bevorzugt, doch ohne das Kleinbürgertum all zu sehr zu verärgern. Die ungarische Partei war entstanden aus einem Zusammenschluss der angeblich illegalen kommunistischen Partei (ungarische Kriegsgefangene in der Sowjetunion), der alten Kommunisten Béla Kuns sowie der sozialdemokratischen Partei. Dieser Zusammenschluss war also ein ungesunder Verschnitt, aus dem nie etwas wurde, bis dann die Konterrevolution und Kádár im Verein mit Chruschtschow und Mikojan per Dekret die vollständige Liquidierung der Ungarischen Partei der Werktätigen verkündeten.
Rákosi habe ich näher gekannt, und ich mochte ihn. Ich habe mich oft mit ihm unterhalten, denn ich war mehrmals bei ihm, sowohl dienstlich als auch privat, mit Nexhmije (Ehefrau von Enver Hoxha, Anm. der Red.). Rákosi war ein ehrlicher Mann, ein alter Kommunist und Führer der Komintern. Er hatte gute Absichten, doch seine Arbeit wurde von innen und von außen sabotiert. Solange Stalin lebte, schien alles gut zu gehen, doch nach seinem Tod begannen sich in Ungarn die Schwachstellen zu zeigen.
Rákosi berichtete mir einmal in einem Gespräch über die ungarische Armee und fragte mich dann auch nach unserer: "Unsere Armee ist schwach, wir haben keine Kader, die Offiziere sind die alten aus der Horthy-Armee, deshalb nehmen wir jetzt einfache Arbeiter aus den Fabriken von Csepel und machen sie zu Offizieren", erzählte er mir.
"Ohne eine starke Armee", sagte ich zu Rákosi, "lässt sich der Sozialismus nicht verteidigen. Ihr müsst die Horthy-Leute entfernen. Es ist gut, dass ihr Arbeiter genommen habt, nur müsst ihr darauf achten, dass sie ordentlich ausgebildet werden."
Während wir uns in Rákosis Villa unterhielten, kam Kádár. Er war gerade aus Moskau zurückgekehrt, wo er sich zur Behandlung eines Augenleidens aufgehalten hatte. Rákosi stellte ihn mir vor, erkundigte sich, wie es ihm denn nun gehe, und entließ ihn dann zu seiner Familie. Als wir wieder allein waren, sagte Rákosi zu mir: "Kádár zum Beispiel ist ein junger Kader, wir haben ihn zum Innenminister gemacht."
Um die Wahrheit zu sagen, er sah mir nicht nach einem Innenminister aus.
Bei einer anderen Gelegenheit unterhielten wir uns über die Wirtschaft. Rákosi berichtete mir über die Wirtschaft Ungarns, besonders über die Landwirtschaft, wo es gut aussehe, dass sich das Volk satt essen könne und sie gar nicht wüssten, wohin mit all dem Schweinefleisch, der Wurst, dem Bier und dem Wein! Ich machte große Augen, wusste ich doch, dass es nicht nur bei uns, sondern auch in allen anderen sozialistischen Ländern nicht so aussah, sogar in Ungarn nicht. Rákosi hatte den Fehler, dass er gerne dick auftrug und die Erfolge bei der Arbeit übertrieb. Doch trotz dieser Schwäche hatte Mátyás meiner Meinung nach ein gutes kommunistisches Herz und sah die Linie der Entwicklung des Sozialismus nicht falsch. Man muss wissen, dass Ungarn und die Rákosi-Führung sich, meiner Meinung nach, ständig der Wühlarbeit der vom Klerus, vom mächtigen Kulakentum und den getarnten Horthy-Faschisten unterstützten internationalen Reaktion zu erwehren hatten, dass sie vom jugoslawischen Titoismus und seiner Agentenorganisation mit Rajk an der Spitze, mit Kádár (der sich tarnte) und anderen bedrängt wurden und schließlich, dass ihnen Chruschtschow und die Chruschtschowianer keine Ruhe ließen. Diese mochten Rákosi und seine Anhänger nicht, hassten ihn sogar, weil er Stalin und dem Marxismus-Leninismus treu blieb und, wenn nötig, auf gemeinsamen Beratungen das ganze Gewicht seiner Persönlichkeit gegen sie in die Waagschale warf. Rákosi gehörte zur alten Garde der Komintern, und die Komintern war für die modernen Revisionisten ein "rotes Tuch".
So wurde Ungarn zur Spielwiese der Intrigen und Machenschaften Chruschtschows, Titos und der Konterrevolutionäre (hinter denen der amerikanische Imperialismus stand), die die ungarische Partei von innen zersetzten und die Stellung Rákosis und der zuverlässigen Leute in ihrer Führung untergruben. Rákosi stand sowohl Chruschtschow im Weg, der auch Ungarn in seinen Pferch bringen wollte, als auch Tito, der das sozialistische Lager zerstören wollte und Rákosi als einen der "Stalinisten", die ihn 1948 bloßgestellt hatten, doppelt hasste.
Im April 1957, als die "parteifeindliche Gruppe" Malenkows, Molotows usw. noch nicht ausgeschaltet war, hielt ich mich mit einer Partei- und Regierungsdelegation in Moskau auf. Nach einem inoffiziellen Abendessen im Katerinsky-Saal im Kreml saßen wir noch mit Chruschtschow, Molotow, Mikojan, Bulganin u.a. zum Kaffeetrinken zusammen. Während des Gesprächs wandte sich Molotow an mich und sagte wie im Spaß: "Mikojan fährt morgen nach Wien. Er will dort auch so einen Schlamassel anrichten wie in Budapest."
Um das Gespräch bei diesem Thema zu halten, fragte ich ihn: "Wieso, hat Mikojan diesen Schlamassel angerichtet?"
"Wer sonst?" entgegnete Molotow.
"Dann kann sich aber Mikojan nicht mehr in Budapest blicken lassen", sagte ich.
"Wenn Mikojan sich in Budapest noch einmal blicken lässt", fuhr Molotow fort, "wird man ihn aufknüpfen."
Chruschtschow saß mit gesenktem Kopf da und rührte in seinem Kaffee. Mikojan lief dunkel an, seine Kiefer arbeiteten, dann sagte er mit einem zynischen Lächeln: "Warum sollte ich denn nicht nach Budapest gehen? Wenn sie mich hängen, hängen sie auch Kádár; schließlich haben wir diesen Schlamassel zusammen angerichtet."
Die Rolle der Chruschtschowianer bei der ungarischen Tragödie war für mich nun klar. Chruschtschows und Titos Anstrengungen, alles Gesunde in Ungarn zu liquidieren, deckten sich, deshalb stimmten sie ihr Vorgehen aufeinander ab. Nach Chruschtschows Belgrad-Reise richteten sich ihre Vorstöße auf die Rehabilitierung der titoistischen Verschwörer Koçi Xoxe, Rajk, Kostoff usw. Während unsere Partei um keinen Millimeter von ihrem korrekten, prinzipienfesten Standpunkt abrückte, gab die ungarische Partei klein bei, Tito und Chruschtschow triumphierten. Mit Rajk wurde auch der Verrat rehabilitiert. Rákosis Stellung wurde erheblich geschwächt.
Es mag schon sein, dass die ungarische Parteiführung mit Rákosi und Gerő auch wirtschaftliche Fehler beging, aber diese haben die Konterrevolution nicht hervorgerufen. Der Hauptfehler von Rákosi und Genossen war, dass sie nicht fest blieben, dass sie sich durch den Druck der ä:ußeren und inneren Feinde ins Schwanken bringen ließen. Sie versäumten es, die Partei und das Volk, die Arbeiterklasse zu mobilisieren, um die Anstrengungen der Reaktion schon im Keim zu ersticken. Stattdessen machten sie dieser Zugeständnisse, rehabilitierten Feinde wie Rajk usw. Dadurch wurde die Lage immer labiler, bis dann die Konterrevolution ausbrach.
Im Juni 1956 hatte ich auf dem Weg nach Moskau zu einer Beratung des RGW in Budapest ein Gespräch mit den Genossen des Politbüros der Ungarischen Partei der Werktätigen. Ich traf weder Rákosi noch Hegedüs, damals Ministerpräsident, noch Gerő an, weil sie mit dem Zug bereits nach Moskau abgereist waren. (Allerdings begegnete ich Rákosi in Moskau weder auf der Beratung noch sonst irgendwo. Mit Sicherheit war er zum "Ausruhen" in irgendeiner "Klinik", wo ihn die Sowjets davon "überzeugten, seinen Rücktritt zu erklären". Zwei oder drei Wochen später wurde er tatsächlich seiner Ämter enthoben.) Die ungarischen Genossen erzählten mir, in ihrer Partei und ihrem Zentralkomitee gebe es einige Schwierigkeiten.
"Im Zentralkomitee", sagten sie, "ist eine Stimmung gegen Rákosi aufgekommen. Farkas, der Mitglied des Politbüros gewesen ist, hat die Fahne gegen ihn erhoben."
"Es ist nun an der Zeit, dass Farkas nicht nur aus dem Zentralkomitee, sondern auch aus der Partei entfernt wird", sagte Bata, der Verteidigungsminister, zu mir. "Seine Haltung", fuhr er fort, "ist parteifeindlich, feindselig. Er vertritt die These: 'Ich habe Fehler gemacht, Berija ist ein Verräter. Doch wer hat mir befohlen, diese Fehler zu machen? Rákosi!'". Diese Frage sei auch von Révai aufs Tapet gebracht worden, berichteten mir die ungarischen Genossen, der vorgeschlagen habe: "Wir sollten eine Kommission schaffen, die das Verschulden jedes einzelnen, Rákosis Fehler usw. untersucht."
Ich fragte dazwischen: "Dann hat also das Zentralkomitee kein Vertrauen zum Politbüro?"
"So sieht es aus", erwiderten sie. "Wir waren gezwungen, der Bildung einer Kommission zuzustimmen, beschlossen aber, dass ihr Bericht zuerst dem Politbüro vorgelegt wird."
"Was ist das für eine Kommission?", fragte ich. "Solche Fragen muss das Zentralkomitee ans Politbüro überweisen, und dort muss der Bericht diskutiert werden. Und wenn das Zentralkomitee es für nötig hält, setzt es das Politbüro ab."
Die ungarischen Genossen erzählten mir unter anderem, der als Konterrevolutionär ausgeschlossene Imre Nagy habe an seinem Geburtstag ein großes Abendessen für etwa 150 Leute gegeben, zu dem auch Mitglieder des Zentralkomitees und der Regierung eingeladen worden seien. Viele hätten die Einladung des Verräters angenommen und seien hingegangen. Als ein Mitglied des Zentralkomitees die Genossen der Führung gefragt habe, ob er nun gehen sollte oder nicht, hätten diese geantwortet: "Entscheide selbst." Diese Antwort erschien mir natürlich sehr merkwürdig, und ich fragte die ungarischen Genossen: "Warum habt ihr ihm denn nicht klipp und klar gesagt, er solle nicht gehen, weil Imre Nagy ein Feind ist?!"
"Na ja, wir ließen ihn die Sache selber beurteilen und nach seinem Gewissen entscheiden", lautete die Antwort.
Bei diesem Gespräch gestanden die ungarischen Führer mir gegenüber ein, dass in ihrer Partei eine schwierige Situation herrsche. An diesen Schwierigkeiten hatte auch der 20. Parteitag seinen Anteil.
"Es gibt bei uns Gruppen in der Partei, Schriftsteller usw., die nicht auf der Linie sind und sich nach dem 20. Parteitag richten wollen", berichteten sie mir. "Diese Leute sagen zu uns: 'Der 20. Parteitag bestätigt unsere Thesen, dass es in der Führung Fehler gibt. Deshalb haben wir recht'."
"Auch Togliattis Interview hat uns viele Scherereien gemacht", sagte einer der Anwesenden. "Es gibt Mitglieder des Zentralkomitees, die zu mir gesagt haben: 'Was sollen wir denn nun machen? Besser, wir handeln, verfolgen auch in Ungarn eine andere, unabhängige Politik, so wie Jugoslawien'."
Es sah dort wirklich sehr schlimm aus. Ein anderes Mitglied des Zentralkomitees hatte zornig zu ihnen gesagt: "Verheimlicht ihr vom Politbüro uns immer noch Dinge wie beim 20. Parteitag? Warum veröffentlicht ihr Togliattis Interview nicht?"
"Und wir veröffentlichen es", erklärten mir die Genossen des Büros. "Die Partei muss schließlich informiert werden...!"
Ich berichtete den ungarischen Genossen, dass es bei uns gut aussah, und erläuterte unser Vorgehen auf der Konferenz von Tirana. "In der Partei", betonte ich, "muss es eine richtige Demokratie geben. Sie muss stabilisierend wirken und die Einheit festigen, nicht sie zerstören. Deshalb haben wir denen, die die Demokratie zum Schaden der Partei missbrauchen wollen, die Leviten gelesen. Wir haben solche Dinge bei uns nicht zugelassen."
Als die Rede auf Togliattis Interview kam, fragten sie mich nach meiner Meinung. "Togliatti liegt falsch mit dem, was er da gesagt hat", antwortete ich ihnen. "Wir haben unsere Widersprüche zu ihm natürlich nicht an die Öffentlichkeit getragen, aber wir haben die Ersten Sekretäre der Bezirksparteikomitees zusammengerufen und ihnen die Sache erklärt, damit sie wachsam und in jedem Fall vorbereitet sind."
Da sagt mir Szalai, Mitglied des Politbüros: "Ich habe Togliattis Interview gelesen und halte es nicht für so schlecht. Der Anfang ist in Ordnung, erst gegen Schluss wird es schlecht."
"Wir haben es nicht veröffentlicht und waren erstaunt, als Radio Prag es brachte", sagte ich.
Dieses Gespräch brachte mich zu der Überzeugung, dass ihre Linie schwankend war. Außerdem schienen auch die zuverlässigeren Leute im Büro unter dem Druck der konterrevolutionären Elemente zu stehen, und so schwankten auch sie. Das Politbüro schien zusammen zu halten, doch man hatte es völlig isoliert.
Am Abend gaben sie in einem Saal im Parlamentsgebäude ein Essen für uns. An der Wand zog ein großes Gemälde von Atilla den Blick auf sich. Wir unterhielten uns erneut über die in Ungarn gärende schwierige Lage. Doch man merkte, dass sie den Kopf verloren hatten. Ich sagte: "Warum seht ihr tatenlos zu, wie die Konterrevolution heraufzieht? Warum ergreift ihr keine Maßnahmen?"
"Was für Maßnahmen sollen wir denn ergreifen?" fragte einer von ihnen.
"Schließt unverzüglich den Petőfi-Klub, verhaftet die Hauptunruhestifter, schickt die Arbeiterklasse bewaffnet auf die Straße und umstellt das Esztergom. Wenn ihr Mindszenty (Erzbischof von Esztergom, Anm. der Red.) nicht inhaftieren könnt, könnt ihr dann nicht wenigstens Imre Nagy verhaften? Lasst einige von den Häuptern dieser Konterrevolutionäre erschießen, damit sie begreifen, was Diktatur des Proletariats heißt."
Die ungarischen Genossen rissen die Augen auf und blickten mich verblüfft an, als wollten sie sagen: "Du hast wohl den Verstand verloren?" Einer von ihnen sagte zu mir: "Wir können nicht so vorgehen wie Sie sagen, Genosse Enver. Für so alarmierend halten wir die Lage nicht. Wir haben die Situation unter Kontrolle. Das Geschrei im Petőfi-Klub, das sind Kindereien. Und wenn ein paar Mitglieder des Zentralkomitees zu Imre Nagy gegangen sind und ihm gratuliert haben, dann nur, weil sie schon lange mit ihm befreundet sind und nicht, weil sie etwas dagegen haben, dass das Zentralkomitee Imre ausgeschlossen hat."
"Ich glaube, ihr nehmt die Sache auf die leichte Schulter", entgegnete ich. "Ihr habt gar keine richtige Vorstellung von der großen Gefahr, die auf euch zu kommt. Glaubt uns, wir kennen die Titoisten genau und wissen, was sie vor haben, diese Antikommunisten und Agenten des Imperialismus."
Doch ich blieb ein Rufer in der Wüste. Wir würgten unser Abendbrot hinunter, und die ungarischen Genossen versuchten während der ganzen Unterhaltung, die sich einige Stunden lang hinzog, mir weiszumachen, sie hätten "die Situation unter Kontrolle", und ähnlichen Unsinn.
Am nächsten Morgen stieg ich ins Flugzeug und flog nach Moskau. Ich traf mit Suslow in seinem Büro im Kreml zusammen. Er empfing mich in seiner üblichen Art, tänzelnd wie eine Ballerina vom Bolschoi-Ballett, und fragte mich, nachdem wir uns gesetzt hatten, über Albanien aus. Als wir unsere Probleme besprochen hatten, schnitt ich die Ungarnfrage an. Ich teilte ihm meine Eindrücke und Ansichten mit, so wie ich sie auch den ungarischen Genossen offen gesagt hatte. Suslow sah mich mit seinen durchdringenden Augen durch die dunkle Hornbrille an, und ich stellte beim Sprechen in seinen Augen einen Ausdruck von Unzufriedenheit, Verdrossenheit, ja Ärger fest. Seine Missbilligung äußerte sich auch in den Bleistiftkritzeleien, die er auf ein weißes Blatt Papier warf, das vor ihm auf dem Tisch lag. Ich fuhr fort und schloss mit der Bemerkung, mich erstaune die Ruhe und "Gelassenheit" der ungarischen Genossen.
Suslow fing mit seiner Holunderpfeifen dünnen Stimme zu sprechen an. Er sagte mir im Wesentliche folgendes: "Wir können mit Ihrer Beurteilung der Ungarnfrage nicht einverstanden sein. Sie malen die Lage in schwärzeren Farben, als sie in Wirklichkeit ist. Möglicherweise verfügen Sie nicht über ausreichende Informationen." Und Suslow redete und redete, versuchte mich zu "beruhigen" und davon zu überzeugen, dass die Situation in Ungarn durchaus nicht alarmierend sei. Seine "Argumente" überzeugten mich keineswegs, und die darauf folgenden Ereignisse bestätigten, dass unsere Ansichten und Hinweise bezüglich der schwierigen Lage in Ungarn vollkommen richtig waren.
Rund 2 Monate später, Ende August 1956, hatte ich erneut eine scharfe Debatte mit Suslow über die Ungarnfrage. Wir waren auf dem Weg nach China zum Parteitag der chinesischen Partei über Budapest gekommen und hatten dort auf dem Flughafen ein Gespräch mit der damaligen ungarischen Führung gehabt, das uns noch mehr in unserer Überzeugung bestärkte, dass dort der Zusammenbruch in vollem Gange war, dass die Reaktion handelte, während die ungarische Führung durch ihr Vorgehen die Konterrevolution sogar noch begünstigte. Bei unserem Aufenthalt in Moskau trafen wir mit Suslow zusammen und teilten ihm unsere Besorgnis mit, damit er die sowjetische Führung davon unterrichte. Suslow nahm die gleiche Haltung ein wie bei meiner Begegnung mit ihm im Juni.
"Wir haben weder vom Nachrichtendienst noch aus anderen Quellen Angaben darüber erhalten, dass dort, wie ihr sagt, die Konterrevolution gärt", erklärte uns Suslow. "Die Feinde machen viel Lärm um Ungarn, doch die Lage dort ist dabei, sich zu normalisieren. Es gibt zwar einige Bewegungen unter den Studenten, doch die sind ungefährlich, unter Kontrolle. Die Jugoslawen sind dort nicht am Werk, wie ihr behauptet. Ihr müsst wissen, dass nicht nur Rákosi Fehler gemacht hat, sondern auch Gerő...".
"Ja, Fehler haben sie wirklich gemacht, schließlich haben sie die ungarischen titoistischen Verräter rehabilitiert, die sich verschworen hatten, um den Sozialismus in die Luft zu sprengen", fiel ich Suslow ins Wort. Er verzog seine dünnen Lippen und fuhr fort: "Was Genossen Imre Nagy angeht, können wir mit Ihnen nicht einer Meinung sein, Genosse Enver."
"Es überrascht mich sehr", entgegnete ich, "dass Sie Imre Nagy als Genossen betrachten, obwohl ihn die Ungarische Partei der Werktätigen davon gejagt hat."
"Na und wenn schon", sagte Suslow darauf, "immerhin hat er bereut und Selbstkritik abgelegt."
"Worte verfliegen im Wind", widersprach ich. "Glaubt doch nicht an das Geschwätz...".
"Nein", sagte Suslow, rot angelaufen, "wir haben seine Selbstkritik schriftlich." Er zog eine Schublade auf und holte ein an die Kommunistische Partei der Sowjetunion gerichtetes Schreiben mit Imre Nagys Unterschrift hervor. Dieser erklärte darin, er habe "im Denken und Handeln" geirrt und bitte um die Unterstützung der Sowjets.
"Glauben Sie das denn?" fragte ich Suslow.
"Ja, wir glauben es, warum auch nicht?" erwiderte er und fuhr fort: "Genossen können auch Fehler begehen, doch wenn sie ihre Fehler einsehen, müssen wir ihnen die Hand reichen."
"Er ist ein Verräter", sagte ich zu Suslow, "und unserer Meinung nach begeht ihr einen großen Fehler, wenn ihr einem Verräter die Hand reicht."
Damit war das Gespräch mit Suslow beendet, und wir gingen weg, ohne mit ihm einverstanden zu sein. Diese Zusammenkunft hinterließ bei uns den Eindruck, dass die Sowjets, nachdem sie Rákosi definitiv verurteilt hatten, durch die Situation in Ungarn alarmiert und verschreckt waren, dass sie nicht wussten, was sie tun sollten, und noch vor dem Sturm eine Lösung finden wollten. Sicherlich verhandelten sie gerade mit Tito über eine gemeinsame Lösung. Sie bereiteten sich darauf vor, Imre Nagy, mit dem sie die Situation in Ungarn zu meistern hofften, zum Einsatz zu bringen. Und so geschah es dann auch.
Der Kreis um Rákosi war sehr schwach. Weder das Zentralkomitee noch das Politbüro hatten das erforderliche Niveau. Leute wie Hegedüs und Kádár, Greise wie Münnich und einige junge Burschen ohne Partei- und Kampferfahrung ließen die Leitungstätigkeit mit jedem Tag schwächer werden und gingen der titoistisch-chruschtschowschen Spinne ins Netz.
Das ganze Abenteuer wurde fieberhaft vorbereitet. Die Reaktion erwachte zum Leben, erhielt Auftrieb, sprach und handelte offen. Der Pseudokommunist, Kulak und Verräter Imre Nagy wurde im Gewand des Kommunisten zum Bannerträger des Titoismus und des Kampfes gegen Rákosi. Dieser hatte die Gefahr erkannt, die der Partei und dem Land drohte, und Maßnahmen gegen Imre Nagy ergriffen, indem er ihn Ende 1955 aus der Partei entfernte. Doch es war zu spät. Die Spinne der Konterrevolution hatte Ungarn in ihr Netz eingesponnen, und es war dabei, die Schlacht zu verlieren. Chruschtschow und Tito, das Zentrum des Esztergom und die ausländische Reaktion, sie alle griffen Rákosi an. Anna Kéthly, Mindszenty, die Grafen und Barone im Dienst der Weltreaktion, die sich innerhalb Ungarns, in Österreich und anderswo zusammengerottet hatten, organisierten die Konterrevolution und schmuggelten Waffen ein für die Tumulte, die sie vorbereiteten.
Der Petőfi-Klub wurde zum Zentrum der Reaktion. Angeblich war dies ein Kulturklub des Jugendverbandes, in Wirklichkeit aber ein Nest, wo die reaktionären Intellektuellen unter der Nase der ungarischen Partei nicht nur über den Sozialismus und die Diktatur des Proletariats herzogen, sondern auch Vorbereitungen trafen und sich organisierten. Sie gingen sogar so weit, der Partei und der Regierung ihre Forderungen arrogant in Form eines Ultimatums zu unterbreiten. Anfänglich, als Rákosi noch an der Spitze stand, versuchte man einige Maßnahmen zu ergreifen: Der Petőfi-Klub wurde in einer Resolution des Zentralkomitees angegriffen, zwei oder drei Schriftsteller wurden aus der Partei ausgeschlossen, doch das waren eher Nadelstiche, keinesfalls aber durchgreifende Maßnahmen. Der Hort der Konterrevolution bestand weiter, und wenig später wurden auch die Angegriffenen fast alle wieder rehabilitiert.
Der gestürzte Imre Nagy thronte wie ein Pascha bei sich zu Hause und empfing seine Anhänger in Audienz. Unter diesen Anhängern waren Mitglieder des Zentralkomitees der Ungarischen Partei der Werktätigen. Die ungarischen Führer reisten verstört in Moskau an und ab, während ihre vorgeblichen Genossen im Zentralkomitee im Haus von Imre Nagy vorsprachen, um ihm zum Geburtstag zu gratulieren, anstatt Maßnahmen gegen die sich erhebende Reaktion zu ergreifen. Rákosis Hofleute wurden zu Höflingen Nagys und zu Wegbereitern seiner Machtergreifung.
Der Beschluss, Rákosi zu stürzen, wurde in Moskau und in Belgrad gefasst. Rákosi gab auf, wehrte sich nicht gegen den Druck der Chruschtschowianer und der Titoisten sowie die Intrigen ihrer Agenten in der ungarischen Führung. Er wurde gezwungen, seinen Rücktritt einzureichen, angeblich "aus gesundheitlichen Gründen" (weil er an Bluthochdruck litt!), und gleichzeitig "gesetzesverletzende Fehler" zuzugeben. Anfänglich sprach man noch üer die Verdienste des "Genossen Mátyás Rákosi" (sie "begruben" ihn also in Ehren), später sprach man von seinen Fehlern, um schließlich bei "Rákosis Verbrecherbande" zu landen. Wichtigen Anteil an der Vorbereitung der Intrigen, die Rákosis Absetzung vorausgingen, hatte Suslow, der genau zu dieser Zeit auf Urlaub nach Ungarn fuhr(!).
Offensichtlich war Ráosi der letzte Bremsklotz gewesen, der den revisionistischen Karren noch daran gehindert hatte, volle Fahrt aufzunehmen. Zwar wurde nicht Kádár zum Ersten Sekretär gewählt, wie die Sowjets und die Jugoslawen wollten, sondern Gerő, doch auch dessen Tage waren gezählt. Kádár jedoch, der im Gefängnis gesessen hatte und erst kurz zuvor rehabilitiert worden war, wurde zunächst einmal ins Politbüro gewählt und spielte als Mann Chruschtschows und Titos in Wirklichkeit die "erste Geige".
Nach dem Plenum vom Juli 1956 (auf dem Gerő an Rákosis Stelle trat und Kádár ins Politbüro kam) bekam die Reaktion Oberwasser; die Partei und die Regierung genossen fast keine Autorität. Die konterrevolutionären Elemente forderten hartnäckig Nagys Rehabilitierung und die Absetzung der wenigen zuverlässigen Leute in der Führung. Gerő, Hegedüs und andere klapperten Stadt um Stadt und Fabrik um Fabrik ab, um die Gemüter zu beschwichtigen, sie versprachen "Demokratie", "sozialistische Gesetzlichkeit" und Lohnerhöhungen. Selbstverständlich geschah das alles nicht auf korrekte marxistisch-leninistische Weise, vielmehr gab man der starken Woge des Kleinbürgertums und der Reaktion nach.
Wir betrachteten Rákosis Entfernung aus der Führung der ungarischen Partei als Fehler, der die Situation in Ungarn noch erheblich kritischer und labiler machte, und diese unsere Meinung teilten wir den sowjetischen Führern mit, als wir im Dezember nach Moskau fuhren. Die Ereignisse selbst bewiesen, wie recht wir hatten.
Es begann die "glückliche" Periode der Liberalisierung, die Periode, in der die von der Diktatur des Proletariats zu Recht Bestraften aus dem Gefängnis und aus dem Grab hervorgeholt wurden. Der Verräter Rajk wurde samt seinen Kumpanen nach einer pompösen Zeremonie, an der Tausende von Menschen, allen voran die ungarischen Führer, teilnahmen, und die mit der Internationale beschlossen wurde, in ein neues Grab umgebettet. So wurde aus dem Verräter Rajk der "Genosse Rajk" und ein Nationalheld Ungarns, fast wie Kossuth.
Nach einem formalen Brief an das Zentralkomitee wurde Nagy wieder in die Partei aufgenommen und sah den Ereignissen, die ihn an die Macht bringen würden, gelassen entgegen. Und diese ließen nicht lange auf sich warten.
Nach Rajk wurden noch eine Menge anderer aus der Versenkung hervorgeholt, die einst verurteilt worden waren - Offiziere und Priester, politische Verbrecher und Diebe. Sie erhielten moralische und materielle Satisfaktion. Rajks Witwe wurde für den Verrat ihres Mannes mit 200.000 Forint belohnt, und die Budapester Zeitungen konnten die Großherzigkeit von "Frau Rajk" melden, die diese Summe den Volkskollegien schenkte. Die gerichtlich Verurteilten wurden zu Opfern Rákosis, Gábor Péters und Mihály Farkas' erklärt. Letzterer wurde damals verhaftet. Die hohen Funktionäre rechtfertigten sich vor der Reaktion für ihre "Verbrechen". "Was sollten wir denn machen", sagte der Justizminister, "wenn Genosse Rajk doch selbst zugab, wessen man ihn beschuldigte?"
Als Hegedüs noch Ministerpräsident war, erklärte er unter Chruschtschows Druck: "Wir bedauern sehr, dass unsere Partei und unsere Regierung die Jugoslawen verleumdet haben". Und Gerő sagte in seiner ersten Rede nach seiner Wahl an die Parteispitze: "Unsere Partei muss ihre offenen Schulden beim Bund der Kommunisten Jugoslawiens und den Führern Jugoslawiens noch begleichen und die Verleumdungen, die wir über die Föderative Republik Jugoslawien ausgestreut haben, klarstellen".
Gerő, einer der ältesten Führer der Partei, entpuppte sich bei all dem, was damals geschah, als Opportunist und Feigling, der von hier nach dort pendelte und wie eine Marionette an den Fäden der wahren Akteure der ungarischen Tragödie tanzte. Als Tito zum "Urlaub" auf der Krim weilte, ging Gerő hin und unterhielt sich in Chruschtschows Villa mit ihm, und alle drei "spazierten" zusammen mit ihrem Gefolge "am Strand entlang, unterhielten sich und ließen sich zusammen fotografieren." Eine "historische" Fotografie, falls einmal die Geschichte der Intrigen und Ränkespiele auf Kosten der Völker geschrieben wird! Hier, in Jalta, in Chruschtschows Villa, fand die erste Versöhnung statt, und ein paar Tage später fuhr Gerő mit Hegedüs und Kádár nach Belgrad, wo sie mit Ranković Gespräche führten. Es dauerte nicht lange, bis der Aufruhr begann, Gerő auf den Müll gefegt wurde, und Kádár - mit Chruschtschows Segen und mit Hilfe der Manöver Mikojans und des revisionistischen Ideologen Suslow - zum Ersten Sekretär aufgeputzt wurde.
Inzwischen ergriff Imre Nagy, aus seinem Loch gekrochen, die Macht, stieß ein Triumphgeheul aus, verkündete die "Demokratie", und Tito hatte den höchsten Gipfel seines Sieges erreicht. Die Reaktion trat die Macht an, von außen wucherte das Banditentum herein. Die Parteien der Bourgeoisie - die faschistische, die Horthy-Partei die klerikale - wurden neu gebildet. Der Imperialismus überschwemmte das Land mit Spionen und schmuggelte aus Österreich massenweise Waffen ein. Radio "Freies Europa" schürte Tag und Nacht die Konterrevolution, rief zum Sturz und zur totalen Beseitigung der sozialistischen Ordnung auf. Ungarn hatte schon zuvor den als Touristen getarnten Spionen freien Zugang gewährt.
Als wir im Oktober 1956 auf der Rückreise von China in Budapest Halt einlegten, erkläten uns die Mitglieder des Büros der Ungarischen Partei der Werktätigen höchstpersönlich, in der letzten Zeit hätten 20.000 Touristen Ungarn besucht. Als ich darauf hinwies, dies sei gefährlich, entgegneten sie: "Sie bringen uns aber Devisen ins Land." Nach Rákosis Sturz, besonders in den berüchtigten Oktobertagen, wurden den Horthy-Leuten, den Baronen und Grafen, den Exherren und einstigen Unterdrückern Ungarns, die Tore geöffnet. Esterházy ließ sich mitten in Budapest nieder, telefonierte mit den Botschaften und informierte sie von seiner Absicht, die Regierung zu übernehmen. Mindszenty, schon früher aus dem Gefängnis entlassen, zog eskortiert von der "Nationalgarde" in seinen Palast ein und segnete das Volk. Wie Maden in einer faulenden Wunde lebten die alten Parteien wieder auf, die Grundbesitzerpartei, die Partei der Kleinlandwirte, die Sozialdemokraten, die Katholiken. Sie ließen sich in ihren alten Gebäuden nieder, brachten Zeitungen heraus und Nagy und Kádár kamen an die Regierung. Die Konterrevolution erfasste die gesamte Hauptstadt und verbreitete sich über ganz Ungarn.
Wie uns unser Botschafter in Ungarn später berichtete, hatte es der blindwütige Mob von Konterrevolutionären gleich am Anfang auf ein Bronzedenkmal Stalins abgesehen, das auf einem Platz in Budapest noch stehen geblieben war. So wie sich einst Hitlers SA auf alles Fortschrittliche gestürzt hatte, so fielen auch die Horthy-Leute und der andere Abschaum Ungarns wütend über das Stalindenkmal her und versuchten es zu stürzen. Nachdem sie es auch mit Stahlseilen und einem schweren Bulldozer nicht geschafft hatten, machten sich die Banditen mit Schweißgeräten ans Werk. Ihr erster Akt war symbolisch: mit der Zerstörung des Stalindenkmals wollten sie zum Ausdruck bringen, dass sie alles, was in Ungarn noch vom Sozialismus, von der Diktatur des Proletariats, vom Marxismus-Leninismus geblieben war, nieder zu reißen entschlossen waren. Zerstörung, Mord, Aufruhr überzogen die ganze Stadt.
Chruschtschow und Suslow glitt auch der räudige Vogel Imre Nagy aus der Hand. Dieser Verräter, auf den Moskau seine Hoffnung gesetzt hatte wie ein Ertrinkender, der sich selbst am Schopf packt, um sich vor dem tödlichen Untergehen zu bewahren, zeigte in den Wogen der konterrevolutionären Wut sein wahres Gesicht, verkündete sein reaktionäres Programm und erklärte öffentlich Ungarns Austritt aus dem Warschauer Vertrag. Sowjetischer Botschafter in Ungarn war ein gewisser Andropow, ein KGB-Mann, der später zu Rang und Namen kam und auch uns gegenüber eine üble Rolle spielte. Dieser Geheimagent im Botschaftergewand wurde vom Ausbruch der Konterrevolution überrollt. Selbst als sich die konterrevolutionären Ereignisse schon offen abspielten, als Nagy die Regierung übernahm, fuhren die Sowjets noch fort, ihn zu unterstützen, anscheinend in der Hoffnung, ihn unter Kontrolle halten zu können. In den Tagen nach der ersten halbherzigen Intervention der sowjetischen Truppen sagte Andropow zu unserem Botschafter in Budapest: "Man kann die Aufständischen nicht als Konterrevolutionäre bezeichnen, schließlich gibt es unter ihnen auch ehrliche Leute. Die neue Regierung ist gut und muss beibehalten werden, damit sich die Lage stabilisieren kann."
"Was halten Sie von Nagys Reden?" fragte ihn unser Botschafter.
"Die sind nicht schlecht", erwiderte Andropow, und als unser Genosse meinte, was darin über die Sowjetunion gesagt werde, erscheine ihm nicht richtig, antwortete er: "Es gibt Anti-Sowjetismus, doch Nagys letzte Rede war nicht schlecht und auch nicht anti-sowjetisch. Er will Kontakt zu den Massen halten. Das Politbüro ist gut und genießt Kredit."
Die Konterrevolutionäre gingen so arrogant vor, dass sie Andropow selbst und mit ihm das ganze Personal auf die Straße jagten und dort stundenlang sitzen ließen. Wir gaben unserem Botschafter in Budapest Anweisung, Maßnahmen zum Schutz der Botschaft und des Botschaftspersonals zu treffen, auf dem oberen Treppenabsatz ein Maschinengewehr aufzustellen und, falls die Konterrevolutionäre Übergriffe gegen die Botschaft wagen sollten, ohne Zögern zu feuern. Doch als unser Botschafter von Andropow Waffen zum Schutz der Botschaft verlangte, wehrte dieser ab: "Wir genießen diplomatische Immunität, niemand wird euch belästigen."
"Was ist das denn für eine diplomatische Immunität?!" fragte unser Botschafter. "Euch haben sie auf die Straße hinaus gejagt!"
"Nein, nein", sagte Anmdropow. "Wenn wir euch Waffen geben, kommt es womöglich zu einem Zwischenfall."
"Also gut", sagte unser Vertreter. "Dann richte ich hiermit im Namen der albanischen Regierung die offizielle Forderung an Sie."
"Ich werde in Moskau nachfragen", sagte Andropow, und als unsere Forderung abgelehnt wurde, erklärte unser Botschafter. "Einverstanden, aber lasst euch gesagt sein, dass wir uns mit dem Revolver und den Doppelflinten, die wir haben, verteidigen werden."
Der sowjetische Botschafter hatte sich in der Botschaft eingeschlossen und wagte den Kopf nicht heraus zu strecken. Ein verantwortlicher Funktionär des ungarischen Außenministeriums, der von den Banditen verfolgt wurde, suchte in unserer Botschaft Zuflucht, und wir gewährten sie ihm. Er erzählte unseren Genossen, er sei auch in der sowjetischen Botschaft gewesen, dort habe man ihn aber nicht aufgenommen.
Die in Ungarn stationierten sowjetischen Truppen griffen anfänglich ein, zogen sich dann aber unter dem Druck von Nagy und Kádár zurück, und die sowjetische Regierung erklärte, sie sei zu Verhandlungen über ihren Abzug aus Ungarn bereit. Und während die Konterrevolutionäre ein Blutbad anrichteten, war Moskau vor Schreck erstarrt. Chruschtschow bebte, zögerte einzugreifen. Tito war Herr der Lage und unterstützte Imre Nagy, hatte sogar seine Armee aufmarschieren lassen und machte sich bereit zur Intervention. Daraufhin schickte Moskau den geeigneten Mann nach Budapest, den Schieber Mikojan, zusammen mit dem Hähnchen Suslow.
Wir hier in Tirana sahen nicht wortlos zu. Ich rief den Sowjetbotschafter und erklärte ihm ärgerlich: "Wir haben keinerlei Informationen darüber, was gegenwärtig in einigen sozialistischen Ländern geschieht. Tito und Konsorten haben bei der Organisierung der Konterrevolution in Ungarn ihre Finger im Spiel. Ihr überlasst Ungarn dem Imperialismus und Tito. Ihr müsst bewaffnet intervenieren und reinen Tisch machen, solange es noch nicht zu spät ist."
Ich wies ihn auf Titos Absichten hin, verurteilte Chruschtschows Vertrauen auf Imre Nagys "Selbstkritik".
"Da habt ihr euren Imre Nagy", sagte ich zu ihm. "Nun wird in Ungarn Blut vergossen, und die Schuldigen müssen festgestellt werden."
Er antwortete mir: "Die Lage ist schwierig, doch wir liefern Ungarn nicht dem Feind aus. Ich werde Ihre Meinung nach Moskau weitergeben."
Es ist bekannt, was in Budapest und ganz Ungarn geschah. Tausende Menschen wurden getötet. Die vom Ausland bewaffnete Reaktion wütete, erschoss Kommunisten und Demokraten, Frauen und Kinder auf der Straße, brannte Häuser, Büros und alles nieder, was ihr unter die Hände kam. Tagelang regierte das Banditentum. Der einzige geringe Widerstand, der geleistet wurde, kam von den Budapester Abteilungen der Staatssicherheit, wärend die ungarische Armee und die Ungarische Partei der Werktätigen neutralisiert und liquidiert wurden. Kádár erließ das Dekret zur Liquidierung der Ungarischen Partei der Werktätigen, womit er sein wahres Gesicht zeigte, und verkündete die Gründung der neuen Partei, der Sozialistischen Arbeiterpartei, die Kádár, Nagy und andere aufbauen wollten.
Die sowjetische Botschaft blieb mit Panzern umstellt, und drinnen intrigierten Mikojan, Suslow, Andropow und wer weiß, wer sonst noch.
Die Reaktion mit Kádár und Imre Nagy an der Spitze, die sich im Parlament eingeschlossen hatten und palaverten, erließ weiter Aufrufe an die kapitalistischen Staaten des Westens, bewaffnet gegen die Sowjets zu intervenieren. Der eingeschüchterte Nikita Chruschtschow war schließlich gezwungen, den Einsatzbefehl zu geben. Sowjetische Panzertruppen rückten in Budapest ein, und der Straßenkampf begann. Der Intrigant Mikojan setzte Andropow in einen Panzer und schickte ihn zum Parlamentsgebäude, um Kádár von dort weg zu holen, damit er mit ihm manipulieren konnte. Und so geschah es dann auch. Kádár wechselte erneut den Herren, wechselte erneut das Hemd, warf sich den Sowjets in die Arme, und unter dem Schutz ihrer Panzer rief er das Volk auf, die Unruhen zu beenden, und die Konterrevolutionäre, die Waffen abzuliefern und sich zu ergeben.
Um die Regierung Nagy war es damit geschehen. Die Konterrevolution wurde niedergeschlagen, und Imre Nagy suchte in Titos Botschaft Zuflucht. Es war klar, dass er ein Agent Titos und der Weltreaktion war. Er hatte auch Chruschtschows Unterstützung gehabt, war aber dessen Griff entschlüpft, weil er noch weiter gehen wollte und auch ging. Monatelang zankte sich Chruschtschow mit Tito, weil er Nagy haben wollte. Doch Tito gab ihn nicht heraus, bis sie dann den Kompromiss erzielten, Nagy solle an die Rumänen ausgeliefert werden. Während mit Tito über dieses Problem verhandelt wurde, erkundigte sich Krylow, der sowjetische Botschafter in Tirana, auch bei uns, ob wir einverstanden seien, wenn Nagy nach Rumänien gehe.
"Wir haben bereits erklärt", antwortete ich Krylow, "dass Imre Nagy ein Verräter ist und dem Faschismus in Ungarn die Tore geöffnet hat. Nun schlägt man vor, dass dieser Verräter, der Kommunisten, fortschrittliche Menschen ermorden ließ, der Sowjetsoldaten töten ließ und die Imperialisten zur Intervention aufrief, von einem befreundeten Land aufgenommen werden soll. Das ist ein großes Zugeständnis, mit dem wir nicht einverstanden sind."
Nachdem die Gemüter besänftigt und die Opfer der ungarischen Konterrevolution, die vor allem Titos und Chruschtschows Werk gewesen war, beerdigt waren,wurde Nagy hingerichtet. Auch das war nicht richtig. Nicht, dass Nagy es nicht verdient gehabt hätte, hingerichtet zu werden, aber das hätte nicht heimlich, ohne Gericht, ohne öffentliche Entlarvung geschehen dürfen, wie es dann der Fall war. Er hätte öffentlich vor Gericht gestellt und bestraft werden müssen, und zwar nach den Gesetzen des Landes, dessen Staatsbürger er war. Aber an einem Prozess waren natürlich weder Chruschtschow noch Kádár, noch Tito interessiert, hätte doch Nagy womöglich die schmutzige Wäsche der Drahtzieher des konterrevolutionären Komplotts an die Öffentlichkeit gezerrt.
Später, als die Konterrevolution in Ungarn unterdrückt worden war, kamen viele Tatsachen ans Licht, die die Mitschuld der sowjetischen Führer an den ungarischen Ereignissen bewiesen. Wir argwöhnten natürlich die Rolle, die die Sowjets gespielt hatten, besonders was Rákosis Absetzung, die Unterstützung Nagys usw. betraf. Doch genau wussten wir damals nicht, wie sich Chruschtschows Zusammenarbeit vollzog, auch wussten wir nichts von Chruschtschows und Malenkows geheimen Zusammenkünften mit Tito in Brioni. Das kam später heraus, und wir distanzierten uns von diesen Handlungen der Sowjets.
Einige Tage nachdem in Ungarn die Ordnung wieder hergestellt worden war, setzte uns die sowjetische Führung über ihren Briefwechsel mit der jugoslawischen Führung zur Ungarnfrage in Kenntnis. Die Fakten, die in diesen Briefen ans Licht kamen, beunruhigten uns zutiefst, denn die Probleme waren ernst und kritisch. Die Interessen des Sozialismus und der kommunistischen Bewegung verlangten es damals, dass die Sowjetunion gegen die Angriffe des Imperialismus und der Reaktion in Schutz genommen, dass unsere Einheit gewahrt wurde. Andererseits konnte unsere Partei zu diesen anti-marxistischen Handlungen der sowjetischen Führung nicht schweigen. Deshalb musste alles gründlich beurteilt und gut erwogen werden, mit Rücksicht auf die Interessen der Partei unseres Landes, der Revolution und des Sozialismus. So gingen wir an diese Probleme heran. Wir sagten den sowjetischen Führern in kameradschaftlichem Ton unsere Meinung, und zwar so, dass alles unter uns blieb und unter uns korrigiert werden konnte.
Ich rief damals, als wir die Briefe erhalten hatten, Krylow zu mir.
"Ich habe Sie gerufen", sagte ich zu ihm, "um einige Fragen zu klären, die sich aus diesen Briefen ergeben. Zunächst möchte ich Ihnen sagen, dass wir Titos Anspielungen auf 'einige üble Leute', womit ganz eindeutig die Führung unserer Partei gemeint ist, für unannehmbar halten. Was ihn betrifft, so überrascht uns das nicht, schließlich sind wir Titos Angriffe gewöhnt. Was uns aber außerordentlich befremdet, ist, dass in der Antwort des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei der Sowjetunion diese Anwürfe Titos nicht entschieden zurück gewiesen werden. Können Sie uns etwas dazu sagen?"
"Ich habe dazu nichts zu sagen!" antwortete Krylow, der wie üblich den Taubstummen spielte.
Ich fuhr daraufhin fort: "Man hätte Tito klipp und klar erklären müssen, dass nicht wir üble Leute und Feinde des Sozialismus sind, wie er behauptet. Wir sind Marxisten-Leninisten, entschlossene Menschen, die bis zum Letzten für die Sache des Sozialismus kämpfen werden. Tito selbst ist ein Feind der Revolution, des Sozialismus. Dafür gibt es viele Tatsachen."
Krylow schwieg, und ich brachte dann das Gespräch hauptsächlich auf ein anderes Problem, das uns in diesen Briefen aufgefallen war. "Sie", schrieb Chruschtschow an Tito, "waren durchaus damit einverstanden, dass sich das Zentralkomitee der Kommunistischen Partei der Sowjetunion schon im Sommer dieses Jahres im Zusammenhang mit Rákosis Entfernung darum bemühte, dass Kádár Erster Sekretär wurde."
Überdies zeigte dieser Brief klar ihre Zusammenarbeit nicht nur vor, sondern auch während der Oktoberereignisse. Diese Zusammenarbeit nahm in dem Plan, der bei den Geheimgesprächen in Brioni ausgeheckt wurde, konkrete Gestalt an. Für uns war diese Handlungsweise der sowjetischen Führer unannehmbar. Unserer Meinung nach hatten die Titoisten ihre Agenten- und Spaltertätigkeit nicht eingestellt, was sich ganz besonders in Ungarn deutlich zeigte. Von dieser Überzeugung hatten wir die Führung der Sowjetunion in Kenntnis gesetzt.
Ich befragte zu dieser Sache auch Krylow. "Uns ist nicht ganz klar, wo das Zentralkomitee der Ungarischen Partei der Werktätigen gebildet worden ist, in Budapest oder auf der Krim."
Diese Frage gefiel Krylow natürlich nicht, und umständlich rückte er mit der Antwort heraus: "Die Sache wird so sein: die ungarischen Genossen fuhren auf die Krim und unterhielten sich mit unseren Genossen. Dort ging es dann darum, wer in die Führung kommen sollte. Und das Zentralkomitee der Kommunistischen Partei der Sowjetunion hat gesagt: 'Es wäre gut, wenn Kádár gewählt werden würde'." "Das heißt also, die Führung der Kommunistischen Partei der Sowjetunion war nicht für Gerő, sondern für Kádár?" fuhr ich fort.
"Das ist diesem Brief zu entnehmen", erwiderte Krylow.
"Außerdem ist auch Kádárs Regierung in enger Zusammenarbeit eurer Führung mit Tito gebildet worden", sagte ich, "oder nicht?"
"Ja", musste Krylow zugeben, "so scheint es."
Ich teilte dem sowjetischen Botschafter dann mit, welche Besorgnis die Ereignisse in Ungarn in unserer Partei hervorgerufen hatten, und betonte daraufhin: "Es ist die einhellige Meinung unseres Politbüros, dass die Genossen des Präsidiums des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei der Sowjetunion nicht richtig handeln, wenn sie sich mit Tito über die Zusammensetzung der ungarischen Partei- und Staatsführung unterhalten. Die sowjetische Führung kennt unsere Meinung zu all diesen Fragen genau, denn wir haben sie ihr mitgeteilt. So ist es doch?"
"Ja", sagte Krylow, "so ist es."
"Haben Sie alle unsere Auffassungen nach Moskau berichtet?"
"Ja", erwiderte er, "das habe ich getan."
Windflüchter - das sind Bäume und Sträucher an der Meeresküste, die unter konstanten Westwinden stark gekrümmt wurden. Ein anderer Wind weht in der menschlichen Gesellschaft. Er ist eisig und menschenfeindlich, fegt mit aggressiver Gewalt über den ganzen Globus, zwingt mit finanzgewaltigen Helfern und den Medien die Menschen, sich krumm zu machen, sich abzuducken, sich willenlos anzupassen. Ja, dieser Kapitalwind macht die Konsumenten im Namen des Neoliberalismus glauben, das sei alles vernünftig und normal und wer nicht mithalten kann, sei selber Schuld. Und wer das ändern will, der unbequeme Fragen stellt, der sei ein Störenfried im System. Oder ein Krimineller. Oder gar ein Terrorist?
Zu den Widerständigen zählen Millionen ehrlicher nach Wahrheit strebender Leute, Verbände, Bündnisse, Parteien in aller Welt, freilich mit sehr unterschiedlichen Gedankenkonstruktionen oder gar Illusionen. Unter ihnen einzelne Politiker und Künstler. Einer von ihnen ist Werner Rügemer, (Dr. phil.), geboren 1941, Publizist, Lehrbeauftragter an der Universität zu Köln. Er ist Mitglied im deutschen PEN-Club, im wissenschaftlichen Beirat von Attac und bei Business Crime Control. 2002 erhielt er den Journalistenpreis des Bundes der Steuerzahler NRW, 2008 den Kölner Karlspreis für kritische Publizistik.
In seinem neuen Sammelband "Bis diese Freiheit die Welt erleuchtet" hat uns der unbeugsame Autor einiges zu sagen. Im Vorwort heißt es: "Wie genau konnte der Kapitalismus in die Poren des Verhaltens, Denkens und Fühlens so tief eindringen?" Und sei er überall derselbe? Täuschen sich die "Deutschen" nicht darüber hinweg, dass "sie selbst Vasallen sind, freilich privilegierte Vasallen?"
Das 226 Seiten umfassende Werk enthält acht Kapitel und 40 Einzelbeiträge. Das sind ausgewählte Texte aus drei Jahrzehnten, die in unterschiedlichen, verstreuten Medien veröffentlicht wurden, sowohl in öffentlichen Rundfunkanstalten wie WDR und Deutschlandfunk, aber auch in junge Welt, Ossietzky und neue rheinische zeitung. Enthalten sind aber auch unveröffentlichte Alltagsberichte und etwa die ironische Selbstanklage eines Bankers, die Rügemer für ein Theaterstück verfasst hat. Die Beiträge stellen ein Konglomerat der unterschiedlichsten Sichtweisen auf die Machtausübung sowie auf die Manipulierungstechniken des Kapitals dar. Die Geschichte betreffend als auch aktuelle Fragen. Jeder Text beleuchtet auf seine Art die vielfältigen Erscheinungsformen des trickreich geführten Klassenkampfes, der Vergessensproduktion und der machtgestützten Desinformation. (S. 8)
Den Ursprung allen Unrechts - wie kann es anders sein - sieht der Autor im Privateigentum an Produktionsmitteln. Er wählte dazu den Text seiner Sendung auf WDR3 vom 11.06.2005 unter der Überschrift "Arbeit im schalltoten Raum" aus. Darin heißt es, dass, damit die Unternehmen wettbewerbsfähig bleiben, die Lohnnebenkosten als auch die Lohnhauptkosten gesenkt werden müssen. Zu den wichtigen Methoden zähle die Entlassung. Das sei "sehr einfach geworden und sehr verbreitet". (S. 10/11) Man habe Arbeit und sei trotzdem arm. So würde zwar die Armut in Statistiken ausgebreitet, aber, so lesen wir auf Seite 15, die historisch einmalige Reichtumsexplosion seit 15 Jahren sei tabu. Geschwiegen wird auch darüber, "dass in der gegenwärtig vorherrschenden Logik Investitionen gar nicht zu neuen Arbeitsplätzen führen..." (S. 15) Das Schweigen der Arbeit, das mediale Vorzeigen - etwa in der Tagesschau - hilfloser Betroffenheit (durch Trillerpfeifen und viel Lärm) würden "erst dann aufgehoben, wenn aus Kostenfaktoren und Almosenempfängern (...) vollgültige Mitglieder der Gesellschaft werden, (...)" Die Arbeit als Menschenrecht müsse "wirksam und für alle eingefordert werden". (S. 16)
Mit ausgewählten polemischen Beiträgen geht Rügemer gegen die enge Verflechtung der ökonomischen mit der politischen Macht zum Beispiel bei der Kölner Bank Oppenheim vor. Sie gehörte zu einem Bankenkonsortium, das im Wilhelminischen Deutschen Reich z.B. das Großprojekt der Bagdad-Bahn betrieb. Der Bankenspross Max von Oppenheim, als Archäologe verkleidet, stachelte im Auftrag des Wilhelminischen Geheimdienstes im deutschen Interesse während des 1. Weltkriegs Muslime zum Heiligen Krieg an; auch den Nazis diente sich der Banker und Archäologe mit diesem Konzept an. Im Jahre 2011 wurde Max von Oppenheim auf der Berliner Museumsinsel als "Vorbild für die Arbeit von heute" hingestellt. (S. 186)
Vergessensproduktion auch im Hinblick auf die Weltherrschaftspläne des US-Imperialismus. Insofern ist das Kapitel "Unter der Statue der Freiheit" (S. 106) interessant. Die am 28. Oktober 1886 eingeweihte Freiheitsstatue in New York symbolisiere nicht die Sklavenbefreiung, sondern die ins Auge gefasste Eroberung der sieben Kontinente und Meere. (S. 109/110) Gegen den deutschen Faschismus habe sich mit den USA zwar eine Koalition der Vernunft gebildet, notwendig sei heute eine neue Koalition, "damit nicht ein Atompilz die Welt im Namen der Freiheit (...) ein letztes Mal erleuchtet." (S.113) Auf Seite 152 wird darauf verwiesen, dass seit den 20er Jahren eine Internationalisierung des Kapitals stattfand, einem wesentlichen Vorläufer der europäischen ökonomischen Integration. Schon in der Zeit zwischen dem 1. und 2. Weltkrieg "hatten die USA Druck ausgeübt, einen für sie offenen europäischen Markt zu schaffen". (S. 154)
Wenn es dem Kapital passt, dann schweigt es sich selbstverständlich zu solch einem Tatbestand aus: So wird aus der Kiste der Verschwiegenheit die enge Verflechtung des deutschen NS-Kapitals mit der französischen Industrie während der Okkupation hervorgeholt. Der verblüffte Leser erfährt, dass das Giftgas Zyklon-B in Frankreich im Auftrag der deutschen Kriegsverbrecher hergestellt wurde. Das Tabu darüber bestehe weiter.(S. 154) Nicht die politische Kollaboration spielte die Hauptrolle, sondern die Ökonomie "bildete das Zentrum der Kollaboration". (S. 153)
Was wäre die Machtelite ohne die zahlreichen Mitmacher, die mit ins Horn blasenden Politiker, die marktkonformen kirchlichen Würdenträger sowie manch williger Künstler. Zwei Namen mögen für viele solcher Leute sprechen. So nahm Rügemer seinen Artikel aus junge Welt vom 23.12.2014 in den Sammelband auf: Der nach dem Ende der DDR neugegründete Freistaat Sachsen wurde unter Kurt Biedenkopf "das Eldorado für staatliche Subventionen an westliche Investoren, die sich mit ausgelagerten Niedriglohn-Arbeitsplätzen bedankten". (S. 162) Danke an den Autor auch für den Beitrag über den ehemaligen Kölner Erzbischof und Kardinal Joachim Meisner, zuerst veröffentlicht in junge Welt vom 28.02.2014. Dieser würdigte die kirchliche Militärseelsorge bei den Auslandseinsätzen der Bundeswehr. Dank gebühre Gott für den Fall des Eisernen Vorhangs. Westeuropa trage nun "eine globale Verpflichtung für den Frieden". (S. 170)
Nicht nur die dienstbeflissene Unterwürfigkeit spielt den sturmwütenden Geldmächten in die Hände, auch die oft und immer wieder - vor allem bei Gewalttaten - geheuchelte Anteilnahme. Rügemer übernahm seinen Artikel aus der Zweiwochenzeitschrift Ossietzky 2/2013 in den Sammelband; darin hatte er das westliche Führungspersonal geschildert, das sich im entsetzten Nichtverstehen von US-Amokläufen und Massakern suhlt. Warum? "Denn das Verstehen würde das systemrelevante Tabu der westlichen Wertlosgesellschaft aufbrechen: (...) (Seite 75)
Zurück zu den vom Sturm krumm gewachsenen Bäumen an der Küste: Je tiefer sie sich beugen müssen, desto leichter fällt ihnen das Überleben. Einzelpersonen und vor allem Künstlern geht es da nicht anders. Rügemer porträtiert den weltbekannten Maler Gerhard Richter, den Schriftsteller Hans Enzensberger, aber auch - sage und schreibe - den deutschen Nationaldichter Johann Wolfgang von Goethe als Mittäter der jeweiligen Obrigkeit. (S. 198-205)
Der Autor widmet sich auch denen, die dem Ansturm der Eliten nicht standhalten und deshalb im Neoliberalismus als die allein Schuldigen für ihr Versagen hingestellt und zum Teil verlacht werden. Ab Seite 17 schreibt Rügemer von einer Zeitungsausträgerin, der wegen einer Berufskrankheit die Frührente nicht anerkannt wurde. Sie gibt letztendlich auf und rechnet für ihr restliches Leben mit jedem Cent. Von einem Karnevals-Pfandbierflaschen-Sammler ist ab Seite 22 die Rede. Er sammelt leere Flaschen auf Bahnhöfen und achtet dabei darauf, dass sein Mantel nicht schmutzig wird: Welch eine feine Beobachtung durch den Autor. Auf den Seiten 26/27 wird eine Altenpflegerin vorgestellt, die das oft herrschende Schweigen und die Angst vor Repressionen bricht, einen Erfahrungsbericht verfasst und dazu ermuntert, sich nicht alles gefallen zu lassen. Demonstrieren sei das eine, "aber das erpresste angstvolle Schweigen der (Noch-)Beschäftigten an ihrem (Noch-)Arbeitsplatz ist das große Problem in Deutschland".
Wer dieses politisch hochbrisante und gesellschaftskritische Werk von Werner Rügemer mit Erkenntnisgewinn lesen möchte, der solle sich nicht nur auf einzelne Texte stützen, sondern versuchen, alle Kapitel im Sinnzusammenhang zu erfassen. So erschließt sich ein Mosaik, das die kapitalistische Erfolgsspur mit all seinen Betrugsserien und Blutopfern nicht nur weiter verdeutlicht - bis in die Gegenwart -, sondern auch dem Anliegen des Autors gerecht wird, mit der Wahrheit gegen den machtgestützten Relativismus anzukämpfen, Mut zu machen, an einer friedlichen Zukunft mitzuarbeiten. Menschen sind keine Windflüchter.
Werner Rügemer: "Bis diese Freiheit die Welt erleuchtet. Transatlantische Sittenbilder aus Politik und Wirtschaft, Geschichte und Kultur", Papyrossa-Verlag, Köln 2016, ISBN 978-3-89438-615-3, 226 Seiten, 14,90 €
Erstveröffentlichung NRhZ, www.nrhz.de, Online-Flyer Nr. 580 vom 21.09.2016
Frühere Artikel von Harry Popow erschienen am: 01.10.16, 02.07.16, 22.06.16, 07.06.16, 19.04.16, 06.11.15
Christine Buchholz, die verteidigungspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE im Bundestag, stellte das "Schwarzbuch" am 20. Oktober 2016 in der Neuköllner Galerie Olga Benario vor. Sie zeichnete den Umbau der Bundeswehr zur "Armee im Einsatz" in den Jahren 1990 bis 2001 nach, der die Voraussetzung für die Kampfeinsätze in Afghanistan und zum "Krieg gegen den Terror" war. Im "Schwarzbuch" wird die Bundeswehr als Armee im Wandel mit vielen Fakten untersucht, der zugleich ein Kampf um die Köpfe ist. Abschließend, und dieser Teil nahm den größeren Teil der Diskussion ein, ging es um die Frage "Aktiv gegen den Krieg" wirken, denn die Militärpolitik der Bundesregierung ist nicht alternativlos.
Das von der Bundestagsfraktion DIE LINKE und der Rosa-
Auch die Vermischung von zivilem und militärischem Personal sehen die Autoren/-innen mit Sorge. Der sogenannte Cyber-Soldat wirke nicht wie der klassische Soldat - die Grenzen zwischen diesen und spezialisierten Technikern verwische. Das sieht man auch an der Werbekampagne "Digitale Kräfte", mit der die Bundeswehr auf bisweilen unkonventionelle Art und Weise versuchte, Personal anzuwerben, das nicht zur klassischen Bundeswehr-Zielgruppe gehört. Oder an ihren Ständen auf der Spielmesse Gamescom, wo man sich einem jugendlichen, computer-affinen Publikum mit modernem Image anbot.
Ich wünsche mir, dass dieses Handbuch gegen die Militarisierung der deutschen Außenpolitik bei allen rot-rot-grün-Debatten der nächsten Monate auf dem Tisch liegt. Wenn rot-rot-grün einen Sinn haben soll, dann nur, wenn mit der Militarisierung der deutschen Politik, mit Auslandseinsätzen der Bundeswehr und Rüstungsexporten Schluss gemacht wird.
Das Schwarzbuch wird gemeinsam herausgegeben von der Rosa-Luxemburg-Stiftung und der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag. Die Autoren/-innen sind: Jacqueline Andres, Christine Buchholz, Mario Candeisen, Erhard Crome, Claudia Haydt, Thomas Mickan, Maria Oshana, Frank Renken, Rainer Rilling, Andreas Seifert und Ingar Solty.
Von der Maas bis an die Memel
Da läuft ein Stacheldraht
Dahinter kämpft und blutet jetzt
Das Proletariat.
Haltet die Saar, Genossen
Genossen, haltet die Saar.
Dann werden das Blatt wir wenden
Ab 13. Januar.
Das Bayern und das Sachsen
Das haben uns Räuber besetzt
Und Württemberg und Baden auch
Sind fürchterlich verletzt.
Haltet die Saar, Genossen
Genossen, haltet die Saar.
Dann werden das Blatt wir wenden
Ab 13. Januar.
In Preußen steht General Göring
Der Thyssen räubert am Rhein.
In Hessen und in Thüringen
Setzten sie Statthalter ein.
Haltet die Saar, Genossen
Genossen, haltet die Saar.
Dann werden das Blatt wir wenden
Ab 13. Januar.
Die uns das große Deutschland
Zerfleischten ganz und gar
Jetzt strecken sie die Hände aus
Nach unserer kleinen Saar.
Haltet die Saar, Genossen
Genossen, haltet die Saar.
Dann werden das Blatt wir wenden
Ab 13. Januar.
Da werden sie sich rennen
An der Saar die Köpfe ein
Das Deutschland, das wir wollen
Muss ein andres Deutschland sein.
Haltet die Saar, Genossen
Genossen, haltet die Saar.
Dann werden das Blatt wir wenden
Ab 13. Januar.
Text: Bertolt Brecht
Quelle: DeuFraMat
Hanns Eisler (6.7.1898 Leipzig - 6.9.1962 Berlin) war ein Komponist, in dessen Werken die wechselvolle Geschichte, der gesellschaftlichte Aufbruch, die politische Zerrissenheit und der Beginn des Hitlerterrors thematisiert werden. Von dem 12-Ton-Musiker und Komponisten Arnold Schönberg (13.9.1874 Wien - 13.7.1951 Los Angeles) ausgebildet, wandte sich Eisler bald von der avancierten Kammermusik ab und stellte sich in den Dienst der Arbeitermusikbewegung. Ab den 1930er Jahren versuchte er zwischen Kunstanspruch und gesellschaftlichem Auftrag zu vermitteln. In Zusammenarbeit mit Bertolt Brecht (10.2.1898 Augsburg - 14.8.1956 Berlin) entstanden Lieder über Klassenkampf und Revolution, Exilerfahrung und die Folgen von Krieg und Faschismus.
Dr. Jürgen Schebera, Literatur- und Musikhistoriker aus Berlin, berichtete in seinem Vortrag: "VOM SAARLAND NACH KALIFORNIEN, Hanns Eisler im Exiljahr 1934" über die Entstehung des Saarliedes zur Abstimmung am 13. Januar 1935, das Eisler zusammen mit Bertolt Brecht im Londoner Exil schrieb. Leider hatte es keinen Einfluss auf den Volksentscheid, dessen Resultat viele Juden, Künstler, politisch Verfolgte über die französische Grenze ins Exil trieb.
Das Saargebiet, wie auch das Ruhrgebiet, beides Kohle- und Stahl-Reviere, war nach dem 1. Weltkrieg ab 1920 vom Deutschen Reich abgetrennt worden und stand 15 Jahre unter Verwaltung des Völkerbundes. 1935 fand dann der Volksentscheid statt, bei dem sich 90% der Bevölkerung zum Deutschen Reich bekannte, obwohl die Beibehaltung des STATUS QUO von vielen internationalen Persönlichkeiten unterstützt wurde. Der 3. Vorschlag, eine Vereinigung mit Frankreich, fand kaum Stimmen.
Nach dem interessanten Vortrag dirigierte Herr Schebera zu einer seltenen Tonaufnahme des Saarliedes und forderte uns zum Mitsingen des Refrains auf: "Haltet die Saar Genossen/ Genossen, haltet die Saar./ Dann werden das Blatt wir wenden/ ab 13. Januar."
Ein Klavier-Duo mit Christoph Keller und Stefan Litwin, die u.a. die Eisler Suite No. 6 vierhändig zum Vortrag brachten, beendete diesen informative Nachmittag.
Im Rahmen der Eisler-Tage beschäftigten sich namhafte Experten aus Kunst und Wissenschaft mit seinen Werken, die exemplarisch die Entwicklung dieser wechselvollen Epoche nachzeichnen.
Früherer Artikel von Ilga Röder erschien am 29.02.2016
For days all Germany followed intensely a news story full of tragedy which, like Shakespeare's tragic plays, also had side notes almost verging on comedy.
Thanks to inside information - some surmised American sources - it was learned that a dangerous terrorist was in an apartment house in the East German city of Chemnitz, planning an explosion similar to the ones in Brussels and elsewhere. Elaborate plans were made to capture the young man - Djebar Al-Bakr, 22, an alleged refugee from Syria with possible ISIS connections. Although many policemen surrounded the building, somehow - no-one knows exactly how or at least no-one is admitting it - he escaped. It was partly, they say, because they feared shooting at him and hitting someone else. In the apartment they did indeed find a container with highly explosive acetone peroxide, but they couldn't find him. An emergency alarm was issued for all Germany, police were everywhere, especially at railway stations and airports, one of which, in Berlin, he had evidently planned to blow up. People feared even going outdoors, especially to travel centers, and the whole country waited with bated breath to see when and how the police would find and arrest him. Of course all the Muslim-haters saw their warnings confirmed.
Two days later came the news that El-Bakr had been caught. At first ambiguously, even reluctantly, it was revealed that it had not exactly been a clear-cut coup by the police. In the Leipzig railway station Al-Bakr had asked three countrymen to put him up. They agreed but, after recognizing him, had tied him up in their apartment and called the police. Thus, paradoxically for some, it had actually been genuine Syrian refugees who saved the day!
But the story had not ended. The authorities hoped to get crucial information from him about possible connections, perhaps with ISIS forces in Germany, about accomplices or other plans. But a week ago Djebar Al-Bakr took his own life in his Leipzig prison cell, hanging himself with his T-shirt.
How was this possible? The prison authorities said they checked him every quarter hour - or was it every half hour? After a ceiling lamp was broken and an electrical plug broken in apparent suicide attempts, they gave him underwear which tore easily - but somehow also a firmer T-shirt.
There were calls for the Minister of Justice in Saxony to resign, if not the Minister-President. Both deny any mistakes. Some now demand a central German prison for terrorists. Others disagree. Of course a commission will soon begin to investigate. And El-Bakr's brother, very suspicious, insists that pious Muslims never commit suicide. Saxon authorities, never all too transparent in their relations with the far right, now have a worse reputation than ever.
But not only did the police and prison managers end up looking like the comic old Keystone Kops of slapstick films, and not only was a possible source of information lost, but one more laser-sharp light was turned on the tragedy of today's world, where young men, motivated by the mass killings in Iraq, Afghanistan, Syria, Yemen, by murderous attacks with super-modern missiles and drones against their country-people, perhaps people they held near and dear, react in the only way their limited vision and capabilities permit, by hitting out blindly and brutally at any and all of "the others" whom they hold responsible. And the people of the western world shudder, understandably, but wonder, in all too widespread ignorance, "Why do they hate us?" How useful it all is for the powerful forces who fear any ties and solidarity between the peoples.
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Lots more is happening in Germany. Ignoring huge demonstrations in seven German cities on September 17th, with over 300,000 participants, and other mass protests in Brussels and elsewhere, the Canadian-European trade agreement (CETA) was agreed upon - almost! Coincidentally right there in Belgium, or its Walloon region, there was such opposition that the Belgian government temporarily withdrew its support, thus holding up, at least temporarily, the deal for all 28 EU countries and Canada. A lot of people breathed a sigh of relief and held to hopes that CETA and the US-EU treaty TTIP could both, despite all wealthy powers supporting them, be dumped on the garbage pile.
Among the CETA fans, if with varying degrees of wealth, was the leadership of the Social Democratic Party (SPD), a member of Germany's governing coalition. This added spice to speculation about the next German government after federal elections in September. Almost a hundred political personalities from the SPD, the Greens and the LINKE (Left) met in Berlin to discuss a possible three-way coalition - if the voting results permit one, that is. Major hurdles are the refusal of the LINKE to approve any deployment of Germany's troops outside its borders and its demands for an end to weapons sales. Both SPD and Greens insist that the LINKE approve of sending German in uniforms abroad, as at present in Syria, Afghanistan, Mali, Turkey and other conflict areas. Will the LINKE give in? Some want to, some say this question is crucial to the party's justification.
No foreign policy decisions but plenty of local ones are up for discussion on the city-state level in Berlin, where these same three parties are negotiating a new coalition government - and who will get which cabinet seat (here called Senate seat). After two earlier coalitions between the LINKE and the SPD the former ended up losing almost half its voters. Can such a result be avoided? What compromises are justified, which ones are detrimental? We shall see.
Some hopes have been kindled by another meeting in Berlin. After four long years Putin is again visiting the city. At least linguistically he and Angela Merkel should get along; he learned German during his 5 years in Dresden for the KGB and she studied Russian for a while in Donetsk, one of the cities now rebelling against rule from the Ukrainian Kiev government - now headed by Pres. Petro Poroshenko, who, like Hollande from Paris, is also in Berlin for the talks. They will certainly deal both with the continuing menace of more war in the Ukraine and the human disaster in Syria. May there be more than linguistic exchanges - and at least a few steps toward peace in both areas!
In conclusion, a note on the far more personal hopes and fears in one of the biggest supermarket chains in Germany (Tingelmann). It went broke and could not be bought up by another firm because of legal rules against monopoly cartels. The powers-that-be, even the bankrupt boss, have been arguing for months on closing or retitling the 430 stores, with 12,000 largely underpaid employees, mostly women, often with families to support, who fear the worst.
Involved in every subject I have touched on, I think, is the question of personal suffering - and, as a common denominator, the burning but never-ending need to alleviate or do away with it.
More by Victor Grossman: Berlin Bulletin No. 119, No. 118, No. 117, No. 116, No. 115, No. 114, No. 113, No. 112, No. 111, No. 110, No. 109, No. 108, No. 107, No. 106, No. 105, No. 104, No. 103, No. 102, No. 101.
Sie haben Gesetzbücher und Verordnungen,
Sie haben Gefängnisse und Festungen,
Ihre Fürsorgeanstalten zählen wir nicht.
Sie haben Gefängniswärter und Richter,
Die ihr Geld bekommen und zu allem bereit sind.
Ja, wozu denn?
(Glauben sie denn, dass sie uns damit kleinkriegen?)
Eh' sie verschwinden, und das wird bald sein,
Werden sie gemerkt haben, dass ihnen das alles nichts mehr nützt,
Dass ihnen das alles nichts mehr nützt.
(Bertolt Brecht) (Lied anhören)
Gesetze dienen in jedem Staat den Interessen der jeweils herrschenden Klasse. Diese Binsenweisheit weiß jeder Marxist. Ebenso dient die Justiz auch dieser herrschenden Klasse, das gilt auch für die Verfassung. Geschichtlich gesehen ertrotzten sich die Bürger eine Verfassung um sich vor Übergriffen des Staates zu schützen. Aber schon damals war es so, dass der jeweilige Landesfürst die Verfassung seines Landes brach, wenn er es für erforderlich hielt. Als 1848 die Revolution ihren Schwung verloren hatte, ließ der preußische König oder der österreichische Kaiser die Revolutionäre verfolgen. Der Kaiser ließ viele Revolutionäre erschießen. So wurde z.B. Robert Blum zum Tode verurteilt und am 9. November 1848 erschossen. Blum durfte eigentlich nicht verhaftet und schon gar nicht erschossen werden, denn als Abgeordneter des Paulskirchen-Parlaments genoss er Immunität. Aber, wie oben festgestellt, im Zweifelsfall bricht die herrschende Klasse einfach ihre Verfassung.
Das hat sich auch heute nicht geändert. Es ist allerdings scheindemokratisch verbrämt. So schuf man mit der Gründung der BRD das Bundesverfassungsgericht. Formal kann dieses Gericht alle Gesetze, die es für im Widerspruch zum Grundgesetz stehend hält, kassieren. Das macht es gelegentlich auch. Aber die, welche für die herrschende Klasse wirklich wichtig sind, segnete das Gericht ab.
So gab das Bundesverfassungsgericht im August 1956 dem Antrag der Adenauer-Regierung zum Verbot der KPD statt. Das führte bis in die 1960er Jahre zur beispiellosen Verfolgung von Kommunisten in Deutschland, nur übertroffen von den Verfolgungen in der Nazi-Zeit. Auch die Notstandsgesetze passierten das Bundesverfassungsgericht ohne Einschränkung. Auch den Abtreibungsparagraph 218 beanstandete das Gericht nicht.
Auch das Verbot des Adenauer-Fernsehens in den 1960er Jahren ändert nichts an der Einschätzung, das BVG sei parteiisch im Sinne der herrschenden Klasse.
So entschied Karlsruhe vor einigen Tagen, dass das sog. Freihandelsabkommen mit Kanada CETA in Kraft treten kann. Die Medien verbreiteten genüsslich, mit welchen Zuwächsen z.B. die Autoindustrie durch CETA rechnet.
Ein ähnliches Abkommen mit den USA TTIP geht in die gleiche Richtung. Dass hier deutsche Gesetze, auch Grundlagen des Grundgesetzes ausgehebelt werden, interessiert nicht. Hier geht es um riesige Profite. Die Autoindustrie erhofft sich mit dem Inkrafttreten von CETA und TTIP eine Explosion der Exporte nach Kanada und in die USA. Hätte das BVG das verboten, wäre das teuer geworden. Also segneten die Richter in der roten Robe CETA ab und wiesen die Klage zurück.
Es ist lupenreine Klassenjustiz. Die Karlsruher Verfassungsrichter haben uns mal wieder ein Musterbeispiel davon geliefert, wie "unabhängig" die Justiz ist. Sie ist einfach an das Wohl der Herrschenden gebunden.
Am 14. Oktober 2016 hat das Bundesverfassungsgericht erneut ein skandalöses Urteil gefällt. Die G 10-Kommission des Bundestags wollte die Akten über die NSA-Affäre, die sog. Selektorenliste für massenhafte Datenkontrolle, einsehen. Diese G 10-Kommission, die nach dem Gesetz z.B. die Geheimdienste überwachen soll, wollte diese Liste einsehen, das wurde verweigert. Sie ging nach Karlruhe. Die Richter in roter Robe entschieden, dass diese Kommission gar kein Verfassungsorgan sei, also auch kein Recht zur Klage in Karlruhe hat. Die Herrschenden trauen nicht einmal ihren Speichelleckern, denn ernsthaft das Treiben der Schlapphüte kontrollierten sie ja zu keiner Zeit. Dabei gibt es ein eigenes Gesetz für die Kommission und G 10 steht für Grundgesetz Artikel 10. Im Internet, auf der Seite des Bundestags, steht folgendes:
"Die G 10-Kommission entscheidet von Amts wegen als unabhängiges und an keine Weisungen gebundenes Organ über die Notwendigkeit und Zulässigkeit sämtlicher durch die Nachrichtendienste des Bundes (Bundesnachrichtendienst, Bundesamt für Verfassungsschutz, Militärischer Abschirmdienst) durchgeführten Beschränkungsmaßnahmen im Bereich des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses nach Artikel 10 des Grundgesetzes (GG)."
Kommentar: Aber das Gericht sagt, das ist kein Verfassungsorgan und daher nicht berechtigt, in Karlruhe zu klagen.
Der sog. Rechtsstaat bietet dem Bürger eine Menge Möglichkeiten, gegen staatliche Willkür zu klagen - dieser hat sogar ein Widerstandsrecht. So sieht es jedenfalls aus. Sieht man genauer hin, so ist dies alles nur Lug und Trug und soll dem Volk vorgaukeln, es sei der Souverän und bestimme. In Wirklichkeit ist der Staatsbürger, der Citoyen, den Interessen der besitzenden Klasse, der Bourgeoisie, unterworfen.
Aber der Citoyen soll glauben, er sei nicht der Untertan, sondern der Souverän, und dazu ist so eine Instanz wie das BVG da.
Die Bundeszentrale für politische Bildung schreibt dann auch verräterisch:
"Das Bundesverfassungsgericht ist die Kontrollinstanz für die Verfassungsmäßigkeit des politischen Lebens. Es interpretiert die Regelungen des Grundgesetzes und passt die Interpretation immer wieder dem gesellschaftlichen Wandel an."
Wenn wieder ein Führer die Macht vom Großkapital zugespielt bekommt, wird das BVG die Verfassung eben "anpassen". So funktioniert bürgerliche Demokratie.
Erstveröffentlichung: kommunisten-online.de, 14. Oktober 2016
Frühere Beiträge von Günter Ackermann erschienen am 09.10.2016, 07.09.2016, 25.08.2016, 16.08.2016, 29.07.2016, 08.07.2016
In Bertolt Brechts "Der gute Mensch von Sezuan" wird die am Existenzminimum lebende Prostituierte Shen Te von den Göttern, die auf der Suche nach einem guten Menschen bei ihr Unterkunft finden, mit einem kleinen Vermögen belohnt. Shen Te kauft sich einen bescheidenen Tabakladen, in dem sich schon bald eine neunköpfige obdachlose Familie einquartiert, die ihre Gutmütigkeit in der Folge ausnutzt. Als sie merkt, dass sie durch ihre Güte in den Ruin getrieben wird, erfindet sie den skrupellosen Vetter Shui Ta. Als ihr Vetter verkleidet, wirft sie die Familie raus und macht aus dem kleinen Tabakladen schließlich ein erfolgreiches Tabak-Imperium. Aus dem "Engel der Vorstädte" Shin Te machen die kapitalistischen Umstände den ausbeuterischen "Tabakkönig" Shui Ta.
Bei Sahra Wagenknechts immer wiederkehrenden problematischen Äußerungen zur Flüchtlingsfrage gewinnt man den Eindruck, sie verwandle sich ab und zu in ihren Vetter. Plötzlich tätigt die Frontfrau des linken Flügels der Partei Äußerungen, die an plumpen Populismus erinnern und redet von "Gastrecht", "Kapazitätsgrenzen" und "Gefahrenpotentialen" im Zusammenhang mit Geflüchteten.
Rückblende: Als 2015 die Situation im Bürgerkriegsgebiet in Syrien und dem Irak immer schlimmer wurde und die Lebensmittelrationen in den Flüchtlingslagern gekürzt wurden, machten sich immer mehr Menschen auf den Weg nach Deutschland. Merkel rückte von der bisherigen harten Flüchtlingspolitik ab. Plötzlich hieß es "Flüchtlinge Willkommen" von CDU bis BILD. Neben dem Hunger nach ausgebildeten Arbeitskräften war der Grund für das scheinbare Umdenken der Bundesregierung vor allem auch der Druck der von den Geflüchteten selbst ausging, die sich massenhaft auf den Weg gemacht hatten und entschlossen waren, die Grenzen zu überwinden. Rassisten aller Couleur schlugen Alarm, die CSU setzte sich gegen die so genannte "Willkommenskultur" hetzend von Merkel ab und die AfD erhob sich aus der Versenkung, in der sie verschwunden war.
Die verhältnismäßig großen rassistischen Mobilisierungen Anfang letzten Jahres und die Konsolidierung der AfD als feste Größe in der Parteienlandschaft werfen strategische Fragen für die Linke in Deutschland auf. Vorbei die Zeit, in der DIE LINKE die einzige als solche wahrnehmbare Oppositionspartei im Land war. Die AfD schafft es mit zahllosen Provokationen immer wieder, sich als Anti-Establishment-Partei zu verkaufen. Freilich, ein Etikettenschwindel: Die Fäden in der AfD werden von ehemaligen CDUlern, UnternehmerInnen, WirtschaftsprofessorInnen und einem erzkonservativen Adels-Netzwerk gezogen - nicht gerade der Inbegriff der Rebellion. Aber angesichts der Dominanz der Flüchtlingsfrage in Medien und Gesellschaft hat sich die AfD mit einer aggressiven Rhetorik erfolgreich gegen Merkels angeblich flüchtlingsfreundliche Politik positioniert. Dabei gibt es breite Mehrheiten für die Aufnahme von Kriegsflüchtlingen (94 Prozent) und politisch oder religiös Verfolgten (76 Prozent)1). Das Problem ist aber, dass es zu einer (politisch nicht nur von der AfD auch gewollten) Vermischung von sozialer Frage und der Flüchtlingsfrage kommt. Fast jeder dritte in Deutschland macht sich Sorgen, dass Flüchtlinge "uns Arbeitsplätze und Sozialleistungen wegnehmen"2). Diese Sorgen zu beantworten, ist die Aufgabe der LINKEN: Sie muss klar machen, dass genug Geld für alle da ist, statt Sozialabbau müssen die Reichen besteuert werden. Statt Mindestlohnausnahmen für Geflüchtete und Lohndumping braucht es einen Mindestlohn für alle von 12 Euro, der auch vor Altersarmut schützt. Gegen Mietsteigerungen braucht es ein massives öffentliches Wohnungsbauprogramm, damit Geflüchtete und Einheimische nicht um ohnehin schon wenige Wohnungen konkurrieren müssen. Es braucht mehr Geld für Bildung, mehr LehrerInnen, kleinere Schulklassen - davon würden sowohl hier geborene Menschen als auch Geflüchtete profitieren. Statt sich gegeneinander ausspielen zu lassen, sollte DIE LINKE die arbeitende Bevölkerung zu Solidarität und einem gemeinsamen Kampf für ein gutes Leben aufrufen. Sahra Wagenknecht hat zwar auch immer wieder gesagt, dass Fluchtursachen bekämpft und das Vermögen der Reichen herangezogen werden müsse, um eine soziale Integration von Geflüchteten zu finanzieren - viel zu oft waren aber auch andere Töne zu vernehmen.
Nach der Silvesternacht von Köln erklärte Sahra Wagenknecht auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Dietmar Bartsch: "Wer sein Gastrecht missbraucht, hat sein Gastrecht eben auch verwirkt." Abgesehen davon, dass es kein "Gastrecht", sondern ein Asylrecht gibt, was Verfolgte und vom Tod bedrohten Menschen schützen soll, ignorierte sie damit den Grundsatz der Gleichbehandlung. Warum sollen die einen (deutschen) Verbrecher mit Gefängnis bestraft werden, die anderen (nicht deutschen) aber mit Abschiebung - die sogar mit dem Tod enden kann?
Mitte Januar sagte Wagenknecht: "Natürlich gibt es Kapazitätsgrenzen. Wer das leugnet, ist doch weltfremd." Und im März: "Also dass man nicht sechzig Millionen Menschen nach Deutschland holen kann, ist eine Banalität. Das würde auch niemand bestreiten. Und ich finde, wir können Banalitäten auch sagen. Natürlich kann man auch sagen, man spricht das nicht aus. Aber es ist trotzdem so." Natürlich stimmt es, dass wenn alle sechzig Millionen Flüchtlinge der Welt nach Deutschland einwandern würden, dies zu enormen gesellschaftlichen Verwerfungen führen würde. Aber die Frage in dieser Form aufzuwerfen, dient viel mehr der Stimmungsmache, als dass sie einer sinnstiftenden politischen Debatte dienen könnte. Ob gewollt oder nicht, spielt Sahra Wagenknecht durch solche Äußerungen das Spiel der Rechtspopulisten und bürgerlichen Kräfte mit, die ein Bedrohungsgefühl in der Bevölkerung schüren wollen, um sich dann als Retter präsentieren zu können. Denn dieses Szenario steht einfach nicht an, auch dreißig, zwanzig oder zehn Millionen werden nicht kommen. Die realen Zahlen des vergangenen Jahres könnten problemlos - auch über einige weitere Jahre - "verkraftet" werden, wenn der immense Reichtum der "ein Prozent" sinnvoll und planmäßig eingesetzt würde. Das würde nicht alle Probleme von heute auf morgen lösen, aber es gäbe keinen Grund vom Erreichen absoluter Belastungsgrenzen etc. zu schwadronieren.
Und auch wenn das eine weitere Banalität ist: Niemand flieht freiwillig. Es müssen schon sehr schlimme Verhältnisse sein, die die Menschen zum Verlassen ihrer Heimat bringen. Verhältnisse, die durch imperialistische Ausbeutung und Kriegspolitik mitverantwortet werden. Eine linke Antwort auf sechzig Millionen Flüchtlinge weltweit kann nicht sein, die Grenzen dicht zu machen - wenn es ums Überleben geht, hält auch die gefährlichste Grenze niemanden ab. Eine linke Antwort wäre, die schwindelerregende Zahl von sechzig Millionen zu verringern, die Fluchtursachen Krieg, Umweltzerstörung, Ausbeutung und das ganze restliche kapitalistische Elend zu beenden.
Den traurigen Höhepunkt von Wagenknechts Äußerungen bilden allerdings ihre Worte im Juli nach dem Selbstmordanschlag in Ansbach: "Die Ereignisse der letzten Tage zeigen, dass die Aufnahme und Integration einer großen Zahl von Flüchtlingen und Zuwanderern mit erheblichen Problemen verbunden und schwieriger ist, als Merkels leichtfertiges 'Wir schaffen das' uns im letzten Herbst einreden wollte. Der Staat muss jetzt alles dafür tun, dass sich die Menschen in unserem Land wieder sicher fühlen können. Das setzt voraus, dass wir wissen, wer sich im Land befindet und nach Möglichkeit auch, wo es Gefahrenpotentiale gibt. Ich denke, Frau Merkel und die Bundesregierung sind jetzt in besonderer Weise in der Verantwortung, das Vertrauen der Menschen in die Handlungsfähigkeit des Staates und seiner Sicherheitsbehörden zu erhalten."3) Wagenknecht zieht hier eine direkte Verbindung von der Flüchtlingspolitik Merkels zu dem Ansbacher Selbstmordanschlag und leistet der Annahme Vorschub, die Einwanderung von Geflüchteten erhöhe die terroristische Bedrohung, gegen die die Sicherheitsbehörden in Stellung zu bringen seien. Die Wahrheit ist deutlich komplexer: International operierende Terrorbanden wie Al Qaida oder der so genannte Islamische Staat (Daesh) sind nicht auf Geflüchtete angewiesen, um ihre Aktionen durchzuführen. Das zeigt die Erfahrung der letzten Jahre, vor allem in Frankreich und Belgien. Dass auch AsylbewerberInnen den rechten Fundamentalisten auf den Leim gehen können, ist keine Frage. Aber hier lohnt auch ein Blick auf die konkreten Umstände. Der Täter von Ansbach war aus Syrien über Bulgarien eingereist, wo er wahrscheinlich von der bulgarischen Polizei misshandelt wurde. In seinen Armen und Beinen gab es unbehandelte Metallsplitter von einem Raketenangriff, der seine Familie in Aleppo getötet hatte. Nach einer Operation sollte er zurück nach Bulgarien abgeschoben werden, obwohl es geäußerte Suizidgedanken und zwei Selbstmordversuche gab. Liegt da nicht die Schlussfolgerung nahe, dass eine menschliche Flüchtlingspolitik solche Taten eher verhindern kann, als staatliche Aufrüstung und Verschärfung von Grenzregimen?
Es hat nichts mit linker Politik zu tun, wenn man einen ursächlichen Zusammenhang zwischen der Einwanderung Geflüchteter und Terroranschlägen zieht. Es hat auch nichts mit linker Politik zu tun, nach dem bürgerlichen Staat zu rufen, um die "Sicherheit der Bürger" zu garantieren, wie es Dietmar Bartsch mit seiner Forderung nach mehr Polizei getan hat ("Wir brauchen endlich wieder Ordnung in unserem Land, dass die Menschen ein höheres Maß an Sicherheit haben"). Die Unsicherheit erwächst aus sozialen Verhältnissen, für die genau dieser Staat verantwortlich ist - und jede staatliche Aufrüstung wird früher oder später auch gegen streikende ArbeiterInnen und soziale Protestbewegungen eingesetzt. Wagenknecht scheint mit ihren Äußerungen das Ziel zu verfolgen, das Ohr von AfD-WählerInnen erreichen zu wollen. Doch wenn man inhaltliche Positionen aufgibt, um dieses Ziel zu erreichen, ist das Opportunismus und wird auch niemanden davon abhalten, AfD zu wählen.
DIE LINKE wird seit ihrer Gründung von heftigen Flügelkämpfen erschüttert. Im Kern geht es dabei um die Frage, ob der Kapitalismus sozialer und friedlicher gestaltet werden kann oder seine Überwindung notwendig ist. Daraus ergeben sich dann strategische Fragen, wie politische Ziele zu erreichen sind: Über eine Regierungsbeteiligung zusammen mit Sozialdemokraten und Grünen, oder über konsequente Oppositionspolitik gegen alle Kürzungsparteien und Massenmobilisierungen? Alle Streitfragen die es in der Partei sonst so gibt lassen sich davon ableiten, egal ob es um die EU geht, um die NATO, Israel oder um die Sozialpolitik - bei all diesen Themen geht es um die Koalitionsfähigkeit der LINKEN. Und Wagenknecht wurde von SPDlern immer wieder als Hindernis für ein Rot-Rot-Grünes Bündnis angeführt. Darum sind bei Wagenknechts Ausfällen bürgerliche Medien und der Pro-Regierungsflügel der Partei besonders schnell und erbarmungslos. Bemerkenswert ist dabei einerseits die Qualität der Kritik, die sich meist in moralischer Empörung erschöpft, andererseits aber auch, wer da kritisiert. Politiker von SPD bis CDU, die für die Asylrechtsverschärfungen gestimmt haben, kritisieren Wagenknechts Äußerungen ebenso wie ein Bodo Ramelow, der in seiner Landesregierung in Thüringen massenhafte Abschiebungen zu verantworten hat.
So leicht, wie es Wagenknecht diesen Kritikern gemacht hat, sie für ihre falschen Äußerungen anzugreifen, so leicht machen es sich leider auch ihre AnhängerInnen, die jede Kritik an ihren Äußerungen als "Missverständnisse" zurückweisen. Sie reagieren wie die ahnungslosen Götter im "Guten Mensch von Sezuan", als diese erfahren, dass Shui Ta und Shen Te die gleiche Person sind: In ihrer Bequemlichkeit und ihrem Unwillen, ihr Scheitern einzugestehen, halten sie beharrlich daran fest, den "guten Menschen" gefunden haben: "Ein Missverständnis! Einige unglückliche Vorkommnisse! (...) Gepriesen sei, gepriesen sei, der gute Mensch von Sezuan!" Natürlich ist es "Heuchelei", wenn ausgerechnet Asylrechtsverschärfer und Abschieber Wagenknecht Rassismus vorwerfen. Das macht aber die Äußerungen von Wagenknecht nicht richtiger. Diese sind auch nicht missverständlich, selbst wenn sie immer relativierende Erklärungen nachschiebt. Wagenknecht weiß, was sie tut, und sie weiß und kalkuliert auch ein, dass sie Applaus von rechts für ihre Äußerungen erntet. Sie hat ihre Äußerungen ja auch nicht zurück genommen. Im Endeffekt sind sie das Ergebnis von spezifischen politisch-strategischen Überlegungen, die falsch und gefährlich sind. Sollte Wagenknecht diesen Fehler nicht korrigieren, ist nicht auszuschließen, dass sie sich aus der Parteilinken selbst herausbefördert.
Die Verwandlung von Sahra Wagenknecht in ihren populistischen Vetter ist Ausdruck davon, dass Wagenknecht letztlich eben keine wirksame antikapitalistische Strategie vertritt. Sie macht "Realpolitik" im schlechtesten Sinne. So sehr sie eine ehrliche und engagierte Kämpferin gegen den Neoliberalismus ist, so beschränkt ist ihre Vorstellung von einer Gesellschaft jenseits des Kapitalismus. In ihren Büchern "Freiheit statt Kapitalismus" und "Reichtum ohne Gier" schreibt sie, dass die vorherrschende Form des globalisierten Finanz- und Monopol-Kapitalismus quasi nur eine Fehlentwicklung sei, und durch linke Politik korrigiert werden könne. Statt der Macht der Banken und Konzerne fordert sie - den "freien Wettbewerb" von ehrlichen Kleinunternehmern, flankiert von Genossenschaften und einigen verstaatlichten Konzernen. Statt dem Kapitalismus fordert sie eine "sozialistische Marktwirtschaft" (ungefähr so sinnvoll wie ein Hallenfreibad), statt Globalisierung eine Rückbesinnung auf den Nationalstaat, und, ja, das schreibt sie wirklich: "Wir brauchen was die Neoliberalen sich so gern auf die Fahne schreiben, aber in Wirklichkeit zerstören: Freiheit, Eigeninitiative, Wettbewerb, leistungsgerechte Bezahlung, Schutz des selbst erarbeiteten Eigentums."
Die Internationalisierung des Kapitals, die Tendenz zur Monopolisierung, die Abstraktion des Kapitals in die Finanzsphäre liegt in der Natur des Kapitalismus. Da Wagenknecht scheinbar nicht an die Möglichkeit glaubt, den Kapitalismus zu überwinden, will sie die Zahnpasta zurück in die Tube drücken, und den ordoliberalen, rheinischen Kapitalismus der Nachkriegszeit zurück. Sie macht Vorschläge über demokratische Eigentumsformen, bleibt aber in einem eng gefassten Rahmen hängen - dem des bürgerlichen Nationalstaats: "Es existiert daher auf absehbare Zeit vor allem eine Instanz, in der echte Demokratie leben kann und für deren Redemokratisierung wir uns einsetzen müssen: Das ist der historisch entstandene Staat mit seinen verschiedenen Ebenen, von den Städten und Gemeinden über die Regionen oder Bundesländer bis zu den nationalen Parlamenten und Regierungen." Doch dieser Staat ist nicht neutral - er ist Ausdruck einer Klassengesellschaft, in der eine winzige Minderheit alles besitzt, und die Mehrheit dazu verdammt ist, durch ihre Lohnarbeit den Reichtum dieser Minderheit zu vermehren. Dieser Staat ist von seiner Struktur und seinem Wesen nur dafür geeignet, diesen Status Quo aufrecht zu erhalten, und nicht, um grundsätzliche gesellschaftliche Alternativen zu erreichen. Der Versuch, mit dem bürgerlichen Staat den Kapitalismus zu überwinden, ist genauso zum Scheitern verurteilt wie "das Meer der kapitalistischen Bitternis durch flaschenweises Hinzufügen der sozialreformerischen Limonade in ein Meer sozialistischer Süßigkeit zu verwandeln" (Rosa Luxemburg).
Linke, die es beim Verwalten des Kapitalismus belassen, verstricken sich wie die gute Shen Te immer wieder in unlösbare Widersprüche zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Ihre Vetter, die Shui Tas der Geschichte, hatten verschiedene Gesichter. Ein vermeintlicher Sachzwang ließ sie Kriege abnicken, Kürzungen zustimmen oder internationale Solidarität vergessen. Die Aufgabe, das Dilemma zu lösen, übergab Brecht nicht umsonst seinem Publikum:
"Der einzige Ausweg wär aus diesem Ungemach: // Sie selber dächten auf der Stelle nach // Auf welche Weis dem guten Menschen man // Zu einem guten Ende helfen kann. // Verehrtes Publikum, los, such dir selbst den Schluss! // Es muss ein guter da sein, muss, muss, muss!"
Sebastian Rave ist Mitglied im Landesvorstand der LINKEN Bremen und des SAV Bundesvorstands.
1) ARD-DeutschlandTrend Februar 2016
2) Meinungsforschungsinstituts Pew 12.07.2016
3) www.linksfraktion.de/pressemitteilungen/menschen-muessen-sich-wieder-sicher-fuehlen-koennen
Zuerst erschienen in "sozialismus-info", 23. September 2016
Den Artikel kann ich liken, kommentieren muss man da nicht so viel. Man könnte zwar jetzt darüber diskutieren, ob Frau Wagenknecht nationalistische Tendenzen hat oder nicht, aber dass sie mehr der liberalen Linken angehört, ist, denke ich mal, ein Fakt.
Klaus Meier, 17.10.2016
Ich bin sehr froh darüber, dass dieser Artikel in "American Rebel" erschienen ist. Ich finde nicht nur das Thema und die Argumentation richtig, sondern auch den "Vergleich" sehr anschaulich. Einen Vergleich, den man wohl nicht nur auf Sahra Wagenknecht, sondern auch auf eine breite Schicht von "Regierungssozialisten" in Amt und Würden anwenden kann. Diese Schicht blockiert leider die Entwicklung der "Linkspartei" zu einer demokratischen, kämpferischen, nicht angepassten Partei der Arbeiterinnen und Armen... Solch eine Partei aber brauchen wir und deshalb finde ich es wichtig, den Kampf in und außerhalb der Linkspartei zu führen und die Opposition gegen den derzeitigen Kurs der Linkspartei zusammen zu führen und zu stärken... Aus meiner Sicht hat "American Rebel" mit der Veröffentlichung dieses Artikels dazu einen Beitrag dazu geleistet, und ich möchte mich dafür bedanken!
Jens Lustig, Augsburg, 17.10.2016
Wie gern hätte ich dieses sonderbare Gewand benannt. Endlich mal wieder einen Neologismus erschaffen. Ich hätte ihn, also den Neologismus, "Burkini" getauft. Oder sie. Also nicht Sie, also Dich, versprengte Leserin oder Leser, sondern es. Ich komme mit der Anrede durcheinander. Wobei mir der richtige Artikel nicht klar ist. Burka ist weiblich, Bikini lustigerweise männlich! Obwohl kein Eber sowas trägt. Also sächlich?
Zunächst die Fakten: Es wurde bereits 2004 erfunden, natürlich in Australien. Wo sonst? Ich hätte zwar eher auf Burkina Faso getippt, also in etwa die Ecke, aus der wir vor rund vierzigtausend Jahren ausgewandert sind. Möglicherweise sogar geflüchtet. Aber manchmal liege ich einfach mal voll daneben. Burkina Faso - da hab ich wohl das "i" mit dem "a" verwechselt, ich Esel. Keine Ahnung ist auch ne Ahnung. Sagte mein Mathelehrer früher auch immer. Aber mein geografischer Horizont endet ja auch deutlich vor der Balkanroute. Ich weiss ja nicht mal, ob Bayern davor, oder dahinter liegt. Ach Mann, ich verzettel mich grade wieder! Geometrisch.
Seitdem vermehrt Menschen durchs Mittelmeer nach Europa schwimmen, ist dieses Kleidungsstück nun auch an unseren schönen deutschen Stränden angekommen. Das hätte sich der Schneider von Frau Merkel nicht nehmen lassen sollen. Mit dem Stoff eines Kostüms von ihr hätte er locker 3-4 Muslimas ummanteln können. Und eben dieser Bade- wie sagt man nun, -anzug, -aufzug entrüstet seither die Schlabberkarobadehosenträger. Unsere Willkommensbadehautecoture. Meine jüngste Tochter besteht beim sonntäglichen Schwimmbadbesuch und sogar zuhause in der Badewanne auf ihr rotes Baderöckchen mit den weißen Herzchen drauf. Darf ihr ihr Innenminister das verbieten dürfen? Nur, weil weiße Herzchen nicht zur deutschen Leitkultur passen? Ich wäre empört und würde den Protest wählen.
Warum sollte man etwas verbieten wollen, was vielen Frauen in und aus anderen Kulturkreisen bisher nicht gekannte Freiheiten bietet? Auch, wenn wir eine Verhüllung nicht als Attribut der Freiheit ansehen. Muss ja keine deutsche Frau anziehen, wenn sie nicht will. An FKK-Stränden hingegen wurde mir schon als Kind mulmig. Ich möchte das jetzt nicht vertiefen, aber, um mal etwas Hitze aus der Debatte zu nehmen - ich trage ja auch keinen Schottenrock. Obwohl mich das schon reizen würde. Aber davon hält mich der Dudelsack ab. Der ist mir einfach zu laut. Möglicherweise liegt es auch an der phonologischen Nähe von "kariert" und "kastriert". Ich weiß es nicht und möchte auch das nicht weiter vertiefen.
Was bilden wir uns eigentlich ein, Dinge zu verbieten, von denen wir null Ahnung haben? Aber gut, das ist nun mal das zentrale Kerngeschäft der Politik. Da werden ja sogar Dinge erlaubt, von denen auch keiner eine geringste Ahnung hat! Warum darf man morgenländische Strandmoden verbieten dürfen, während hier jeder Chromhorst auf seiner Harley, angetan mit nazistischen Aufnähern, knatternd durch die Stadt bretten darf, dass sich mir Ohren, Hirn und Magen umdrehen. Und zwar gleichzeitig. Soweit ich informiert bin, dürfen wir an, beispielsweise thailändischen oder spanischen Stränden Schlabberkarobadehosen tragen. Warum auch immer. Die einheimischen Behörden hätten bei einem entsprechenden Dekret mein vollstes Verständnis. Und viele meiner Landsleute würden dann ganz schön doof aus der Wäsche gucken. Verbietenswert fielen mir auch Thor Steinar Shirts, geklöppelte Sesselarmlehnenschoner, gehäkelte Topflappen, Spitzenblusen, Gardinen mit der Ado (schön, dass das Wort an dieser Stelle endet) Goldkante, fluoreszierender Schmuck, bunte Blumentattoos in DIN A2 auf 96%-iger körperfettanteiliger Haut und Krawatten mit Notenschlüsseln drauf ein. Sowas gehört verboten! Hab ich Dirndl und Halloweenkostüme vergessen? Ja.
Warum machen uns eine oder zwei versprengte Burkini-Trägerinnen denn solche Angst? Mir schlottern die Knie eher bei ganz anderen Gestalten an einem Brandenburger See. Warum zum Geier läuft das tapfere Schneiderlein von Frau Merkel eigentlich noch frei herum? Der hockt den ganzen Tag im Schneidersitz auf dem Tisch und näht groben Unfug mit großen Knöpfen. Andere Sitzblockierer werden hier doch auch munter festgesetzt. Wie absurd, erst werden sie weggetragen, dann wieder hin-, also festgesetzt. Warum nicht gleich vor dem lauwarmen Naziauflauf auf der Straße sitzen lassen. Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen - Naziauflauf ist kein Streetfood! Das ist viel schlimmer.
Der künftige Zeremonienmeister von Marzahn-Hellersdorf, Gunnar Lindemann (das ist nicht der von Rammstein) von den Blauen twitterte unlängst erleichtert aus Polen, dass es an der dortigen Ostsee keine "Burkinas" gäbe. Dann bleib doch da, du Wurst! Und lern bei der Gelegenheit mal schreiben. Ich lass mir ja kein "a" für ein "i" vormachen, so blöd bin ich nicht. Aber vielleicht hat dieser Esel diesen Fehler bewusst und mit aller ihm, im Rahmen seiner ihm zur Verfügung stehenden Intelligenz, eingebaut. Denn der letzte Buchstabe von Burkina ist doch auch der erste seiner Partei. Oder weiß er mehr als ich, was die Herkunft der Burkinis angeht? War es etwa doch Burkina Faso? Oder müsste man dann den Namen AfD zu IfD ändern? Ich möchte das jetzt nicht aussprechen. Oder kamen wir vor vierzigtausend Jahren doch aus der Nähe von Burkini Faso? In vierzigtausend Jahren kann sich der Name eines Landes schon mal geringfügig ändern. Ein schönes Beispiel für Evolution.
Ich las neulich über eine muslimische Frau, die mit 35 Jahren schwimmen lernte. Weil sie es vorher schlichtweg nicht mit ihrer Religion, oder mit welchem kryptischen Zinnober auch immer, vereinbaren konnte. Jetzt maulen bestimmt wieder die in den Schlabberkarobadehosen: "Warum muss die denn ausgerechnet damit zu uns schwimmen? Die Donau ruff!" Jungs, weil sie möglicherweise keine andere Chance hatte, sich und ihre Kinder aus einem Scheißkrieg in Sicherheit zu bringen. Oder weil sie vielleicht hier schon seit Generationen lebt, besser Deutsch sprich als ihr, arbeitet und Steuern zahlt.
Und während ich zwei Eiswürfel darum bitte, meinen Rotwein zu temperieren, denke ich. Möchtet Ihr wissen, was? Nichts. Denn oft denke ich gar nicht. Wer hätte das gedacht? Wie viele Andere. Die ja gar nicht daran denken, dass sie denken könnten. Ich habe mich heute mal durch die Twitter-Posts von Gunni Lindwurm gedrüselt und hab danach (Gottseidank gab es nach dieser Lektüre für mich noch ein Danach!) für mich beschlossen, dass ich ihn nicht in einem Zug mit Goethe, Kant, Hegel und Lothar Matthäus nennen möchte. Dazu ist der einfach viel zu banal. Also Gunnar, nicht der Loddar. Der hat ja zumindest noch einen gewissen Unterhaltungswert.
Es gibt Orte in Meckernburg Vorkommern, da hat die AfD deutschlich über 40% Prozent geholt. Ich hab keine Ahnung ob "Küstennebel" über 40% Alkohol enthält, aber in Peenemünde haben sie satte 46,8% geholt. Und wenn man dann noch einrechnet, dass die NPD da auch noch 5,6% eingefahren hat, so frag ich mich, was haben sich die Peenemünder denn da vor dem Betreten der Wahlkabine eingefahren? Küstennebel? Das wäre ein mögliche Erklärung. Ach du liebe Zeit. Wir Berliner dürfen auch bald wählen.
Ich empfehle: Denken. Mitdenken. Nachdenken. Weiterdenken. Keinen Küstennebel. Davon wird man schnell Blau.
Zuerst veröffentlicht in Ach du liebe Zeit am 14. September 2016.
Siehe auch: Zur Kopftuch- und Burka-Frage
Unseren Lesern muss man eigentlich nicht viel über Otto Reutter erzählen (siehe Blättchen 17/2006 und 25/2014). Obwohl er schon 1931 mit Anfang sechzig starb, war er da bereits ein Star der modernen Medien, und vor allem auf Schallplatten, so dass er bis heute in Liebhabersendungen des Rundfunks anzutreffen ist. Seine über 1000 Couplets - eine Gattung, die heute fast ausgestorben ist - hat er alle selbst geschrieben, Text und Musik. "Das politische Couplet gedeiht nicht recht bei uns - die Deutschen mögen das nicht - und wenn der charmante Otto Reutter nicht seinen politischen Versen irgendeinen Refrain anhängte, der ebensogut auch auf andere Dinge passt, so hätte er wohl nicht viel Glück mit seiner Coupletpolitik", schrieb einmal Kurt Tucholsky, einer der großen Reutter-Verehrer, der ihn in seiner politischen Biederkeit allerdings auch nicht unkritisch sah. Der Vortragskünstler bereiste das gesamte deutschsprachige Gebiet und fügte überall neue Strophen zu aktuellen lokalen Ereignissen ein. Bleibenden Erfolg haben Reutters Couplets, die die sogenannten allgemein-menschlichen Schwächen glossieren: "Der Blusenkauf", "Neh'm Se'n Alten" oder "Der Überzieher".
Genau diese drei fehlen im neuen Otto-Reutter-Abend im Berliner Theater im Palais, aber eigentlich fällt das nicht ins Gewicht. "Und so komm'n wir aus der Freude gar nicht raus" heißt die Zusammenstellung von Barbara Abend. Die versierte musikalische Leiterin Ute Falkenau hatte die Idee, und Carl Martin Spengler, der nicht wie Otto Reutter untersetzt, sondern hoch aufgeschossen ist, musste nicht lange zur Mitwirkung überredet werden. Zum Glück! Er ist die Entdeckung unter den vielen heutigen Reutter-Interpreten. Spengler kostet die Texte aus, mischt Ironie mit Ernsthaftigkeit, ist wohl manchmal noch selbst über seine Wirkungen erstaunt, meistert auch die Klippen souverän.
Barbara Abend, einer ausgewiesenen Kennerin des Berliner Unterhaltungstheaters des 19. und 20. Jahrhunderts, ist es mit ihrer Zusammenstellung gelungen, Reutter persönlich näher zu kommen. Wie die meisten großen Komiker war auch er ein Melancholiker. Er sah - immer vom bürgerlichen Standpunkt aus - was im Alltag und in der Politik schief lief. Den Ersten Weltkrieg sah er als notwendig an und änderte seine Haltung erst, nachdem sein zwanzigjähriger Sohn gefallen war. Nach den finanziellen Verlusten in der Inflation arbeitete Reutter noch eifriger in Selbstausbeutung, was wohl zu seinem frühen Tod beitrug.
Der Abend bietet eine angenehme Mischung zwischen bekannten Texten (etwa "Der gewissenhafte Maurer", "In fünfzig Jahren ist alles vorbei") und Wiederentdeckungen (zum Beispiel "Mir ham se als jeheilt entlassen". Biografische Texte vervollständigen den Abend, für den Dieter Kirchhof ein illustres Bühnenbild schuf. Reutter war gewiss kein Linker, aber ein ebenso wacher wie witziger Kommentator des Zeitgeists der letzten Kaiserjahre und der Weimarer Republik. Das wird in diesem Programm auf amüsante Weise deutlich.
Theater im Palais
- Das Berlinische Theater Unter den Linden
nächste Vorstellungen: 21. und. 29.10., 19.30 Uhr
Zuerst veröffentlicht in: Das Blättchen, Nummer 21, 10. Oktober 2016
Frühere Artikel von F.-B. Habel erschienen am: 02.10.2016, 31.08.2016, 12.06.2016, 23.05.2016, 20.04.2016, 03.03.2016, 12.02.2016, 18.01.2016, 22.12.2015, 19.12.2015, 18.12.2015, 05.12.2015, 30.11.2015
On Saturday, near my Berlin home, I joined a colorful, long-planned, all-German demonstration for peace. Pushing through the 7000 to 10,000 participants toward the speakers' truck at the start-off square, East Berlin's Alexanderplatz, I met many friends, the "old faithful", and saw earnest, enthusiastic groups from the Turkish, Kurdish, Iraqi and Afghan communities. After an hour or so, when the sound trucks and the long banner-waving crowd wove their way through downtown East Berlin to Brandenburg Gate (where the US Embassy is also situated), it could hardly be ignored - except by reporters from most of the main newspapers, who somehow seemed too busy elsewhere.
An important plus point had been achieved: three or four leading German peace organizations had united to plan it, overcoming splits and schisms which sadly weakened the movement in recent years. Also among a long list of sponsors were the executive committee of the LINKE party (a definite achievement), peace organizations of doctors, lawyers and teachers, associations of anti-fascists, national and international, the action organization attac, the German Communist Party and other leftist groups, various youth organizations and even the remnants of the Pirates Party in Berlin.
Though bigger than any peace protest for years, it was nowhere as large as it should have been considering the cliff-hanging war or peace situation in the world. A year ago an amazing crowd of about 320,000 had demonstrated in Berlin against the TTIP trade deal with the USA (the European copy of TTP); only three weeks ago the same number marched on one day in seven cities against a similar treaty with Canada (CETA), with 70,000 in Berlin; ten times this Saturday's crowd. Missing this time were the big, central labor unions. Not many Germans want more boots on the ground or bombers in the air in far-off places, but too few, even among labor leaders, see the war menace affecting them personally, especially when jobs are involved. Also missing were endorsements from the two parties which some count as "left of center" - the Social Democrats and the Greens.
A few reefs also troubled the waves. A main cause for the past split was the accusation that covert rightists, pro-Nazis and anti-Semites had latched onto the peace movement, thus compromising it. The names of a few dubious or controversial people served as evidence. But it seemed a hopeless endeavor on Saturday to grill (and perhaps exclude) each one of the thousands on their inner beliefs or prejudices. There were rumors of a tiny, flopped counter-rally, and a reporter or two did even discover one, but where I was no such types dared show themselves, and every speaker sharply rejected all such views. This issue, once so damaging, was now, if anything, only a tiny ripple.
There is still disagreement about whether to lay the main blame for the tragic events in Syria, the Ukraine or elsewhere on NATO, led by the USA and its German military sidekick, or to share out the blame equally on NATO and Russia with its support for Assad and East Ukrainian breakaway regions.
Most of those at the rally clearly favored the former approach, with many hand-made posters stressing how NATO had pushed its military forces to an almost total encirclement of Russia, from Estonia, Poland, Bulgaria, Romania, to the Ukraine and Georgia. Some slammed the deployment of German planes and troops to the Baltic countries near St. Petersburg and recalled the horrifying siege of then Leningrad by German troops 75 years ago, with well over a million civilian deaths. But one big banner equally blaming both sides was steered by its stalwarts to a spot in the front, with no objections, and when a main speaker, a psychotherapist with experience in Syrian war areas, blamed both sides she got some whistling and even catcalls at first but then a willingness by everyone to hear her views: "...We need a much stronger UN as mediator, able to draw in all parties to the conflict in Syria, also Iran and the Kurds, to work out a military truce ... Both world powers must use the necessary pressure on their military partners, on the Assad regime and on the Islamist militias of the Al-Nusra front... We need intense and constructive cooperation between the USA and Russia, with justified criticism of both major powers by us in the peace movement."
In a fiery speech at the closing meeting, Sahra Wagenknecht, co-chair of the LINKE (Left) caucus in the Bundestag, also stressed that all war was immoral, no matter who conducted it. But she bashed those major party Bundestag deputies who suddenly discovered their resistance to war crimes after news from Aleppo - and denounced only Assad, Putin and the Russians. Where were such critics, she asked, in all the years when Afghanistan was being torn apart, also by German troops? Where were their hearts during the killing supported by Saudi Arabia, Qatar and Turkey? Why have they never opposed sending military support or weapons, not just to Afghanistan but to Iraq, Libya, Syria, Yemen, Mali und the Ukraine. Our party stood alone in the Bundestag in voting "No" - and will keep up its opposition. She said that Saturday's protest was a good new start but must grow far larger.
Three demands on the Bundestag emerged from the rally:
Instead of 40 billion euros for military expenses planned for 2017 and huge new sums demanded by Defense Minister Ursula von der Leyen for a dozen more years, including a "modernization of atomic weapons stationed in Germany" (called "total insanity" by Sahra Wagenknecht), most of the money should be spent on social improvements, on schools and senior care and for urgent ecological needs.
Soldiers and sailors of the German Bundeswehr, whose deployment in too many conflicts has never improved any situation but always added to disaster, should be brought home and kept home.
German weapons, large and small, sold by the billion, especially to the Middle East, should no longer be exported, and most especially not to conflict areas, where they had so often heated things up.
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These matters were of little concern in Berlin's local scene where, for the first time, three parties are needed to reach a 50% majority in the 160-seat legislature and form a government. The Social Democrats took a terrible beating in September's vote, their worst since the war, but still have a lead and will again hold the job of mayor. Their erstwhile Christian Democrat partners took an even worse beating and will no doubt be out of governing for a while. Included for the first time will be the Greens, who took a small beating, and the LINKE (Left), one party which gained votes. All three must now agree on a program and decide on who gets which cabinet positions (called Senators).
In nearly every photo the leaders of the LINKE smile happily at such chances. But here, too, some reefs threaten. Whenever the LINKE joined a state coalition it ended up weaker than before. A basic reason is clear: many East German and East Berlin voters gave it their votes because they saw it as a force opposing politicians who so often disappointed them. When the LINKE is in a government it is hard to see it as opposition. It may win some improvements, usually under-reported by the media, but it can hardly fight measures it has officially agreed to. Even when out of power it tried to gain or regain "its share". This created a gap filled only too willingly, and dangerously, by the far-right Alternative for Germany (AfD), which far too many see as a genuine opposition, despite its program of helping the wealthy and hurting the hard-up, of supporting a renewed draft and military strength, though separate, for nationalist reasons, from the European Union and the USA. But who reads programs? As with Americans backing Trump, insecurity, worries about jobs, prices and the future plus primitive, media-fed hatred of allegedly favored "others" - refugees, Muslims, "furriners" in general, are channeled by the AfD into nasty parades, some violence, and electoral support now at about 14% in Berlin and nationally, and well over that in some East German states.
If only the LINKE could respond to those worries instead of the AfD and be a real, militant street-active opposition, outside and inside the parliaments, if it could borrow tips from Bernie Sanders' amazing fight or Jeremy Corbyn's campaign in England it might gain more ground and push back the AfD. When it does act this way, as newly in the western boroughs of Berlin, it gains the most.
But if it prefers to be oh-so moderate and willing to compromise in hopes of joining a triple coalition next year on a national scale like that now shaping up in Berlin, it can suffer more big flops, as in a series of state elections. And if, as some seem to wish, it gives up the demands voiced by Sahra Wagenknecht and says "If you'll let us join we would then OK one or two little deployments abroad, but only, of course, if they're again called humanitarian" - then, alas, it could follow the same roller-coaster descent as the Social Democrats, who have approved all such moves, or the Greens, whose strong right-wing is more gung-ho than ever, and is now busy improving its close relationship with Daimler-Benz and similar notably so very humanitarian institutions.
But in a Germany now facing many economic reefs, with Volkswagen floundering and even the mighty Deutsche Bank getting nailed for its crooked endeavors, the seas can get mighty turbulent - and a fighting, well-aimed party like the LINKE would be more necessary than ever before.
More by Victor Grossman: Berlin Bulletin No. 118, No. 117, No. 116, No. 115, No. 114, No. 113, No. 112, No. 111, No. 110, No. 109, No. 108, No. 107, No. 106, No. 105, No. 104, No. 103, No. 102, No. 101.
Als mein Begleiter und ich vor der Vorstellung in der Weddinger Müllerstraße noch einen Imbiss nahmen, bediente uns ein junger Mann "mit Migrationshintergrund" und fragte: "Wollt ihr ins Theater? Das ist da drüben, gleich neben der SPD!" Auf die Gegenfrage, ob er dort schon gewesen sei, antwortete er: "Nur einmal, leider. Ich muss ja hier meistens arbeiten."
Der Wedding ist seit Jahrzehnten Berlins "Melting Pott" mit Zuwanderern aus der Türkei, Griechenland, arabischen Ländern. Darum heißt die Theater-Soap des Prime Time Theaters (das tatsächlich in enger Nachbarschaft zum Kurt-Schumacher-Haus in einem ehemaligen Kino residiert) grammatisch falsch "Gutes Wedding - schlechtes Wedding". Auf der Bühne findet man neben zahlreichen merkwürdigen Deutschen auch türkische, griechische oder tschechische Charaktere - selbst Sachsen und Schwaben (die ihnen in Sachen Komik den Rang abgelaufen haben) bekommen ihr Fett weg. Das Publikum, das mittlerweile nicht mehr nur aus dem Weddinger Kiez sondern aus ganz Berlin und halb Deutschland kommt, amüsiert sich königlich. Aber die angestrebte Mischung erkennt man nicht - zumindest nicht auf den ersten Blick. Wahrscheinlich müssen zu viele Türken abends arbeiten.
In der Folge 106 "Der Wedding-Express" würden sie leider oder auch zum Glück ihresgleichen nicht wiederentdecken. Diesmal stehen die seltsamen Deutschen im Mittelpunkt. Die hochschwangere Sabrina (Alexandra Marinescu), die nicht weiß, von wem ihr Kind stammen könnte, nimmt Reißaus vor Freund und Eltern und trifft im Regionalexpress das "Prenzlberger" Öko-Pärchen Lore und Volker (Julia Franzke, Robert F. Martin), das auf dem Weg zu einer ländlichen Swinger-Party ist. Mit im Abteil eine neue Figur, die pubertierende Wendy-Leserin Steffi. Cynthia Buchheim spielt sie genauso überzeugend wie ihre mehr als doppelt so alte Rolle als Fitness-Frau Jutta von Da, die in dieser Folge den korpulenten Curly trainiert. Dem wiederum gibt Oliver Tautorat seinen dicken Bauch. In dieser Folge der Sitcom, die gern Fernsehreihen parodiert, brilliert er auch als XXL-Ostfriese Tamme Hanken in einem kleinen Film, der im Nordberliner Vorort Lübars entstand.
Schauspieler Philipp Lang (diesmal nur im Einspieler zu sehen) ist Eisenbahn-Fan, und als er an der Reihe war, selbst eine Folge zu schreiben, erfand er eine Fahrt im Abteil. Das kennt man schon von Ludwig Thoma, aber viel altmodischer. In Zeiten von Aktiengeschäften der DB und Rüdiger Grubes Fehlleistungen hätte Lang viel Aktuelles unterbringen können, worauf er aber verzichtete. Was hier parodiert wird, sind nur die mangelnden Englisch-Kenntnisse des Personals. Wer noch Bahn fährt, kennt dessen tapferes Bemühen.
Die Sitcom verkneift sich leider die meisten politischen Anspielungen. Nur Sabrinas Vater Hartwig (Daniel Zimmermann) wird einmal per Skype vom "Kongress der Arschlöcher" zugeschaltet und trifft dort einen Thomas, der Innenminister sei. Das ist so treffend wie dünnblütig. Ein bisschen mehr Kabarett dürfte schon sein. Sonst wird es kein modernes Pop-Theater, sondern bestenfalls aufgepeppter Ludwig Thoma.
Gutes Wedding - schlechtes Wedding, Folge 106: Der Wedding-Express, Prime Time Theater Berlin-Wedding, Müllerstraße 163, 13.-31.10. jeweils Donnerstag bis Montag 20:15 Uhr.
Zuerst veröffentlicht in: Das Blättchen, Nummer 20, 26. September 2016
Frühere Artikel von Frank Burkhard erschienen am: 25.09.2016, 22.09.2016, 08.09.2016, 26.08.2016, 19.05.2016, 11.05.2016, 22.04.2016, 13.04.2016, 26.02.2016, 16.02.2016, 15.02.2016, 20.01.2016, 01.01.2016
Liebe Freundinnen und Freunde, liebe Genossinnen und Genossen, liebe konstruktive Kritiker und Weggefährten,
nach der beeindruckenden Friedensdemonstration am 8. Oktober, die es endlich einmal
geschafft hat, Menschen aus GANZ DEUTSCHLAND unter einem gemeinsamen Ziel zu vereinen,
möchte ich einige Impressionen schildern, die mich einerseits tief bewegt,
andererseits jedoch auch nachdenklich gemacht haben, was die Einstellung vieler
Menschen in unserem Lande angeht. Die Idee eines gemeinsamen friedlichen Deutschlands,
eines eben solchen Europas und einer Welt ohne Kriege stand im Mittellpunkt und
wurde von verschiedenen Akteuren, Rednern und Gesprächen getragen und begleitet.
Hier einige Details:
Das Erste, was einem schon auffallen musste, wenn man sich unter den Demonstranten befand, war das riesige Meer an Flaggen und Bannern, die von den Demonstranten getragen wurden. Sie reichten von dem einprägsamsten aller Friedenssymbole, der Friedenstaube, über Parteibanner von LINKEN, DKP und MLPD bis zu Nationalflaggen von Russland, Syrien und Deutschland, wobei letztere eher selten zu sehen war. Doch genau hier möchte ich mit meiner Betrachtung einhaken und fragen: "Was spricht gegen die Flagge unseres Landes bei so einer Demonstration?" Die Antwort erscheint mir erschreckend simpel. Viele Deutsche fühlen sich einem Land nicht mehr verbunden, das Kriege mitträgt, durch Waffenlieferungen Milliardengewinne macht und jene Krise eines Flüchtlingsstroms mit losgetreten hat, über den jetzt scheinheilig im Bundestag gejammert wird. Dass der deutsche Bürger dafür indes nichts kann, ist so logisch wie unvermeidlich. Denn ein Votum darüber, ob die Bundeswehr weiter im Ausland eingesetzt werden soll oder weiterhin Waffentechnik an Schreckensdiktaturen wie Saudi-Arabien oder die Türkei geliefert werden sollen, hatte unsere Bevölkerung nicht. Dies ist zutiefst unmenschlich und zeigt einmal mehr, wie sehr REGIERUNGEN, NICHT VÖLKER Kriege zu verantworten haben.
Ein weiterer Punkt, der angesprochen werden muss, ist die Teilnehmerzahl an diesem angeblichen "Großereignis". Natürlich handelte es sich um eine größere Veranstaltung, die, nachdem alle Teilzüge der Demonstration zusammen gekommen waren, nicht mehr zu übersehen war. Und dennoch ist die aktuell bekannte Zahl von 8.000 Teilnehmer/-innen erschreckend niedrig, zeigt sie doch, dass viele Menschen in unserem Lande immer noch nicht aufgewacht, geschweige denn aktiv geworden sind, sich für FRIEDEN als HÖCHSTES KERNZIEL einzusetzen. Den 8.000 Demonstrantinnen und Demonstranten ist natürlich jeglicher erdenkliche Respekt und jegliche nur denkbare Anerkennung zu zollen. Doch eines muss klar sein: Mit 8.000 Menschen, die nur einen Bruchteil unseres 80-Mio.-Volkes ausmachen, kann der Weckruf an unsere schlafenden Kapital- und Machtverwalter nicht lauter sein als eine einzelne Flöte in einem Symphonieorchester ohne Verstärker. Es muss daher noch wesentlich mehr getan werden, um die Menschen aufzuwecken und so zu motiviren, dass auch der letzte Gemütlichkeitsfanatiker seinen heimischen Fernsehsessel räumt und sich auf den Weg macht, für den Frieden und die Freiheit aller Völker die Stimme zu erheben. Denn andernfalls werden die, die jetzt gemütlich vor dem heimischen Bespaßungsapparat sitzen, vielleicht eines Tages NIE WIEDER einen schönen Abend verbringen können. Daher mahne ich auch hier wieder: SEID WACHSAM!
Zum Abschluss noch drei kleine persönliche Erlebnisse, die diesen Abend ebenfalls für mich zu einem erinnernswerten machen sollten:
Das erste Highlight war natürlich das Auftreten von Sahra Wagenknecht, deren Rede ich fast hautnah gehört habe. Genauer gesagt stand ich in der zweiten Reihe. Sahras Blick sagte alles: Kampfeswille, Wut, aber auch Zuversicht und Hoffnung strahlte sie aus, und das hat sicher jeder der Zuhörer mitbekommen. Eine Frau, die neben mir stand, raunte mir zu: "Wenn sie nicht sprechen würde, wäre ich heute nicht hier!" Dies zeigt mir, dass Deutschland alles andere als rechts gesinnt ist und die meisten einfach nur "Heimat, Frieden und ein gerechteres System" wollen. Schön zu wissen, dass man nicht allein ist.
Das zweite und dritte Erlebnis waren ebenfalls Situationen, in denen ich auf Menschen traf, die in vielerlei Hinsicht meine Einstellung teilten und mich sogar wiedererkannten. An einem Stand der KPD (die Partei ist DOCH als solche präsent und offenbar nicht gänzlich verboten) erkannte mich jemand, der oft meine Publikationen auf Facebook kommentierte, als "Genossen" wieder. Ich möchte aus Gründen der Diskretion keinen Namen nennen. Jedoch hatte mich diese Person auch aufgrund meiner Beiträge zu Aserbaidschan wiedererkannt, und wir sprachen daraufhin über die Möglichkeit gemeinsamer Veranstaltungen. Ich hoffe, dies ergibt sich bald.
Und nun zum letzten Gespräch: Während des Auftritts eines österreichischen Künstlers (Prinz Chaos) stand neben mir eine junge Deutsch-Türkin. Diese Frau, sie mochte etwa um die vierzig sein, sprach mit mir über die Zustände in Syrien und in der Türkei. Sie erzählte mir, wie schön sie es in Deutschland findet, sagte aber gleichzeitig, dass sie sich auch hier stabile Verhältnisse wünschte. Während des letzten Liedes (We shall overcome) umarmten wir uns sogar. Wir sprachen über den Wunsch nach Frieden, der jedem Volk eigen und gemeinsam ist. Am Ende sagte ich ihr, wie das Lied "We shall overcome" zu verstehen sei: "Tief in meinem Herzen glaube ich, wir werden eines Tages in Frieden leben." Sie verabschiedete sich von mir mit den Worten: "Baris bir gün gelecek," - "Der Frieden wird eines Tages kommen". Mit diesem Satz im Kopf fuhr ich nach Hause.
Heute mit gerade einem halben Tag Abstand sitze ich hier und erinnere mich gern daran, was im Einzelnen abgelaufen ist. Ich erinnere mich an dieses Gefühl uneingeschränkter Solidarität, an diese Atmosphäre eines Zusammenhalts so vieler Menschen, die sich vielleicht nie gesehen haben und doch einander zu kennen schienen. Ich hoffe, dass eine solche Atmosphäre bald normaler Alltag sein kann, und das sowohl in Deutschland, als auch in Europa und weltweit. Bis dahin gibt es noch viel zu tun. Ich kann uns allen nur das Beste und viel Kraft und Durchhaltevermögen wünschen.
In diesem Sinne allzeit bereit für Frieden, Freiheit und die Freundschaft
der Völker, bin ich
Euer Freund, Genosse und Mitstreiter Matthias Wolf
Frühere Artikel von Matthias Wolf erschienen am: 13.09.16,
29.08.16, 03.08.16,
15.06.16, 24.05.16,
11.05.16, 02.05.16, 27.03.16
"Danke" an den rbb, u.a.
Es ist erstaunlich, wie "gründlich und mit eindeutigen Standpunkten" der rbb am 8. Oktober in der Abendschau von der Friedensdemonstration in Berlin berichtet hat. So viele persönliche Meinungen und Motive von Teilnehmern und die tolle Wiedergabe der Reden. Alles im Sinne des Volkswillens: Nie wieder Krieg vom deutschen Boden aus. Der Widerstand gegen die Großmachtpolitik wächst.
Oder habe ich dies mit der sonstigen Berichterstattung über Alltagsbanalitäten verwechselt??? Der Kniefall vor der Machtelite kann nicht größer sein. Unter dem Motto "Nie wieder Wahrheit über Kriegsursachen und Kriegsgewinnler"?
Als Offizier der NVA kann ich wohl mit Stolz sagen, es war da etwas, was die Kriegsgewinnler im Zaum gehalten hat. Damals...
Harry Popow, Schöneiche b. Bln., 10.10.2016
Na, da kann ich mich ja gleich mal outen und bestätigen, dass wir es hier mit einem ausgesprochenem Sahrafan zu tun haben, denn nach nicht mehr als einer Minute am KPD-Stand, war mein Gesprächspartner zu Sahra entschwunden, kaum dass sie ihre Stimme erhob. Ich teile nun aber gar nicht die Ansicht, dass wir von Sahra irgendetwas zu erwarten hätten, außer ihrer Anwesenheit im Parlament, die ihr überreichlich vergütet und kuschlig warm gehalten ist.
Was mir stets auffällt bei diesen Demonstrationen ist, dass es äußerst selten dazu kommt, dass die Verschränkung von Kapitalismus und Krieg hervorgehoben wird. Man möchte halt irgendwie Frieden, aber kann nicht erkennen, dass dieser nur in einem Sozialismus überhaupt zu erreichen ist. Ein Sozialismus lässt sich nun aber erfahrungsgemäß nicht herbeiregieren, sondern musste schon immer bitterlich erkämpft werden, und das lief stets gänzlich unpazifistisch ab und wird auch in Zukunft nicht mit Einsicht beantwortet werden, wenn die Arbeiter (Lohnabhängigen) dann doch mal irgendwann begreifen, dass sie schon das Eigentum an den PM besitzen müssen, um auch ein Wörtchen mitreden zu können.
Sahras Allgemeinplätzchen sind m.E. eher kontraproduktiv, weil sie die Sicht auf echte Lösungen verstellt und behindert. Wäre sie von einem Sozialismus beseelt, wäre ihre Aufgabe schon gestern gewesen, die Arbeiter wenigstens mit Argumenten hin zu einem Klassenkampf zu bewegen. Stattdessen gewinnt man den Eindruck, dass sich Sozialismus parlamentarisch einstellen könnte, wenn doch nur endlich mehr Leute die Linke wählen würden. Dem wird aber nie so sein können, weil 1. sowieso nie die große Mehrheit zu diesem Wandel bereit sein wird (Medieneinfluss, Opportunismus, zu gut bezahlte Ausbeutung usw.) und 2. weil die Verstrickungen und Versumpfungen zwischen Kapital und Struktur des staatlichen Körpers in diesem Land ein Höchstmaß hat, das seines Gleichen sucht.
Maik Müller, Berlin, 13.10.2016
Als ich in Polen studierte, lernte ich eine alte polnische Germanistik-Dozentin, die während der Okkupationszeit von 1939 bis 1945 an einer illegalen höheren Schule als Deutschlehrerin gearbeitet hatte, kennen. Den Polen war unter der faschistischen Besatzung jede höhere Schulbildung verwehrt. Also bildeten sich illegale höhere Schulen, deren Abschlüsse nach 1945 auch anerkannt wurden. An so einer Schule war diese Dozentin im Krieg tätig gewesen, sie war also im Widerstand gegen die Faschisten. Wäre die Schule aufgeflogen, den Dozenten hätte zumindest KZ, wenn nicht gar der Tod, gedroht. Die Frau sagte mir:
"200 Jahre war es eine patriotische Tat, etwas gegen die Obrigkeit zu tun. Wir waren dreigeteilt, und die Obrigkeit war die Russlands, Preußens und Österreichs, und alles, was diesen schadete, nutzte Polen. Diese Erkenntnis sitzt tief in der polnischen Tradition und auch heute ist es noch so."
Es war das Jahr 1981, damals war es die Zeit der Bewegung Solidarnosc. Ab 1990 gab es in Polen eine neue Obrigkeit. Aber auch die hatte und hat es schwer, das Volk traut ihr nicht, das zeigt die Beteiligung an den Wahlen. Nach 1990 entwickelte sich das Fernsehen und Radio in Kirchenradio und -fernsehen; machte man die Glotze an, erschien ein Schwarzkittel. Also wurde die Nachfolgepartei der PVAP gewählt. Diese aber war korrupt und wurde abgewählt.
Die Kirche wähnte sich 1990 am Ziel. Inzwischen gibt es einen eigenen katholischen Sender, gemacht von Nonnen und Mönchen, mit Sitz in Torun (deutsch Thorn) zwischen Warszawa und Gdansk gelegen, Radio Maryja. Der Sender meldet sich mit: "Hier ist Radio Maryja, die katholische Stimme in Deinem Haus. Gelobt seien Jesus Christus und die Jungfrau Maria". Dieser Sender ist der Leib- und Magensender der Kaczynski-Partei PiS, die derzeit die Regierung stellt.
Schon direkt nach 1990 schlugen die Versuche fehl, die Abtreibung zu verbieten, allerdings erschwerte man sie. War Abtreibung zur Zeit der Volksrepublik Polen kein Thema für die Kirche, wurde sie es aber direkt danach. Aber wie gesagt: Die Versuche, Abtreibung zu verbieten, schlugen fehl. Also verlegte man sich auf Salami-Taktik. Das führte in den letzten 20 Jahren vom freiesten zum strengsten Abteibungsgesetz. Aber das genügt den Pfaffen noch immer nicht. Also gründeten sie eine extrem reaktionär-katholische Initiative, die die Abtreibung ganz verbieten will, Zuwiderhandlung sollten mit 5 Jahren Haft bestraft werden.
Jetzt aber reichte es den Polinnen, sie gingen auf die Straße. Die Regierungspartei, die im Parlament noch in der 1. Lesung zugestimmt hatte, bekam kalte Füße und kniff. Der Antrag wurde abgelehnt. Die Regierung will allerdings irgendwann einen eigen Entwurf einbringen.
Illegale gefährliche und stümperhafte Abtreibungen waren vor 1990 kein Thema in Polen. Warum sollte eine Frau gefährliche und teure Abtreibungen machen lassen, wenn es kostenlos oder mit wenig Geld fachmännisch und sauber gemacht werden konnte? Mit der Verschärfung des Abtreibungsrechts allerdings kam dieses Problem wieder. Man schätzt, dass es in Polen 200.000 illegale und lebensgefährliche Abtreibungen gibt. Ein übliches "medizinisches" Instrument der illegalen Abtreibung ist ein Kleiderbügel aus Draht, der der Schwangeren eingeführt wird. Was das bedeutet, brauche ich wohl nicht näher zu erklären. Wäre das neue Gesetz in Kraft getreten, dann hätte es nur noch solche gefährlichen Kleiderbügel-Abtreibungen gegeben. Das ist den Schwarzkitteln und ihren Claqueuren in Regierung und Parlament offenbar lieber, als eine legale Abtreibung durch einen Arzt.
Für die Obrigkeit unter der Führung von Jaroslaw Kaczynski und seiner Partei PiS wachsen in Polen die Bäume nicht in den Himmel. Diesmal haben die Polinnen ein lautes "Nein" gerufen, und das so laut, dass die Kanzeln und die Regierungsbank im Sejm wackeln. Die PiS zog den Schwanz ein und die Pfaffen lecken ihre Wunden.
Aber die kommen wieder. Wenn die Polinnen und Polen nicht aufpassen, kommt es durch die Hintertür. Die Schwarzkittel beherrschen das Handwerk der Tarnung und Lüge bestens, sie erprobten es viele hundert Jahre.
Erstveröffentlichung: kommunisten-online.de, 6. Oktober 2016
Frühere Beiträge von Günter Ackermann erschienen am 07.09.2016, 25.08.2016, 16.08.2016, 29.07.2016, 08.07.2016
Es sind keine fremden Regierungen und es ist keine "fehlende Souveränität", die die BRD in eine aggressive Rolle nötigt - es ist ureigenes Interesse der deutschen Bourgeoisie, ihre Gewinne auch weiterhin hoch zu halten.
Gegen jede Theorie einer vermeintlichen kriegerische Normalität mobilisiert die Friedensbewegung unter dem Motto "Die Waffen nieder! Kooperation statt NATO-Konfrontation, Abrüstung statt Sozialabbau" am 8. Oktober nach Berlin. "Wir akzeptieren nicht, dass Krieg immer alltäglicher wird und Deutschland einen wachsenden Beitrag dazu leistet: in Afghanistan, Irak, Libyen, Syrien, Jemen, Mali", heißt es im Aufruf. Die großen antimilitaristischen Initiativen wie die Berliner Friedenskoordination und der Bundesausschuss Friedensratschlag, aber auch die Linksjugend Solid oder die Deutsche Kommunistische Partei unterstützen die Demonstration. Es geht um ein starkes Signal: Krieg, das ist alles andere als Normalität.
Doch auch die Kräfte, die an einer starken Friedensbewegung kein Interesse
haben, regen sich. Dahinter steckt nicht die Friedensbewegung. Verantwortlich zeichnen
unter anderem Frank Geppert, der gemeinsam mit der Ex-
Zum Autor: Lutz Metzger arbeitet im Friedenszentrum Leipzig
Siehe auch: Die Waffen nieder!
Winde werden rauher
Wellen schäumen Wut
nur ums nackte Leben
nicht um Hab und Gut
bleiche Ausgesetzte
klammern sich ans Boot
draußen treiben Hände
ab in höchster Not
Bringen wir das fertig
ist die Arche voll
weiß hier keiner was man
tun und lassen soll
Du wirst nie zuhause sein
wenn du keinen Gast
keine Freunde hast
dir fällt nie der Zauber ein
wenn du nicht verstehst
dass du untergehst
wie allen Menschenschänder
aller Herren Länder
Draußen vor der Festung
bis zum Horizont
lagern sie und warten
näher rückt die Front
grollende Kanonen
Angst in ihrem Blick
Hunger reckt die Arme
nirgends gehts zurück
Aufmerksam die Wachen
kalt und konsequent
selbst schuld wer den Schädel
gegen Mauern rennt
Du wirst nie zuhause sein
wenn du keinen Gast
keine Freunde hast
dir fällt nie der Zauber ein
wenn du dich verschließt
nur dich selber siehst
Du wirst nie zuhause sein
wenn du keinen Gast
keine Freunde hast
Wir sind nichts Besondres
hatten nur viel Glück
Auserwählte kriegen halt das
größte Kuchenstück
Überall auf Erden
sind auch wir geborn
können wir gewinnen
haben wir verlorn
Keine Zeit für Grenzen
für Unterschied kein Raum
klein wird der Planet nur
ohne blauen Traum
Du wirst nie zuhause sein
wenn du keinen Gast
keine Freunde hast
dir fällt nie der Zauber ein
wenn du dich verschließt
nur dich selber siehst
Du wirst nie zuhause sein
wenn du keinen Gast
keine Freunde hast
dir fällt nie der Zauber ein
wenn du nicht verstehst
dass du untergehst
wie alle Menschenschänder
aller Herren Länder
aller Herren Länder
aller Herren Länder
"Es reicht nicht aus, nur Lieder zu singen, Gedichte zu schreiben oder Bilder zu malen; es ist darüber hinaus erforderlich, aktiv am Kampf für den Weltfrieden teilzunehmen und seine Kunst, sein Leben all denjenigen Menschen zu widmen, die für ihre nationale Befreiung und Unabhängigkeit eintreten."
(Dean Reed 1973)
Heinz Rudolf Kunze sang uns am 11. September 2015 bei einer ARD/ZDF-Gala ins Gewissen:
"Du wirst nie zu Hause sein, wenn du keinen Gast, keine Freunde hast!"
Seinem im Februar 2015 veröffentlichten Album "Tiefenschärfe" hatte Kunze vorausgesagt, dass das Lied "Willkommen, liebe Mörder" Ärger bereiten werde. Kunze hatte sich dafür von Max Frischs Theaterstück "Biedermann und die Brandstifter" inspirieren lassen. An diese "Parabel über falsch verstandene Toleranz, die zum Untergang führt," traue sich heute kein Theater mehr heran, obwohl es das "momentan wohl aktuellste deutsche Stück" sei. Deshalb habe er das Lied gemacht. Man müsse jedoch "den Song nicht unbedingt nur auf den Islam fokussieren". Das Lied wurde als Video auf zahlreichen Seiten der social media verbreitet, darunter auch politisch rechts stehende, die "Willkommen, liebe Mörder" als sarkastischen Kommentar zur Wilkommenskultur verstanden. Daraufhin verbat sich Kunze "jede dem Geist dieses Songs widersprechende Vereinnahmung und Anbiederung, zumal von rechts."
(Quelle: Wikipedia)
Ja, WARUM?! Man kann es immer wieder nicht verstehen, dass nach all dem furchtbaren Leid Krieg als Mittel der Konfliktlösung nicht längst geächtet ist und aktuell sogar von unseren Politikern zunehmend wieder als denk-möglich vermittelt wird! "Verantwortung übernehmen" heißt das in Orwell'schem Neusprech. Hat Bert Brecht Recht, wenn er sagt, dass, solange nur einer am Krieg verdient, es Kriege geben wird! - Die, die am Krieg verdienen sind: der Militärisch-Industrielle-Komplex, die Rüstungsindustrie mit Waffenexporten, die Gier nach Ressourcen, Öl und Wasser sowie Land.
Während der Vorbereitung dieses Vortrags kam ich manchmal mit meiner Fähigkeit, all das Schreckliche zu containen, an meine Grenzen. Ein Film, in dem eine Terrorgruppe der Lord's Resistance Army in Uganda ein Flüchtlingscamp überfiel, drängte sich immer wieder intrusiv in aufkommende Hoffnung, durch Verhandlungen gewalttätige Konflikte beilegen zu können. Trotzdem und gerade deshalb möchte ich der Frage nach den Ursachen für Krieg Ansätze für zivile Konfliktlösungen entgegensetzen.
Bevor ich mich mit psychoanalytischen Erklärungsansätzen befassen werde, möchte ich grob die aktuellen politisch-ökonomischen, geostrategischen Kriegsursachen skizzieren und die strukturelle Gewalt am Beispiel des Klimawandels aufzeigen.
Maria Mies stellt in ihrem Buch "Die neuen Kriege. Die neue Kolonisierung der Welt" fest, dass die neoliberale Globalisierung zum Krieg führt und umgekehrt Kriege diese Globalisierung befördern. Der Kampf um die begrenzten Ressourcen, vor allem Öl, Gas und Wasser sowie um die Kontrolle von Versorgungswegen und Pipelines ist ein neokolonialer Kriegsgrund, der allerdings oft als "humanitäre Intervention" verschleiert wird.
Kein geringerer als Papst Franziskus nennt die Ursache beim Namen: "Das derzeitige Wirtschaftssystem, der Kapitalismus, braucht den Krieg!" Dieses Wirtschaftssystem führe zur Barbarei, indem es Geld in den Mittelpunkt stelle, nicht den Menschen. (Interview laut Tagesspiegel vom 13.6.2014, M. Schneider)
Der globale freie Markt und das neoliberale Modell kommen ohne weltweite Gewalt und militärische Macht nicht aus. Politische und wirtschaftliche "global players" mischen sich in innerstaatliche gesellschaftliche Umbrüche ein.
Dem Krieg nach außen entspricht ein Krieg nach innen: es kommt zur Zerstörung des Sozialstaats. Staatliche Daseinsvorsorge wird privatisiert und ausgehöhlt, demokratisch nicht legitimierte Institutionen, wie der Internationale Währungsfond, Weltbank und Welthandelsorganisation sowie mächtige Wirtschafts- und Finanzakteure bestimmen die Politik.
Die Schere zwischen arm und reich geht weltweit immer weiter auseinander. Zunehmende gesellschaftliche Ungleichheit und Repression haben radikalisierte Gewaltbereitschaft zur Folge. (Pickett und Wilkinson 2012). Die Forderung nach höchster Leistungsbereitschaft und Flexibilität, ICH-AGs und die Ausbeutung der "Generation Praktikum" charakterisieren die neoliberale Ideologie. Margret Thatcher, die "Hebamme" des Neoliberalismus, sollte uns aufhorchen lassen mit ihrer Aussage, dass es beim Neoliberalismus nicht um Ökonomie ginge, sondern darum, das Selbst zu erobern. Nach Rainer Mausfeld (2016) führt dies zu einer Ökonomisierung der Identität. Als Konsument bedient sich das neoliberale Subjekt aus dem angebotenen Identitätswarenkorb und kleistert daraus eine Pseudo-Identität, bei der "life-style" eine basal unsichere Persönlichkeit übertönen soll. Derartig unsichere Persönlichkeiten sind leicht zu beeinflussen und zu manipulieren.
Im Krieg gegen den - inzwischen weltweiten - Terror haben die USA auf die Anschläge vom 11. September 2001 keine unserem Rechtssystem entsprechende Antwort gegeben, sondern nutzten den Krieg gegen Afghanistan, Irak und Libyen, um ihre militärische Stärke und Dominanz zu beweisen. Abgesehen von dem dadurch verursachten immensen menschlichen Leid (1-2 Millionen Tote!), den Verwüstungen und der Zerstörung staatlicher Strukturen mit der Folge von unglaublichem Chaos hat dies die Steuerzahler in den USA und ihre Verbündeten - auch uns! - 3 Milliarden $ gekostet! Dieses Geld fehlt bei dringend notwendigen Investitionen im sozialen, kulturellen sowie im Bildungs- und Infrastrukturbereich! Verdient hat die Rüstungs-, Öl- und Bauindustrie.
Aber weshalb wehren sich die Vielen, die doch nie vom Gewinn profitieren, nicht gegen Kriege? Werden sie so geschickt durch Propaganda für scheinbar hehre Kriegsziele gewonnen? Oder verhindert die lustvoll-identifikatorische Teilhabe insbesondere sozial schwacher Schichten am Glamour der Mächtigen, die von der Regenbogenpresse und von Soaps bedient wird, dass z.B. durch ein gerechteres Steuersystem "eine andere Welt möglich und erkämpft würde"? Der folgende Satz "Es gibt Personen, die vorhersagen, erst das allgemeine Durchdringen der bolschewistischen Denkungsart werde den Kriegen ein Ende machen können, aber von solchem Ziel sind wir heute jedenfalls weit entfernt, und vielleicht wäre es nur nach schrecklichen Bürgerkriegen erreichbar." - Dieser Satz stammt nicht von Karl Marx, sondern von Freud (Freud 1933)!
Nach Naomi Klein (2015) befindet sich unser dereguliertes Wirtschaftssystem, das die soziale Marktwirtschaft abschaffte und auf immer mehr Wachstum ausgelegt ist, im Krieg mit unserem Ökosystem. Seit den Warnungen des Club of Rome 1972 wissen wir, auf was die Welt zusteuert - und wir verleugnen es - auch weil wir uns ohnmächtig fühlen, und wir leben blind weiter im "Weiter So!", obwohl unser ökologischer und der damit verbundene soziale Fußabdruck verheerende Spuren hinterlässt.
Die globale Ungerechtigkeit des reichen Nordens gegenüber dem armen Süden führt zu zunehmender Gewalt. Das riesige Reservoir an arbeitslosen, perspektivlosen Männern zwischen 15 und 30 Jahren, die heute als "verlorene Generation" ein Großteil der Bevölkerung in der Dritten Welt, aber auch in Südeuropa, ausmachen, sind (Testosteron-geflutet) eine Quelle von Instabilität und Gewalt. Sie sind empfänglich, als Kämpfer für fanatische Ideologien mit der Macht der Kalaschnikoff die Wut über das Unrecht und die Demütigung ihres Gescheitertseins auszuagieren. Terror ist der Krieg der Armen, Krieg ist der Terror der Reichen! - sagt Sir Peter Ustinov.
Der Friedensforscher Johan Galtung unterscheidet zwischen direkter, physischer, "personaler" und indirekter, struktureller Gewalt. Strukturelle Gewalt bedeutet, wenn ökonomische, politische, rechtliche und kulturelle Verhältnisse eine vermeidbar mangelhafte körperliche und geistige Verwirklichungsmöglichkeit von Menschen bedingen. Dazu gehören unter anderem soziale Ungleichheit, vermeidbare Armut, Hunger, fehlende Bildungsmöglichkeit und Unfreiheit. Strukturelle Gewalt ist z.B., wenn durch erzwungene Freihandelsabkommen der EU mit afrikanischen Staaten die nicht konkurrenzfähigen afrikanischen Märkte durch die von der EU subventionierten landwirtschaftlichen Billigprodukte überschwemmt werden, sodass afrikanische Bauern bankrott gehen und Arbeitslosigkeit, Armut und Flucht zunimmt. Auch der von den Industrienationen zu verantwortende Klimawandel ist strukturelle Gewalt. Er führt in den subsaharischen Ländern durch zunehmende Dürre zu massiven Wanderungsbewegungen und dadurch wiederum zu gewalttätigen Konflikten um Wasserstellen. Und wenn alle 5 Sekunden ein Kind an den Folgen von - vermeidbarem! - Hunger stirbt, dann, so Jean Ziegler, der ehemalige Beauftragte der UNO für das Recht auf Nahrung, dann ist der 3. Weltkrieg schon im Gange! - Wie weit fühlen wir uns dafür mit verantwortlich?! Wie weit reicht unsere Identitfikationsfähigkeit!
Kriege werden in der Regel nicht von den Unterprivilegierten, Schwachen, Hungrigen gegen die dafür Verantwortlichen angefangen, sondern Kriege sind Folge pathologischer narzisstisch-ökonomischer Bedürfnisse der Herrschenden nach Machtzuwachs. Krieg dient außerdem auch dem Bedürfnis nach Stärkung von Kohärenz und Identität einer Gruppe. - Es ist eine bekannte historische Tatsache, dass Konflikte im Inneren eines Staates durch einen Außenfeind, der als Bedrohung dargestellt wird, zum Schweigen gebracht werden können. Andererseits kann festgestellt werden, je konfliktfähiger eine Gruppe nach innen ist, umso friedfertiger kann sie nach außen sein.
Machtpolitische Interessen als Erklärung reichen Stavros Mentzos (2001) zufolge jedoch nicht aus, um bei Interessenkonflikten die Entscheidung für Krieg und gegen Verhandlungslösungen zu begründen: Es bedarf zusätzlicher psychosozialer Faktoren, um die, die dann den Krieg zu erleiden haben, dafür bereit zu machen. Solche psychosozialen Faktoren sind z.B. die Kompensation narzisstischer Defizite durch Hingabe an ein Ideal, die Externalisierung intrapsychischer und innergesellschaftlicher Konflikte sowie das Bedürfnis, sich als Nation in der entwertenden Abgrenzung vom Feind zu konstituieren.
Diese bedrängende Frage "Warum Krieg?" ist der Titel von Freuds Antwort von 1932 an Albert Einstein, der ihn, auf Vermittlung des Völkerbunds, gebeten hatte, mit seinem Fachwissen Vorschläge zu machen, wie die psychische Entwicklung der Menschen so zu leiten wäre, dass sie "den Psychosen des Hasses und des Vernichtens" gegenüber widerstandsfähiger würden. Einstein und Freud erhofften eine "sichere Verhütung der Kriege" vor allem, "wenn sich die Menschen auf die Einsetzung einer Zentralgewalt" einigen würden, der die Schiedsrichterfunktion in allen Interessenkonflikten zugestanden würde (Freud 1933). Dem stehe, so Einstein, das "Machtbedürfnis der jeweils herrschenden Schicht eines Staates" entgegen, "einer skrupellosen Menschengruppe, denen Krieg, Waffenherstellung und -Handel nichts als eine Gelegenheit sind, persönliche Vorteile zu ziehen, den persönlichen Machtbereich zu erweitern...".
Einsteins Frage, "wie ist es möglich, dass die soeben genannte Minderheit die Masse des Volkes ... dienstbar machen kann, die durch einen Krieg nur zu leiden und zu verlieren hat? ... Wie ist es möglich, dass sich die Masse bis zur Raserei und Selbstaufopferung entflammen lässt?" - Diese Frage beschäftigt mich seit langem und war Triebfeder für diesen Vortrag.
Wenn man nach Ursachen für Kriegsbereitschaft aus psychoanalytischer Sicht sucht, kommt man an der Auseinandersetzung um die Todestriebtheorie nicht herum: In seiner Arbeit "Zeitgemäßes über Krieg und Tod", die Freud 1915 unter der Erschütterung des I. Weltkriegs verfasste, wird seine tiefe - depressive - Enttäuschung deutlich, dass die Völker, trotz ihrer hohen Kulturleistungen ihre Interessenkonflikte nicht anders als durch Krieg austragen könnten und er vermutet das Wirken einer später "Todestrieb" genannten Kraft: "Der Todestrieb", ist zunächst gegen das eigene Leben gerichtet, "das allen Lebewesen eingeborene Verlangen, zum Zustand der unbelebten Materie zurück zu kehren". Er wird zum Destruktionstrieb, indem er ... nach außen - gegen Objekte - gewendet wird. Das eigene Leben soll bewahrt werden, indem fremdes zerstört wird. Freud erhofft sich, dass durch Kultur im Sinne von Verinnerlichung der Aggression und deren Sublimierung Regeln und Gesetze i.S. eines benignen Überichs oder eines vernünftig vermittelnden Ichs geschaffen werden. Durch Triebverzicht, Triebsublimierung und durch Triebkontrolle sollte der Destruktionstrieb gebändigt werden: Freuds Arbeit schließt mit der Hoffnung: "Alles was die Kultur fördert, arbeitet gegen den Krieg!"
Mentzos kritisiert die Todestriebtheorie. Er geht von einem angeborenen aggressiven affektiven Verhaltensmuster aus, das reaktiv zur Durchsetzung narzisstischer und objektbezogener libidinöser Ziele aktiviert wird. Aggressive Affekte können insbesondere durch narzisstische Kränkungen aktiviert werden. Aggression sei nicht die Ursache, sondern das Instrument des Krieges. Mentzos stellt außerdem fest, dass Soldaten meist nicht aus eigennützigen Gründen oder aus Aggression ihr Leben im Krieg einsetzten, sondern aus Hingabe an altruistische und als moralisch empfundene Werte der eigenen Gruppe und zu deren Schutz. (Die Identifikation mit dem elterlichen ÜBER-ICH erfolge nicht nur aus Strafangst, sondern aus Liebe.) Seine Kritik an der Todestriebtheorie fasst Mentzos zusammen: "Sofern Aggression in der Dynamik des Krieges eine Rolle spielt, ist sie das Instrument des Krieges, nicht seine Ursache".
Die Todestriebtheorie war und ist unter Analytikern umstritten: Insbesondere schon früh Alfred Adler, sowie Karen Horney und Erich Fromm sahen in psychosozialen Bedingungen, in Frustration und Ungerechtigkeit die eigentliche Ursache für reaktive destruktive Aggression. Es geht auch hier um den Streit "Natur" versus "Kultur". Ich meine, dass eine biologisch-triebhafte Ausstattung des Menschen als "erste Natur" umstritten bleibt, weil der Mensch als ein von Anfang an soziales, in soziale Bindungen eingebundenes und in eine Gesellschaft hinein geborenes Wesen, immer nur in seiner zweiten, durch die soziale Umwelt und Kultur beeinflussten Natur zu beobachten ist. Die Todestriebtheorie ist Ausdruck eines tief pessimistischen Menschenbildes, das durch die Säuglingsforschung widerlegt ist. Sie hat der Psychoanalyse den Vorwurf der Psychologisierung gesellschaftlicher Verhältnisse - und damit deren Verschleierung - eingebracht.
In der militärischen Ausbildung muss durch Zerstörung von Empathie und Bindungsbedürfnissen und durch dehumanisierende Feindbild-Mechanismen die natürliche Tötungshemmung überwunden werden (Film: Soldier Girls). Erst im Verlauf entwickelt der Krieg eine eigene Dynamik, bei der kontraphobisches Verhalten, Hass und Rachebedürfnisse für erlittene Verletzungen und Verluste wichtig werden und es dann tatsächlich auch zu blindwütigen Gewaltorgien und Massakern kommen kann (MyLai). Dabei geht es in der sadistischen Rachelust um den Triumph über die Erniedrigung des Anderen und die Wiederherstellung der eigenen Macht, das Hochgefühl, Herr über Leben und Tod zu sein.
Nach Robert Jay Lifton geht es eher um die narzisstische Abwehr von Begrenztheit und letztlich der eigenen Sterblichkeit. Sie führt dazu, dass die eigene Schwäche, letztlich der eigene Tod abgewehrt und im Gegner untergebracht wird: Ich habe die überlegene, - und das heißt unsterbliche - Religion, Rasse oder Nationalität, nicht Du! Indem ich Dich töte, beweise ich meine Unsterblichkeit.
Das stärkste Gefühl, den Tod zu transzendieren wird dadurch erzeugt, am heroischen Triumph über das Böse teilzunehmen. Aus Angst vor dem Tod werden Menschen zu rigiden Weltbildern und charismatischen Führern hingezogen, die ihnen das Gefühl vermitteln, Teil von etwas Großem zu sein und heroisch über die, die böse" sind, zu triumphieren. (Greenberg & Arndt, Terror Management Theory).
Während Wilhelm Reich Destruktivität als eine durch sexuelle Repression entstehende Perversion versteht, schließt Michael Lukas Möller aus der sexuellen Attraktivität von muskulösen oder uniformierten Männerkörpern und der phallischen Faszination von Waffen auf das Zusammenwirken von Sexualität und Aggression. Dass Clausewitz sich vor einer Entscheidungsschlacht gefühlt habe "wie vor seiner Hochzeitsnacht", verweise auf die Gleichsetzung von Krieg mit Geschlechtsverkehr. Erreiche die aggressive Erregung einer Masse erst einmal eine gewisse Intensität, so sei sie - wie die orgiastische Erregung - nicht mehr zu stoppen und dränge auf Entladung.
Furchtbare Massenvergewaltigungen waren z.B. im Jugoslawienkrieg offizielle Kriegs-Strategie. Durch Vergewaltigung soll über die Triebbefriedigung hinaus männliche Macht über schwache und verletzliche Weiblichkeit triumphieren. Außerdem soll der Gegner dadurch besonders gedemütigt werden. Und im so durch Zwang gezeugten Nachkommen mit dem Erbgut des Vergewaltigers wird der Andere quasi nochmals ausgelöscht.
Nach Erich Fromm bewirkt der Krieg eine Umwertung aller Werte und ermöglicht, dass tief eingewurzelte Impulse wie Altruismus und Solidarität, die durch Egoismus und Konkurrenzkampf in Friedenszeiten unterdrückt würden, zum Ausdruck kommen könnten. Klassenunterschiede würden weitgehend verschwinden. Wenn das bürgerliche Leben für Abenteuer, Solidarität, Gleichheit und Idealismus Raum hätte, wie sie im Krieg zu finden sei, könnte man die Menschen vermutlich nur sehr schwer dazu bewegen, in den Krieg zu gehen. - Sind Gefühle von Langeweile und Sinnleere trotz dauernder gewalttätiger Reizüberflutung sowie Sehnsucht nach Selbstwirksamkeit weitere Ursachen für die Bereitschaft, in den Krieg zu ziehen? Zumindest findet man offenbar derartige Motive bei vielen der Jugendlichen, die sich vom IS verführen und anwerben lassen!
Weiterhin führt die Abwehr tiefsitzender Ängste und eine paranoide Verarbeitung von Trauer mit Vermeidung schmerzlicher Trauerarbeit zur Verleugnung der mit dem Krieg verbundenen Todesangst. Dies zeigt sich insbesondere in den Ritualen "militarisierter Trauer" der "für Volk und Vaterland auf dem Felde der Ehre" Gefallenen. - Man kann nur sagen: Weh dem Volk, das Helden nötig hat!
Andere psychoanalytische Autoren sehen in Schuldgefühlen, die aus dem Ambivalenzkonflikt gegenüber dem Primärobjekt resultieren, Gründe für individuelle Kriegsbereitschaft. Wenn der intrapsychische Ambivalenzkonflikt zwischen Bindungsbedürfnis an die primären Objekte einerseits und Autonomie andererseits nicht gelöst werden konnte, so führen die abgewehrten Schuldgefühle gegenüber dem Primärobjekt zu Spaltungs- und Projektionsmechanismen, bei denen der Feind als Container für "das Böse" dienen muss. Derartige Pseudolösungen des Grundkonflikts bringen oft Bedürftigkeiten, Ängste, Aggression, Scham-, Schuld- und Minderwertigkeitsgefühle sowie Depressionen mit sich, für die der Krieg eine gewisse Kompensation zu bieten scheint. Deshalb sieht Mentzos den Hauptindikator zivilisatorischen, kulturellen Fortschritts in den schöpferischen dialektischen Lösungen des Grundkonflikts.
Kann die dialektische Spannung zwischen Gleichsein und Einfühlung in den Anderen auf der einen Seite und dem Wissen um Getrennt- und Verschiedensein auf der anderen, nicht ausgehalten werden, führt dies zu einer Macht-Ohnmacht-Beziehung. An die Stelle des dialektischen "Sowohl ich als auch Du und Wir beide" tritt das den Anderen ausschließende "Entweder Ich oder Du". Das Merkmal einer derartigen, Anders-Sein ausschließenden Beziehung ist Herrschaft oder Unterwerfung. Die Empathiefähigkeit wird unterminiert und durch Feindbilddenken ersetzt. (Benjamin 1993).
Eine wichtige Bedingung für Gewaltbereitschaft liegt in den jeweils herrschenden Erziehungspraktiken. Der Psychohistoriker Lloyd de Mause postuliert, dass über Geschichte zuerst in den Familien entschieden werde - durch Misshandlung der Kinder. Gewaltbereitschaft beginnt in der Tat schon bei der Kindererziehung, die früh und oft auf subtile Weise, durch Liebesentzug oder Beschämung Anpassung und Unterwerfung fordert. Eine Erziehung, die, jede Einfühlung verweigernd, durch sadistisch-autoritäre Unterwerfung das Bindungs- und Schutzbedürfnis des Kindes missachtet, wird in allen totalitären Staaten propagiert. Dies führt statt zu Urvertrauen zu Urmisstrauen. Urmisstrauen disponiert zu paranoider Weltsicht und Freund-Feind-Denken und hat zur Folge, dass ein autoritäres, von Anderen abhängiges Gewissen, ein autoritärer Charakter (Adorno), entwickelt wird. Sehr eindrucksvoll hat dies Sigrid Chamberlain in ihrem Buch über die alle Bindungsbedürfnisse zerstörende Erziehung in der Nazizeit beschrieben, die bis in die heutige Enkelgeneration hinein negativ fortwirkt.
Aus der Erfahrung eines Kinderladens beschreibt Paula Wolff, wie Kinder beim Streiten um ihre moralische Rechtfertigung kämpfen, indem sie darauf bestehen, nur auf die Aggression des Anderen reagiert zu haben. Wird die Anerkennung als Leidtragender verweigert, führt die Fassungslosigkeit über dieses Unrecht zu noch mehr Wut. Es kommt zu einem Konkurrenzkampf um die Opferrolle. Ausgangspunkt des Konflikts ist jedoch immer Kummer über eine Verletzung. Eine Verletzung der Würde ("sie hat mich ausgelacht"), von Besitzrechten ("die haben mir mein Buch weggenommen"), von körperlicher Integrität ("er hat mich gehauen") oder von sozialen Bedürfnissen ("die lassen mich nicht mitspielen"). Während die Zweijährigen weinen und Trost und Unterstützung suchen, überspringen die Fünf- bis Siebenjährigen diese Schmerzäußerungen. Sie lassen sich keinen Raum für ihre Trauer. Es folgt, wie bei Erwachsenen, sofort die Vergeltung - wie nach den Anschlägen vom 11. September 2001 der "Krieg gegen den Terror".
Kriege sollen als "gerecht" legitimiert werden, indem die eigene kriegerische Aggression als "Selbstverteidigung" dargestellt wird. Dabei werden Tatsachen verdreht, feindliche Überfälle provoziert oder "False-flag"-Aktionen vorgetäuscht, wie der Überfall auf den Sender Gleiwitz am 1.9.1939, der als Vorwand zum Einmarsch der deutschen Wehrmacht nach Polen und damit zum Beginn des II. Weltkriegs wurde. Dieses Muster, sich als Opfer feindlicher Übergriffe darzustellen, beweist, dass eigentlich ein klares Unrechtsbewusstsein vorhanden ist und durch Lügen die Zustimmung der Bevölkerung erreicht werden soll. - "Jeder Krieg beginnt mit einer Lüge!"
Jessica Benjamin hat für Beziehungen, in denen beide Seiten sowohl Täter als auch Opfer sind, beschrieben, wie dies zu einem endlosen Hin und Her gegenseitiger Schuldzuweisungen führen kann. Es bleibt kein Raum für Zweifel, Ambivalenz und Kompromiss. Dabei wird die Realität oft von der mächtigeren Seite umgedeutet. Die Projektion der eigenen, nicht integrierten Ohnmachts- und Schuldgefühle sowie der eigenen Aggression in den Anderen bedeutet jedoch eine Enteignung des eigenen authentischen Identitätsgefühls und von Subjekthaftigkeit, die die eigene Urheberschaft anerkennen würde. In einem derartigen dyadischen Macht-Ohnmacht-Kampf geht die Position des Dritten verloren. Jessica Benjamin nennt diese Position des Dritten "moralische Drittheit". Menschenrechte, Völkerrecht, Genfer Konventionen sowie UNO und Internationaler Strafgerichtshof entsprechen dieser moralischen Drittheit. Dies sind wichtige Kulturentwicklungen!
In der militärischer Erziehung spielen Gehorsam und Unterwerfung eine wesentliche Rolle: Nach Arno Gruen verhindert die Erfahrung mangelnder empathischer Resonanz die Entwicklung einer eigenen Identität und führt zur Unterwerfung unter die Erwartungen des mächtigen Erwachsenen, um dessen Liebe zu erlangen. Unterwerfung führt zu Minderwertigkeitsgefühlen, die durch Gefühle von Überlegenheit, z.B. zu einem Herrenvolk zu gehören, abgewehrt werden. Gehorsam ist der psychologische Mechanismus, durch den individuelles Handeln, für das man dann nicht mehr verantwortlich ist, an politische Zwecke und an Autoritätssyteme gebunden wird. An die Stelle wirklichen Verantwortungsbewusstseins tritt Pflichterfüllung. So erklärten alle Nazi-Täter, sie hätten nur ihre Pflicht erfüllt und seien daher nicht schuldig. Auch der Bomberpilot der Hiroshimabombe, - die er "Little Boy" nannte und seinem Flugzeug "Enola Gay", den Namen seiner Mutter, gab -, sagte, konfrontiert mit den Hunderttausenden Toten: "So hätte jeder Soldat weltweit gehandelt: Befehl ist Befehl!"
Dabei ermöglicht die Grundannahme der guten Meinung von sich selbst (C. Biermann 1995), Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu begehen und, wie von Himmler in seiner furchtbaren Posener Rede vor SS-Offizieren 1943 über die Massenerschießungen der jüdischen Bevölkerung im Osten behauptet, noch das Gefühl dabei zu haben, "anständig geblieben zu sein!". Die Überzeugung, "wir sind die Guten" und die anderen gehören zur "Achse des Bösen" (George Bush jr), ermöglicht heute, dass völkerrechtswidrige Invasionskriege und extralegale Tötungen stattfinden, obwohl sie gegen die von uns selbst propagierten Werte und Rechtssysteme verstoßen. Wer die Macht hat, hat das Recht zu Doppelstandards!
So, wie es Kindern schwer fällt, den Missbrauch durch ein Elternteil vor sich selbst anzuerkennen, fällt es schwer zu realisieren, dass die USA nicht mehr "die Guten" sind und insbesondere, dass die Politik der USA nicht unserem Schutz verpflichtet ist. Die Gefahr für Deutschland, zum atomaren Schlachtfeld zu werden, wurde in den 80-er Jahren durch die Aufstellung von amerikanischen und dann auch russischen Kurz- und Mittelstreckenraketen (1983) in Europa massiv erhöht. Die große Friedensbewegung, die die Angst vor den Folgen der durch die massiv verkürzte Vorwarnzeit akut verschärften Atomkriegsgefahr in der BRD ausdrückte, wurde als Massenhysterie diffamiert. Ein dokumentarischer US-amerikanische Film "Fulda-Gap", der die geplante amerikanische Strategie bei einem nuklearen Schlagabtausch behandelte, bei dem die Gegend um Fulda, nahe der Grenze zur damaligen DDR und damit zum Warschauer Pakt zum "Ground Zero" eines Atomschlages werden sollte, löste unter der dortigen Bevölkerung heftigste aggressive Gegenwehr aus, aber nicht, wie man erwarten sollte, gegen diese zynische Strategie unserer Schutzmacht, sondern gegen diejenigen, die auf diese Gefahr hinwiesen. Die Begründung des Bürgermeisters von Hattenbach, dem Ort, um den es in dem Dokumentarfilm ging, er sage seinen Schweinen, wenn er sie zum Schlachthof bringe, doch vorher auch nicht, dass sie geschlachtet werden sollen, beweist, dass die Gefahr durchaus realisiert, aber massiv abgewehrt wurde.
Die Folgen des Einsatzes von Massenvernichtungs- und Distanzwaffen werden abgespalten und verleugnet, weil sie unser Vorstellungsvermögen überschreiten: Man sieht nur ein Fadenkreuz und kleine Wölkchen auf dem Bildschirm. - Der Philosoph Günter Anders prägte den Begriff von der "Antiquiertheit des Menschen". Er versteht darunter das Zurückbleiben unserer emotionalen sozialen Intelligenz hinter unserer technischen Intelligenz, der Machbarkeit und der Entfremdung. Distanzwaffen, insbesondere Computer-gesteuerte, senken die Schwelle zu ihrem Einsatz, auch weil sie die eigenen Soldaten schützen, sodass die Bevölkerung nicht im Konfrontiertsein mit eigenen Opfern gegen den Krieg aufstehen würde. Die Folgen von Distanzwaffen gleichen Computerspielen, sie sind sinnlich nicht erfahrbar.
Der Massenpsychologie kommt in internationalen Konflikten eine Schlüsselrolle zu. In Zeiten großer Verunsicherung bietet sich die nationale Identität wie eine Art Korsett an. Und nichts sichert die eigene Identität und den Zusammenhalt einer Gruppe besser als ein äußerer Feind. Durch Krieg können soziale Unruhen im Innern schnell zum Schweigen gebracht werden. In Krisen tendieren Menschen dazu, Sicherheit durch identifikatorische Anlehnung an einen starken Führer, der eine fürsorgliche Elternfigur repräsentiert, zu gewinnen. Die Unterwerfung unter einen Führer entlastet das ICH von eigener Entscheidungsarbeit.
Wie Freud in seiner kurz nach dem I. Weltkrieg erschienenen Arbeit "Massenpsychologie und Ich-Analyse" (1921) beschrieben hat, wird von den Mitgliedern einer Masse das eigene Gewissen an den Führer delegiert. Durch die idealisierende Identifikation mit ihm und den anderen Gruppenmitgliedern entsteht ein narzisstisches Hochgefühl, eine WIR-Identität. Der Feind wird häufig in seinem Führer personalisiert. Dabei hat der Vergleich von Milosevic, Saddam Hussein, Gaddafi mit Hitler die reflexhafte Bereitschaft zur Folge, diesen Inbegriff des Bösen notfalls mit kriegerischen Mitteln bekämpfen zu müssen, um sein Volk von diesem Diktator zu befreien. Die zweifelnde Irritation, dass dieser Böse kurz zuvor noch bester Freund war, solange er z.B. den Zugriff auf sein Öl nicht behinderte, kommt gegen die wütende Erregung nicht an.
"Invalide waren wir durch die Rotationsmaschinen, ehe es Opfer durch Kanonen gab!" sagt Karl Kraus über den I. Weltkrieg. Lange bevor der erste Schuss fällt, wird die Sprache korrumpiert und militarisiert, Nachrichten werden unterschlagen, einseitig dargestellt oder es werden bewusst falsche Behauptungen verbreitet. Was verkrüppelt wird durch die Rotationsmaschinen, durch Medien, die den Gegner zum Feindbild dämonisieren, ist die Fähigkeit zur Empathie und die Fähigkeit zum Perspektivwechsel. Perspektivwechsel bedeutet, das eigene Verhalten auch aus dem Erleben des Gegners zu betrachten.
Dabei haben insbesondere Bilder eine starke Wirkung: Wir vertrauen dem, was wir sehen: das ist doch die Realität! Die Macht solcher Bilder wirkt deshalb viel stärker als nachträgliche korrigierende Klarstellungen, weil das Gehirn Informationen, die mit starken Emotionen verbunden sind, viel nachhaltiger speichert. Propaganda ist nach Mausfeld als "Soft Power" eine wichtige Herrschaftstechnik. Sie diene dem Zweck, mittels Meinungs- und Affektmanagements die moralischen Sensitivitäten durch den Durchgriff auf die Persönlichkeit zu unterlaufen. Das sei außerdem billiger als Gewalt, Kontrolle und Geheimpolizei in Diktaturen. Die Medien, als eigentlich unabhängige "vierte Gewalt" spielen dabei eine wesentliche Rolle. Informationen können durch Weglassen, Selektion, Aus-dem Zusammenhang-Reißen, d.h. durch Fragmentierung und Dekontextualisierung kognitiv und moralisch unsichtbar gemacht werden (Mausfeld 2015). Dies führt zu gewollter politischer Lethargie und moralischer Apathie - "ich blicke ja sowieso nicht durch, man kann nichts machen!".
Wenn Christa Wolf ihre Kassandra warnen lässt: "Lasst Euch nicht von den Eigenen täuschen!", so bedeutet das, dem Wunsch nach Zuge-Hörigkeit zur Großgruppe, zu widerstehen. Die Sehnsucht nach Übereinstimmung mit den Mächtigen, die im Unbewussten die Elternposition einnehmen, entspricht letztlich dem Bedürfnis nach Geliebtwerden. Eigen-Ständigkeit kann deshalb schuldhaft als "böse" erlebt werden. Kritisches, differenzierendes Denken bedeutet, psychische Arbeit gegen den regressiven Sog des Mainstreams. Doch eine unabhängige Position aktualisiert den Konflikt zwischen Autonomie und Abhängigkeit. Die Angst, als Verräter aus der Gruppe ausgestoßen zu werden, kann bewirken, dass widersprüchliche Wahrnehmungen verleugnet werden. Dies führt zu Ambivalenz-freier Selbstgleichschaltung. Zweifler und Kritiker werden abwehrend als "Verschwörungstheoretiker" oder aktuell als "Putin-Versteher" diffamiert.
Als Analytikerin lernte ich, immer wieder den Worten und averbalen Mitteilungen meiner Patienten nachzuspüren, dem, was dadurch in mir ausgelöst wurde, meiner "Gegenübertragung". Mit solch einem genauen Nachspüren sollten wir Nachrichten daraufhin befragen, was für Gefühle sie auslösen und was damit bewirkt werden soll, in wessen Interesse bestimmte Reaktionen wären. Zweifeln bedeutet, immer wieder eine dritte Position einzunehmen.
Traumata können nicht symbolisiert werden. Sie zerstören die Fähigkeit zu denken und tendieren dazu, wiederholt zu werden. Traumatische Erfahrungen können nicht integriert werden und haben bedrängenden Wirklichkeitscharakter mit einem Impuls zum Handeln (Küchenhoff). Die Gewalt besteht nicht nur im Verletzen und Vernichten, sondern auch darin, dass sie die Kontinuität der Person unterbricht. Der Krieg zerstört die Identität. Frieden ist für Veteranen nicht die Abwesenheit von Krieg, sondern dessen Gespenst im Schlafzimmer, am Esstisch, auf der Autobahn. Die an einer posttraumatischen Belastungsstörung Leidenden infizieren mit ihren Kriegsresten in ihrer Seele ihre Umgebung (Hillman).
Die individuelle Identität entwickelt sich im empathisch-einfühlenden Austausch mit den primären Bezugspersonen und führt im positiven Fall zu "Urvertrauen", zum sicheren Gefühl von verlässlichem inneren Sich-Selbst Gleichsein. Zu einer sicheren Identität gehört es, auch negative Selbst- und Objektbilder, das Wissen, "so bin ich leider auch", in die eigene Identität zu integrieren, anstatt sie auf "Sündenböcke" zu projizieren. Nach Winnicott gelingt dies, wenn genügend oft die Erfahrung gemacht werden konnte, dass das gute Objekt die destruktiven Impulse "überlebt". Nur wenn die Hoffnung, dass die eigene Liebes-Fähigkeit und Liebens-Würdigkeit stärker ist als die destruktiven Möglichkeiten, kann - im Vertrauen auf die Fähigkeit zur Wiedergutmachung - die Verzweiflung über eigene Destruktivität ausgehalten und integriert werden. Dann kann ein reifer Trauerprozess einsetzen, Schuld kann anerkannt und Verantwortung übernommen werden. Könnte es sein, dass wir die Verzweiflung über die Zerstörung der Welt in einer manischen Abwehr der Depression abwehren und, wie in dem Nazilied "wir werden weiter marschieren, wenn alles in Scherben fällt" eben "weiter so" leben?! Ohnmachtssituationen haben oft Gewaltlösungen zur Folge.
Die Großgruppenidentität spielt für die affektive Mobilisierbarkeit einer Gruppe eine ganz wesentliche Rolle. Dabei bilden kollektive Traumatisierungen, sog. "gewählte Traumata" nach Vamik Volkan, den bedeutendsten Beitrag zur Identität einer Großgruppe. Kollektive Traumatisierungen können lange Zeit schlummern und werden oft mythologisiert, um dann in bestimmten politischen Situationen von demagogischen Führern aktiviert und politisch funktionalisiert zu werden. Im Sinne eines Trauma-spezifischen Zeitkollapses, wie bei einem Flash back, wird die Gruppe dadurch in eine ähnlich ängstlich-wütend erregte Stimmung versetzt, als ob das Trauma sich gerade ereignet hätte.
Auch kollektive Traumata können transgenerationell weitergegeben werden. Ist die eine Generation mit der Rolle des Opfers identifiziert, so kann an die nächste Generation eine Rächeridentität delegiert werden. Wenn Großgruppen auf die sog. "Kampf- und Flucht-Einstellung" (Bion) regredieren, sollen Rachephantasien das durch Demütigung und Ohnmachtserfahrung beschädigte, traumatisierte Selbst reparieren, um wieder Kontrolle zu gewinnen, aktiv Handelnder zu sein. Der Wunsch, das Trauma ungeschehen zu machen, kann zu dem Versuch führen, das Trauma sozusagen auszustoßen, indem es anderen zugefügt wird. Deshalb wirkt es sich so fatal aus, wenn kollektive Traumatisierungen nicht bearbeitet und nicht betrauert werden konnten.
Für die Bewältigung kollektiver Traumata ist es heilsam, wenn es zur öffentlichen Auseinandersetzung über die Täter und ihre Taten in der Gesellschaft kommt, zur Exhumierung von Massengräbern oder zur Bildung von Selbsthilfegruppen der Opfer. In einem sozialen Prozess muss die traumatische Realität durch die Gesellschaft anerkannt werden (Jimenez). Das fand ich in den öffentlich auf Marktplätzen übertragenen Verhandlungen der Wahrheits- und Versöhnungskommissionen in Südafrika verwirklicht. Reife Trauerarbeit kann dann durch gegenseitige Schuldanerkenntnis und die Übernahme von Verantwortung Versöhnung ermöglichen.
Der Kniefall Willy Brandts 1970 am Mahnmal für den Aufstand im Warschauer Ghetto war eine derartige symbolische Übernahme von Verantwortung, Anerkennung von Schuld und Bitte um Vergebung. Als Reaktion auf die Verheerungen der beiden Weltkriege, besonders des Holocaust wurden die Vereinten Nationen im Juni 1945 gegründet, "um künftige Geschlechter vor der Geißel des Krieges zu bewahren" und sie legten in ihrer Charta die unveräußerlichen Menschenrechte und das Völkerrecht fest. - Es gibt Skeptiker, die befürchten, dass es erst einer weiteren schrecklichen Katastrophe bedürfe, einen III. Weltkrieg, der dann atomar geführt werde, bevor es zu einer grundsätzlichen Ächtung von Massenvernichtungswaffen und von Krieg als Konfliktlösung kommen könnte. Ich möchte dagegen die Hoffnung setzen, dass unsere Phantasie, unsere Fähigkeit zu vorausschauendem Denken und insbesondere die Liebe zu unseren Kindern und zur Welt dies verhindern kann.
Der Wortspielerei "Wie KRIEG ich Frieden", die ich auf einem Plakat bei einer Friedens-Demo sah, entspricht auch eine von Freud beschriebene Wunschphantasie, dass durch Krieg "ewiger Friede" hergestellt werden solle. "Wie KRIEG ich Frieden?" berührt aber auch die Frage nach einem sog. "gerechten" Krieg, einer militärischen Intervention, um z.B. einen Völkermord zu verhindern. Die Erfahrung zeigt, dass die Entscheidung über derartige Interventionen nur von der UNO gefasst werden darf und dass z.B. Militärinterventionen ohne UN-Mandat nicht nur diese wichtige Institution schwächen, sondern meist von geopolitischen Interessen geleitet sind, die hinter vermeintlichen "humanitären Interventionen" verborgen werden. Wichtig wäre eine frühzeitige präventive zivile Konfliktmoderation, bevor es zu Gewaltausbrüchen bis zum Völkermord kommt. Soziale Konflikte, die dann ethnisch oder religiös aufgeladen werden, müssten durch Hilfe von außen stabilisiert werden. Dies wäre zudem mit nur einem Bruchteil der Kosten einer Militärintervention möglich.
Es gibt viele Ansätze Gewalt verhindernder ziviler Konfliktbearbeitung. Johan Galtung, Vamik Volkan und viele Friedensfachkräfte, z.B. vom Forum Ziviler Friedensdienst, waren an vielen Brennpunkten der Welt erfolgreich im Einsatz, ohne dass das groß in den Medien gewürdigt wurde. Volkans Methode der Mediation ist, dass er Vertreter wichtiger gesellschaftlicher Gruppierungen der betroffenen Konfliktparteien in Gruppensitzungen zusammenbrachte, wo sie sich zunächst alle Vor-Urteile oder Verletzungen gegenseitig vorhielten, um dann zunehmend in die Lage zu kommen, auch die Gefühle und die Situation der gegnerischen Gruppe zu verstehen. Auf individueller Ebene persönlicher Gesprächskreise fördern derartige Begegnungen die Ent-Feindung, z.B. in sog. "Parents' Circles", in dem Israelis und Palästinenser, die durch die jeweils andere Seite einen geliebten Menschen verloren, sich gegenseitig ihre leidvollen Geschichten erzählen. Dies ermöglicht, dass sich die Gruppenmitglieder mit der Trauer des Anderen als Mensch identifizieren können, er wird zum Mitmensch und ist nicht länger "Feind".
Ein wesentlicher Ansatz zur Konflikt-Reduktion ist das Wissen, dass sich die eigene Sicherheit und das Sicherheitsgefühl des Gegners gegenseitig bedingen. Aufrüstung und militärische Muskelspiele können hingegen leicht zu Zündfunken einer dann nicht mehr kontrollierbaren Eskalation werden. Der Begründer der Friedensforschung Johan Galtung plädiert für die Umstellung auf rein defensive, auf das eigene Territorium begrenzte Verteidigung als einen ersten Schritt, der mehr Aussicht auf Erfolg haben könnte als die Forderung nach völliger Abschaffung z.B. der Bundeswehr. Vertrauensbildende Maßnahmen, wie in der KSZE-Schlussakte von Helsinki vereinbart, sind ein wichtiger Schritt zum Frieden.
Weitere alternative Entwicklungen, die das friedliche Zusammenleben der Weltbevölkerung zum Ziel haben, ist das Weltsozialforum WSF. Das WSF versteht sich als ein weltweiter Prozess einer Globalisierung in Solidarität unter Respektierung der Menschenrechte, die im Gegensatz zu einer neoliberalen Globalisierung steht, die durch große multinationale Konzerne und den diesen hörigen Regierungen und Institutionen beherrscht wird.
"Buen Vivir" ist von den Rechten der Natur, "Rights of Mother Earth" der indigenen Völker Lateinamerikas abgeleitet und wurde von sozialen Bewegungen aufgegriffen. Buen Vivir hat inzwischen in Ecuador und Bolivien Verfassungsrang: "Der Staat schützt auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere..." Diesem besorgt-respektvollen Umgang mit Mutter Natur sind wir, im Unterschied zu den Naturvölkern, entfremdet. Die kapitalistische Ausbeutung entspricht dem Stadium der Erbarmungslosigkeit nach Winnicott. Die Mutter, "Mother Earth" wird nicht als eigenständiges Subjekt mit eigenen Bedürfnissen und Grenzen wahrgenommen.
Die von einer Expertenkommission der UNO erarbeiteten "Agenda 2030-Ziele für nachhaltige Entwicklung" betonen die gegenseitige Bedingtheit von Frieden und Entwicklung und die Verantwortung der reichen hochindustrialisierten Staaten gegenüber den Völkern des Südens, besonders für die Folgen des Klimawandels. In den UNO-Zielen für nachhaltige Entwicklung, die im Dezember 2015 in New York verabschiedet wurden, sehe ich eine Entwicklung zur Besorgnis. Auch das ist eine Kulturentwicklung.
Während die Vereinigung deutscher Wissenschaftler warnend auf den Zusammenhang zwischen Peak Oil, Gas und Geopolitik hinweist und die Rückkehr zu fossiler Geopolitik für den Ukraine-Konflikt und zahlreiche andere Konflikte verantwortlich macht, sieht der Klimaforscher Hartmut Grassl in der Energiewende als Gegenmaßnahme gegen den Klimawandel und in der Umstellung auf erneuerbare, nicht fossile Energien einen wesentlichen Beitrag zum Frieden: "Jeder Liter Öl, der in der Erde bleibt, fördert doppelt den Frieden. Zum einen, weil er den Klimawandel aufhält, zum anderen, indem um fossile Rohstoffe dann nicht mehr Krieg geführt werden muss".
Freud sprach von einer "konstitutionellen Intoleranz" gegen den Krieg. "Es ist vielleicht keine utopische Hoffnung, dass der Kulturprozess und die besagte Angst vor den Wirkungen eines Zukunftskrieges dem Kriegführen in absehbarer Zeit ein Ende setzen wird." In einer gerechten internationalen Ordnung, die über das Gewaltmonopol verfügt, in einer Art Welt-Innenpolitik, sehe ich die wichtigste Möglichkeit, dem aggressiven Macht- und Dominanzstreben einzelner Staaten als internationale Gemeinschaft entgegen zu treten. Auch dürfen politische Grundsatzentscheidungen nicht weiter an demokratisch nicht legitimierte Institutionen wie Weltbank, Internationalen Währungsfond und Welthandelsorganisation abgetreten werden.
Menschen verfügen über eine natürliche moralische Sensitivität und Fähigkeit zu Empathie, zu Mit-Leid und Hilfsbereitschaft, zu Kooperation und zu Solidarität. Wie weit unsere Identifikationsfähigkeit mit dem Anderen, Andersartigen, aber insbesondere mit zukünftigen Generationen reicht, wird sich bald, nicht zuletzt in der Flüchtlingsfrage, zeigen. Das überwältigende Engagement breiter Bevölkerungsschichten in der "Refugee welcome"-Bewegung ist für mich Ausdruck einer inzwischen sichereren, selbstbewussteren kulturellen Identität, die weniger Angst vor dem Fremden und vor Überfremdung hat und entsprang wohl dem Wunsch, nicht länger der "hässliche Deutsche" zu sein. So könnte man diese zupackende Hilfsbereitschaft großer Teile der Bevölkerung auch verstehen als eine Art Gegen-Demonstration gegen eine auf Konkurrenz und Ausschluss Schwächerer basierenden neoliberalen Ideologie. Noch ist das offensichtlich beglückende Teilen unseres Überflusses freiwillig.
Müssten wir als AnalytikerInnen nicht besonnen dazu beitragen, die Veränderungen, die zwangsläufig auf unsere Gesellschaft, auf unsere Welt, zukommen, bewusst zu machen und z.B. unsere Mitverantwortung an den Fluchtursachen benennen, um so weiteren Radikalisierungstendenzen vorzubeugen?
Müssten wir als Analytiker nicht auch die Verleugnung, welche Folgen unser "Weiter-So"- Verhalten für unsere Kinder und Enkel bedeutet, aufklärend angehen?
Gegen lähmende Ohnmacht und Resignation angesichts der vielschichtigen gravierenden Probleme unserer Welt und angesichts der eigenen Machtlosigkeit gegenüber dem Einfluss internationaler Konzerne und Finanzakteure, die schon längst die Fäden der Politik in der Hand halten, ermutigt der Friedensforscher Daniele Ganser: "Die zweitstärkste Weltmacht ist die öffentliche Meinung!"
Ich halte es für wichtig, positive gesellschaftliche Selbst-Erfahrungen, die zur kollektiven Identität auf konstruktive und stabilisierende Weise beitragen, zu bestätigen. Die starke Friedensbewegung der 80-er Jahre hat wesentlich dazu beigetragen, dass die Kurz- und Mittelstreckenraketen aus Deutschland abgezogen und dadurch die akute Atomkriegsgefahr reduziert und Abrüstungsverhandlungen begonnen wurden. Auch die Kampagne gegen die Landminen führte schließlich zu deren Ächtung, ebenso wie der Einsatz von Giftgas geächtet wurde.
Psychotherapie ist in ihrem Ringen um Wahrheit Friedensarbeit im Kleinen. Aus unseren Behandlungen wissen wir, wie sich Aufwachsen in einem ungünstigen sozialen Umfeld, wie sich Stress, Konkurrenz und immer höhere Flexibilisierungsforderungen am Arbeitsplatz oder wie Arbeitslosigkeit psychische und psychosomatische Erkrankungen zur Folge haben. Müssten wir nicht auch da aus unseren Behandlungszimmern nach außen hörbar werden und gegen krank machende Bedingungen eintreten?
- Bei der Gründungsversammlung der psychoanalytischen Friedensbewegung
IPANW, den International Psychoanalysts Against Nuclear Weapons, die 1985 am
Rande des Hamburger IPA-
Dieses Vortragsmanuskript sowie die Langfassung können bei AmericanRebel@gmx.net angefordert werden.
Frühere Artikel von Dr. med. Mechthild Klingenburg-Vogel erschienen am: 13.07.2016, 14.03.2016
Es war schon eine Sternstunde, als Hilmar Thate 2008 beim Frühlingsfest des Friedrich-Wolf-Hauses in Lehnitz aus dem Text des Dichters "Kunst ist Waffe" rezitierte. Er war links geblieben, auch wenn er 1980 in den Westen gegangen war. "Ich habe nicht die DDR verlassen, sondern das Politbüro. Die Riege der alten Männer an der Spitze der DDR hat mit ihrer kleinbürgerlichen Beschränktheit das Land ruiniert", sagte er der Journalistin Bärbel Beuchler. Thate war noch Friedrich Wolfs Zeitgenosse, hatte in dessen Todesjahr 1953 im Berliner Rundfunk in seinem Hörspiel "Krassin rettet Italia" gesprochen und am Maxim Gorki Theater seine "Matrosen von Cattaro" gespielt.
Den Matrosen Bartuscheck verkörperte Thate 1958 in dem DEFA-
Die anspruchsvollste Rolle bei Konrad Wolf, dem Sohn des Dramatikers, war zweifellos der Rolf in Friedrich Wolfs "Professor Mamlock", in dem er überzeugend die Wandlung des Professorensohns zum Widerstandskämpfer gestaltete. Bei Konrad Wolf hatte Thate übrigens 1955 in einem "sozialistischen Heimatfilm" mit dem Titel "Einmal ist keinmal" zwischen Horst Drinda und Fritz Decho vor der Kamera debütiert.
Trotz der Erfolge bei Film und Fernsehen - die Titelrolle eines unkonventionellen LPG-Vorsitzenden in dem Mehrteiler "Daniel Druskat" brachte ihm 1976 seinen zweiten Nationalpreis ein - war Thate ein Mann der Bühne. Seine produktivsten beiden Jahrzehnte erlebte er in den sechziger und siebziger Jahren am Berliner Ensemble und dem Deutschen Theater. Als Galy Gay in Brechts "Mann ist Mann" und als "Richard III." wurde er jeweils als "Schauspieler des Jahres" ausgezeichnet.
Die Theaterkarriere setzte er ab 1980 in Westberlin und Wien fort, wo er auch häufig mit seiner Frau Angelica Domröse auftrat, beispielsweise in Edward Albees "Wer hat Angst vor Virginia Woolf?". Die prägenden Regisseure, mit denen er jetzt zusammenarbeitete, waren Peter Zadek, George Tabori und Ingmar Bergman auf der Bühne, Rainer Werner Fassbinder und Thomas Brasch beim Film.
Vor der Kamera wollte Thate nur ausgewählte Charaktere übernehmen, beispielsweise die Titelrolle in Dieter Wedels "König von St. Pauli" (1998). Das Angebot, einen "Tatort"-Kommissar zu spielen, lehnte er ab. Für den verbohrten Wachschützer in Andreas Kleinerts "Wege in die Nacht" wurde Thate 1999 in Karlovy Vary als bester Schauspieler ausgezeichnet, ebenso in Jutta Brückners "Hitlerkantate" 2005 in Batumi.
Nach seinem 80. Geburtstag zog sich Hilmar Thate aus der Öffentlichkeit zurück, mit Liebe von seiner Frau Angelica betreut. Am 14. September ist er mit 85 Jahren gestorben. Es bleibt sein Anspruch, dem Publikum immer wieder Anstöße, Antworten zu geben: "Wie sieht unser Zusammenleben aus, wie verhalten wir uns untereinander, wie können wir unser Leben verändern, es bewusster, also besser leben."
Zuerst veröffentlicht in: Das Blättchen, Nummer 20, 26. September 2016
Frühere Artikel von F.-B. Habel erschienen am: 31.08.2016, 12.06.2016, 23.05.2016, 20.04.2016, 03.03.2016, 12.02.2016, 18.01.2016, 22.12.2015, 19.12.2015, 18.12.2015, 05.12.2015, 30.11.2015
IKARUS ist nicht totzukriegen. Hatte er vor 27 Jahren den Gegner noch mit modernsten Fla-Raketen-Komplexen in Schach gehalten, so hält er nunmehr die laut Weißbuch der Bundeswehr wieder in den Kriegsstartlöchern lauernden Menschenfeinde mit mentalen Pfeilspitzen im Visier.
Ikarus - so wähnt sich lt. Buchtitel ein einstiger NVA-Offizier, der sich dank seiner Bildungsstärke bis in die Königsebene hocharbeitete, oft von manchen Kleingeistern misstrauisch beäugt oder auch behindert, heute im Jahre 2016 von durchweg nach wie vor antikommunistisch aufgeheizten Möchte-Gern-Kriegern im Interesse einer "höheren Verantwortung Deutschlands an der Seite der USA und der NATO" verschmäht, missachtet, kleingeredet und schließlich totgeschwiegen wird.
Der unermüdlich gegen Krieg und Kriegsgefahr agierende 78-jährige Offizier a.D. und Schriftsteller heißt Karl-Heinz Otto. Nach unzähligen Romanen und Erzählungen - bereits unter den Fittichen der NVA - raffte er sich nach so langen Jahren nach der sogenannten Wende (die er historisch korrekt Rückwende nennt) auf, sein Leben aufzuschreiben. Mit all den alten und den neuen Beulen, die er sich holen musste - und trotzdem nie aufgab. Er, der Überzeugungstäter. Wollte er zu hoch hinaus?
Das 480-Seiten-Buch trägt den Titel "IKARUS". Diese spannende Lektüre strotzt nur so von Fakten, Episoden, Berichten, Zerwürfnissen, Begegnungen und geschichtlich ergänzenden Informationen. Der Leser wird Augenzeuge, wie ein junger Mann vom flachen Lande alle Hürden in Schulen und Dienst- und Arbeitsstellen wie mühevolle Sprünge über's langgestreckte Pferd trotz mancher objektiver und subjektiver Stolpersteine genommen hat. Und so durchzieht auch seinen jüngster Roman "IKARUS" das, was man Selbstüberwindung nennt. Schwierigkeiten nicht aus dem Wege zu gehen und mutig Dummköpfen die Stirn zu bieten. Kraftakte, die ohne eine tief auslotende innere Überzeugung - sprich politische Motivation - nicht zu bewerkstelligen sind. Auch nicht ohne Selbstvertrauen, ohne Bildung und Ehrgeiz.
Wenn Thomas Mann in seinem Beitrag "Es geht um den Menschen. Prosa aus fünf Jahrzehnten", Seite 286/287 (sich auf Walter Scott beziehend) forderte, die Kunst bestehe darin, dass man mit dem möglichst geringsten Aufwand von äußerem Leben das innere in die stärkste Bewegung bringe; denn das innere "ist eigentlich der Gegenstand unseres Interesses. Die Aufgabe des Romanschreibers ist nicht, große Vorfälle zu erzählen, sondern kleine interessant zu machen", dann kommt der Autor Karl-Heinz Otto dem mit großem Können entgegen.
Deshalb sei an dieser Stelle zunächst lediglich ein Umriss seines Wirkens in der DDR gegeben. Im Epilog fasst er sein Leben so zusammen: Als er drei Jahre alt war, tobte der beschissne Kriech, von dem die Erwachsenen erzählten und den sein Vater mit dem Leben bezahlen musste. Als der zu Ende war, räumte uns unser Staat, "den bisher Benachteiligten, den Unterprivilegierten und Bildungsfernen, alle Möglichkeiten ein, unabhängig von Herkunft und vom Geldbeutel der Eltern zu neuen Ufern aufzubrechen..." (S. 479) Karl-Heinz Otto legte das Abitur ab und wollte Architektur studieren. Er, der auch als Junger Pionier die Welt zu verbessern gedachte, entschied sich nach dem Abitur für den Dienst als Offizier, dem sich, so erinnert sich der Autor, keiner der Jungs verschlossen hätte. Wie auch an anderen Textstellen fügt Karl-Heinz Otto in diesem Zusammenhang Worte des Kanzlers Adenauer an, wonach es gelte, nicht die Wiedervereinigung anzustreben sondern die Befreiung der Ostzone.
Auch wenn dem feinsinnigen Karl-Heinz angesichts der vorgesetzten Unteroffiziere während der Grundausbildung (in Vorbereitung auf die Offiziersschule) mit ihrem Ordnung erheischenden "Hocker umwerfen" bei ungenügendem Päckchenbau schier die Galle hochkommt - er wird demnächst als Kanonier, Truppenoffizier, Erfinder, engagierter Stabsoffizier und Spitzengeheimnisträger für Fla-Raketentechnik sowie viel später als Filmemacher und Schriftsteller seinen Beitrag zur Friedenserhaltung leisten. Gekrönt wurden anlässlich der "Messe der Meister von Morgen" seine Bemühungen um eine hohe Kampfkraft und Gefechtsbereitschaft bereits als Funkmessoffizier im Truppendienst mit zwei Goldmedaillen - für Simulatoren, die er für die Ausbildung von Operateuren an Rundblickstationen entwickelte, und schließlich mit der zweimaligen Auszeichnung mit dem Friedrich-Engels-Preis, mit dem besondere militärwissenschaftliche Leistungen geehrt wurden. Auch dies: Nach siebenjährigem Fernstudium zum Diplomingenieur der Elektronik an der Technischen Hochschule Ilmenau erhält er für sein Diplom als einziger der Matrikel E III ein summa cum laude.
Bereits als junger Offizier beruft man ihn in die Verwaltung Truppenluftabwehr im Ministerium für Nationale Verteidigung, wo er sich als Offizier für Rundblickstationen bewährt und bald in verantwortlicher Position den Wechsel veralteter Flak- zu moderner Fla-Raketentechnik mitbestimmt. Auf Seite 7 gesteht er: "...stets glich meine Perspektive eher der einer gewöhnlichen Feldmaus denn der eines stolzen Adlers. Und stets, wenn ich wie Ikarus wagte, in unergründete Höhen abzuheben, fanden sich Förderer wie Neider meiner Kreativität." Die ersteren wollten sich der Ergebnisse seines Forscherdranges bedienen, während die Geheimdienstler ihn als negativ-feindliches Element denunzierten und "unermüdlich an meinem Absturz werkelten..."
Nicht nur die mitunter bösartige Unterstellungskunst der Abwehrorgane der NVA, auch die Versuche, ihn mit fadenscheinigen Begründungen vom Studium in der SU abzuhalten, übrigens auch vom Fernstudium innerhalb der DDR, ließen ihn, den vorwärts jagenden jungen Adler, sich verwundert die Augen reiben, ob er denn bei soviel Dogmatismus noch richtig liege mit seiner Überzeugung von der Überlegenheit des Sozialismus. Unvermeidlich auch andere - für viele wohlbekannte enttäuschende Erlebnisse mit der hoch angebundenen Waffenbrüderschaft zur Sowjetarmee - als nämlich eine persönlich beginnende enge Freundschaft mit einem sowjetischen Offizier urplötzlich an dessen Versetzung nach Kamtschatka zusammenbrach. Barrikaden der Freundschaft traf er als Kursant der Militärakademie in Kiew an, als ausländischen Studenten jedwede Besuche außerhalb von Kiew untersagt blieben.
Wer tief zu loten vermag, der gibt nicht auf, der sieht die Dinge komplex, der sieht sie in Zusammenhängen und gesellschaftlichen Dringlichkeiten ob des Kalten Krieges. So legt sich der Autor bereits im Prolog seiner Erinnerungen fest, indem er "penetranten Geschichtsklitterern" in die Suppe spuckt, "die sich in unser Leben einmischen". Er möchte nicht, dass Leute, die nicht einen einzigen Tag in der DDR gelebt, geschweige in deren Volksarmee gedient haben, (...) erzählen wollen, wie seine Lebenszeit (...) verlaufen sei. "Ich schreibe also, um mir die Deutungshoheit über mein eigenes wunderbar-mieses Leben nicht von anderen stehlen zu lassen". (S. 6) Auf Seite 7 fährt er fort, er nenne es ein historisches Unrecht, diese Volksarmee zu verteufeln, statt sie dafür zu loben, dass sie nie einen Krieg führte und verantwortungsbewusst ihre schmerzhafte Selbstauflösung wählte, um damit einen blutigen Bürgerkrieg zu vermeiden. Doch schon wieder würden "Abermillionen von Schwertern darauf warten, zu Pflugscharen umgeschmiedet zu werden".
So sehr sich die Staatssicherheit der DDR auch bemühte, den "aufsässigen" Offizier Karl-Heinz Otto aus der Armee zu entfernen, wozu er 16 Jahre lang bespitzelt wurde, eines müsse man einigen Leuten lassen - es gab auch ehrliche Urteile, ohne Denunzierungen und Herabwürdigungen. So liest sich dies auf Seite 372 so: Er sei ein kluger Theoretiker, in der praktischen Tätigkeit versiert, allseitig anerkannt, "wie man es in der NVA nur selten findet". (...) "Er ist ein Mensch, der nicht alles widerspruchslos hinnimmt, der tiefgründig nachdenkt und mit seinen Gedanken (...) nicht hinter dem Berg hält".
Die vom Autor - vor dem Abgang vom Armeedienst verteidigte der ehrgeizige Offizier noch seinen Doktortitel - bezeichneten Lebensschnipsel eines militanten Pazifisten erweisen sich als ein großartiges lebensvolles Mosaik, das jedem, der die DDR bewusst erlebt hat, einen Genuss an Erinnerungen bereitet. Dazu gehören nicht nur die III. Weltfestspiele, Biermanns Ausbürgerung, Ernteeinsätze der NVA oder gar die Enttäuschungen, wenn Lehrer plötzlich die Seiten wechselten. Mit gezielten Argumenten widerlegt der Autor Anmaßungen der bürgerlichen Historiker und der Medien über die Geschichte der DDR.
Beeindruckend ebenfalls zahlreiche Naturbeschreibungen, ob auf dem DDR-Übungsgelände oder in der Kasachischen Steppe. Hilfreich sind des Autors jeweilige Ergänzungen zur Geschichte sowie seine Vorliebe, Dichter und Denker wie Bertolt Brecht, Louis Fürnberg und Konfuzius zu Rate zu ziehen. Interessant des Autors Reisen nach Vietnam und Namibia und seine persönlichen Beobachtungen.
Im Epilog bedauert der Autor und widerständige Oberstleutnant a.D., "dass wir die bisher einmalige Chance, eine gerechtere Gesellschaft zu gründen, glattweg vergeigten". (S. 480) Auf dieser Seite findet sich auch der auf Karl Marx zurückführende Ausspruch, das Kapital habe einen Horror vor Abwesenheit von Profit. Sehr oft verwendet der Autor das Wort indoktrinär für die Propaganda in der DDR. Er schreibt zu recht, man solle auch die Möglichkeit haben, die Welt selbst anzuschauen. Dem ist nichts hinzuzufügen, die Welt anschauen mit theoretischer Vertiefung - daraus wird ein Schuh.
Und so hofft der Autor, sich auf Oscar Wilde berufend, dass die Menschheit, sollte sie ein besseres Land sehen, die richtigen Segel setzen möge. "Dass Sozialismus und Demokratie zusammengehören - und Stasispitzel verzichtbar sind - sollte nach unserem vergeigten Sozialismus-Experiment Allgemeingut und zur wichtigsten Lehre geworden sein." Der IKARUS im Träumer Karl-Heinz - er lässt die Gegenträumer nicht aus den Augen.
Karl-Heinz Otto: "IKARUS. Mein wunderbares richtiges Leben im doch so miesen falschen. Lebensschnipsel eines militanten Pazifisten aus drei Ismen" 1. Auflage 2016, Edition Märkische Reisebilder, Dr. Karl-Heinz Otto, Vertrieb Tel. 0331 270 17 87, E-Mail: dr.otto.edit.maerk.reisebilder@t-online.de, www.carlotto.de
Erstveröffentlichung: Harry Popow cleo-schreiber.blogspot.de 11. August 2016
Frühere Artikel von Harry Popow erschienen am: 20.08.16, 02.07.16, 22.06.16, 07.06.16, 19.04.16, 06.11.15
Auch die Kopftuchfrage ist weitaus komplexer, als die BefürworterInnen eines Kopftuchverbots sie darstellen. Nachdem in verschiedenen Bundesländern ein Kopftuchverbot für Lehrerinnen eingeführt wurde, wird nun verstärkt ein solches Verbot auch für Schülerinnen gefordert. Das wird dann als Maßnahme gegen Frauendiskriminierung präsentiert. Hinzu kommen Forderungen nach einem generellen Verbot der Ganzkörperverschleierung in Form der Burka, welche auch das Gesicht verhüllt. Tatsächlich jedoch steckt hinter diesen Forderungen antimuslimischer Rassismus und sie führen zu keiner Verbesserung der Lebenssituation von Migrantinnen.
Für Thilo Sarrazin drückt das Tragen des Kopftuchs niemals nur Religiosität aus, sondern er sieht es als "Zeichen dafür, dass der Islam eine gesellschaftspolitische Dimension jenseits der Religion hat" und als Bekenntnis zu "einer traditionellen Interpretation des Islam". (QUELLE Th. Sarrazin, Deutschland schafft sich ab, S. 314)
Pauschal setzt er es auch mit einer Anerkennung der Unterordnung der Frau unter den Mann gleich. Alice Schwarzer geht weiter: Sie vergleicht das Kopftuch mit dem Judenstern und rückt jede Kopftuch tragende Frau in die fundamentalistische Ecke. (QUELLE Achim Bühl, Islamfeindlichkeit in Deutschland, S. 164/165.)
Die Argumente der Verbotsbefürworter zeichnen sich durch Pauschalisierungen aus. Die Logik ist: Entweder werden Frauen zum Tragen des Kopftuchs gezwungen oder sie sind fundamentalistische Muslima. Damit ist die Forderung nach einem Kopftuchverbot Teil der Diskriminierung und Ausgrenzung der muslimischen Bevölkerung. Sarrazin sagt in seinem Buch unverblümt, er wolle nicht, dass die Frauen in Deutschland ein Kopftuch tragen.
Historisch betrachtet sind weder Schleier noch Kopftuch religiöse Symbole. Der Schleier ist nicht einmal eine spezifisch islamische Tradition, sondern wurde zu tragen begonnen lange bevor Mohammed den Islam begründete. Angefangen bei sumerischen Tempelpriesterinnen vor 5.000 Jahren über das vorislamische Persien bis zu jüdischen und christlichen Traditionen trugen Frauen aus verschiedenen Gründen verschiedene Arten der Verschleierung. Ruksana Mansur von der 'Sozialistischen Bewegung Pakistans' schreibt dazu: "Es ist eine historische Tatsache, dass der Schleier ein Brauch und keine religiöse Verpflichtung ist. Er ist eine jahrhundertealte Stammes- und Feudaltradition, die nun zu einem Teil einer Religion geworden ist." (QUELLE www.socialistparty.org.uk)
Tatsächlich gab es weder zu Mohammeds Zeiten eine obligatorische Verschleierung muslimischer Frauen noch wird diese im Koran gefordert. Vielmehr übernahmen Muslime mit der Ausbreitung der Religion regionale Traditionen. Interessanterweise finden sich jedoch in der Bibel Stellen, die auf einen Zwang zur Verschleierung von Frauen hinweisen. In der Lutherbibel (Genesis 24,65) muss Rebekka sich verschleiern, als sie ihrem zukünftigen Gatten Isaak begegnet. (QUELLE www.die-bibel.de)
Das Kopftuch war in vielen Gesellschaften ein traditionelles Kleidungsstück. Auch in Deutschland haben bis in die 1950er Jahre viele Frauen, vor allem Bäuerinnen, ein Kopftuch getragen. Meine jugoslawische Großmutter, weder gläubige Katholikin noch Muslima, sondern antifaschistische Partisanin, habe ich selten ohne Kopftuch gesehen. Bei körperlicher Arbeit auf Feldern und bei heißem Wetter hatte das Kopftuch einen praktischen Sinn.
Die Motivation, das Kopftuch anzulegen, ist heute vielfältig. Während es zweifellos Frauen gibt, die durch Väter oder Ehemänner dazu gezwungen werden, ist davon auszugehen, dass in Deutschland die Mehrzahl von ihnen diese Entscheidung freiwillig getroffen hat - wobei Freiwilligkeit nicht absolut zu verstehen ist, da sie im Rahmen von gesellschaftlichen Normen, Traditionen und mehr oder weniger direkt geäußerten Erwartungshaltungen im sozialen Umfeld stattfindet. Aber die Entscheidungen von deutschen oder christlichen Frauen, sich die Beine zu rasieren oder Diäten durchzuführen, um im Bikini eine "gute Figur" zu machen, basieren auf einer ähnlich relativen Freiwilligkeit.
Für viele Muslima ist das Kopftuch nicht nur ein Zeichen ihrer Religiosität, sondern ein Symbol kultureller Identität, nicht selten auch für eine Abgrenzung von einer Gesellschaft, die sie als rassistisch und sexistisch wahrnehmen. Es ist für viele ein Mittel, Selbstbewusstsein als Migrantinnen zum Ausdruck zu bringen. Das Bild der Kopftuch tragenden Frau als unterdrückte und unselbstständige Muslima könnte falscher nicht sein. Gerade unter den gebildeteren Muslima ist das Kopftuch weiter verbreitet. 71 Prozent der muslimischen Kopftuchträgerinnen ist es wichtig, in ihrem Leben etwas zu erreichen. (QUELLE: Sineb El Masrar, Muslim Girls, S. 32)
Natürlich ist das Kopftuch auch ein Symbol für eine männerdominierte Religionsgemeinschaft, und die Ablehnung des Kopftuchs durch viele Frauen aus muslimischen Ländern ist gerechtfertigt, gerade aufgrund der Erfahrungen in frauenfeindlichen Diktaturen wie in Saudi-Arabien und im Iran, wo Schleier bzw. Kopftuch gesetzlich vorgeschrieben sind und Frauen keinerlei Wahl haben. Aber gegen das Kopftuch zu sein, bedeutet nicht automatisch, für ein Verbot einzutreten, so wie gegen das Kopftuchverbot zu sein auch nicht bedeutet, das Kopftuch in dieser Symbolik zu unterstützen. Niemand fordert das Verbot der Lederhose, weil sie als Symbol für reaktionäre Deutschtümelei oder bayrischen Separatismus interpretiert werden kann.
Ruksana Mansur weist darauf hin, dass "die politische und religiöse Rechte das Thema in ihrem eigenen Interesse ausnutzen. Die einen fordern Frauen auf, den Schleier abzulegen, während die anderen die Frauen dazu zwingen wollen, es zu tragen." (QUELLE: www.socialistparty.org.uk)
Als SozialistIn sollte man gegen das Kopftuch- und Burkaverbot sein, egal wo. Und für das Recht eines jeden Menschen, selber zu bestimmen, was er oder sie für eine Kleidung trägt. Das bedeutet auch, dass SozialistInnen aktiv gegen den Zwang, das Kopftuch zu tragen, eintreten und Frauen dabei helfen sollten, sich gegen entsprechende Zwänge zu organisieren und zu wehren.
Kopftuchstreit, "Ehrenmord"-Debatte und die Situation von Muslimas im allgemeinen werden von den selbst ernannten IslamkritikerInnen in einer Art und Weise geführt, die ein pauschales Bild höchster Unterdrückung von muslimischen Frauen zeichnet. Achim Bühl zitiert in seinem Buch einen muslimischen Sketch, der das auf den Punkt bringt: "Erste Szene: Eine Frau mit Kopftuch sitzt im Auto hinten, ein Mann fährt. Ein Vertreter der so genannten Mehrheitsgesellschaft: 'Selber fahren dürfen die wohl nicht.' Zweite Szene: Eine Frau mit Kopftuch fährt, ein Mann sitzt daneben. Ein Vertreter der Mehrheitsgesellschaft: 'Jetzt lassen die sich auch noch fahren'. Dritte Szene: Eine Frau mit Kopftuch sitzt vorne neben ihrem Mann, der fährt, eine Frau ohne Kopftuch sitzt hinten. Ein Vertreter der Mehrheitsgesellschaft: 'Jetzt kommen die auch noch mit mehreren Frauen.'" (QUELLE: Achim Bühl, Islamfeindlichkeit in Deutschland, S. 180) Dieser Sketch macht deutlich, dass die Lebensrealität muslimischer Frauen komplex ist und eine konkrete Auseinandersetzung mit Diskriminierung, Benachteiligung und Unterdrückung nötig ist - statt pauschaler Verurteilungen, die zu Forderungen nach Kopftuchverbot oder ähnlichem führen.
Hilfe für diskriminierte Frauen muss anders aussehen. Ein Kopftuch- oder Burkaverbot würde diejenigen Frauen, die zum Tragen desselben gezwungen werden, ohnehin nur weiter von der Gesellschaft isolieren. Die Frauen, die es freiwillig tragen, wären durch ein Verbot nur von ihrer Freiheit befreit, also unterdrückt und diskriminiert. Frauen, die tatsächlich häuslicher Gewalt, Zwang und Unterdrückung ausgesetzt sind, brauchen vor allem gut bezahlte Arbeitsplätze, um wirtschaftlich selbstständig zu sein, und ausreichende Angebote an Beratungsstellen und Frauenhäusern, in denen die Betreuung auch in türkischer, arabischer und anderen Sprachen stattfindet.
Stanicic, Sascha: Anti-Sarrazin, Argumente gegen Rassismus, Islamfeindlichkeit und Sozialdarwinismus. PapyRossaVerlag, Neue Kleine Bibliothek 171, 168 Seiten, 7,00 €, ISBN 978-3-89438-477-7
Sascha Stanicic ist verantwortlicher Redakteur der sozialistischen Zeitung Solidarität und von sozialismus.info. Er ist Bundessprecher der Sozialistischen Alternative (SAV) und aktiv in der Partei DIE LINKE.
Mitte der 1960er Jahre formierte sich in Chile die auf der Folklore basierende Liedbewegung "Nueva Canción Chilena". Junge Musiker, Studenten und Arbeiter folgten dem Beispiel der legendären Violeta Parra. Mit den neuen Liedern, deren rhythmische und instrumentale Wurzeln den Traditionen des Volkes entsprachen, setzen sie fortschrittliche Akzente. In dieser Zeit entstanden Gruppen wie Quilapayún, Inti Illimani, TiempoNuevo, und es profilierten sich Künstlerpersönlichkeiten wie Víctor Jara, Isabel und Angel Parra, Patricio Manns u.a.
Im Wahlkampf Salvador Allendes um die Präsidentschaft Chiles war TiempoNuevo führend beteiligt. Ebenso an den kulturellen Aktivitäten in der Zeit der Regierung der Unidad Popular von 1970 bis 1973. Vier Langspielplatten fassen die Arbeit der Gruppe in dieser Zeit zusammen. Die Konzerte während der Zeit der UP-Regierung sind nicht zu zählen. Hinzu kamen Auftritte bei Massenveranstaltungen und Manifestationen, in Radio und Fernsehen. Mehrere weitgespannte Tourneen führten durch viele lateinamerikanische Länder und nach Europa. Von TiempoNuevo stammen Kompositionen zu chilenischen und vielen lateinamerikanischen Filmen und Dokumentationen. Nach dem Putsch am 11. September 1973 ging TiempoNuevo wie viele andere progressive Künstler Chiles ins politische Exil. Erste Station war Argentinien, wo in Buenos Aires die LP "Por Chile! Venceremos" produziert wurde. Der weitere Weg der Gruppe führte nach Europa und in die DDR.
Bis heute leben und arbeiten die Musiker in Deutschland, unter verschiedenen Besetzungen und immer mit Roberto Rivera, dem einzigen Mitglied der Originalbesetzung.
A mediados de los años 1960's se forma en Chile el movimiento que, posteriormente, se denominaría "La Nueva Canción Chilena". Músicos jóvenes, estudiantes y trabajadores, seguirán el ejemplo de Violeta Parra y otros pioneros del folklore. Con nuevas canciones, que del punto de vista rítmico seguían la tradición y las raíces populares, surgieron nuevos textos que reflejaban los anhelos y las luchas del pueblo chileno que aspiraba a una vida mejor. En ese tiempo surgen grupos musicales como TiempoNuevo, Quilapayún, Inti Illimani, y alcanzan celebridad solistas como Ángel Parra, Víctor Jara, Isabel Parra, Rolando Alarcón, Richard Rojas, Patricio Manns, etc.
En la campaña que lleva a la Presidencia de la República a Salvador Allende, TiempoNuevo desempeña un rol de gran importancia; también en las actividades culturales durante el gobierno de la Unidad Popular. Cuatro discos de larga duración son el resultado del trabajo de esa época. Y es destacable una cantidad indeterminada de conciertos, presentaciones en demostraciones de masas, radio, televisión, centros de madres, etc. En esos años TiempoNuevo realiza giras por diferentes países de Latinoamérica y Europa. También de TiempoNuevo (Roberto Rivera) son las composiciones e interpretaciones de las bandas sonoras para diversas películas y documentales. Después del golpe militar del 11 de setiembre de 1973, TiempoNuevo logra salir al exilio vía Argentina. En Buenos Aires (diciembre de 1973), producen un larga duración (LP) con el título "Por Chile! Venceremos". En marzo de 1974, viajan a la RDA, donde se establecen y radicanen calidad de asilados políticos.
Hasta el día de hoy viven y trabajan en Alemania, con Roberto Rivera, el único miembro del conjunto original.
Die bürgerliche Presse will uns immer wieder einreden, dass diejenigen, die nicht zur Wahl gehen, resignierte und sogenannte "politikverdrossene" Mitbürger sind. Menschen, denen alles egal ist und die sich nicht an den angeblichen demokratischen Entscheidungsprozessen beteiligen wollen. Oft werden sie auch als "Partei der Nichtwähler bezeichnet". In Berlin waren es jüngst 34% aller offiziell Wahlberechtigten. Besteht die Berliner Bevölkerung nun aus über einem Drittel Vollpfosten, die immer noch nicht begriffen haben, dass nur durch Wahlen aus Scheiße Gold werden kann?
Nein, so ist es nicht, denn viele Berliner gingen deshalb nicht zur Wahl, weil sie erkannt haben, dass Wählen nichts an den gesellschaftlichen Machtverhältnissen ändert und eine von den Herrschenden betriebene Beschäftigungstherapie ist, um das Volk in Schach zu halten.
Die Gruppe Jugendwiderstand hat sich in Berlin mit vielen geistreichen und kreativen Aktionen für einen Wahlboykott eingesetzt. Hier ihr Bericht.
34% - also ein gutes Drittel der wahlberechtigten Berliner - ist nicht zur Wahl gegangen. Dazu kommen noch die "Ausländer" und "Minderjährigen", die gar nicht erst wählen durften. Damit sind - wie zu erwarten - prozentual wieder diejenigen die stärkste Kraft geworden, die dem bourgeoisen Wahlspektakel ferngeblieben sind. Und das trotz der in diesem Jahr besonders intensiven und massiven Wahlpropaganda der Herrschenden auf allen Kanälen - inklusive des Versuchs, neue Pseudoprotestparteien wie die AfD zu züchten, so chauvinistische Hetze zu fördern und damit auch ihre Gegner wieder verstärkt zur Wahl zu mobilisieren.
Unsere Kieze befanden sich insgesamt de facto im Belagerungszustand. Die ganzen bürgerlichen Parteien und ihre erbärmlichen Jünger, die sich sonst 3,5 Jahre nicht um das Volk scheren, bombardierten plötzlich Hauseingänge und Briefkästen mit ihren leeren Versprechungen und Lügen, belästigten einträchtig an jeder zweiten Ecke Leute auf dem Weg zur Arbeit oder zum Einkaufen.
Die Belegschaften der Wahlstände der verschiedenen Parteien glichen dabei je nach Partei Hipster-, Spießer-, Opfer-, Nerd- und Schnöselansammlungen, insofern es ihnen überhaupt gelang, junge Karrieristen dorthin zu mobilisieren und nicht nur ihre alten kadavergehorsamen Säcke. Normale Jugendliche unserer Klasse sind zu Recht absolut nicht präsent bei den verschiedenen Systemparteien.
Revolutionäre Jugendliche, die in den Straßen gezielt Wahlplakate abrissen oder in anderer Weise gegen die Wahlpropaganda vorgingen, bekamen derweil Lob und offensiven Zuspruch von anderen Jugendlichen aus dem Kiez. Allgemein war auch bei den Verteilaktionen auffällig, dass es eher die angestammte Kiezbevölkerung, Arme, Arbeiter und Migranten waren, die uns zustimmten und positives Feedback gaben, während Yuppies und Hipster in absoluter Mehrheit zu Ablehnung tendierten.
Insgesamt waren laut diversen Presseberichten Pöbeleien, Zerstörungen von Wahlmaterialen bis hin zu direkten Angriffen in diesem Jahr besonders weit verbreitet, was den großen Unmut der Massen und die Bereitschaft zum Widerstand gegen die herrschende Politik verdeutlicht.
Unter den zentralen Parolen "Geht nicht wählen - Keine Stimme dem Ausbeutersystem", "Boykottiert die Wahlen der Bonzen" und "Organisiert euch und kämpft" eröffneten wir basierend auf diesen Erfahrungen unsere Kampagne gegen das Schmierentheater der Berliner Abgeordnetenhauswahlen. Mit einer politischen Erklärung denunzierten wir die Wahlen als nichts verändernden Legitimationszirkus der Herrschenden, mit dem Ziel, die Massen zu betäuben und ans Parlament zu fesseln, riefen dazu auf, sich mit den ärmsten und am meisten ausgebeuteten Teilen des Volkes, speziell der Jugend, in ihrem Hass auf diese Propagandashow zu vereinen und der Wahl einen aktiven Boykott entgegenzusetzen.
In der politisch-ideologischen Auseinandersetzung mit dem aktiven Wahlboykott als korrekter Taktik für Kommunisten und Revolutionäre in der heutigen Zeit, konnten wir in unseren eigenen Reihen mehr Klarheit in dieser wichtigen Frage schaffen und einige revisionistische Standpunkte zerschlagen.
Aktionistische Schwerpunkte der Kampagne waren vor allem Neukölln, daneben Wedding und Kreuzberg, aber auch darüber hinaus gab es (Gegen-)Propaganda im Osten und Westen der Stadt. Viele tausende Plakate und Aufkleber schmückten die Straßen und die Wahlpropaganda der Bonzen und verhalfen damit in Ansätzen den bedeutenden Teilen des Volkes, die keine Illusionen in ihre Wahlen, keinen Glauben auf Veränderung durch sie, kein Bock mehr auf ihre Lügen haben, zu ihrem demokratischen Recht, diese Positionen zum Ausdruck zu bringen. Das fand einiges an Zuspruch. Durch die Verteilung der Materialien an Freunde, Sympathisanten und Genossen anderer Organisationen konnte die Breite der Kampagne noch einmal erweitert werden.
Als kulturellen Beitrag haben wir auch einen kurzen Raptrack mit Musikvideo, der unsere Positionen komprimiert wiedergibt und zum Wahlboykott aufrief, veröffentlicht. Daneben tauchten Stencils, Grafitti und Taggs gegen die Wahlen auf und es gab die oben erwähnten Verteilaktionen unseres Massenflugblatts auf den Straßen.
Außerdem wurden am Hermannplatz und am S-Bahnhof Neukölln Blitzkundgebungen mit Transparent, Megaphon, kurzer Rede und Flugblattverteilung durchgeführt.
Im Rahmen des reaktionären "Wahlkampfes" kam auch die aus Faschisten, Staatsschutzagenten und Lumpen bestehende NPD zur Provokation zum Einsatz. Durch die Gegenmobilisierung kapitulierten die Faschisten allerdings ein weiteres Mal vor der Neuköllner Bevölkerung und versuchten erst gar nicht, ihre Kundgebung am Hermannplatz wirklich durchzuführen. Und auch an der Lipschitzallee im Süden des Bezirkes Neukölln schallte ihnen "Rote Armee und Stalins Partisanen haben die Naziwehrmacht zerschlagen!" entgegen.
Gerade von Seiten der antifaschistischen Szene gab es gute, kämpferische und kreative Aktionen gegen verschiedene ultrareaktionäre und offen faschistische Wahlwerbung, allerdings wurden die Propaganda der herrschenden Lügner, Mörder und Volksfeinde meist unbeschadet gelassen, was der Sache einen äußerst faden Beigeschmack gibt und von einem grundlegend falschen Verständnis der liberal-demokratischen Herrschaftsmaske der Bourgeoisie zeugt.
Von Seiten genuiner anarchistischer Kräfte gab es einiges an militanten Aktionen, und auch auf einigen Demonstrationen aus diesem Spektrum wurde offensiv gegen das Wahlspektakel vorgegangen, so auch gegen die halbantideutsche Sekte "ÖkolinX", die sich dreist als "Wahlplattform der Bewegung" zu inszenieren versuchte.
"Wenn wir vom Feind bekämpft werden; dann ist das gut; denn es ist ein Beweis, dass wir zwischen uns und dem Feind einen klaren Trennungsstrich gezogen haben. Wenn uns der Feind energisch entgegentritt, uns in den schwärzesten Farben malt und gar nichts bei uns gelten lässt, dann ist das noch besser; denn es zeugt davon, dass wir nicht nur zwischen uns und dem Feind eine klare Trennungslinie gezogen haben, sondern dass unsere Arbeit auch glänzende Erfolge gezeitigt hat." sagte der Vorsitzende Mao.
Es ist uns mit dem aktiven Wahlboykott gut gelungen, diesen klaren Trennungsstrich zwischen uns und dem Feind zu ziehen - zwischen der klassenbewussten, proletarischen Jugend und ihren Organisationen, allen wirklichen Gegnern des Imperialismus, sowie den Teilen des Volkes ohne parlamentarische Illusionen auf der einen, und allen bürgerlichen Parteien, allen Verteidigern des imperialistischen Ausbeutersystems, einschließlich des Revisionismus, auf der anderen Seite.
Die Vertreter der Parteien des Ausbeutersystems reagierten auf den Wahlboykott sehr aggressiv. Es gab wüste Beschimpfungen, Gewalt- und Todesdrohungen durch übermotivierte Liberale und zugekokste SPD-Mitglieder (laut Eigenaussage "mit Nahkampfausbildung") bis hin zu Angriffskriegsdrohungen durch Grünenanhänger gegen die USA im Falle eines Trump-Sieges, und auf den Vorwurf, für "Armut und Kriegseinsätze" zu stehen, konterten Sozialdemokratinnen schlagfertig: "Wir machen wenigstens etwas!". Auf der anderen Seite bekamen die Anhänger der Systemparteien, gerade ihrer Jugendorganisationen, die sonst noch jeden Angriff auf die Lebensverhältnisse unserer Klasse, jede imperialistische Gewaltaktion zu verteidigen und mit "realpolitischen Notwendigkeiten" zu rechtfertigen wissen, es hin, sich als bemitleidenswerte, völlig harmlose, pazifistische Daueropfer zu präsentieren, ganz so als hätten ihre Parteien nicht Afghanistan und Jugoslawien verbrochen, als wäre das System, welches sie repräsentieren, nicht der größte Massenmörder aller Zeiten.
So zwitscherten junge Grüne in sozialen Medien: "Diese Jugendwiderstandsleute [...] drohten gerade mich abzustechen. [...] 'Wenn du d. Aufkleber abmachst steche ich Dir mit d. Messer ins Gesicht.' [...] Widerliche Rechte" und JuSos erwiderten "Wurden von denen bedroht. Polizei weiß über die Gruppierung Bescheid. Auch viele SPD-Plakate betroffen." JuSos, die sonst gerne "gegen Deutschland raven" waren plötzlich mit der deutschen Polizei auf der Suche nach bösen roten Plakatklebern, die damit ihren bürgerlichen Wahlzirkus kommentierten. Lokale Spitzenkandidaten der Grünen wie Georg Kössler beschwerten sich online über den Wahlboykott und bettelten um Mitleid und Aufmerksamkeit, während das Linkspartei-Abgeordnetenhausmitglied Höffinghof betonte, wie viele Jugendwiderstand-Aufkleber er so abreiße, und zu Anzeigen riet.
In unserem imperialistischen Staat BRD regiert das Monopolkapital, egal mit welcher Partei an der Spitze - sie sind nur Instrumente der Klassenherrschaft der Bourgeoisie: austausch- und ersetzbar.
Das moralische Dauermantra unbedingt "wegen der AfD!" wählen gehen zu müssen, ist demensprechend Blödsinn. Es soll die Massen vom wirklichen antifaschistischen Kampf abbringen, sie ans System fesseln, ihre Passivität fördern und verharmlost nebenbei all die bluttriefenden Parteien, die mit ihrer imperialistischen Politik der Ausbeutung, Unterdrückung, Hetze, Kriegstreiberei und Völkermord die Basis für Faschismus legen.
Auch wenn es den Herrschenden mit immensem Aufwand - speziell durch die AfD - wie zu erwarten gelang, die Wahlbeteiligung leicht nach oben zu drücken, sank sie im Umfeld bestimmter Wahllokale in Arbeitervierteln Berlins auch weiter, teilweise bis in den 20er %-Bereich.
Die allgemeinen Bedingungen für revolutionäre Politik gegen dieses System sind da. Die Revolutionäre müssen ihre Aufgaben erfüllen, mit den ärmsten Teilen der Massen leben, arbeiten und kämpfen und den Hass auf dieses System organisieren. Der aktive Wahlboykott gegen alle bürgerlichen Parteien ist dabei ein effektives und korrektes Agitationsmittel. Es wäre ein Verbrechen gegen das internationale Proletariat und die Völker der Welt, zu versuchen, die Leute die ihren Glauben in dieses kaputte System verloren haben, in irgendeiner Form wieder zu den bürgerlichen Wahlen zu mobilisieren.
Auf den jetzt gesammelten Erfahrungen werden wir als Jugendwiderstand zusammen mit anderen Kräften in Zukunft - gerade auch überregional im Hinblick auf die anstehenden Bundestagswahlen 2017 - aufbauen, den aktiven Wahlboykott massiv stärken und ausbauen, offensiver werden und mehr Massen einbeziehen. Es gibt nur eine Perspektive, der Blick auf die revolutionäre Geschichte und Gegenwart unserer internationalen Klasse lohnt sich.
"Welche Maske auch regiert, es bleibt im Grunde doch gleich
warte nicht auf Wunder, jetzt ist unsere Zeit - wir sind bereit!
denn die Geschichte unserer Klasse zeigt, dass kämpfen sich lohnt
wir haben nur eine Wahl: Revolution!" Taktikka
Jugendwiderstand
September 2016
Frühere Beiträge "Was die >Tagesshow< verschweigt" erschienen am 25.07.2016, 06.07.2016
Kinder liebten Rolf Losansky nicht nur, weil er so schöne Filme machte - das auch. Er konnte mit ihnen viel Spaß haben, plauderte ernsthaft und humorvoll. Sie merkten gar nicht, dass es dabei auch etwas zu lernen gab. Losansky hatte viel Kontakt mit seinen jungen Zuschauern. Auf Foren stellte er seine neuen Filme vor. Seine Klassiker liefen zuletzt wieder öfter auf Festivals. Mit über 80 war er körperlich und geistig noch so beweglich wie ein großer Bruder der Kinder, doch mit 82 warf ihn ein Schlaganfall aus der Bahn. Mit großer Tapferkeit kämpfte er gegen seine Gebrechen an. Am 15.9. ist er im Alter von 85 Jahren gestorben.
Rolf Losansky wurde 1931 auf der heute polnischen Seite von Frankfurt (Oder) geboren. Er besuchte nach dem Krieg die Arbeiter- und Bauernfakultät, wollte erst Arzt werden, verfiel dann aber bald "mit Haut und Haaren", wie er sagte, dem Film. Nach einem Studium an der Babelsberger Filmhochschule lernte er unter anderem bei dem ein Jahr jüngeren Frank Beyer, der da schon ein Meister war und dem er 1962 bei "Königskinder" und "Nackt unter Wölfen" assistierte. Vor drei Jahren feierte Losanksy mit verschiedenen Veranstaltungen das 50. Jubiläum der Premiere seines ersten DEFA-Films für Kinder "Das Geheimnis der 17", in dem junge Pioniere phantasievoll Ereignisse der Hussitenkriege erforschen. Beim erwachsenen Publikum wurde der Kurzfilm "Motorradhelden" (1964) populär, eine moderne "Hase und Igel"-Geschichte mit dem rotzfrechen Manfred Krug ("Ich bin ein Mann mit Rädern dran") und der gewitzten Angelica Domröse. Mit anderen Komödien hatte Losansky weniger Glück, so dass er sich auf seine Stärken besann.
Sein Kinderfilm "Die Suche nach dem wunderbunten Vögelchen" (1963) nach Franz Fühmann bot Verfolgungsjagden, echte Wunder, eine Kriminalhandlung. Losansky blieb dieser Mischung aus Phantasie und Realismus in vielen seiner Filme treu. "Blumen für den Mann im Mond" (1975) und "Der lange Ritt zur Schule" (1981) folgten diesem Prinzip, auch "Friedrich und der verzauberte Einbrecher" (1996) noch. Das Szenarium zu letzterem hatte Christa Kozik geschrieben, mit der Losansky besonders eng zusammenarbeitete. Aus dem gemeinsamen Erfolgsfilm "Moritz in der Litfaßsäule" (1983) machten die beiden vor einigen Jahren ein ebenso erfolgreiches Theaterstück. Dem Duo war es immer wichtig, die kindlichen Zuschauer nicht in eine Märchenwelt, sondern in die der Erwachsenen zu führen, die vor ihnen liegt und keinen Grund für Angst bietet.
Als Losanskys Tod bekannt wurde, fanden sich in Nachrufen einige seltsame Formulierungen. Auf viele Festivals habe er erst mit seinem letzten, 1992 entstandenen DEFA-Film reisen können, hieß es da beispielsweise. Dem steht entgegen, dass er schon 1975 und 1978 Preise auf dem spanischen Kinder- und Jugendfestival in Gijón erhielt (zunächst für "...verdammt, ich bin erwachsen", dann für "Ein Schneemann für Afrika"). Und 1987 wurde sein "Schulgespenst" mit dem Blauen Elefanten der Kinderjury in Essen ausgezeichnet.
So ganz richtig ist auch nicht, dass "Hans im Glück" (1999) Losanskys letzter Film war. Nach kleineren Arbeiten stellte er 2012 noch "Wer küsst Dornröschen?" vor. Neben Kindern treten Gojko Mitic, Karin Düwel und Karsten Troyke in diesem Film über einen Film auf, in dem Kinder das Märchen von Dornröschen nachspielen. In der medienpädagogischen Arbeit wurde dieser Film eingesetzt, den Losansky mit Ralf Schlösser drehte, seinem Hauptdarsteller in "...verdammt, ich bin erwachsen". Jahrzehntelang hielt Losansky Darstellern und Mitarbeitern die Treue. Beständig war auch sein Einsatz für den Filmclub "Olga Benario" in Frankfurt (Oder), den er vor 39 Jahren mitbegründet hatte, und wohin er immer wieder zurückkehrte. Noch im vergangenen Jahr trat seine Tochter Danka dort in seinem Namen auf, als die Medienarbeit des Clubs durch mangelnde Förderung in finanzielle Nöte geriet. Nicht nur an der Oder trauert man jetzt um einen Großen des deutschen Kinderfilms.
Der Text erschien zuerst am 20.09.2016 in der Jungen Welt.
Frühere Artikel von Frank Burkhard erschienen am: 22.09.2016, 08.09.2016, 26.08.2016, 19.05.2016, 11.05.2016, 22.04.2016, 13.04.2016, 26.02.2016, 16.02.2016, 15.02.2016, 20.01.2016, 01.01.2016
There is currently too much dramatic news abroad in the world, mostly bad. What can an election in one single city mean, far from most fronts? Yet the voting in Berlin last Sunday (September 18th) was full of drama and meaning, also outside Germany. The results caused some to grieve, some to applaud and analysts like soothsayers to turn to arithmetic.
Angela Merkel's party, the CDU, hitherto junior partner in the Berlin government with the SPD (Social Democrats), took one more painful beating in a growing series, with its lowest results in recent history, a measly 17.6%. Some of the blame rests on the beefy shoulders of the local party leader, whose campaign in a city full of problems - jobs, rent, fares, education - stressed more cops, the introduction of Tasers and greater repression generally. He will now almost certainly have to swap his handsome office as deputy mayor for a chilly opposition seat in the city legislature. And poor Ms. Merkel had to face his gloomy adherents, eat some crow, and say that her famous "We'll manage it!" slogan had led to unexpected and difficult consequences. Indeed, a major cause for the CDU losses lies with the immigrant issue and with those welcoming words of Merkel, among the few decent ones in her entire time in office, but which led to last year's influx of a million refugees. Her welcome, however much she now dilutes and alters it, is being used against her by all those in politics or the media, whose constant "straight, factual" accounts of every foreigner's crime or misdemeanor are overfull of dog-whistle hints to the racists. Her sister party in big, rich Bavaria (the only such single-state party), fearful of further slipping from its usual majority rule, is foremost in attacking its presumed sibling, always in proper suit-and-tie language but with the old lederhosen-dirndl distrust of outsiders visible underneath. Merkel is even being forsaken in her own party by further-right forces, and her sinking popularity ratings are already endangering her twin jobs as party leader and chancellor. She could well grieve at the Berlin results.
But there was not too loud rejoicing either at the headquarters of the SPD (Social Democrats), whose Mayor Michael Müller has been cultivating every possible difference with his till-now partners. They are indeed out, as desired, while he is still in and will remain in his prestigious office. But alas, although the SPD still stayed ahead of all the others, its results, 21.6% (2011: 28.3%) marked a bigger loss, the biggest in its history. With this grievous result, and with no two parties able to get the necessary 50% of seats in the legislature, the next ruling government (called the Senate in Berlin) will now require three parties to reach that number.
Aside from the conservative Free Democrats, who now squeeze back into the legislature with 6.7%, the party which really rejoiced at the results was by far the most dangerous, the Alternative for Germany (AfD) which, in this first electoral try in Berlin, got 14.2% which gives them 25 seats out of 160. Though well under recent wins in bigger East German states, the number was higher than in Germany's two other city-states, Hamburg and Bremen and was a nasty, frightening blow to a city which likes to boast of being open-minded and cosmopolitan. It was also an omen for the federal elections next year, when it may well get a similar vote. Indeed, it was an alarm call for the entire world. Based on hatred of foreigners, with a stress against Muslims, it was this platform plank which won it most votes, especially from worried, insecure and increasingly nationalist voters in some areas of East Berlin. What few of its supporters even noticed, it is also a party backing less taxes for the millionaires, less support for the needy, less equality for women, but more weapons and more aggressiveness outside German borders. Its rise is part of a wave, almost a tsunami, now engulfing one European country after the other; its ideas are established at the top in Poland, Hungary and the Baltic countries, are shared by coalition partners in most of Scandinavia, and threaten to win out in Austria, the Netherlands and France. It has not yet reached such strength in the strongest of them all, Germany, but it is gaining momentum.
Back in Berlin, it looks as if the SPD will, or almost has to choose both the Greens and the LINKE as government partners, especially after the LINKE surprised nearly everyone by gaining votes while others lost, with 15.6% (2011: 11.7%), even beating its Green rivals by a few hairs (they got 15.2%). All three strongly opposed the AfD, a key point in bringing them together. There are other points of agreement. But in all coalitions which the LINKE ever joined they diluted their positions so much that they were often undistinguishable from the other parties - and for the voters, who always punished them, sometimes turning to the right - and the AfD. Will they make too many compromises again this time or will they, though partners, take more aggressive positions and seek support in the population? It was interesting to note that the LINKE party gained most of all in working-class areas of West Berlin, where its members were more militant than in East Berlin, whose often elderly members, hold-overs from GDR days, were not too accustomed to demonstrating out in the streets.
These issues also matter on the national scene. It seems possible that after the elections next September, the SPD may there, too, break its current ties with the CDU - with or without Merkel - and seek the votes of the Greens and the LINKE, which could perhaps add up to a majority with new, different scenery.
It would demand compromises from the LINKE in such a case, especially the approval to using German troops abroad - even when that clearly furthers German expansionist policies. The LINKE has hitherto said it will not agree to such a compromise, but will for its part make demands. One of them is the rejection of the trade deals with the USA - known as TIPP, and the equivalent deal with Canada, called CETA. Both are favorable only to big business, especially the ever smaller group of ever greater monopolies already dominating the world.
The head of the SPD, Sigmar Gabriel, formerly favored both treaties, like Merkel. Under great pressure from huge numbers of Germans he qualified his support for TTIP (or at least seemed to - much like a political candidate in the USA). But a CETA decision is due this year, and Gabriel insisted on approving it. Last Saturday, one day before the Berlin vote, there were demonstrations against CETA and TTIP in seven major cities, supported by many organizations on the left, ecological groups and, most important, at least the two biggest unions, IG Metall and Ver.di (with workers mostly in city and state jobs). It was a wonderful protest. I took part in Berlin, with about 70,000 others, starting off on the street in front of my house and marching off - all highly-motivated, determined - and happy that the pouring rain at the start quickly ceased. The similar marches in the other cities were not quite so big as in Berlin, of course, but all big for their cities - and adding up to over 300,000! Even the police estimated close to 200,000!
On Monday SPD leaders met in secret session to decide on their party's position toward CETA. Many grass roots groups and initiatives, even the affiliated Young Socialists, all demanded a No to CETA. Gabriel's reputation and future status were on the line. And he won. The influence of big business was stronger than that of even the biggest unions and the hundreds of thousands who demonstrated. He promised a few changes in CETA, compromises to overcome opposition, and in the end his prayers were answered - he got the desired Yes vote.
The question remained relevant - and not unrelated to similar questions elsewhere in the world. Could one agree to join a government headed by a man like Gabriel, with all that stood behind him? The question was not quite so easy to decide in light of the threat from the nearly-fascist danger from the AfD. But it was certainly a question which will dominate German politics in the coming year and have unforeseeable results.
SPD ------- 21.6 % ---- (2011: 28.3 %)
CDU ------- 17.6 % ---- (2011: 23.3 %)
LINKE ----- 15.6 % ---- (2011: 11.7 %)
Greens --- 15.2 % ---- (2011: 17.6 %)
AfD -------- 14.2 % ---- (2011: 0.0 %)
FDP --------- 6.7 % ---- (2011: 1.8 %)
More by Victor Grossman: Berlin Bulletin No. 117, No. 116, No. 115, No. 114, No. 113, No. 112, No. 111, No. 110, No. 109, No. 108, No. 107, No. 106, No. 105, No. 104, No. 103, No. 102, No. 101.
Ein einziges Mal ging der Goldene Bär der Berlinale an eine DEFA-Produktion. Rainer Simon nahm ihn 1985 für seinen subtilen Antikriegsfilm "Die Frau und der Fremde" entgegen, der nach einer Vorlage von Leonhard Frank entstanden war. Dieses Werk sei oft genug wiederaufgeführt worden, befand Simon, als man ihn fragte, welche Filme er sich für die Präsentation einer umfassenden Monographie zu seinem Œuvre wünsche, die soeben in der Schriftenreihe der DEFA-Stiftung erschienen ist. Auch "Jadup und Boel", sein letzter Gegenwartsfilm von 1981, der erst 1988 uraufgeführt wurde, wird immer mal wieder öffentlich diskutiert. Und so fiel die Wahl auf "Till Eulenspiegel" von 1975. Nach mehreren Kinder- und Jugendfilmen des Regisseurs war das sein erster für ein erwachsenes Publikum.
Zur Buchvorstellung kam dann nicht nur die verdienstvolle Schnittmeisterin dieses eher essayistischen Episodenfilms, Helga Gentz, am Montag abend ins Berliner Kino Arsenal, sondern auch Hauptdarsteller Winfried Glatzeder. "Das war deine beste Rolle!" rief Rainer Simon dem Star unwidersprochen zu und berichtete im Gespräch mit dem Herausgeber des neuen Bandes, Michael Grisko, von Aufführungen des Films in Mexiko, wo es angesichts eines damaligen Papstbesuchs Szenenapplaus für die antiklerikalen Passagen gab. Bei anderer Gelegenheit in Washington hätten die Zuschauer den Film atemlos verfolgt und sich danach bei ihm erkundigt, ob er denn keine Angst hatte, selbst gehenkt zu werden.
Tatsächlich war das Filmprojekt nicht einfach durchzusetzen. Christa und Gerhard Wolf hatten zunächst einen Zweiteiler nach dem Volksbuch verfasst. Für die Verfilmung hatte die DEFA nicht genügend Kapazitäten, und so machte Simon daraus durch Kürzungen einen Einteiler. Bei der Abnahme des Films im Studio waren die Kollegen angesichts zahlreicher Anspielungen auf die DDR-Gesellschaft in zwei Parteien gespalten. Es gab vehemente Befürworter und verärgerte Ablehnung. Die versteckte Kritik wurde durchaus erkannt.
Der neue Sammelband widmet fast jedem Spielfilm von Simon ein eigenes Kapitel. Über den "Eulenspiegel" schreibt der Flensburger Hochschulprofessor Günter Helmes. Mit seinem gedanken- und assoziationsreichen Text und ellenlangen Fußnoten erweist er sich als ganz dem Wissenschaftsbetrieb zugehörig, was der Lesbarkeit des Textes nicht gerade entgegenkommt. Wenn er den punktuellen Einsatz der Filmmusik von Friedrich Goldmann analysiert, heißt es beispielsweise: "In solchen Momenten gibt sich der Film ganz unumwunden als Artefakt bzw. als (theoriegeleitete) Interpretation eines (fiktiven) Geschehens etc. zu erkennen, 'warnt' also ausdrücklich davor, als (Reproduktion von) Wirklichkeit bzw. als objektivistische Indifferenz missverstanden zu werden." Einer der nachvollziehbareren Sätze des Aufsatzes.
Sehr richtig bemerkte Michael Grisko bei der Buchvorstellung, dass in Simons Filmen über die Musik eine zweite ästhetische Ebene zu entdecken sei. Und im Aufsatz zu "Der Fall Ö.", dem zweiten Film dieses Montagabends (Simons letztem DEFA-Film von 1991), wird Roland Dressels Kameraarbeit mit den Worten hervorgehoben: "Kamera ist wie Musik." Weiter heißt es da: "Dazu tritt die Wirkung der Musik von Friedrich Schenker, die nur an den Punkten eingesetzt wird, wo es um die Griechen geht. Sie ist total aufstörend, weist uns in sanft-greller Form auf das eigentliche Unrecht hin." Das schrieb Erika Richter, Filmwissenschaftlerin und ehemalige DEFA-Dramaturgin, verständlicher Sprache mächtig.
Für "Der Fall Ö." hatten Ulrich Plenzdorf und Simon eine Vorlage von Franz Fühmann bearbeitet, die 1974 schon einmal von Kurt Jung-Alsen für das Fernsehen adaptiert worden war: Im von deutschen Truppen besetzten Griechenland geht ein kunstsinniger Hauptmann 1944 seiner Liebhaberei nach und lässt mit Soldaten und Einheimischen Sophokles' "Ödipus" für einen Schmalfilm nachstellen. Was Simon an diesem Stoff interessierte, war der Zwiespalt zwischen der konkreten und der historischen Situation, in dem sich diese Deutschen befinden; die seelische Deformation, der sie unterliegen.
Er hat den Film vor ein paar Monaten erstmals in Griechenland einem positiv überraschten Publikum vorgestellt. "Eine zentrale Frage, welche der Film aufwirft, ist die nach der Verantwortung jedes einzelnen im Laufe der Geschichte, sie ist zeitlos aktuell, besonders dramatisch stellt sie sich in Kriegs- und Krisenzeiten", sagte der Regisseur, der sich immer auf die Seite der Unterdrückten gestellt hat. Zweifellos ist dieser Film nach Fühmann ein unterschätztes Meisterwerk, das wiederentdeckt werden sollte. Ein Lapsus, der wohl niemandem auffiel, unterlief Erika Richter in ihrem Beitrag übrigens doch. Sie unterstellt Franz Fühmann, dass er sich zu Simons Verfilmung nicht positioniert habe, aber bei einem 1990 entstandenen Film kann man das dem 1984 verstorbenen Autor nicht anlasten.
Für seinen DEFA-Film "Die Besteigung des Chimborazo" von 1989 traf Rainer Simon an Originalschauplätzen von der "Zivilisation" abgetrennte Völker, für die er sich fortan persönlich, aber auch mit Filmen engagierte. "Ich habe damit etwas gefunden, was Sinn macht, was in der heutigen Gesellschaft kaum möglich ist. Es reagieren Geld, Gier und Neid. Ich musste mich nicht auf Fernsehproduktionen einlassen - daran wäre ich zugrunde gegangen" sagte Simon im Arsenal. Es juckt den 75jährigen, heute noch einmal einen Film zu einer alle Bevölkerungsgruppen betreffenden Thematik zu machen. "Wie wir mit Flüchtlingen umgehen - dazu hätte ich viel zu sagen!"
Michael Grisko (Hg.): Die Zeit, die Welt und das Ich. Zum filmischen Werk von Rainer Simon. Schriftenreihe der DEFA-Stiftung, Berlin 2016, 216 S., 29 Fotos, 14,90 €
Der Text erschien zuerst am 09.09.2016 in der Jungen Welt.
Frühere Artikel von Frank Burkhard erschienen am: 08.09.2016, 26.08.2016, 19.05.2016, 11.05.2016, 22.04.2016, 13.04.2016, 26.02.2016, 16.02.2016, 15.02.2016, 20.01.2016, 01.01.2016
Die interessierte Fachwelt ist sich nicht ganz einig, ob die LINKE bei den Berlin-Wahlen nun gewonnen oder verloren hat. Sie hat zugelegt, zweifellos, aber auch abgenommen - und jetzt ist die Frage, wie gesund das für eine linke sozialistische Partei ist.
Zu den Fakten, wo die LINKE gewonnen und verloren hat, wurde schon einiges gesagt. Die sozialen Verhältnisse in Deutschland und gerade in Berlin polarisieren sich. Große Teile der ArbeiterInnenklasse, gerade die Teile die zu den Abgehängten gehören, das "urproletarische" Milieu sozusagen, erwarten eine politische Antwort auf diese Polarisierung. Die AfD mit ihrer Angstkampagne und dem alten Nazi-Motto, "Jetzt hilft nur noch AfD" hat das begriffen und hat leider Erfolg. Die LINKE müsste eine ähnlich klar polarisierte und polarisierende Wahlkampagne nach dem Motto "Wir hier unten, ihr da oben" organisieren, in deren Mittelpunkt allerdings nicht die Angst, sondern die Hoffnung steht. Die Hoffnung auf eigene Gegenwehr und eigene Alternativen. Eine solche Kampagne hat die LINKE nicht gemacht, deshalb hat sie Stimmen in diesem Sektor der Abgehägten verloren.
Die LINKE hat im besser gebildeten und großstädtischen Milieu Stimmen gewonnen, weil die SPD und die Grünen darin mehr oder weniger verschissen haben. Diese Stimmen hätte die LINKE allerdings auch erhalten, wenn sie eine Kampagne wie oben gewünscht gemacht hätte. Ein "Entweder-Oder" zwischen diesen WählerInnenmilieus, wie es Heinz Hillebrand, Kahrs und andere heute konstruieren, gibt es nicht. Programmatische Alternative und Protestpartei - das passt sehr gut zusammen. Ein Wahlkampf der LINKEN, der die politischen Subjekte und nicht nur Objekte und abstrakte Opfer der Verhältnisse anspricht, der keine Stellvertreterpolitik, sondern Mut zur Selbstermächtigung macht, hätte diese beiden Seiten einer linken Partei zusammenführen können.
Nichts zu tun hat all dies mit einem Lagerwahlkampf. Ein Lager definiert sich ja wohl so, dass alle Beteiligten ihren Anteil haben, ein bestimmtes gesellschaftliches Bedürfnis auf der Wahlebene zu bedienen. Von einem solchen Klima ist in Deutschland leider nicht viel zu spüren. Weder gibt es dieses gesellschaftliche Bedürfnis, noch gewinnen die angeblichen Lagerteilnehmer ihren jeweiligen Sektor. Im Gegenteil, sie nehmen sich schlicht gegenseitig die Stimmen weg. Schönes Lager. Deshalb ist z.B. die Höhn'sche Differenzierung, SPD und Grüne seien Konkurrenten, die CDU sei der Gegner, politischer Unfug hoch drei.
Auch die Berliner Wahl ist für die R2G-Theorie eine einzige Blamage, und wenn es zu einer Regierung dieser drei Parteien kommen sollte (Was Marx, Lenin, Luxemburg, Trotzki und alle anderen unserer Götter und Göttinnen verhindern mögen!), weil keine andere Variante technisch machbar ist, dann wird es eine Verwaltungs-Allianz ohne jegliche Inspiration, in der die einzige Siegerpartei vom 18. September die erste Verliererpartei werden wird.
Über den Autor:
Thies Gleiss hat 30 Jahre lang in Köln als Maschinenschlosser gearbeitet
und ist jetzt zwangsweise frühverrentet. Er ist aktiv in der IG Metall, im
Parteivorstand der LINKEN und einer der Bundessprecher der AKL.
Zwei Hobbies motivierten mich zu meiner Berufswahl - das Fotografieren und das politische Lied. Und so waren wie für viele andere, denen ich mich verbunden fühle, in der DDR jährlich Tage im Februar und im August herausragende und unvergessliche - die beim Festival des Politischen Liedes und beim Liedersommer der FDJ. Dort trafen sich Menschen von allen Kontinenten, sangen, tanzten und diskutierten über die Möglichkeiten, eine Welt ohne Kriege zu schaffen.
Tommy Sands aus Irland war einer derjenigen Sänger, die mich besonders beeindruckten. Darum danke ich den Organisatoren des diesjährigen VíctorJara & DeanReed Festivals von ganzem Herzen, dass sie eine Wiederbegegnung mit diesem großartigen Sänger ermöglichten.
Gern nutze ich die Möglichkeit, euch hier an diesen Stunden durch einige Foto-Impressionen vom Festival am 10. September teilhaben zu lassen. Mein großer Wunsch ist es zu ermöglichen, dass Tommy Sands oder er zusammen mit seinen Geschwistern mit "Sands Family" bald eine Möglichkeit für ein weiteres Konzert in Berlin erhält.
Meine Website: www.gabrielesenft.de
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The marriage of Monsanto with Bayer breaks records not only due to its size but because of its evil smell, and not only due to Monsanto's reputation for deadly trails of everything from disappearing wild flowers and butterflies to poverty-stricken family farmers forced to buy its seeds and pesticides.
For Bayer, perhaps best known for its aspirins, so helpful ever since 1897, or other useful medicines, has a trail marked with death in far, far greater numbers. It was Bayer, together with two other chemical giants, BASF and Hoechst, which developed the terrible chlorine gas used in World War I. In 1925 the three formed a giant cartel, IG Farben (Joint Interest Association Dyes), which became the world's leader in pharmaceutics, dyes and chemicals, often after deals with DuPont and Standard Oil.
During the early 1930's, IG Farben became the single largest donor to the election campaign of Adolph Hitler. Though slightly reluctant at first because some of its key scientists were Jewish, in the decisive year before Hitler won power IG Farben donated 400,000 marks to him and his Nazi party. This was amply rewarded; IG Farben, with Bayer, became the single largest profiteer of German conquests in World War Two.
In a letter to IG Farben manager Fritz ter Meer in early 1941, Dr. Otto Ambros praised IG Farben's friendship with the SS in speeding construction of its Auschwitz-Buna plant and wrote of a banquet given by the camp management where "all measures were worked out for utilizing the truly outstanding management of the concentration camp to the best advantage of the Buna factory."
Although Auschwitz was the largest, most fearful site in history for annihilating human beings, its basic goal had been a giant IG Farben complex to produce synthetic gasoline and rubber as part of its plans to conquer Europe and the world.
IG Farben was not only interested in fuel and rubber. Correspondence between Bayer managers and the Auschwitz commander included such exchanges: "With a view to the planned experiments with a new sleep-inducing drug we would appreciate it if you could place a number of prisoners at our disposal (...)" - "We confirm your response, but consider the price of 200 RM per woman to be too high. We propose to pay no more than 170 RM per woman. If this is acceptable to you, the women will be placed in our possession. We need some 150 women (...)" - "We confirm your approval of the agreement. Please prepare for us 150 women in the best health possible (...)" - "Received the order for 150 women. Despite their macerated condition they were considered satisfactory. We will keep you informed of the developments regarding the experiments (...)" - "The experiments were performed. All test persons died. We will contact you shortly about a new shipment."
IG Farben also had another interest in Auschwitz. For those too old, too small or too weak to work, it had Zyklon B, designed and produced by an IG Farben subsidiary, Degesch.
When their conquest plans collapsed and their genocide was ended, the world expected that such men would be punished, and in August 1947 the US-organized Nuremberg War Criminal Tribunal against IG Farben began, with U.S. prosecutor Telford Taylor stating: "These IG Farben criminals, not the lunatic Nazi fanatics, are the main war criminals. If the guilt of these criminals is not brought to light and if they are not punished, they will represent a much greater threat to the future peace of the world than Hitler if he were still alive."
But the atmosphere in Germany had changed, old foes were replaced by new ones. In July 1948, after nearly a year, ten of the 24 defendants were acquitted and 13, though found guilty on some of the charges of mass murder, slavery and crimes against humanity, were sentenced to mild prison terms of one and one half to eight years, including time already served.
IG Farben was also split up. But its three main components, now separate again, and urgently needed in a quickening Cold War, grew until each one became 20 times bigger than IG Farben as a whole was at its height in 1944, the last year of the war. By 1952 the new West German government of Konrad Adenauer had amnestied and released the last of those imprisoned, who were soon back in leading positions in the world of chemicals and pharmaceuticals.
As for the two men quoted in the letter above, Fritz ter Meer, a managing board member at IG Farben from start to finish, and as Wartime Manager responsible for IG Auschwitz, said at the trial, defending himself: "Forced labor did not inflict any remarkable injury, pain, or suffering on the detainees, particularly since the alternative for these workers would have been death anyway." A few years after his release from prison, Fritz ter Meer was reinstated as a managing board member of Bayer. All three sibling firms BASF, Bayer and Hoechst (which later merged with the French company to form Aventis) soon filled their highest positions with former Nazis.
The man who wrote the above letter, Otto Ambros, who had been responsible for choice of location, planning, building and running of IG Auschwitz as operations manager, got - for enslavement - the "toughest" sentence, eight years. After his release in 1952 he became, one after the other, deputy chairmen, chairman or member of the board in a dozen chemical companies. Best-known was Chemie Grünenthal, which was guilty of selling the thalidomide drug (or Contergan) long after it seemed evident that, if taken by pregnant women, their babies could suffer from missing limbs or other deformities. Until 1959 it was sold in 46 countries with a label that it could be "given with complete safety to pregnant women and nursing mothers." Up to 10,000 children were affected.
In 2008, researchers in England discovered a link between thalidomide and drugs researched during the war, quite probably one of those developed under the leadership of Otto Ambros during nerve gas research. Until then the company always claimed that previous research data had been lost, presumably during the war.
Untroubled by doubts, the U.S. Department of Energy (formerly the Atomic Energy Commission), hired Ambros as a consultant on coal hydrogenation based on IG Farben research. Asked about hiring a convicted war criminal, the Department insisted that all relevant paperwork had been lost.
When a reporter for the San Francisco Chronicle asked Ambros in a telephone interview about his 1948 conviction at Nuremberg for mass murder and slavery, he answered:
"That happened a very long time ago. It involved Jews. We do not think about it anymore."
Those wartime IG Farben men are all dead. Their companies flourish. And Bayer has been accused in recent years of unethical medical experiments, selling drugs shown to be risky, hindering developing countries from developing vital medications, and using imported materials produced by child labor. The most serious charge, perhaps, is that a Bayer subsidiary, H.C. STARCK, was partly responsible for the long, bloody civil war in the Congo Democratic Republic, and invpolving the winning of various minerals but above all the valuable coltran, of which it is the main producer.
Until now sibling BASF was the largest chemical firm in the world. If the deal holds, it will now be overtaken by Bayer-Monsanto. Any hopes that Bayer will somehow be bettered in its ways under the influence of Monsanto seem at the least unrealistic.
More by Victor Grossman: Berlin Bulletin No. 116, No. 115, No. 114, No. 113, No. 112, No. 111, No. 110, No. 109, No. 108, No. 107, No. 106, No. 105, No. 104, No. 103, No. 102, No. 101.
Schon einige Jahre gibt es in Berlin ein Festival für Dean Reed und eins für Víctor Jara. Beide waren Schauspieler, Musiker, Sänger, beide waren links und sind nun schon lange tot, Dean Reed genau 30 Jahre, Víctor Jara schon 43 Jahre. Dean war US-Amerikaner, der zuletzt in Ost-Berlin lebte, Víctor Jara war Chilene. Bei Dean Reed deutet vieles auf Suizid hin, Víctor Jara wurde 1973 nach dem Putsch Pinochets gegen die linke Volksfrontregierung Salvador Allendes ermordet. Beide kannten sich, haben 1970/71 in Chile mehrere Monate gemeinsam Wahlkampf für Salvador Allende gemacht.
Erstmalig nun haben die Veranstalter beider Festivals ihre Feier zusammengelegt. Sie fand am 10. September im Berliner Gebäude der Zeitung "Neues Deutschland" statt - mit zahlreichen Höhepunkten, vor allem der abendliche Auftritt des prominenten irischen Folksängers Tommy Sands.
Am frühen Nachmittag las zunächst Ingo Karras, Mitarbeiter des Dean-Reed-Website-Teams, aus "Der rote Elvis", einer Biografie über Dean Reed. Er erinnerte daran, wie Dean Reed 1970 in Chile vor der USA-Botschaft in Santiago die amerikanische Fahne wusch, aus Protest gegen den Vietnam-Krieg und angesichts der großen Benachteiligung der afroamerikanischen Bevölkerung in den USA. Dean Reed wurde damit ein Held der chilenischen Linken und Ehrengast bei der Präsidenten-Einführung von Salvador Allende. Dort traf er erstmals auch auf Víctor Jara.
Über diesen sprach als nächste Ina Möller, Mitarbeiterin der Onlinezeitung American Rebel. Jara wurde 1932 als Sohn einer Wäscherin und eines Landarbeiters geboren. Nach seinem Studium wurde er ein bekannter Schauspieler und Regisseur. Mit der Zeit machte er sich auch als Sänger - mit einer phänomenalen Stimme - und als Liedermacher einen Namen. Er unterstützte die "Unidad Popular" Salvador Allendes und wurde zur Stimme der Hoffnung des einfachen chilenischen Volkes. Nach dem faschistischen Putsch 1973 wurde er wie tausende andere im Nationalstadion von Santiago de Chile interniert und schließlich erschossen.
Der in Berlin lebende chilenische Musiker Lautaro Valdés sang sodann zur Gitarre zwei Lieder von Víctor Jara - mal verhalten und dann wieder kämpferisch. Dazu wurden Fotos von Dean Reed eingespielt - von seinen ersten Besuchen in Chile, wie er vor Publikum redet, wie er singt.
Zum Thema passend waren auch Einspielungen aus der dreiteiligen Dokumentation "Die Schlacht um Chile" von Patricio Guzmán. Dieser hatte die Veränderungen in Chile unter der Unidad Popular filmisch begleitet und wurde nach dem Putsch ebenfalls im Nationalstadion in Santiago festgehalten. Doch Guzmán besaß neben der chilenischen auch die spanische Staatsbürgerschaft und konnte nach 15 Tagen Gefangenschaft außer Landes gehen und sein Filmmaterial herausschmuggeln. Sein Film bringt überaus interessante Fakten, etwa wie faschistische Offiziere Chiles den Putsch mit Hilfe der USA vorbereitet haben. Guzmáns Film unterliegt noch heute in Chile der Zensur.
Im Nationalstadion Santiagos gelang es Víctor Jara vor seinem Tode noch ein letztes Gedicht zu schreiben. Dieses verlas Andrea Witte vom Dean-Reed-Website-Team. In dem ergreifenden Poem heißt es: "Was für ein Grauen die Fratze des Faschismus schafft! / Sie führen ihre Pläne mit der Präzision von Messern aus./ Ihnen ist alles gleich / Für sie ist Blut wie ein Orden./ Schlächterei eine Heldentat. / O Gott, ist das die Welt, die du geschaffen hast? ... Wie schwer ist das Singen, wenn ich den Schrecken singen muss. Den Schrecken, den ich lebe, den Schrecken, den ich sterbe."
Als nächstes sang die kubanische Sängerin Twin Aguas del Rio zur Gitarrenbegleitung zwei Lieder. Das erste stammt aus der Feder des wohl bedeutendsten kubanischen Singer-Songwriters Silvio Rodriguez. Er hatte Chile 1972 besucht und war von Victor Jara empfangen worden. Zurück in Kuba, nach dem Putsch, schrieb er dieses Liebeslied an Chile. Selbst die große Entfernung und das Militär kann ihn nicht von seiner Liebe abhalten.
Der in Berlin lebende US-amerikanische Publizist Victor Grossman, der Dean Reed gut kannte, erinnerte daran, dass Dean eng mit der armen Bevölkerung Chiles verbunden war und dass er Mut bewiesen hat, als er 1983 in das faschistische Chile reiste und dort vor Studenten und Bergarbeitern linke Lieder sang. Auch heute wäre er bei den aktuellen Kämpfen in Lateinamerika, so ist sich Victor Grossman sicher, mit ganzem Herzen dabei.
Der Filmpublizist F.-B. Habel leitete sodann eine Diskussionsrunde zu Deans Fernsehfilm "El Cantor", der die letzten Wochen von Víctor Jara frei nachzeichnet und 1978 im DDR-Fernsehen gezeigt wurde. Reed hatte dabei in Personalunion das Drehbuch geschrieben, Regie geführt und die Hauptrolle übernommen. Und er hatte zuvor wiederholt mit Víctors Witwe Joan Jara gesprochen sowie in Kuba mit Genossen, die im Nationalstadion Santiagos mit Victor zusammen waren. Ausgehend von dem Film erörterten mehrere Anwesende die Rechtstendenzen in Südamerika, aber auch in der Türkei, in Europa und in Deutschland.
Am Abend stand dann Tommy Sands im Willi-Münzenberg-Saal des ND-Gebäudes auf der Bühne. Tommy war und ist Mitglied der Sands Family, eine der einflussreichsten und weltweit bekanntesten Folk-Gruppen Irlands. Er ist auch der wichtigste Songwriter der Gruppe. An diesem Abend trat er solo auf, begleitete sich selbst zur Gitarre. Er sang unter anderem sein Lied "There Were Roses", das als einer der besten Songs, die je über den Nordirland-Konflikt geschrieben wurden, gilt und in viele Sprachen übersetzt wurde. Es erzählt die Geschichte von zwei Freunden von Tommy, der eine Katholik, der andere Protestant, die beide sterben mussten, obwohl sie Freunde waren. Alles wegen eines jahrhundertealten Hasses und einer grausamen Spirale der Gewalt. Weiter sang Sands seinen aktuellen "The Refugee Song" über einen Flüchtling, der im Meer umkommt. Beim Schreiben des Songs, so erklärte er, hatte er auch den kleinen Jungen im Kopf, der tot an der Küste der Türkei angeschwemmt worden war. Zum Schluss seines etwa einstündigen Konzerts brachte Tommy dann einen seiner bekanntesten Songs: "Your daughters and your sons" mit den Zeilen: "Well they taunted you in Belfast/ And they tortured you in Spain/ And in that Warsaw ghetto/ Where they tied you up in chains/ In Vietnam and in Chile/ Where they came with tanks and guns/ It's there you sowed the seeds of peace/ In your daughters and your sons..."
Cantaré (ich werde singen) heißt der Refrain eines argentinischen Liedes von der Hoffnung auf ein besseres Lateinamerika. Und so heißt auch die Gruppe, die nach Tommy Sands fast bis Mitternacht spielte. Ursprünglich 1978 inspiriert von chilenischen Gruppen wie Quilapayún und Inti Illimani gegründet, besteht die dritte und heutige Formation inzwischen auch schon wieder 20 Jahre. Mit seinen drei Brandenburger Mitstreitern entführte Bandchef Matthias Nitsche das Publikum in verschiedene Jahrhunderte und mehrere Länder Lateinamerikas, so nach Chile, Argentinien, Peru oder Kuba. Dabei stellte die Gruppe einige der über 20 verwendeten lateinamerikanischen Instrumente vor, so verschiedene indigene Flöten wie die doppelreihige Zampona oder die Quena oder eine kleine venezolanische Gitarre, die Cuatro. Dazu eine große Felltrommel, die Bombo sowie Klanghölzer und Rasseln. Wenn die vier schwarz gewandeten Musiker gemeinsam sangen und spielten, erlangte ihre Musik immer wieder eine große energiegeladene Kraft.
Neben der traditionellen Folklore erklangen auch Lieder politisch engagierter Künstler wie Víctor Jara oder Mercedes Sosa. Außerdem stellten sie das Lied der chilenischen Gruppe Illapu über den "schwarzen José" vor, das in der chilenischen Militärdiktatur Synonym für die Arbeit im Untergrund wurde. Kein Wunder, dass Illapu 1981 ins Exil gehen musste.
Immer wieder schaffte es Cantaré, dass das Publikum zur Musik tanzte.
Früherer Artikel von Thomas Grossman erschien am:
30.06.16
Im nimmermüden Sauseschritt verinnt die Zeit
Das Leben zu kurz um sich zu balgen und zu streiten
Zeit ist's, die Hände sich zu reichen - fünf Finger: Eine Faust.
Es gilt, den Geist zu wappnen nun für schwere Zeiten.
Ein Schritt nach vorn, ein Blick zur Seite, zum Freund,
zum Kameraden, so müssen wir zusammenstehen.
Nicht spalten dürfen uns noch Hass, noch Angst noch Schrecken,
Gemeinsamkeiten gilt es, zu entdecken,
den weiten Weg muss man zusammen gehen.
Dies' Land, ein Land der Rastlosen und Wütenden Dies' Land,
ein Ort der Unruhe derer, die sich misstrauisch beäugen.
Einst gab es Zeiten voller Frieden, Einigkeit und off'ner Herzen.
Dass dies kein Traum war, kann ich heut' bezeugen.
Ob weiß, ob schwarz, ob gelb, ob braun gebrannt,
Kein Zeichen der Gesinnung ist der Häute Farbe.
Der Feind im Anzug, der sitzt ÜBER uns, gewiss!
Letztendlich tragen alle wir des Sklaven Narbe.
Wer uns verraten und betrogen hat, wir wissen es genau.
Wir schweigen noch zu oft, anstatt uns frei zu wehren.
Mit Herz, Verstand, Besonnenheit und weitem Blick,
Den wir dann brauchen um zu lenken unser eigenes Geschick,
soll's uns gelingen, dass die Täter sich zum Teufel scheren.
Frühere Artikel von Matthias Wolf erschienen am: 29.08.16,
03.08.16,
15.06.16, 24.05.16,
11.05.16, 02.05.16, 27.03.16
Am Morgen des 11. Septembers 2001 sollte ein Meeting der Firma AON Cooperation im 105. Stockwerk des Südturmes des World Trade Centers stattfinden. In letzter Minute wurde das Meeting an einen anderen Standort verlegt. Die Information wurde zu spät mitgeteilt, sodass 11 von 12 Mitarbeitern zum Meeting im World Trade Center erschienen und bei den Anschlägen gestorben sind. Der einzige Überlebende ist der Managing Director der Firma, Jim Pierce, der Cousin des damaligen Präsidenten der USA, Gerorge W. Bush.
19 arabisch stämmige Männer haben es geschafft, mit Teppichmessern bewaffnet, 4 Flugzeuge zu entführen, um Terroranschläge zu verüben. Zwei der Flugzeuge haben sie in die Word-Trade-Center-Türme geflogen, wodurch beide Türme im freien Fall eingestürzt sind. Ein anderes Flugzeug wurde ins Pentagon geflogen und ein weiteres ist bei Shanksville abgestürzt.
Eine Information hat jedoch wenig Beachtung gefunden. Das World Trade Center 7 ist ebenfalls im freien Fall eingestürzt, obwohl es von keinem Flugzeug getroffen wurde. Am 11. September 2001 sind anscheinend mehrere Wunder vollbracht worden, die den physikalischen Gesetzen widersprechen, wie beispielsweise der Einsturz der Türme.
Das Feuer schmolz den Stahl nicht, erhitzte ihn aber ausreichend, um die Stockwerke, die durch das Flugzeug geschwächt waren, dazu zu bringen, von den Stahlträgern loszubrechen, was dann eine Kettenreaktion auslöste. Man würde dann von dieser Theorie, welche die offizielle Theorie ist, erwarten, einen ganzen Haufen aufeinanderliegender Stockwerke zu sehen. Jedoch würde das Stahlgerüst weiterhin bestehen bleiben. Der Kern jeder der beiden Zwillingstürme bestand aus 47 massiven Stahlpfeilern. Wenn die Stockwerke von diesen Stahlpfeilern losgebrochen wären, dann hätten diese Pfeiler noch 300 Meter in die Höhe geragt. "Wir entwarfen das Gebäude so, dass es den Aufprall einer Boing 707, egal in welchem Bereich des Gebäudes, standhalten konnte." Les Robertson (Statiker/Designer des WTC)
Die Twin Towers stürzten fast in Freifallgeschwindigkeit ein. 200.000 Tonnen Stahl explodieren und zersplittern über 150 Meter nach außen. 10 Stockwerke pro Sekunde. Es gibt kein Pfannkuchenszenario, das einen Gebäudeeinsturz in Freifallgeschwindigkeit erlauben würde. Wie kann das erreicht werden? Wie kann Masse aus dem Weg geräumt werden? Mit Sprengstoff. 47 riesige Stahlpfeiler, die sich im Kern befinden und zusammenhängend sind. Wie bekommt man sie dazu, dass sie gleichzeitig versagen, so dass der Kern verschwindet? Die Kernpfeiler der beiden Türme waren wie bei einer Sprengung diagonal abgetrennt worden. Im Schutt der Kellerregion aller drei Gebäude, beide Türme und Gebäude 7, gab es diese Pfützen geschmolzenen Metalls. Nach über 6 Wochen nach dem Einsturz wurden Stellen im Schutt entdeckt, die noch über 1093°C heiß waren. Das ist 260°C heißer als Kerosin überhaupt werden kann. Im offiziellen Bericht über den geschmolzenen Stahl: Nichts!
Durch Elektronen-Mikroskop-Analyse des geschmolzenen WTC-Stahls und der eisenreichen Micro-Kügelchen im Staub, konnte Dr. Jones, ehemaliger Professor der Brigham Young University, nicht nur die eindeutigen Spuren von Thermit entdecken, sondern, aufgrund des hohen Schwefel-Gehaltes, die von Thermat. Eine patentierte Form von Thermit, die in der Abriss-Industrie verwendet wird.
Gebäude 7 wurde von keinem Flugzeug getroffen und ist genau wie die Zwillingstürme eingestürzt. Ein 47 Stockwerke hoher Wolkenkratzer. Er fiel um 17:20 Uhr in sich zusammen. Es gab Brände auf zwei Stockwerken. Erst gab es einen Knick in der Mitte und dann stürzte das Gebäude, beinahe im freien Fall, in sich zusammen. Wie bei einer Sprengung. Der Knick in der Mitte des Gebäudes ist der Beweis, dass es eine kontrollierte Sprengung war, da zuerst der Kernpfeiler gesprengt wird, so dass das Gebäude in sich zusammen fällt. Die Erklärung der Regierung für das Einstürzen aller drei Gebäude ist Feuer. Niemals vor oder nach 911 sind Stahlgebäude aufgrund von Feuer eingestürzt. Die Einsturz-Charakteristiken von World Trade Center 1, 2 und 7 passen exakt in das Schema einer kontrollierten Sprengung. Sekunden bevor das erste Flugzeug in das WTC flog, gab es im Keller eine große Explosion. Kurz darauf flog das erste Flugzeug in das Gebäude. Augenzeugen bestätigten dies. Manche sprachen von mehreren Explosionen. Einige von ihnen wurden schwer verletzt.
Sowohl bei dem Absturz in Shanksville, als auch bei dem Anschlag auf das Pentagon konnten keine Rückschlüsse auf einen Flugzeugabsturz gezogen werden. Keine Sitze, kein Gepäck, keine Leichen, nur Ziegel und Kalksteine waren zu sehen. Flug 77 hatte zwei Triebwerke, die aus einer Stahl-Titanlegierung hergestellt worden sind und pro Stück 6 Tonnen wiegen. Es ist wissenschaftlich unmöglich, dass 12 Tonnen Stahl und Titan durch einen Kerosinbrand verdampfen konnten. Die Leichen konnten angeblich identifiziert werden, entweder durch Fingerabdrücke oder durch DNA. Welches Feuer kann Aluminium und Stahl verdampfen, aber dennoch menschliche Körper intakt lassen? Eine Überwachungskamera, von einem gegenüberliegendem Hotel, hat alles aufgenommen. FBI Agenten haben das Video sofort konfisziert. Das Justizministerium hat bis zum heutigen Tag die Herausgabe verweigert. Wenn diese Aufnahmen wirklich beweisen würden, dass das Pentagon von einem Flugzeug getroffen wurde, dann, sollte man annehmen, würde die Regierung diese frei geben.
Hatte ich erwähnt, dass sie das beste Luftabwehrsystem ausgetrickst haben? Die USA verfügen über ein Luftverteidigungssystem namens NORAD. Normalerweise sind Kampfflugzeuge innerhalb von 10 Minuten kampfbereit. Doch am 11. September dauerte es 80 Minuten, bis man NORAD überhaupt informierte. Das lag zum Teil auch daran, dass die Piloten nicht wussten, was sie tun sollen. Das lag an sich überschneidenden und überlappenden Übungen. Diese beinhalteten unter anderem das Einfügen falscher Radarpunkte im Nordöstlichen Verteidigungssektor. Am 11. September lief eine Übung, bei der Flugzeuge entführt worden waren. Da die echten Flugzeugentführungen parallel liefen, wussten die Piloten nicht, ob es sich um echte Flugzeugentführungen handelt oder ob es eine Übung ist. Was, wenn man die Piloten absichtlich verwirrt hat, damit sie die Flugzeuge nicht aufhalten? Im Jahre 2000 musste NORAD 67 Mal eingreifen. Erfolgsquote 100%. Am 9/11 versagten sie 4 Mal in Folge an einem Tag. Am Morgen des 11. September war Dick Cheney vom Kommandobunker unter dem Weißen Haus aus für alle NORAD-Befehle verantwortlich.
Es wurde eine Kommission einberufen. Die 9/11 Kommission hat die Anschläge am 11. September untersucht und einen Bericht verfasst. Im 9/11 Report steht nichts, dem die Bush Administration nicht zugestimmt hat. Die 9/11 Kommission hat kein Interesse daran gezeigt, die Geldgeber der Anschläge ausfindig zu machen. Laut ihrem Bericht ist es von geringer Bedeutung. Wie kann es von geringer Bedeutung sein, wer die Geldgeber waren? Oder ist es von geringer Bedeutung, weil der Weg zu ihnen selbst zurück führen würde? Der Kopf des pakistanischen Geheimdienstes (ISI), General Mahmood Ahmed, bat Omar Saeed Sheikh 100,000 $ an Mohammed Atta zu überweisen. Mohammed Atta soll einer der Attentäter gewesen sein. Es fanden niemals Untersuchungen statt, weshalb General Ahmad veranlasste 100.000 $ an Mohammed Atta zu überweisen. Am Morgen des 11. September 2001 frühstückten Regierungsoffiziere zusammen mit General Ahmad in Washington. Der Einsturz von Gebäude 7 wurde im Report mit keinem Wort erwähnt.
Mindestens 12 Länder warnten die USA bezüglich nachrichtendienstlicher Informationen über einen bevorstehenden Anschlag auf Amerika. Die Warnungen wurden ignoriert. Präsident Bush ging stattdessen in einen einmonatigen Urlaub. Doch laut ihrem Bericht waren die USA von den Anschlägen überrascht worden, da es keinerlei Warnungen gegeben habe.
Die Bevölkerung wurde durch die Medien verängstigt und manipuliert. Der 11. September wurde dazu genutzt, der Bevölkerung weiszumachen, dass eine unbekannte Bedrohung da sei und man diese vernichten müsse. Die Rede war von chemischen und nuklearen Waffen. Die Worte '11. September' und 'Terror' wurden gebetsmühlenartig wiederholt. Ein neues Feindbild wurde erschaffen. Sie nennen es Krieg gegen den Terror, dabei sind sie die eigentlichen Terroristen. Gesellschaftlicher Zusammenhalt wurde beabsichtigt, durch ein Feindbild und das nur, um ihre Interessen durchzusetzen. Ihr Interesse lag darin, in den Irak und dann in Afghanistan einzufallen. Wahrer Terrorismus ist eine Technik, die von Regierungen verwendet wird, um die öffentliche Meinung zu manipulieren, um damit eine Agenda vorantreiben zu können.
Ted Gunderson, ehemaliger FBI Chef, sagt: die CIA steckt hinter den meisten, wenn nicht hinter allen Terroranschlägen. Sie halfen den Terroristen, das WTC beim ersten Mal in die Luft zu jagen. Sie bauten die Bombe und besorgten den Führerschein. Der Informant, Ahmad Salem, ein ehemaliger ägyptischer Armeeoffizier, war beauftragt worden, die Bombe zu bauen, er fragte seinen FBI Vorgesetzten, wir bauen das Ding als Blindgänger, oder? Der FBI Vorgesetzte sagte, nein, wir werden eine richtige Bombe bauen. Das FBI hatte den Anschlag 1993 selbst ausgeführt. Aus ihrer Sicht wurden dabei leider nur 6 Menschen getötet. Nicht genug, um die Anti-Terror-Gesetze durchzubringen. Deswegen der Anschlag, zwei Jahre später, in Oklahoma City. 168 Tote... 1 Jahr später werden die Anti-Terror-Gesetze, die der amerikanischen Bevölkerung die bürgerlichen Freiheiten nehmen, verabschiedet.
Die Wahrheit ist, dass der 11. September eine Operation unter falscher Flagge war. Sie war dazu gedacht, die finanziellen Mittel bewilligt zu bekommen. Die finanziellen Mittel, die dazu nötig waren, ein neues Niveau von imperialer Mobilmachung zu erreichen. Ein Feindbild wurde erschaffen, um die öffentliche Meinung so zu manipulieren, dass die eigene Agenda Unterstützung findet. Derartige Operationen werden seit Jahren durchgeführt.
9/11 war ein Inside Job.
Quelle: Die meisten Fakten habe ich aus dem Film "Zeitgeist".
Der zur Zeit mächtig gefeierte Dichter Hoffmann von Fallersleben war durchaus progressiv, als er sich im 19. Jahrhundert im "Lied der Deutschen" ein nicht mehr zersplittertes Land wünschte, das "von der Maas bis an die Memel, von der Etsch bis an den Belt" reichen sollte. So grenzte er den Raum ab, in dem deutsch gesprochen wurde. Die Etsch, der zweitlängste Fluss Italiens, entspringt im damals zu Österreich und seit 1920 zu Italien gehörenden Südtirol. Noch heute wird dort vorrangig deutsch, aber auch ladinisch gesprochen.
In diese Region führt nun ein neuer Märchenfilm, der auf einer Südtiroler Sage basiert. König Dietrich hat an der Etsch einen Disput mit dem Zwergenkönig Laurin auszutragen. Das brave Zwergenvolk hatte mit seiner stillen, emsigen Arbeit großen Anteil am landwirtschaftlichen Erfolg des einst blühenden Landes. Als Laurin aber der Königstochter Similde mit waghalsigen Aktionen Avancen macht, verbannt Dietrich das Zwergenvolk. Daraufhin wird sein Rosengarten durch Laurin verflucht. Dort zeigt sich fortan nur noch in der Dämmerung das berühmte "Alpenglühen". Dieses ist nur die Vorgeschichte des Films, in dem die Figuren andere Gewichtungen erhalten.
Held ist der heranwachsende Königssohn Theo, der von seinem Vater Dietrich auf den Kampf vorbereitet werden soll, aber - norddeutsch gesprochen - nur ein "Hämeken" mit künstlerischen Neigungen ist. In den Bergen trifft er auf den Einsiedler Laurin, geht mit ihm eine Zweckgemeinschaft ein und gewinnt mit dem magischen Gürtel, den er Laurin gestohlen hat, zur Überraschung aller ein Turnier.
Der 30jährige Regisseur Matthias Lang wurde in Bozen geboren, der Hauptstadt Südtirols, studierte an der Münchner Filmhochschule und legt mit seiner Abschlussarbeit hier seinen ersten langen Spielfilm vor. Die Umsetzung der bekanntesten Sage seiner Heimat war ihm Herzenssache und ist ein Talentbeweis, der allerdings einige Haken hat.
Hauptdarsteller sind der 15jährige Florian Burgkart, der den kleinen Theo spielt, und Volker Michalowski als Laurin. Der 45jährige Dresdner wurde wegen seiner Körpergröße (aktuell 1,56 Meter) schon in der Schule als "Klein-Zack" gehänselt und hat den Zack selbstbewusst zu seinem Künstlernamen gemacht. Den Zwergenkönig zeigt er verbissen, ohne dass er zum Giftzwerg wird, seine heimatliche Sprachfärbung kann er gut unterdrücken. Anders als in der Sage profitiert er am Schluss von der guten Seite des ziemlich launischen Königs Dietrich, den Rufus Beck vielleicht noch trotteliger hätte anlegen können.
Die schlichte Moral des Films ist, dass kleine Leute auch Großes vollbringen können. Sicherlich wäre das besser herausgekommen, wenn die einzig wirklich Arbeitenden, nämlich König Laurins Untertanen, gezeigt worden wären. Aber das Zwergenvolk ist im Exil versteckt - wenn es nicht gar einem Massaker anheimfiel. Im Film wird es nicht weiter erwähnt.
Statt dessen stellt es der Streifen als normal dar, dass alle Beziehungen nur um des persönlichen Vorteils willen eingegangen werden. König Laurin, der einzig Pflanzen liebt, hätte Theo ohne weiteres sterben lassen, wenn er im Königssohn nicht ein gutes Pfand gesehen hätte. Und Theo hintergeht Laurin mehrfach, von den Machenschaften seiner Widersacher und seines Vaters ganz zu schweigen.
Dass dieser Film, der einige witzige Dialoge und die Landschaft der Dolomiten als Pluspunkte aufzuweisen hat, mehrere Hauptpreise beim diesjährigen Festival "Goldener Spatz" erhielt, kann nur mit einer schwachen Konkurrenz erklärt werden. Und einem von kapitalistischer Konkurrenz durchdrungenen Zeitgeist.
"König Laurin", Regie: Matthias Lang, D 2016, 90 min, Kinostart 1. September 2016
Der Text erschien zuerst am 01.09.2016 in der Jungen Welt.
Frühere Artikel von Frank Burkhard erschienen am: 26.08.2016, 19.05.2016, 11.05.2016, 22.04.2016, 13.04.2016, 26.02.2016, 16.02.2016, 15.02.2016, 20.01.2016, 01.01.2016
Ich war bis 2001 Mitglied der Vorläuferpartei der Linkspartei, der PDS, und zeitweise sogar Vorsitzender des Kreisverbandes. Der Kreisvorstand, dem ich angehörte, fuhr eine konsequent kommunistische Linie und eckte mehrfach wegen seiner Linie an. Wir waren damals der Meinung, in der PDS (Linkspartei) könnten wir einen Resonanzboden für unsere politische Linie finden. Ob das stimmte, dazu später.
1999 war in Duisburg Kommunalwahl. Wir beteiligten uns. Dass wir als Kommunisten eine konsequent revolutionäre Linie fuhren, versteht sich, und das merkten auch die Einwohner der Stadt. Damals war die allgemeine Empörung über den Sozialkahlschlag der SPD-Bundesregierung Schröder allgemein. Bei der Wahl straften die Wähler in den eher bürgerlich dominierten Stadtteilen die SPD durch Wahlenthaltung ab. Nicht aber in den Hochburgen der SPD (Hochfeld, Wanheimerort). Hier war die Wahlbeteiligung höher als anderswo. Aber die SPD verlor gewaltig an Stimmen - an uns. Die PDS errang zweistellige Wahlergebnisse - damals eine Sensation. In keiner Stadt der ehemaligen BRD erreichte die PDS solche Ergebnisse.
Oder ein anderes Bespiel: Es gab in Köln eine Massendemo gegen den Schröderschen Sozialraub. Die Bevölkerung war uns wohl gesonnen, viele sagten: "Diesmal wählen wir die Kommunisten, die PDS."
Das sind nur zwei Beispiele, ich denke, jeder kennt auch welche.
Man erkennt daran, dass die Menschen linke, kommunistische Alternativen suchen. Ich will hier nicht für eine Hinwendung zum Wahlverein schreiben. Wahlen verändern meist nichts, sind aber eine Möglichkeit für Kommunisten, ihre Alternativen dem Proletariat zu vermitteln. Also sind Wahlen wichtig.
Wichtig ist dabei, dass sie glauben, es handele sich um Kommunisten, und von Kommunisten wissen sie, dass sie konsequent und radikal gegen den Kapitalismus kämpfen. Aber macht das die Linkspartei?
Als sie in Berlin und MeckPom in der Landesregierung war, exekutierte sie radikaler und brutaler als selbst die CDU/CSU die Gesetze des Sozialraubs der Schröder-Regierung. Damals wollte die PDS/PdL in Berlin Regeln durchsetzen, die die Bindung von Tarifverträgen beseitigte. Oder die Gewerkschaft Erziehung-Wissenschaft beklagte, dass immer mehr Schulkinder unzureichend ernährt werden und führte die Verarmung vieler Eltern auf die strikte Durchsetzung der Schröderschen unsozialen Politik zurück. Inwiefern ist das linke oder auch nur soziale Politik?
Auch in Thüringen, wo die PdL die Regierung führt, ist nicht bekannt, dass dort eine linkere Politik gemacht wird, als z.B. die der CDU/CSU.
Natürlich gibt es einige aufrechte Linke in der PdL. Ich denke hier in erster Linie an Sevim Dagdelen, an Ulla Jelpke und einige andere. Sahra Wagenknecht scheint die Fronten gewechselt zu haben. Zunächst ließ sie ihre Mitgliedschaft in der Kommunistischen Plattform "ruhen". Ruht auch ihre kommunistische Gesinnung - wenn sie je eine hatte?
Die PdL hat die Aufgabe, dem Volk vorzugaukeln, sie sei eine radikale politische Alternative zur SPD. Was wir damals in Duisburg leisteten, war genau das. Als Kommunisten machten wir eine konsequente Politik und glaubten, die Partei verstärke sie. Tatsächlich aber nutzte die Partei uns als Feigenblatt und Tarnung, um die Arbeiterklasse zu täuschen. Die Stärke der PdL ist ihr Image, links zu ein. Man sah uns und glaubte an unsere Gesinnung - sie war ja auch echt - gleichzeitig aber wurden wir vor den Karren der bürgerlichen und sozialdemokratischen Linie gespannt. Anstatt, dass die Partei uns stärkte, stärkten wir sie und damit die Politik der rechten Führung.
Das gilt auch heute noch für die mehr oder weniger Linken in der PdL, das gilt für die Kommunistische Plattform ebenso, wie für das Marxistische Forum oder die Antikapitalistische Linke. Sie alle haben die Aufgabe, dem Volk vorzugaukeln:
Seht her, wir, die PdL, sind die Alternative.
Tatsächlich sind sie Steigbügelhalter der SPD und deren unsozialer und Kriegspolitik. Was ihre Zuneigung zum derzeit aggressivsten Staat des Nahen Ostens betrifft, übertrifft die PdL alle anderen Parteien. Petra Pau und der Ministerpräsident von Thüringen Ramelow lassen keine Gelegenheit vergehen, um die zionistische Politik zu rechtfertigen. Gregor Gysi vertritt sogar die Meinung, es gehöre zur deutschen Staatsdoktrin, für Israel zu sein.
Die Linkspartei ist, wie Stalin es formulierte, eine Paktiererpartei, die bekämpft werden muss und sie ist - als Partei - für uns nicht bündnisfähig. Das gilt auch für den Hans Dampf in allen Gassen, Oskar Lafontaine. Der fing mal an als Chef der deutschen Luftschutzorganisation - war also oberster Luftschutzwart, war dann der Propagandist des Sozialabbaus unter dem SPD-Chef Engholm. Dann entdeckte er, dass es links mehr Aufsehen macht, uns mutierte zum Linken. Als SPD-Chef rettete Lafontaine die SPD aus einer schweren Krise, denn der Parteichef Rudolf Scharping zeichnete sich dadurch aus, dass er die Menschen zum Einschlafen brachte. Auf dem Parteitag der SPD hielt Lafontaine eine Rede, die gut ankam und kandidierte gegen Scharping. Lafontaine gewann. Dass er dann als Bundesfinanzminister die Brocken hinwarf, lag daran, dass er sein mühsam erworbenes Image als Linker mit der Linie Schröders gefährdet sah - als Finanzminister hätte er den Kopf hinhalten müssen.
Dann wurde er von der WASG umworben und wurde deren Galionsfigur. Als diese mit der PDS zur Linkspartei fusionierte, war er neben Gysi das Zugpferd der PdL. Lafontaine hing sein Fähnchen nach dem Wind - links ist etwas anderes.
Es ist sicher richtig, dass es mit den wirklich linken Kräften der PdL eine Menge Gemeinsamkeiten gibt - aber nicht mit der Partei. Vor Jahren - 2005 - wollte die MLPD mit ins warme Bettchen der PdL (siehe: "Der Große Vorsitzende schreibt an den kleinen Vorsitzenden, MLPD-Chef Stefan Engel schreibt einen Brief"). Das ist genau die falsche Linie, was mich bei der MLPD nicht wundert, erhebt sie doch sogar den Nazi-Propagandamaler Palmowski in den Rang eines proletarischen linken Künstlers.
Aber sei's drum. Kommunisten steigern nicht das Ansehen von Paktierern, sondern bekämpfen sie. Das hat mit Sektierertum nichts zu tun. Es geht hier gegen Verräter, es geht darum, dass diese Parteien die Arbeiterklasse mit dem Kapital versöhnen wollen und sie vom Kampf abhalten. In Russland trennten sich die Bolschewiki von den Paktierern. In Deutschland aber blieben sie in einer Partei, und so meinte selbst Karl Liebknecht bei den ersten Reichstagsbeschlüssen zu den Kriegkrediten, er müsse mit der Fraktion für die Kredite stimmen.
Zum Schluss: Nicht wir stärken uns, wenn wir uns mit Paktierern gleich tun, eher ist das Gegenteil der Fall - wir stärken sie!
Kommunisten sind die Aktivsten und Einsatzbereitesten für ihre Partei. Ist diese aber revisionistisch, reformistisch oder einfach sozialdemokratisch, dann geschieht das, was diese Paktierer stärkt: sie bekommen Ansehen und aktive Parteimitglieder.
Erstveröffentlichung: kommunisten-online.de, 17. August 2016
Frühere Beiträge von Günter Ackermann erschienen am 25.08.2016, 16.08.2016, 29.07.2016, 08.07.2016
Ohne auf Form zu achten möchte ich meine Meinung äußern. Die Linke wäre ursprünglich ein Bündnispartner der KPD und aller Kommunistischen Parteien gewesen. Dies hat sich jedoch geändert. Im Moment ist die Linke für mich in etwa mit dem BdKJ (Bund der Kommunisten Jugoslawiens. Anm. d. Red.) vergleichbar. Sie stehen dem Kapitalismus kritisch aber nicht ablehnend gegenüber. Herr Gysi hat auch mehrmals gesagt, dass der Kapitalismus auch "positive" Dinge hervorgebracht habe, und zudem auf dem Unternehmertag gesprochen. Ein klares Indiz dafür, dass die Linke nicht die Alternative in der sozialistischen oder kommunistischen Gesellschaftsordnung sucht, sondern nur die Strukturen des heutigen Kapitalismus verändern will, aber die Grundlagen des Systems nicht.
Dies erklärt sich natürlich auch daraus, dass die Linke salonfähig werden wollte, um bessere Wahlergebnisse zu erzielen. Für eine breite Masse ist eine offene kommunistische Haltung halt immer mit der DDR und dem sich für sie ergebenden "Verbrechen des Kommunismus" verbunden, dies ist für eine Partei, wie die Linke sie ist, jedoch nicht förderlich. Die Linke ist ganz klar heutzutage kein Bündnispartner einer Kommunistischen Allianz, sondern vielmehr auf dem Weg der SPD von 1918, zu Verrätern an der proletarischen Revolution.
Paul Klose, Dresden, 07.09.2016
Ich habe mich in eine Frau verliebt. Als ich ihr das erste Mal begegnete, war sie bereits seit zwanzig Jahren tot. Geblieben sind, mir zum Trost, ihre Gedichte. Einige davon habe ich in den letzten Jahren ins Deutsche übertragen.
Julia Drunina, 1924 geboren, beginnt mit elf Jahren, Gedichte zu schreiben. 1941, mit 17 Jahren, tritt sie freiwillig dem Roten Kreuz bei und geht als Sanitäterin an die Front, wo sie 1943 schwer verletzt wird. 1956 begegnet sie ihrer großen Liebe, dem 20 Jahre älteren Drehbuchautor und Filmemacher Aleksej Kapler, und es beginnen die glücklichsten Jahre ihres Lebens. Die neue Politik der Perestroika in den 1980er Jahren begleitet Julia Drunina anfangs mit großer Hoffnung. Bald jedoch setzt Ernüchterung ein, und sie nimmt das immer deutlicher werdende Chaos in der UdSSR wahr. Am 21. November 1991 wählt sie den Freitod.
Hier eine kleine Kostprobe meiner Nachdichtungen:
Wer sagt, daß Don Quichotte gestorben wär?
Ich bitte euch, das dürft ihr niemals glauben.
Nicht Tod, nicht Zeit kann ihm das Leben rauben.
Er ist schon wieder auf dem Weg, seht her!
Und macht ihm mancher Schlag das Dasein schwer,
Wie Orden zeigt er seine Narben her.
Die Windmühlnflügel knarren nicht zu knapp,
Doch Sancho Panza winkt gelangweilt ab.
Er legt auf blaue Flecken keinen Wert,
Hat solcherart Medaillen nie begehrt.
Der Edelmut, der nur dem Narrn gebührt,
Weiß er, hat ihn zu keiner Zeit verführt.
Bevor man jemand rettet im Geschick,
Steckt einem selbst das Messer im Genick.
Ein Haus ist sichrer als das Himmelszelt.
Und dennoch gibt es Ritter in der Welt
Wer sagt,daß Don Quichotte gestorben wär?
Er ist schon wieder auf dem Weg, seht her!
Wer sagt, daß Don Quichotte gestorben wär?
In Hast entgleitet uns das halbe Leben,
Wir eilen wie getrieben himmelwärts,
Beachten kaum das Glück, das uns gegeben
Im Auge der Geliebten nicht den Schmerz.
Und erst, so wie es heißt, im Untergehen,
Wenn dich das Schicksal packt mit harter Hand,
Siehst du dich zwischen Ruhm und Hektik stehen,
Gefangen, abgestürzt und ausgebrannt.
Der Jagd auf ein Phantombild eingeschworen,
Hat falsche Dringlichkeit dich noch bestärkt.
Vielleicht ging dir das Wichtigste verloren,
Vielleicht hast du es nicht einmal bemerkt.
Federleicht, den Kopf erhoben,
Stolz wie auf Zigeunerart,
Jeans der allerneusten Moden,
Und die Brust formt sich ganz zart.
Junges Mädchen, mag man glauben,
Doch im sanften Kobaldblau
Ihrer hellen Mandelaugen
Blitzt der Ausdruck einer Frau.
Meerestief, drin absehbare
Wirbelstürme, stark und laut,
Und der goldne Ton der Haare
Streitet mit der dunklen Haut.
Federleicht, um aufzufahren
Mit den Flügeln himmelweit ...
Ob wir nicht genauso waren
Damals, in der Jugendzeit?
Ist ein Herz durch die Hölle gegangen,
Sieht es schärfer als sonst irgendwann.
Jetzt versöhnt euch und seid nicht befangen.
Und wer Schuld hat - es kommt nicht drauf an.
Und ich bitte euch, nichts fortzuschieben,
Brecht die Brücken nicht ab in der Wut.
Warum sollten grad die, die sich lieben,
Sich doch peinigen so bis auf's Blut.
Und ich bitte euch, wollt doch verstehen,
Es geht nicht um Verzicht oder Sieg.
Und ein Herz lernte, schärfer zu sehen,
Das befreit aus der Höllenqual stieg.
Drei treue Freunde schenkte mir die Zeit,
Den einen liebte ich all meine Jahre.
Ich wärmte mich an seiner Zärtlichkeit
Und habe nie gefrorn bis an die Bahre.
Der Tod riß seine Hand von meiner Hand,
Ich sag es nicht, um Mitleid zu erregen.
Beneiden muß man mich, daß ich ihn fand,
Und Jahre mit ihm ging auf allen Wegen.
Und einer war im Krieg mein Kamerad,
Er war ein Kind und war ein großer Dichter.
Doch als er starb, starb er nicht als Soldat,
Ich sah am Grab in fragende Gesichter.
Ich senkte meinen Kopf und alles schwieg,
Ich suchte sinnlos Gründe zu benennen.
Ein Panzerfahrer überlebt den Krieg,
Um dann in Friedenszeiten zu verbrennen.
Auch eine Jugendfreundin blieb mir nicht.
Sie holte wohl vom Himmel keine Sterne,
Doch brannte in ihr so ein helles Licht
Ganz wie von einer Tausend-Watt-Laterne.
Warum, so fragt man mich zum Neuen Jahr,
Sind wir auf das Erinnern so versessen?
Weil, daß ein Freund uns starb, das ist nicht wahr,
Solang ihn seine Freunde nicht vergessen.
Das Leben schenkt die Freundschaft und die Liebe,
Wir finden Menschen, um sie zu verliern,
Und sie verlieren uns im Weltgetriebe,
Gezählt die Tage, die wir existiern.
Wie unverwundbar wären unsre Herzen,
Hätt uns die Angst um niemanden gequält,
Wie blieben wir verschont von all den Schmerzen,
Wie viele Kugeln hätten uns verfehlt.
Und manchmal führ ich unbedacht Beschwerde,
Und müde von den Qualn jahrein jahraus,
Verfluche ich im Zorn die ganze Erde
Wie Kinder dann und wann ihr Elternhaus.
Mir fehlt die Kraft in manchen Lebenslagen
Für neuen Gram, der mir schon zugeteilt.
Und doch, bei all der Wirrnis will ich sagen,
Schon recht, daß mich das ganze Maß ereilt.
Das Herz mag sich mit keinem Trott bescheiden.
Und letztlich hab ich voller Dank gedacht,
Das Schicksal ließ mich alles das erleiden,
Was aus dem Menschen einen Menschen macht.
Frank Viehwegs Homepage: frankviehweg.de
Frank Viehweg: Wer sagt, dass Don Quichotte gestorben wär? - Gedichte nach Julia Drunina,
NORA Verlagsgemeinschaft, Berlin
ISBN: 978-3-86557-402-2, 12,- €
Freitag, 30. Dezember 2016, 20:00 Uhr Ort: Hans-Werner-Richter-Haus, Waldstraße 1, Seebad Bansin
Old German Chancellor Otto von Bismarck once said - or so goes the legend: "If the world ever perishes I'd want to be in Mecklenburg where everything happens fifty years late." The alarm bells are now loudly ringing, warning that this once feudally most backward part of Germany between Berlin and the Baltic Sea may prove something like the opposite!
The elections on Sunday (Sept. 4) were an unmitigated disaster! The Alternative für Deutschland (AfD), running for the first time, rang up an amazing 21.9% of the vote, putting it in second place behind the Social Democrats and beating out Angela Merkel in her own home state! Despite attempts at respectability, the AfD is far, far to the right. Not only does it oppose same-gender marriages, abortions and most hard-won rights for women (though two of its prominent leaders are women), it demands a cruel tightening of penal law, even for children, and wants to start up military conscription again.
Merkel's Christian Democratic Party is very much for strengthening the Bundeswehr (armed forces); Ursula von Leyen, her ambitious Minister of Defense, is demanding ever more weapons with ever more advanced technology, and is ever more belligerent generally in words and tactics. She has been held back just a tad by some Social Democrats like Foreign Minister Frank-Walter Steinmeier, who at times sounds almost sensibly pacific - and is no doubt very much worried about party losses in national polls. But the AfD, till now always ostracized by the others and with no immediate hopes of getting into any coalitions anywhere, says loudly what others may whisper: it demands that "the Bundeswehr make a basic training possible more oriented toward war and foreign deployment ... whenever German security interests are involved". It, too, demand's more financing for the German weapons industry. The only noticeable difference from today's government policy of expansion is that the AfD speaks more belligerently and, recalling old-time nationalism, wants to weaken the close military ties with the USA. Germany must again lead the pack, economically and militarily, at least on this side of the Atlantic.
These issues are important on a national level for the 2017 elections, with Merkel already weakening under constant attacks from former allies. The main attacks on her are based on an issue which she stated so forcefully one year ago and which people in Mecklenburg-West Pomerania ("Meck-Pom") have also found important. The main AfD talking-point is its opposition to refugees arriving from the war zones or Africa. Although it has become more careful in choosing words and no longer demands the shooting of immigrants who try to cross the border illegally, even women and children, its main attraction is still its hatred of all refugees, and especially Muslims. Actually, the state of "Meck-Pom", like similarly hate-ridden areas of Saxony, has one of the smallest number of immigrants and few real difficulties. But the AfD agitators, assisted by the media, have succeeded in arousing usual fears of the "Others". This development is especially dangerous because all leading parties but the LINKE (Left) have retreated in one way or another from that dramatic call by Merkel: "We can cope with this". Some still admire her words, but many don't; for the first time her popularity has sunk below the half-way level. She and her party were hit hard by the bitter defeat in Meck-Pom, getting only 19%, with the AfD at nearly 22%. And it is her own district and home territory.
Will the AfD continue its seemingly unstoppable upward rise? In Berlin's elections in two weeks it will get another good chance, and although it cannot get close to its Mecklenburg numbers, it will almost certainly get all too many seats in the Berlin legislature and in all twelve borough councils, thus winning many beachheads for future expansion.
One aspect of this frightening advance worries and saddens me especially. Many of those voting for the AfD, in a very big turnout, were people who did not vote in past elections. They were less interested in an AfD program hyped to them in new, glowing flavors than in registering their disappointment and anger at the old parties, which seemed to be doing nothing to overcome abounding stagnation, lack of decent, steady jobs, and a secure future for themselves and their progeny. This is where the LINKE should be offering answers, fighting answers, paired with street actions, sit-downs and visible people-based moves for achievable improvement, together with a convincing perspective for a better society. It is such methods, I believe, which brought huge gains and near success to the remarkable campaign of Bernie Sanders in the USA and the enthusiasm similarly aroused by Jeremy Corbyn in the UK. They called, with both facts and emotion, for resistance to the One Percent on top, who are getting ever more obscenely wealthy while poisoning the world with over-priced, dubious pharmacy goods, weed-killers, phonied emission tricks and above all weapons for more and more wars and more and more refugees, from which they were the main profiteers.
The LINKE, so far as I know, has worked for local improvements whenever it had seats on a local or state council, but refrained from either calls to action or calls for a future, better society. It should have challenged all other major parties on this, because they all have betrayed their constituents and their promises. The gap they left open, which the LINKE should have filled, was stuffed instead by the loud-mouth, aggressive AfD, while it focused instead on joining up in more state coalition governments and, as a main aim, getting cabinet posts at the federal level in a Social Democratic-Green-LINKE coalition. On the Berlin state level, after the coming elections on September 18th, this combination seems quite attainable. But aiming at such goals means hurting no potential partner's feelings, refraining from militancy, offering compromises, and thus losing any real reason for angry citizens to vote for it. They see it being diluting into a slightly more leftish but much weaker version of the Social Democrats. So why vote for it? And aside from Thuringia, where the rules may be different, every time the LINKE joined up in a state coalition it lost many voters and ended up far weaker than before. Will it make this same mistake after the Berlin election? Will it try for this same solution on the federal scale? And if so, what then?
SPD - 30.5 (35.6),
AfD - 20.8 (0.0),
CDU - 19.0 (23.0)
LINKE 13.2 - (18.4)
And, with no seats, since under 5%
Greens - 4.8 (8.7)
Free Dems - 3.0 (2.8)
NPD - 3.0 (6.0)
More by Victor Grossman: Berlin Bulletin No. 115, No. 114, No. 113, No. 112, No. 111, No. 110, No. 109, No. 108, No. 107, No. 106, No. 105, No. 104, No. 103, No. 102, No. 101.
¡El pueblo unido jamás será vencido! (Ein vereintes Volk ist nicht zu besiegen), wird es am 10. September beim VíctorJara & DeanReed - Festival in Berlin durch den Willi-Münzenberg-Saal klingen. Der Verein El Cultrún e.V. und die Onlinezeitung "American Rebel" laden zu einer Veranstaltung zu Ehren des chilenischen Volkssängers Víctor Jara und seines Freundes Dean Reed ein. Los geht's um 14:00 Uhr mit Filmbeiträgen, Augenzeugenberichten und Musik über den Kampf der Unidad Popular, der chilenischen Gewerkschaften und des Präsidenten Salvador Allende für ein demokratisches und sozialistisches Chile. Die Besucher/innen werden viel über die Freunde Víctor Jara und Dean Reed erfahren, die den Wahlkampf aktiv unterstützt haben. Am Abend wird es ein Solidaritätskonzert mit Tommy Sands und Cantaré geben.
Aber was war da nun genau los - in den 1970er Jahren in Chile? Sicherlich ist, besonders bei den jüngeren Leserinnen und Lesern, der Kenntnisstand nicht gleich. Deshalb habe ich einmal die wichtigsten Fakten zusammengetragen, die ich in drei Teilen hier zur Verfügung stelle. Heute geht es um Víctor Jara.
Víctor Jara, Schauspieler, Regisseur, Sänger, Liedermacher und Komponist, war einer der großen Helden Chiles, eine der Lichtgestalten in Lateinamerika, ein Che Guevara mit Gitarre.
Harry Belafonte schrieb über ihn: "Víctor Jara war ein Künstler. Er war einer von uns. Die Trauer über unseren toten Helden macht ihn nicht wieder lebendig. Aber die Erfüllung seines Traumes von einer Welt der Menschlichkeit, der Liebe und des Friedens wird ihn unsterblich machen".
Víctor Jara war ein fester Bestandteil des chilenischen Volkes, ein Freund aller ausgebeuteten und unterdrückten Menschen der ganzen Welt. Seine Liebes- und Kampflieder machten Mut und schafften Solidarität. Sein unerschütterlicher Drang nach Frieden, Gerechtigkeit, seine Aufrichtigkeit und seine Treue zum chilenischen Volk machten ihn zum innigen, vielleicht sogar besten Freund von Dean Reed. Viele Wege sind sie gemeinsam gegangen. Als die Verbitterung über den grausamen Mord an Víctor langsam in Dean Reeds Herz verklang, gelang es ihm seine Trauer in Stärke zu verwandeln, und er setzte ihm mit seinem Film El Cantor ein bleibendes Denkmal. Wer war dieser stolze Kämpfer?
Víctor Jara wurde im Jahre 1932 als Sohn einer Wäscherin und eines Landarbeiters geboren. Dank seines Talents und seines Willens studierte er trotz der sozialen Schranken an der Universität von Santiago und wurde ein bekannter Schauspieler und Regisseur. Mit der Zeit machte er sich auch als Sänger und Liedermacher einen Namen, zuerst mit traditionellen Liedern, später auch mit eigenen, politischen Chansons. Jara unterstützte nicht nur die Unidad Popular und Salvador Allende im Wahlkampf, er wurde zur Stimme der Hoffnung des chilenischen Volkes auf Freiheit und Gerechtigkeit.
Während des Putsches in Chile im Jahre 1973 wurde Víctor Jara zusammen mit Tausenden Kampfesgenossen in ein provisorisches Internierungslager, das im Nationalstadion von Santiago de Chile errichtet wurde, eingesperrt. Als er sich gegenüber einem Aufseher zu erkennen gab, brach dieser dem Musiker die Finger beider Hände. Er sang trotzdem weiter und wurde schließlich erschossen und sein Leichnam, übersät von Dutzenden Schusswunden, im Stadion verscharrt. Aber ihr Ziel, Víctor Jara zum Schweigen zu bringen, haben die Häscher des Faschismus nicht erreicht. Im Gegenteil, der Geist dieses Verkünders der Menschlichkeit lebt fort, solange man seine Lieder singt und hört.
Somos cinco mil
en esta pequeña parte de la ciudad.
Somos cinco mil
¿Cuántos seremos en total
en las ciudades y en todo el país?
Solo aqui
diez mil manos siembran
y hacen andar las fabricas.
¡Cuánta humanidad
con hambre, frio, pánico, dolor,
presión moral, terror y locura!
Seis de los nuestros se perdieron
en el espacio de las estrellas.
Un muerto, un golpeado como jamas creí
se podria golpear a un ser humano.
Los otros cuatro quisieron quitarse todos los temores
uno saltó al vacio,
otro golpeandose la cabeza contra el muro,
pero todos con la mirada fija de la muerte.
¡Qué espanto causa el rostro del fascismo!
Llevan a cabo sus planes con precisión artera
Sin importarles nada.
La sangre para ellos son medallas.
La matanza es acto de heroismo
¿Es este el mundo que creaste, dios mio?
¿Para esto tus siete dias de asombro y trabajo?
en estas cuatro murallas solo existe un numero
que no progresa,
que lentamente querrá más muerte.
Pero de pronto me golpea la conciencia
y veo esta marea sin latido,
pero con el pulso de las máquinas
y los militares mostrando su rostro de matrona
llena de dulzura.
¿Y Mexico, Cuba y el mundo?
¡Que griten esta ignominia!
Somos diez mil manos menos
que no producen.
¿Cuántos somos en toda la Patria?
La sangre del companero Presidente
golpea más fuerte que bombas y metrallas
Asi golpeará nuestro puño nuevamente.
¡Canto que mal me sales
Cuando tengo que cantar espanto!
Espanto como el que vivo
como el que muero, espanto.
De verme entre tanto y tantos
momentos del infinito
en que el silencio y el grito
son las metas de este canto.
Lo que veo nunca vi,
lo que he sentido y que siento
hara brotar el momento...
Es sind fünftausend von uns hier
in diesem kleinen Stückchen Stadt.
Wir sind fünftausend.
Ich wüsste gern, wie viele wir sind
in den Städten und im ganzen Land?
Hier allein
sind zehntausend Hände, die pflanzen
und die Fabriken betreiben.
Wie viel Menschlichkeit
ausgesetzt dem Hunger, der Kälte, der Angst, der Qual,
der Unterdrückung, dem Terror, dem Wahnsinn?
Sechs von uns sind verloren
wie im Weltraum.
Einer tot, einer geschlagen, wie ich nie geglaubt hätte,
dass ein Menschenwesen geschlagen werden kann.
Die anderen vier wollten ihre Qualen beenden -
einer sprang ins Nichts,
einer schlug den Kopf gegen die Mauer,
aber alle mit dem starren Blick des Todes.
Was für ein Grauen die Fratze des Faschismus schafft!
Sie führen ihre Pläne mit der Präzision von Messern aus.
Ihnen ist alles gleich.
Für sie ist Blut wie ein Orden,
Schlächterei eine Heldentat.
O Gott, ist das die Welt, die du geschaffen hast?
Dafür deine sieben Tage voll Wundern und Taten?
In diesen vier Wänden gibt es nur eine Zahl,
die sich nicht vermehrt.
Die sich mehr und mehr nach dem Tode sehnt.
Aber plötzlich erwacht mein Gewissen
und ich sehe diesen Strom ohne Herzklopfen,
nur den Rhythmus von Maschinen
und die Militärs, die ihre Hebammen-Gesichter aufsetzen,
voller Zärtlichkeit.
Lasst Mexico, Cuba und die Welt
gegen diese Schändlichkeit protestieren!
Wir sind zehntausend Hände,
die nichts produzieren können.
Wie viele von uns im ganzen Land?
Das Blut unseres Präsidenten, unseres compañeros,
wird kühner kämpfen als Bomben und Maschinengewehre!
Auch unsere Faust wird wieder kämpfen.
Wie schwer ist das Singen,
wenn ich den Schrecken singen muss.
Den Schrecken, den ich lebe,
den Schrecken, den ich sterbe.
Mich selbst unter so vielen sehen
und so viele Augenblicke der Unendlichkeit,
in denen Schweigen und Schreie
das Ende meines Gesanges sind.
Was ich sehe, habe ich nie gesehen.
Was ich gefühlt habe und was ich fühle,
wird den Augenblick erschaffen...
Quelle der deutschen Übersetzung: "Victor Jara - Chile, mein Land, offen und wild. Sein Leben", erzählt von Joan Jara, rororo aktuell 5523
Teil 1: Die Unidad Popular de Chile (1970-1973)
Teil 2: Salvador Allende Gossens (1908-1973)
Mehr darüber: Info-Seite · facebook-Veranstaltung
Jonas Rothländer ist ein Regie-Absolvent der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin (dffb). Mit seinem ersten langen Film "Fado" hat er Glück. Er bekam in diesem Jahr Preise auf Festivals in Potsdam und Berlin.
Das Beziehungsdrama hat Tempo und bietet keine schnellen Schlüsse an: Der Held leidet an Realitätsverlust. Es geht um ein Paar, den Berliner Krankenhausarzt Fabian (Golo Euler) und die Architektin Doro (Luise Heyer). Nach ihrer Trennung ging sie nach Lissabon. Als er mit seinem Beruf nicht mehr klarkommt, folgt Fabian ihr und will versuchen, die Beziehung wieder zu kitten. Er beginnt, in Lissabon als Armenarzt zu arbeiten.
Rothländer gibt dem Film eine eigene Atmosphäre, die sich zuspitzt, als Fabian in rasender Eifersucht Wahnvorstellungen hat. Die Hauptdarsteller tragen den Film ganz und gar. Liebhaber komplizierter menschlicher Bindungen kommen auf ihre Kosten - die von Fado-Musik allerdings weniger.
Fado. Regie Jonas Rothländer, Verleih missingFILMS, ab 1. September in ausgewählten Kinos;.
Gesine Lötzsch und Petra Pau waren im schwierigen 15. Deutschen Bundestag ab 2002 die einzigen Vertreter ihrer Partei, der damaligen PDS. Sie wurden nämlich direkt gewählt, während ihre Partei unter der 5-Prozent-Hürde blieb.
Damals erhielten die Abgeordneten am Morgen des 19. Dezember ganze 600 Seiten eines überarbeiteten Gesetzestextes, die bis zur am gleichen Tag geplanten Abstimmung niemand gelesen haben konnte. Petra Pau beantragte, am darauffolgenden Montag noch einmal zusammenzutreten, nachdem am Wochenende alles studiert worden wäre. "Gottlose Type!", rief ihr daraufhin Peter Ramsauer von der CDU/CSU angesichts des bevorstehenden Weihnachtsfestes zu. Niemand aus den anderen Parteien folgte dem kommunistisch verseuchten Vorschlag, so dass das Gesetz schnell verabschiedet wurde. "Somit trat ein Gesetz eilends in Kraft, das alsbald Millionen Bürgerinnen und Bürger in Armut treiben und deutsche Sozialgerichte hoffnungslos überlasten sollte. Im Volksmund wird es 'Hartz IV' genannt." So schreibt die gelegentliche Blättchen-Autorin Petra Pau, inzwischen Vizepräsidentin des Bundestages, in ihren "unfrisierten Erinnerungen".
Das schmale Bändchen versammelt Anekdoten, die in der besten Tradition dieser literarischen Gattung stehen, denn sie bauen nicht nur auf den Witz, sondern auf das Nachdenken über eine bestimmte gesellschaftliche oder auch rein menschliche Situation. Diese Erinnerungen nannte Pau sehr treffend "Gottlose Type". Ob sie sich dafür bei Ramsauer bedankt hat, ist nicht überliefert.
Petra Pau: Gottlose Type. Eulenspiegel-Verlag, Berlin 2015, 144 S. mit Fotos, 9,99 €.
Zuerst veröffentlicht in: Das Blättchen, Nummer 18, 29. August 2016
Medien-Mosaik früherer Monate: 22.08.16, 05.08.16, 22.07.16, 04.07.16, 08.06.16, 09.05.16, 28.04.16, 17.03.16, 02.02.16, 07.12.15
Ich wünsche allen KollegINNen nach der Urlaubszeit stressarme, friedliche Arbeit, längst überfällige Arbeitszeitverkürzungen, entsprechend fällige Neueinstellungen ... große, wirksame, friedliche Kundgebungen (gegen TTIP etCETerA ...) und erfolgreiche Anti-Kriegs-Tage-Wochen-Monate und -Jahre. Man sollte fremde Länder und Völker weiter besuchen und nicht überfallen.
(sie lachen uns tot
übers 5. Gebot)
Das Volk,
das verwirrte
glotzte die Vierte
Gewalt, die gleich schnallte
einstimmig
gleich von unser
aller Werten schwallte
FlachBILDparolen schallten
fast so wie die 1000jahralten
SPRINGERbestiefelt upgedatet
Just in Primetime, nicht verspätet
erst heute & dann dieTagesschauer
füllen aus ihren Flach-BILD-hirnen
fast jeden Volks-Befehls-Empfänger
blitzschnell und randvoll & auf Dauer
(bei manchen dauerts nur etwas länger)
mit Hamster-Vor-Rats-Kriegs-Bereitung
den Hohlraum hinter den Bunker-Stirnen
und mit der Heimat-FRontschau-Zeitung
solche Köpfe fangen auch ohne Steuer-
mann und Führer gerne Feuer
wenn da dienstlich jemand Brand-
Schutz-Reden hält für Vaterland
und den Heldentod als Hirtenwort
und der Brennpunkt brennt vor Ort
gleich den Montag dienstlich nutzend
vom Verfassungsschutz drei Duzend
Rattenfänger, Bürgerwehr
Leimruten schleifen hinterher -
Kleber greifen sich - noch mehr
Bis die Schlachtviehherden merken
wie Metzger sich für's Schlachtfest stärken
und nur zum Schein auf blasse Rassen achten
und schließlich nicht nur schwarze Schafe schlachten
das dauert mir zu lange,
Da entscheid ich
mich so long
den alten Song
doch wieder aufzulegen
statt mich nutzlos aufzuregen
"I don't like Mondays..." der damals
schon so subversiven Boomtown Ratts ...
das schützt nicht vor Krieg, ist aber bequem
oder trotz- & wegen alle-dem
die Montage jetzt
doch wieder zu besetzen
auf Straßen und Plätzen
gegen die,
die uns in die Kriege hetzen
gegen Völkerrecht und Grundgesetz
Und dann tauchen sie auf
Aus den öffentlich-rechtlichen Zuchtanstalten
Und müssen halt als "das Volk" herhalten,
das die Oberzüchter zähmen müssen
Und die lassen uns dann
wie früher schon Mal
kollektiv schuldig sprechen
für ihre Verbrechen
wegsperren in ihre
Detention-Camps
und sie bleiben oben
als Zuchtanstaltswärter
zertifizierte Human-Rights-Watch-Champs
und wir in den Knästen
müssen büßen
vor ihren Palästen
Profite zwangsschaffen
Und ihre Waffen
wie einstmals in Ohra
ET LABORA
UT IMMORI
Bis Du krepieren wirst
Das müssen
Wir kapieren
BEVOR wir in den Krieg
wieder mitmarschieren
ihn wieder kreditieren
wie 1914
und 1936
den Jungfernflug
der Lufthansa-Legion CONDOR*
BEVOR sie die "Bürgerwehren" als
Freiwillige Hilfspolizei-Einheiten
Innen-Massakière-Noskisch
Friedrich-Ebert-gestiftet
Von Groß-Berlin aus
Gegen das nicht
Parierende
Gemeine
Volk
zum Exekutieren
kommandieren
NUR KEINE BANGE
DAS IST SCHON LANGE
VORBEI
DAS WAR DOCH NUR
EIN FILM, EIN VIDEO,
EINE GAMEBOY-
SPIELEREI
Die Herr- & Damschaft
Lacht sich
Nicht
Sie bläst uns
Das Licht
Aus
Sie lacht uns tot
Übers 5. Gebot**
und
Über Orwells
1984
und nun das Wetter ... tomorrow much better
* (wer noch dieses Jubel-Jahr bucht, kriegt einen Freiflugschein nach Spanien und darf in Guernica shoppen gehn. Kunstdrucke von Picasso gibts dabei an den Kassen als Tüten oder Geschenkpapier! "Aus grauer Städte Mauern" - "nix wie raus" heißt die Sendung beim Hessischen Rundfunk, Ferien für Daheimgebliebene bietet die EZBankfurter Frontschau im Heimatfront-Teil, also ich find's geil!)
** "Du sollst nicht drohen!"
Über den Autor: de.wikipedia.org
Mehr von Hartmut Barth-Engelbart: www.barth-engelbart.de
Als einen "Bühnenarbeiter" bezeichnete sich Lothar Kusche scherzhaft, als ihm 2007 auf der Bühne des Deutschen Theaters gemeinsam mit Otto Köhler der Kurt-Tucholsky-Preis verliehen wurde. Ein bisschen war das auch ernstgemeint, denn einen großen Teil seiner Arbeit hatte er in vier Jahrzehnten der Weltbühne gewidmet, erst als Textlieferant, bald als redaktioneller Mitarbeiter und eine Zeitlang auch als stellvertretender Chefredakteur.
In den Jahrzehnten der DDR-Weltbühne nahm Kusche quasi den verwaisten Platz von Tucholsky ein. Wie das Vorbild wählte er verschiedene Pseudonyme (wovon das bekannteste sicherlich Felix Mantel war). Kusche bediente die ironische Rezension ebenso wie den heiter-kritischen Reisebericht, war Sprachpolizist oder auch polemischer Beobachter der politischen Restauration im anderen, dem westlichen Teil Deutschlands. Texte aus dieser Zeit atmen manchmal den Hauch des Kalten Krieges, aber bei Kusche waren die Spitzen gegen Altnazis, Atompläne oder Wiederbewaffnungsbemühungen im Westen keine hohlen Floskeln, sondern entstammten der Überzeugung, nach dem verheerenden Krieg ein neues, freundliches Deutschland aufbauen zu wollen - das er letztlich nur in der DDR erkannte. Deren Aufbau begleitete er kritisch im Kleinen, schrieb Glossen nicht nur in der Weltbühne, sondern auch im Eulenspiegel, dessen Verlag seine feuilletonistischen Texte in Büchern veröffentlichte, die Bestseller wurden.
Kusche, Jahrgang 1929, hatte als Kind in Berlin den Krieg überlebt. Danach übte er sich im Schreiben und eroberte mit seinen humoristischen Betrachtungen schnell die Journale. In den 50er Jahren kam er übers Kabarett zum Film, wo er nicht nur Sketche für die Stacheltier-Produktionen der DEFA lieferte, sondern gelegentlich auch mitspielte.
Seine meistbeachtete Rolle war 1972 ein Möbelträger im emanzipatorischen Lustspiel "Der Mann, der nach der Oma kam". Er hatte auch das Szenarium nach einem Buch seiner Frau Renate Holland-Moritz geschrieben, mit der er sich auf der Filmpremiere endgültig verkrachte, aber nach der Scheidung freundschaftlich verbunden blieb.
"Keiner der prominenten Schauspieler konnte natürlich auf den Gedanken kommen, dass der schwitzende Kleindarsteller mit dem überschweren Spind auch einer der Drehbuchverfasser war. Und so hörte ich in den Drehpausen, beim Mittagessen und in der Garderobe, was die Künstler von der literarischen Vorlage für eine Meinung hatten. Es war nicht gerade schmeichelhaft", berichtete er in seinem Buch "Der gerissene Film". "Der Mann, der nach Oma kam" wurde einer der größten DEFA-Kassenerfolge und gilt heute als Klassiker.
Auch Kusches meist von Elizabeth Shaw illustrierte Bücher über Alltagsbeobachtungen wollte jeder haben. Sie trugen ihren Teil dazu bei, dass die Gesamtauflage seiner Werke bei mehr als 2,5 Millionen lag. Seine "Patientenfibel" erklärt: "Junge Ärzte pflegen im Krankenhaus eine Hand in der Tasche zu tragen, damit man sie von Pflegern unterscheiden kann."
In "Wie man einen Haushalt aushält" heißt es: "Nur vom Putzen wird die Welt regiert. Nach Schiller". Hier haben wir auch ein Beispiel für Kusches literarische Parodien, von denen er noch mehr geschrieben hätte, wenn seine Kollegen im Schriftstellerverband mehr Spaß verstanden hätten.
Ein besonderes Kunststück gelang ihm 1981 in seinem Amerika-Reisebuch "Donald Duck siehe unter Greta Garbo". Er unterhielt sein Publikum intelligent, indem er Klischees über die USA bediente und zugleich hinterfragte. Bedauerlich war nur, dass die Mehrzahl seiner Leser Kusches Erlebnisse nicht nachprüfen konnte.
1990 brach alles ab, wofür sich Kusche und viele andere eingesetzt hatten. Bald wurde sogar sein Refugium, die Weltbühne, von einem sich links gebenden Verleger abgeschafft. Im geistigen Nachfolger Ossietzky schrieben Kusche (und Mantel) noch, bis er weit über 80 war.
Immer wieder hatte er sich mit der Endlichkeit befasst. Schon mit 19 begann er 1948 eine Glosse mit dem Satz "Ich bin tot, und das kam so". Als er den Satz prägte "Marika Rökk wird uns alle überleben" war er 45 und sie 60. Seine Prophezeiung hat sich nicht erfüllt. Sie starb mit 90. Ihr Alter hat Lothar Kusche nicht ganz erreicht. Am 20. August 2016 ist er mit 87 in Berlin gestorben.
Zuerst veröffentlicht in der Jungen Welt am 25. August 2016
Frühere Artikel von F.-B. Habel erschienen am: 12.06.2016, 23.05.2016, 20.04.2016, 03.03.2016, 12.02.2016, 18.01.2016, 22.12.2015, 19.12.2015, 18.12.2015, 05.12.2015, 30.11.2015
Eine Milieustudie kann Seiten umfassen, um Stimmungen wieder zu geben. Doch manchmal kann man dies auch in eingängiger und kreativer Form tun. Daher hier einmal eine Zusammenfassung meiner Beobachtungen in Gedichtform.
Unser Land ist reich... Ein Land voller Fortschritt und Blüte...
Doch die Menschen sind arm... warum?
Unser Land kennt Kriege... Zwei große hat es verloren...
Doch statt Frieden zu schaffen, liefert es Waffen
Dahin, wo schon Krieg tobt...
Und das wird gelobt?
Unser Land,
ein Land der Poeten und Erfinder
Überall für seiner Hände Arbeit geschätzt
Und nun ist man entsetzt, denn im Elend
Lebt jedes vierte seiner Kinder...
Unser Land kennt jeder: pünktlich, fleißig, wortgewandt.
Und nun: Verfall, Verfall auf ganzer Linie, scheint es mir...
Wer spricht noch mit dem ander'n? Wer sorgt sich noch um Menschen aus seiner Mitte?
Sollte nicht Zusammenstehen Gebot der Stunde sein?
Hat mancher noch immer nicht die Zeichen der Zeit erkannt?
Blind laufen junge Menschen durch den Tag
Gleichgültig wie nur irgendwas,
Hauptsache Spaß, Freizeit und Konsum... und nebenbei ein wenig Rowdytum...
Ich frag mich denkt ihr nach?
Der Geist steht auf Genuss, die Augen auf Haben statt Sein, das Herz auf Trieb und nicht Gefühl...
Wer nachdenkt, der bleibt meist allein.
Frühere Artikel von Matthias Wolf erschienen am: 03.08.16,
15.06.16, 24.05.16,
11.05.16, 02.05.16, 27.03.16
Für Sommer und Herbst haben DGB und IG Metall eine Rentenkampagne angekündigt. Derweil diskutieren die Regierungsparteien wieder mal ein neues Rentenkonzept.
Zwei Drittel der Beschäftigten glauben laut einer von der IG Metall in Auftrag gegebenen Umfrage, dass sie von der gesetzlichen Rente nicht gut leben können. Dass die Rente nicht ausreicht, ist schon jetzt bittere Wahrheit. Daran ändert auch die für dieses Jahr im Vergleich zu den vergangenen Jahren starke Erhöhung der Renten nichts. Seit Schröders Agenda 2010 ist das Rentenniveau auf 47,5 Prozent des Erwerbseinkommens gesunken; bis 2030 wird es weiter sinken. Die subventionierte private Riester-Rente beschert den Versicherungen Profite, den Versicherten bringt sie in der Realität eines krisengeschüttelten Kapitalismus nichts.
Mit der massiven Zunahme von prekären Beschäftigungsverhältnissen und befristeten Arbeitsverträgen wird es immer schwieriger, eine lückenlose Beschäftigung im Berufsleben zu erreichen. Die Hälfte der unter 34-jährigen haben laut IGM bereits berufliche Unterbrechungen. Für Frauen ist dies wegen der traditionellen Rollenverteilung, fehlenden Betreuungseinrichtungen, Erziehungszeiten oder auch Pflege von Angehörigen schon lange so. Deshalb liegt die Durchschnittsrente für Frauen im Westen bei 477 Euro. Das sind 500 Euro unter der ohnehin geringen Durchschnittsrente von Männern.
Diese Zustände sind skandalös genug, doch Schäuble geht das nicht weit genug. Im Frühjahr schlug er die Rente mit siebzig vor. Niemand kann sich vorstellen, unter dem massiv angestiegenen Arbeitsdruck mit siebzig noch an der Maschine, im Klassenzimmer oder auf einer Krankenpflegestation mitzuhalten. Vor allem würde die weitere Anhebung des Rentenalters zu Abschlägen bei der Rente führen, wenn Beschäftigte sich früher verrenten lassen.
Es ist gut, dass die IG Metall den Ausstieg aus der Riester-Rente sowie eine Verbesserung der gesetzlichen und der betrieblichen Rente fordert. Die Forderungen von DGB wie auch IG Metall sind jedoch bescheiden. So steht im Forderungskatalog des DGB die Aussetzung der Rente mit 67 und dass das Rentenniveau auf dem jetzigen Niveau gehalten werden soll. Die IG Metall fordert die Stabilisierung des Rentenniveaus und eine schrittweise Anhebung.
Doch der Status Quo ist eindeutig zu wenig! Es besteht kein Grund zur Bescheidenheit, schaut man sich die Entwicklung der Gewinne an. Diejenigen, die den gesellschaftlichen Reichtum erwirtschaften, sollten davon profitieren - auch, wenn sie in ihre wohlverdiente Rente gehen!
Was IG-Metallvorstand Hans-Jürgen Urban als "große Kampagne" ankündigt, beinhaltet bislang einen "Generationendialog", Öffentlichkeitsarbeit, ein Rentenforum mit Betriebsräten und Vertrauensleute und örtliche Aktionen. Man hofft, so Einfluss auf die Wahlprogramme der Parteien zu gewinnen. Doch eine wirkliche Rentenreform im Interesse der Masse der Beschäftigten - jung und alt - wird es so nicht geben.
Mit mobilisierenden Forderungen könnten KollegInnen branchenübergreifend zu Protesten aufgerufen werden. Mit Arbeitsniederlegungen könnte Druck auf Arbeitgeber und Politiker aufgebaut werden. Die LINKE könnte mit Forderungen nach einer grundlegenden Rentenreform im Sinne der Beschäftigten die Kampagne stärken und sich in den Betrieben verankern. In den Gewerkschaften sollten Forderungen eingebracht werden, diese Kampagne zu einer betrieblichen Mobilisierung inklusive Arbeitsniederlegungen bis hin zu politischem Streik auszuweiten.
Erstveröffentlichung: www.sozialismus.info, 18. August 2016
Zur Autorin:
Angelika Teweleit ist Mitglied des Sprecherinnenrates des "Netzwerkes für
eine kämpferische und demokratische ver.di", sowie Mitglied der SAV Bundesleitung
Rente, die sich durch Erwerbsarbeit errechnet und die Existenz im Alter absichert, ist schon lange ein Märchen, was alte Menschen erzählen, wenn sie ihren Enkeln von der guten, alten Zeit erzählen.
Schon heute braucht es nur 2/3 der Arbeitskraft, um die Produktion zu bedienen. Heißt, schon heute schaffen es mindestens 1/3 nicht, von ihrer Rente mal leben zu können. In den nächsten 10 Jahren werden noch mal ca. 45% der bestehenden Erwerbsplätze durch Digitalisierung und Optimierung der Produktion wegfallen, sodass nur noch ca. 1/3 überhaupt eine Erwerbstätigkeit haben werden. Das Lohnniveau wird bei diesem Arbeitskräfteüberhang im Keller sein, von den Rechten der Erwerbstätigen ganz zu schweigen. So werden selbst die, die eine Erwerbstätigkeit ergattert haben, von ihrer Rente nie leben können. Ergo wird man mit einer Rentenreform hier nicht weiter kommen.
Klaus Meier, 28.08.2016
Ja, es ist vorauszusehen, dass sich die Arbeitsplätze in den nächsten Jahren um 45% verringern, es bedeutet aber, dass es so nicht weitergehen wird, Menschen werden ihre Rente nicht mehr selbst erwirtschaften können, da hilft auch Bsirkes Kampagne nicht weiter und ich denke, das weiß nicht nur er. Richtig und wichtig wäre es, wenn alle in die Rentenkasse einzahlen müssten, nicht nur die Gering- auch die Gutverdiener und eben die Beamten. Es kann einfach nicht sein, dass sich ganze Bevölkerungsteile der Sozialversicherungspflicht entziehen können und andere müssen die Rentenversicherungsbeiträge allein tragen.
Marlies Wanka, Kiel, 29.08.2016
Die Berliner Staatsoper hat einen Sänger im Ruhestand verloren. Lothar Dräger, der am 9. Juli in Potsdam 89jährig starb, war allerdings kein Solist, sondern verstärkte den Opernchor über viele Jahre, auch längst nach Erreichen des Rentenalters.
Eine lebende Legende wurde der vielseitige Künstler als Comicautor. Fast dreieinhalb Jahrzehnte arbeitete der ehemalige Opernsänger ab 1957 für die beliebte Jugendzeitschrift Mosaik, wurde schon bald unter Hannes Hegens künstlerischer Leitung Hauptautor und erfand beispielsweise den mittelalterlichen tolpatschigen Ritter Runkel von Rübenstein, eine Lieblingsfigur der Leser. Ihn stattete er mit Sprüchen aus, die Kult wurden: "Ein Rittersmann von Schrot und Korn kennt sich selber nicht im Zorn!" oder "Sehr gut bewährt sich oft auf Reisen ein Anzug, welcher ganz aus Eisen."
Wenn Not am Mann war, zeichnete Dräger in den siebziger Jahren auch am Heft mit, doch eigentlich war er als Autor voll ausgelastet. Bekannt war sein Name damals noch nicht, denn Hannes Hegen stand ganz allein für die Heftreihe und nannte als Helfer nur ein namenloses "Kollektiv". Nicht haltbar ist die gerade wieder von dpa verbreitete Behauptung, Hegen habe 1975 auf politischen Druck hin seine Arbeit am Mosaik beendete, denn politische Einflussnahme gab es nur gelegentlich in den fünfziger und sechziger Jahren.
Der Verlag Junge Welt beauftragte Lothar Dräger mit der Entwicklung neuer Helden, da Hegens Digedags mit ihm das Mosaik verließen. Dräger erfand die Abrafaxe, deren geistiger Vater er wurde, während die Zeichnerin Lona Rietschel, die "Mutter der Abrafaxe", ihnen die äußere Gestalt verlieh. Als jW Dräger einmal fragte, ob er den Namen vom Zauberspruch "Abrakadabra" abgeleitet hätte, meinte er, als Opernliebhaber habe er mehr an Werner Egks Ballett "Abraxas" gedacht, das damals in der Komischen Oper aufgeführt wurde.
Lothar Dräger dachte sich neue, aufregende Geschichten für die Abrafaxe aus und schuf nach Hegens Ausscheiden auch die Seitenaufrisse. Seine Geschichten hatten satirischen Witz und sanfte Ironie, aber vor allem waren sie in Historie und Geographie akribisch recherchiert. Mit Spaß konnten sich Jung und Alt hier weiterbilden.
Ist Lothar Dräger ein Plagiator? Mit dieser Frage mussten sich Gerichte in den neunziger Jahren befassen, nachdem Hannes Hegen gegen die Abrafaxe klagte. Doch obwohl wieder drei jugendliche Gnome auf die Digedags folgten, gestand das Gericht ihnen Eigenständigkeit zu, zumal Dräger auch zuvor schon als Hauptautor das Mosaik entscheidend mitgeprägt hatte. Hannes Hegen jedoch würdigte Dräger nie wieder eines Wortes.
Im Ruhestand wurde der Vater der Abrafaxe auch Romanautor. Er widmete sich seiner anderen Schöpfung, der Familiengeschichte des Ritter Runkels. Drei reich bebilderte Romane entstanden. Im letzten, 2012 erschienenen Werk ging er auf das Leben von Runkels Bruder Bodo von Rübenstein ein. "Im Namen der Rübe" ist zwar keine Parodie auf Umberto Eco, aber augenzwinkernd geschilderte Parallelen gibt es in dem im frühen 14. Jahrhundert angesiedelten Schmöker schon. Bodo war Geheimschreiber mehrerer Päpste und kommt durch sein Wissen in arge Gefahren. Wieder gab es neben einer spannenden Handlung viel Wissenswertes über das Mittelalter zu erfahren, und Dräger vergaß auch die beliebten Ritterregeln nicht: "Ein Ritter ist ein kleines Licht, wenn er nicht dauernd haut und sticht."
Der Text erschien zuerst am 22.08.2016 in der Jungen Welt.
Frühere Artikel von Frank Burkhard erschienen am: 19.05.2016, 11.05.2016, 22.04.2016, 13.04.2016, 26.02.2016, 16.02.2016, 15.02.2016, 20.01.2016, 01.01.2016
1990 tönte es durch alle TV-Kanäle, Rundfunksender und Zeitungspapapiere: "Die Freiheit hat über die kommunistische Tyrannei gesiegt." Damals gingen die DDR und das sozialistische Lager zu Bruch. In Moskau wurde der Wegbereiter des Untergangs Gorbatschow vom Säufer und Speichellecker des Westens, Jelzin abgelöst und die anderen Länder des sozialistischen Lagers folgten. Manche durch einfachen Austausch der Regierung, andere aber auch durch Mord und Totschlag wie z.B. in Albanien und Jugoslawien.
Ursache des Untergangs war nicht die größere Stärke, die Demokratie und Freiheit des Westens - der Westen ist gar nicht so demokratisch wie er tut - Ursache war auch nicht mehr Gerechtigkeit - wie kann es gerecht sein, wenn die Mehrheit besitzlos ist und die Minderheit immens reich - Ursache des Untergangs war zum einen die revisionistische Entwicklung in den meisten Ländern des sozialistischen Lagers seit Chruschtschow, aber auch die lügenhaften Versprechungen westlicher Politiker.
So versprach der westdeutsche Kanzler Kohl "blühende Landschaften"; was heraus kam, war blühendes Unkraut auf den Mauern der von der Treuhand liquidierten Fabriken. Es blieben Ruinen da, wo in der DDR Menschen Werte schufen.
Nur ein Beispiel: Im Eichsfeld (Thüringen) gibt es das Städtchen Bischofferode. Dort gab es die Kaligrube "Thomas Müntzer". Nach Ende der DDR wurde diese Grube - wie auch die gesamte Wirtschaft der DDR - von der Treuhandanstalt (THA) geführt. Die THA verschaffte westdeutschen Konzernen manches Schnäppchen, machte ansonsten die ehemals volkseigenen Betriebe platt, sorgte dafür, dass da, wo in der DDR fleißige Hände das Volksvermögen mehrten, nun das Unkraut auf den Ruinen wachsen konnte.
So auch in Bischofferode. Hier wurde Kalisalz bester Qualität abgebaut. Die Treuhand verscherbelte die Grube an die BASF-Tochter Kali & Salz AG (K&S-AG) mit Sitz in Kassel. Die K&S-AG besitzt in Hessen einige Kaligruben. Die wurden kurz vor 1990 aufwendig modernisiert. Wäre die Kaligrube in Thüringen weiter betrieben worden, wäre sie eine ernsthafte Konkurrenz für die hessischen Kaligruben geworden, die Investitionen hätten sich nicht amortisiert. Das wollte man verhindern.
Es fand sich zwar ein Interessent, der die Thomas-Müntzer-Kaligrube in Bischofferode weiter betreiben wollte - immerhin lagert hier bestes Kalisalz, für das es einen Markt gab, aber daran war die BASF nicht interessiert. Also verkaufte die Treuhand die Grube in Bischofferode nicht an den Interessenten, sondern an die K&S-AG.
Die Thüringische Landesregierung mit Ministerpräsident Bernhard Vogel finanzierte die Vernichtung der Lebensgrundlage der Menschen in und um Bischofferode auch noch mit 100 Millionen €.
1945 waren sich alle einig: Nie wieder Faschismus, nie wieder Bewaffnung. Kein Deutscher darf wieder eine Waffe in die Hand nehmen. Jedenfalls sagten das alle Parteien in Ost und West. Während im Osten mit der Nazivergangenheit aufgeräumt wurde, krochen in Westdeutschland die Nazis bei den Parteien und Behörden unter. Vor allem in der Justiz und der Polizei waren sie vertreten - aber nicht nur dort.
Ich habe folgendes erlebt: Ich hatte in der DDR Literatur bestellt. Das Paket wurde allerdings von der Polizei durch eine Denunziation abgefangen und ich bekam ein Strafverfahren wegen "Einfuhr verfassungsverräterischer Schriften" angehangen. Ich musste zur politischen Polizei zur Vernehmung. Natürlich war ich nicht mitteilsam und sagte zu den Beamten, dass ich vor Nazis und ehemaligen Gestapo-Mitarbeitern gar nichts sagen werde, denn sein Verein bestehe ja nur aus solchen. Der Beamte sagte mir, er sei Sozialdemokrat und fände es auch nicht gut, dass seine Kollegen eine braune Vergangenheit hätten.
Hier sei anzumerken, das war keineswegs in Bayern, sondern im damals sozialdemokratischen Hessen, in Frankfurt am Main. Dort war immerhin einer der ganz wenigen demokratischen Juristen der BRD, der hessische Generalstaatsanwalt Fritz Bauer, im Amt. Bauer wurde am 1. Juli 1968 tot in seiner Wohnung aufgefunden. Eine gerichtliche Leichenöffnung fand nicht statt, trotzdem sprach man von Suizid. Hierfür aber gab es keinerlei Anzeichen am Verhalten Bauers.
Ich kenne keinen zweiten Juristen seiner Generation, der ein überzeugter Antifaschist war. Die meisten hatten, wie auch der spätere Ministerpräsident von Baden-Württemberg, Hans Karl Filbinger, Blut an den Händen. Keiner der Blutrichter aus der Nazizeit wurde je in der BRD belangt.
Anders in der DDR. Dort gab es Prozesse gegen Naziverbrecher, die bis zum Todesurteil führen konnten. Nach 1990 erdreistete sich die westdeutsche Justiz, Richter, welche Nazis verurteilt hatten (Todesurteile gab es nur sehr wenige und nicht alle wurden vollstreckt), als DDR-Juristen wegen Rechtsbeugung zu belangen.
Hier wurde ein Architekt namens Heinrich Lübke, der Baupläne für Konzentrationslager entworfen hatte, erst Landwirtschaftsminister und dann sogar Bundespräsident.
Hier sei zunächst der Stahlkönig Fritz Thyssen genannt. Thyssen war schon seit den 20er Jahren Sympathisant Hitlers und organisierte 1932 den Auftritt Hitlers vor den Ruhrbaronen im Industrieclub in Düsseldorf. Daraufhin sprudelten die Geldquellen der Konzerne munter zur Unterstützung der Nazipartei. Fritz Thyssen geriet in Widerspruch zu Hitler als Deutschland den Krieg nicht gegen die UdSSR, sondern gegen England und Frankreich begann.
Die Krupps waren eine andere Dynastie, die Hitler an die Macht halfen. Gustav Georg Friedrich Maria Krupp von Bohlen und Halbach und Alfried Felix Alwyn Krupp von Bohlen und Halbach waren beide nicht Mitglieder der Nazipartei. Das hinderte sie jedoch nicht, von Hitler das Goldene Parteiabzeichen in Empfang zu nehmen. Hitler fuhr deshalb extra nach Essen in die Villa Hügel. Dort empfingen die Krupps auch schon zur Kaiserzeit die politischen Führer - nicht umgekehrt. So war Kaiser Wilhelm der Letzte Gast der Kanonenkönige.
Thyssen und Krupp - diese beiden Namen stehen für viele, die auch nach dem Krieg die westdeutsche Wirtschaft beherrschten. So z.B. der Gründer des Versandhauses Quelle, Gustav Schickedanz. Er war seit 1932 Mitglied der Nazipartei. Neben dem Geschäft als Versandhändler eignete er sich fleißig Eigentum von Juden an; so eine große Papierfabrik, eine Bettfedernfabrik und eine Brauerei.
Quelle wurde 1938 zum größten Versandhändler Deutschlands mit einem Jahresumsatz von 40 Millionen Reichsmark.
Sie wollten Revanche für den verlorenen 1. Weltkrieg, sie wollten billige Rohstoffquellen und sie wollten ihre Konkurrenten ausschalten.
Man hatte jedoch erlebt, dass die deutsche Arbeiterbewegung sich gegen gewaltsame Unterdrückung zu wehren versteht. Als am 13. März 1920 reaktionäre Freikorps gegen die Regierung putschten, floh die sozialdemokratische Reichsregierung entsetzt aus Berlin nach Bayern.
Aber es gab noch bewaffnete Proletarische Gruppen, die Gegenwehr leisteten und dann erfolgte ein Generalsstreik in ganz Deutschland. Die Putschisten mussten nach 100 Stunden aufgeben. Es entstand außerdem die Rote Ruhrarmee: 50.000 Kämpfer griffen zu den Waffen und kämpften gegen Putschisten und Freikorps. Die Putschisten waren an der geballten Faust des Proletariats gescheitert.
Daher musste das Großkapital, wollte es einen neuen Krieg anzetteln, sich der Arbeiterbewegung entledigen. Vor allem die Kommunisten waren zu einer starken Macht heran gewachsen und mussten ausgeschaltet werden. Aber auch die Gewerkschaften und die Sozialdemokratie waren den Nazis im Weg.
Bereits im Februar 1933 brannte der Reichstag in Berlin. Nach zuvor erstellten Listen wurden Verhaftungen vorgenommen. Angeblich war das das Fanal eines kommunistischen Aufstands. Die Nazis schauten hierbei auf die sozialdemokratische preußische Polizei von 1928. Damals behauptete man, nachdem die Kommunisten große Erfolge bei den Betriebsratswahlen errangen, die KPD plane am 1. Mai 1928 einen Aufstand. Das war der Vorwand, um die Mai-Demonstrationen zu verbieten und um auf unbewaffnete Arbeiter zu schießen.
Im Februar 1933 begann reichsweit eine wilde Jagd auf Kommunisten. Man hatte im brennenden Reichstag den geisteskranken angeblichen Kommunisten Marinus van der Lubbe gefangen genommen. Ihm und anderen wurde dann vor dem Reichsgericht der Prozess gemacht. Neben van der Lubbe waren Ernst Torgler, der Vorsitzende der KPD-Reichstagsfraktion, die bulgarischen Kommunisten Georgi Dimitroff, Blagoi Simeonow Popow und Wassil Konstantinow Tanew angeklagt.
Die Nazis planten einen Schauprozess, weshalb auch Göring - preußischer Ministerpräsident und Präsident des Reichstages - als Zeuge auftrat. Göring war der eigentliche Hintermann des Brandes, denn es gab vom Palais des Reichstagspräsidenten einen unterirdischen Zugang zum Gebäude des Parlaments und die Nazis profitierten vom Anschlag.
Göring wollte vor allem Dimitroff vorführen, der aber führte Göring vor. In einem Rededuell sah der Obernazi recht alt aus. Das Gericht verurteile van der Lubbe zum Tode, musste aber die Kommunisten freisprechen.
1945 schien man sich einig zu sein: Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg und keine deutsche Bewaffnung. Aber die westlichen Alliierten dachten anders.
Sie nutzten die verbrecherischen Erfahrungen der Nazis für ihre Zwecke und sorgten z.B. dafür, dass Naziverbrecher von der Justiz unbehelligt blieben. Zum Teil wurden die Naziverbrecher ins Ausland geschmuggelt, vor allem nach Südamerika. Darunter waren Adolf Eichmann, der Auschwitz-Arzt Josef Mengele, Klaus Barbie und andere. Sie wurden mit Hilfe des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz und des Vatikans über die sog. "Rattenlinie" nach Übersee verbracht.
Andere blieben im Land. So der ehemalige Nazigeneral und Chef von "Fremde Heere Ost" des Geheimdienstes der Wehrmacht, Reinhard Gehlen. Gehlen rekrutierte aus ehemaligen Nazi-Spionen bereits Anfang Dezember 1947 eine Gruppe im Auftrag der USA. Mitarbeiter, die belastet waren, bekamen sogar eine neue Identität. Später wurde die Organisation der deutschen Bundesregierung unterstellt und nennt sich seitdem Bundesnachrichtendienst (BND). Chef wurde - wie konnte es anders sein - Reinhard Gehlen. Noch 1970 waren 30% der BND-Mitarbeiter (meist in höheren Rängen) Ex-Nazis, Gestapo- oder SS-Leute.
Kurt Schumacher, der damalige Vorsitzende der SPD, nannte Adenauer "Kanzler der Alliierten". Man muss Schumacher nicht mögen, aber hier hatte er Recht.
Die britische Besatzungsmacht kam auf die Idee, die Nordseeinsel Helgoland als Übungsziel für Bomben zu verwenden. Die dort wohnende Bevölkerung wurde vertrieben und auf Helgoland hagelte es Bomben.
Ein Sturm der Entrüstung ging durch ganz Deutschland. Die Adenauer-Regierung aber schwieg. Erst als die Proteste immer stärker wurden, bequemte sich Bonn zu intervenieren. Adenauer bot den Briten den Großen Knechtsand, eine Sandbank im östlichen niedersächsischen Wattenmeer, als Ersatz an. Das aber löste erst recht Proteste aus. Das Meer um die Knechtsände herum ist sehr fischreich und diente den Fischern als Fanggebiet. Außerdem ist es ein wichtiges Brutgebiet für Seevögel, auch Seehunde sind hier reichlich. Der Große Knechtsand war damals wie heute ein Schutzgebiet.
Natürlich wollten die Westmächte, allen voran die USA, nicht auf die militärischen Erfahrungen des Krieges im Osten verzichten und kamen schon bald dazu, die Wiederbewaffnung ihrer Besatzungszonen zu errichten.
Aber die Mehrheit der Deutschen war dagegen, und auch im Ausland fanden sich unter den einfachen Menschen wenige Freunde einer Wiederbewaffnung der Deutschen.
Man plante zunächst die BRD in eine Europäische Verteidigungsgemeinschaft einzubilden. Aber die französische Nationalversammlung lehnte den Vertragsentwurf ab. Adenauer beantragte deshalb die Aufnahme in die NATO, um wieder deutsche Soldaten zu haben. Die USA brauchten deutsche Soldaten als Speerspitze eines Angriffs auf die UdSSR.
Gegen diese Pläne gab es natürlich Proteste. So beschloss eine Konferenz in Darmstadt unter Leitung des Pfarrers Herbert Mochalski eine "Jugendkarawane gegen Wiederaufrüstung und Generalvertrag" am 11. Mai 1952 in Essen durchzuführen. Der Innenminister von NRW (und Ministerpräsident) verbot diese Demo. Sie fand aber trotzdem statt. An ihr nahmen etwa 30.000 Menschen teil. Die Kundgebung fand vor der Gruga-Halle statt. Der Einsatzleiter, ein Kommissar Knobloch, erteilte Schießbefehl, nachdem die Demonstranten sich weigerten, abzuziehen. Zwei Kugeln trafen den 21 Jahre alten Arbeiter Philipp Müller, eine Kugel direkt ins Herz. Neben Philipp Müller wurden auch der Sozialdemokrat Bernhard Schwarze aus Münster und der Gewerkschafter Albert Bretthauer aus Kassel verletzt. Die Polizei behauptete später, man habe auf sie geschossen, sie hätten nur das Feuer erwidert - eine platte Lüge.
Die Verantwortlichen am Tod Müllers wurden nie zur Rechenschaft gezogen, aber man veranstaltete Prozesse gegen Demonstranten. Während das Gericht der Polizei "Notwehr" attestierte, schickte es Demonstranten in den Knast. Einige bis zu zwei Jahre.
Ich hab hier nur wenige Bespiele nennen können, aber es gibt noch viele. So ist der Tod der RAF-Mitglieder im Stammheimer Knast nie erschöpfend geklärt worden, auch nicht die Todesschüsse von Bad Kleinen auf Wolfgang Grams. Hartnäckig hält sich das Gerücht, Grams sei von BGS-Beamten regelrecht hingerichtet worden. Auch der Tod der Stammheimer Häftlinge ist für mich unklar. Da soll sich Ulrike Meinhof das Leben genommen haben, damit die Öffentlichkeit darauf aufmerksam wird. Jedenfalls hieß es damals nach ihrem Tod so.
Ulrike Meinhof war eine Vollblutjournalistin. Wenn sie mittels Suizid Öffentlichkeit herstellen wollte, hätte sie auf größtmögliche Wirkung geachtet. Aber das war zum Zeitpunkt ihres Todes unmöglich, denn damals erschienen keinerlei Zeitungen - bis auf einige Notausgaben. Die Zeitungsmacher streikten nämlich bundesweit.
Deutschland ist an fast allen Verbrechen der USA beteiligt gewesen. So der spätere Bundespräsident von Weizsäcker. Der war Mitglied der Geschäftsführung von Boehringer Ingelheim. Diese Chemiefirma lieferte an die USA 1967 720 Tonnen Trichlorphenolatlauge, womit die USA in Vietnam die Menschen vergifteten. Weizsäcker wusste davon angeblich nichts und sei erschüttert gewesen, als er es später erfuhr. Kaum glaubhaft!
1946 war er Hilfsverteidiger seines Vaters, des Staatssekretärs des Nazi-
Es sei festegestellt, dass das deutsche Großkapital keineswegs nach seiner Niederlage 1945 seine verbrecherischen Pläne aufgab, das zeigt die Zeit nach 1990 überdeutlich. Überall, wo Konflikte ausbrechen, sind sie dabei - mit Soldaten oder Waffen oder Geld. In Afrika unterstützen sie Separatistenbewegungen, wenn in deren Gebiet Bodenschätze vorkommen, an den die Konzerne interessiert sind. Im mittleren Osten sind sie fleißig dabei, die tyrannisch regierenden Fürsten Arabiens mit modernen Waffen zu beliefern, die sie dann an die Dschihadisten weiter geben und mit denen diese die Andersgläubigen tyrannisieren und morden.
In der Ukraine versuchten die deutschen Politiker auch mitzumischen. Sie bedienten sich des Boxers Vitali (Matschbirne) Klitschko, scheiterten aber. Die USA hatten andere Vorstellungen.
Im Jugoslawienkrieg der 90er Jahre fielen auch deutsche Bomben auf Belgrad. Außenminister Genscher mischte kräftig mit, als es um die Auflösung Jugoslawiens ging. So schürte er den Konflikt zwischen den verschiedenen Volksgruppen in Bosnien. Das Ergebnis war dann der Tod unzähliger Menschen.
Im Kosovo erfand der deutsche Kriegsminister Scharping den Hufeisenplan. Der war ein Märchen mit weniger Wahrheitsgehalt als "Alibaba und die 40 Räuber". Aber er diene als Anlass und Begründung des Einsatzes deutscher Soldaten im Kosovo.
Das alles sind nur Beispiele, das Wesen des Imperialismus ist Aggression, Raub und Mord. Da unterscheiden sich die USA nicht von den deutschen Imperialisten.
Dauerhafter Weltfrieden ist nur erreichbar durch Beseitigung des Imperialismus durch die Völker.
Lasst uns die Sache angehen!
Erstveröffentlichung: kommunisten-online.de, 7. August 2016
Frühere Beiträge von Günter Ackermann erschienen am 16.08.2016, 29.07.2016, 08.07.2016
Wer will, dass die Welt so bleibt wie sie ist, will dass sie untergeht. Wohl selten in der Geschichte der Menschheit war dieser Satz so zutreffend wie heute. Führende Politiker, ihre eigene Verantwortung für diese Entwicklung negierend, sprechen von einer Welt, die aus den Fugen gerät.
1,7 Billionen jedes Jahr für Militär und Rüstung, mehr als 20 "größere" und vielzählige "kleinere" Kriege, die weltweite Militarisierung sprechen genauso eine erschütternde eindeutige Sprache wie die immer noch mehr als 800 Millionen hungernden Menschen, die täglich sterbenden Kinder, die 65 Millionen Flüchtlinge. Es ist die Sprache des Leids, der Zerstörung und der Perspektivlosigkeit. Terror bestimmt das Leben von Millionen von Menschen. Deutschland leistet einen stetig wachsenden Beitrag zu dieser weltweiten Kriegspolitik.
Frieden ist die Überlebensfrage: Ohne Frieden keine Entwicklung und keine Gerechtigkeit, im Krieg kann keine zukunftsfähige Gesellschaft gedeihen, wird die Umwelt zerstört, der Mensch sich selbst zum Feind.
Wir müssen uns diesen großen Herausforderungen stellen, Frieden braucht Bewegung. Ohne eine starke Friedensbewegung in ihrer Vielfalt wird es keinen Frieden und keine Gerechtigkeit geben. Daher bitte ich Euch, alle zu der bundesweiten Demonstration am 8. Oktober 2016 in Berlin zu kommen. Lasst uns eine deutliche Botschaft an die Bundesregierung senden, dass wir uns an ihrer Kriegspolitik nicht beteiligen wollen. "Der Frieden ist nicht alles, aber alles ist ohne den Frieden nichts."
Die aktuellen Kriege und die militärische Konfrontation gegen Russland treiben uns auf die Straße. Deutschland befindet sich im Krieg fast überall auf der Welt. Die Bundesregierung betreibt eine Politik der drastischen Aufrüstung. Deutsche Konzerne exportieren Waffen in alle Welt. Das Geschäft mit dem Tod blüht.
Dieser Politik leisten wir Widerstand. Die Menschen in unserem Land wollen keine Kriege und Aufrüstung - sie wollen Frieden. Die Politik muss dem Rechnung tragen. Wir akzeptieren nicht, dass Krieg immer alltäglicher wird und Deutschland einen wachsenden Beitrag dazu leistet: in Afghanistan, Irak, Libyen, Syrien, Jemen, Mali. Der Krieg in der Ukraine ist nicht gestoppt. Immer geht es letztlich um Macht, Märkte und Rohstoffe. Stets sind die USA, NATO-Mitgliedstaaten und deren Verbündete beteiligt, fast immer auch direkt oder indirekt die Bundesrepublik.
Krieg ist Terror. Er bringt millionenfachen Tod, Verwüstung und Chaos. Millionen von Menschen müssen fliehen. Geflüchtete brauchen unsere Unterstützung und Schutz vor rassistischen und nationalistischen Übergriffen. Wir verteidigen das Menschenrecht auf Asyl. Damit Menschen nicht fliehen müssen, fordern wir von der Bundesregierung, jegliche militärische Einmischung in Krisengebiete einzustellen. Die Bundesregierung muss an politischen Lösungen mitwirken, zivile Konfliktbearbeitung fördern und wirtschaftliche Hilfe für den Wiederaufbau der zerstörten Länder leisten.
Die Menschen brauchen weltweit Gerechtigkeit. Deshalb lehnen wir neoliberale Freihandelszonen wie TTIP, CETA, ökologischen Raubbau und die Vernichtung von Lebensgrundlagen ab.
Deutsche Waffenlieferungen heizen die Konflikte an. Weltweit werden täglich 4,66 Milliarden Dollar für Rüstung verpulvert. Die Bundesregierung strebt an, in den kommenden acht Jahren ihre jährlichen Rüstungsausgaben von 35 auf 60 Milliarden Euro zu erhöhen. Statt die Bundeswehr für weltweite Einsätze aufzurüsten, fordern wir, unsere Steuergelder für soziale Aufgaben einzusetzen.
Das Verhältnis von Deutschland und Russland war seit 1990 noch nie so schlecht wie heute. Die NATO hat ihr altes Feindbild wiederbelebt, schiebt ihren politischen Einfluss und ihren Militärapparat durch Stationierung schneller Eingreiftruppen, Militärmanöver, dem sogenannten Raketenabwehrschirm - begleitet von verbaler Aufrüstung - an die Grenzen Russlands vor. Das ist ein Bruch der Zusagen zur deutschen Einigung. Russland antwortet mit politischen und militärischen Maßnahmen. Dieser Teufelskreis muss durchbrochen werden. Nicht zuletzt steigert die Modernisierung genannte Aufrüstung der US-Atomwaffen die Gefahr einer militärischen Konfrontation bis hin zu einem Atomkrieg. Sicherheit in Europa gibt es nur MIT und nicht GEGEN Russland.
Wir verlangen von der Bundesregierung den Abzug der Bundeswehr aus allen Auslandseinsätzen, die drastische Reduzierung des Rüstungsetats, den Stopp der Rüstungsexporte und die Ächtung von Kampfdrohnen, keine Beteiligung an NATO-Manövern und Truppenstationierungen entlang der Westgrenze Russlands. Wir sagen Nein zu Atomwaffen, Krieg und Militärinterventionen. Wir fordern ein Ende der Militarisierung der EU. Wir wollen Dialog, weltweite Abrüstung, friedliche zivile Konfliktlösungen und ein auf Ausgleich basierendes System gemeinsamer Sicherheit.
Für diese Friedenspolitik setzen wir uns ein.
Dortmund, den 02.07.2016
Bundesausschuss Friedensratschlag, Kooperation für den Frieden, Berliner Friedenskoordination
Weitere Infos zur Demo auf: www.friedensdemo.org und facebook
Pascal Luig ist Sprecher der Kooperation für den Frieden, Vorstandsmitglied von NatWiss und gehört dem Koordinierungskreis von der Kampagne Stopp Ramstein an.
Vor fünf Jahren absolvierte Axel Ranisch die Babelsberger Filmhochschule und hat sich seitdem in die erste Reihe deutscher Regisseure mit Anspruch - nein, nicht katapultiert, aber sanft geschoben. Vor kurzem erschien sein bislang anspruchsvollster Film von 2015 auf DVD und sollte trotz seines ernsten Themas doch zum Schmunzeln anregen - eine etwas verrückte, alltägliche Tragikomödie.
Tobias betreibt mit seinem Freund Thomas (Heiko Pinkowski und Thorsten Merten) ein Architekturbüro und wird für seinen Partner immer unberechenbarer. Die Familie (Christina Gro&szli;e als Ehefrau) bekommt es auch zu spüren, denn Tobias ist nie allein. Sein Freund Flasche begleitet ihn fast immer und verleitet ihn mehr oder weniger diffizil zu Fehlleistungen. Peter Trabner spielt den personifizierten Hang zum Alkohol, der Tobias mehr und mehr erobert. Bald streckt er auch die Hand nach Tobias' Sohn aus.
Ranisch hat sich mit seinem sehr ernst gemeinten und dabei trotzdem heiteren Film an großen Vorbildern orientiert und lag nicht daneben. Auch in Andreas Dresens "Halt auf freier Strecke" spielte Thorsten Merten mit - hier als die personifizierte Krebskrankheit. Axel Ranisch hatte das Glück, bei Rosa von Praunheim in dessen Altersphase zu studieren, als das schwule Enfant terrible bereits weise geworden war. Der Schüler erfand neue Verrücktheiten, aber nur, um das ernste Thema mit unterhaltenden Mitteln um so eindringlicher zu exponieren.
In Nebenrollen tauchen so profilierte Schauspieler wie Iris Berben, Oliver Koritke und Robert Gwisdek als Bänkelsänger auf und wiederum Ranischs Oma Ruth Bickelhaupt, die mit Ende 80 erst durch ihren Enkel zum Film kam und früher im Zentralhaus der DSF im Kastanienwäldchen künstlerische Ausstellungen verantwortete.
Alki Alki, Regie Axel Ranisch, DVD bei missing films, 102 Minuten, 17,99 €.
Vor sechzig Jahren schlug ein bundesdeutscher Film - sicherlich angeregt durch amerikanische Vorbilder mit Marlon Brando und James Dean - völlig neue Töne an. "Die Halbstarken" erzählte eine Geschichte von jungen, rebellischen Leuten in Westberlin, wie sie sich ebenso in westdeutschen Städten des "Wirschaftswunders" zugetragen haben könnte.
Dass dieses ungestüme Lebensgefühl ein Jahrzehnt nach dem Krieg nicht auf den Westen beschränkt blieb, bewies ein Jahr darauf der DEFA-Film "Berlin - Ecke Schönhauser" mit Ekkehard Schall als Dieter.
Das westliche Pendant hieß schön amerikanisch Freddy und wurde von Horst Buchholz gespielt. Ihn und seine Partner Karin Baal und Christian Doermer hat der Kenner vor Augen, wenn er jetzt das Hörbuch konsumiert, das nach dem Film entstand. Den Text von Autor Will Tremper könnte man für ein Destillat aus dem Film halten, zumal alles im Präsens erzählt wird. Doch das war sein Stilmittel, das die Grundlage für den Film bot.
In der Erzählung steht die Auseinandersetzung der jungen Leute im Mittelpunkt, die aus sozialen Erfahrungen gespeist ist und in Schwerkriminalität mündet. Tremper schafft es, die Jugendsprache von damals lebendig zu machen. Wer spricht heute noch von seinem Sidekick als "Olle Ihmchen"! Das meistert Sprecher Charles Rettinghaus mühelos.
Persönlich finde ich es schade, dass die Hörbuchedition nicht ein bisschen mit der legendären Filmmusik von Martin Böttcher arbeitete - das Hörvergnügen wäre noch größer gewesen!
Zuerst veröffentlicht in: Das Blättchen, Nummer 17, 15. August 2016
Medien-Mosaik früherer Monate: 05.08.16, 22.07.16, 04.07.16, 08.06.16, 09.05.16, 28.04.16, 17.03.16, 02.02.16, 07.12.15
Leider, leider!!! Wieder einmal ist es soweit, dass die herrschende Elite anlässlich des Mauerbaus 1961 Tränen vergießt ob der "Opfer", der "Mauertoten". Dass es unbeschreibliche Opfer in einem dritten Weltkrieg gegeben hätte, wäre die Mauer nicht errichtet worden, daran wird kein Wort verloren. Politische Blindheit, die gewollt, die vorprogrammiert ist. Es steht einem vernunftbegabten Menschen bis zum Kragen. Soll das Ganze auf die Bereitschaft für einen neuen Waffengang zielen? Deshalb hier noch einmal meine Rezension, die ich im Oktober 2011 verfasst hatte. Sie bleibt aktuell. Leider, leider!!!
Armeegeneral a.D. Heinz Keßler, Generaloberst a.D. Fritz Streletz:
"Ohne die Mauer hätte es Krieg gegeben"
Buchtipp von Harry Popow, Oberstleutnant a. D.
Wie nicht anders zu erwarten: Das Buch mit dem Titel "Ohne die Mauer hätte es Krieg gegeben" von Armeegeneral a.D. Heinz Keßler und Generaloberst a.D. Fritz Streletz warf gehörig Staub auf. Zerrt es doch ans Licht, was allzu gerne totgeschwiegen wird: Die Schuld des Westens am Kalten Krieg, der ein heißer zu damaliger Zeit zu werden drohte.
Und nach der sogenannten Wende fürchten die Kapitaloberen und ihre Marionetten in der Politik nichts so sehr wie ein Dacapo einer echten Alternative zum jetzigen Herrschaftssystem. Das sind sie - die echten Ewiggestrigen, die von einer dringend notwendigen Veränderung des Gesellschaftssystems nicht nur nichts halten, sondern jede Idee zum Besseren für das Wohl der Menschheit mit Füßen treten und jede Idee dahin im Keime ersticken wollen.
Das ist in der krisengeschüttelten Gegenwart nicht verwunderlich, ruft doch selbst so ein gestandener Mann wie der Franzose Stéphane Hessel dazu auf, sich gegen das weltweit agierende Finanzkapital zu erheben, sich zu empören. Ist es doch eine Frage des Überlebens geworden, den nationalen und internationalen Profitjägern, Verdummern, Lügnern, Geschichtsfälschern mit knallharten Tatsachen ins Handwerk zu pfuschen. Deshalb auch dieser Stich ins Wespennest: Die beiden NVA-Militärs schreiben Klartext. Faktenreicher geht's wirklich nicht - endlich ist es da, das sehr gründlich recherchierte, für die Geschichte so wichtige Buch.
Wie viele andere hatte auch ich kürzlich die Freude, es anlässlich der ersten Mitgliederversammlung des Traditionsverbandes der NVA e.V. nicht nur schlechthin zu kaufen, sondern es von den Autoren signieren zu lassen: Die 220 Seiten habe ich in nur wenigen Stunden regelrecht "verschlungen". Natürlich liest man Bekanntes, Ablauf und Gründe für den Bau der "Mauer". Richtig interessant und bisher weitgehend unbekannt sind die in die Tiefe gehenden Passagen, die - weiter ausholend - die Fakten im Zusammenhang betrachten, so zum Beispiel, als bereits im Frühjahr 1945 in der Schweiz mit der Geheimoperation "Sunrise" der eigentliche Anstoß für den Kalten Krieg gegeben wurde. Ganz zu schweigen vom Verlauf der internen und offenen Kriegsvorbereitungen nach 1945 gegen die Sowjetunion und die anderen sozialistischen Länder.
Ich erspare mir hier die zahlreichen und unwiderlegbaren Details der Kausalkette des knallharten Kampfes gegen den Osten anzuführen. Nicht unerwähnt soll sein: Auch dadurch wird der "Nur-Rührseligkeits-Welle" mit Tränen der Opfer die Einseitigkeit genommen. Die Reduzierung großer politischer Zusammenhänge aufs Detail, auf's pars pro toto (Teil fürs Ganze), wie es im Stilistischen heißt - das ist Methode!! (Geht es den Hassern des Fortschritts etwa um die Menschen, um deren Schicksale? Sie werden nur benutzt, denn da spielen ganz andere Dinge eine Rolle und die Heuchelei feiert ihre Triumphe!!)
Es ist nicht nur unverschämt und zeugt von einer nicht-gewollten Wahrheitsfindung, wenn die jetzigen Machthaber samt ihrer Medien zum Beispiel vom Verhöhnen der "Opfer" des Mauerbaus faseln. (Jedes Opfer ist immer eins zuviel, aber ohne zusammenhängendes Denken und Analysieren gelangt man nicht zur Wahrheit.) Vergessen sind also die insgesamt etwa 80 Millionen Toten des II. Weltkrieges? Und die 17 Millionen des I. Weltkrieges? Und wenn man die 70 Millionen Opfer dazurechnet, die es bei einer bewaffneten Auseinandersetzung allein in den USA gegeben hätte? (Siehe im Klappentext Kennedys Aussage!)
Ich wage gar nicht die tödliche Leere und Stille im europäischen Raum nach einem großen Knall zu beziffern! Und wer verhöhnt vor allem diese Opfer? Nicht diejenigen, die dem Kriege und dessen kapitalherrschaftlichen Ursachen endgültig den Garaus machen wollten, sondern jene, die um die Ursachen von weltweiten Konflikten große Bogen machen und alle Schuld auf "Terroristen", auf "Linksradikale", auf jene lenken wollen, die nicht müde werden - dankenswerterweise - der Welt eine andere, friedvollere Perspektive zu geben. Nicht, weil sie es möchten, sondern weil es längst nach zwölf Uhr ist, den Ewiggestrigen mit Worten und Argumenten, mit Demonstrationen und mit der gesamten breiten Palette der Kunst und Kultur in den Arm zu fallen. Dafür stand auch die DDR ein. Dafür und darum stand die "Mauer", von der Kennedy einst sagte, sie sei nicht schön, aber tausendmal besser als Krieg.
Möge die neuerliche Mauer zwischen Ost und West, zwischen oben und unten, zwischen Arm und Reich, zwischen etwas Unbedarften und Sehenden Stück für Stück durchlöchert werden - so wie das die hochbetagten und verdienstvollen beiden NVA-Generäle ihr Leben lang und mit diesem wunderbaren Buch getan haben. Wer heutige gesellschaftliche Widersprüche missachtet, sie nicht sehen will, macht sich wieder einmal mitschuldig - wie 1933 und danach... Deshalb die nachdrückliche Nachhilfe für Ewiggestrige.
Armeegeneral a.D. Heinz Keßler, Generaloberst a.D. Fritz Streletz: "Ohne die Mauer hätte es Krieg gegeben", 2011 Verlag Das Neue Berlin, edition ost, Berlin, ISBN 978 3-360-01825-0, 224 Seiten, eBook 9,99 €
Entnommen aus: Harry Popow: "WETTERLEUCHTEN - Platons erzürnte Erben haben das Wort". Rezensionen, Essays, Tagebuch- und Blognotizen, Briefe - ein Zeitdokument, Verlag: epubli GmbH, Auflage: 1 (18. Dezember 2015), Berlin, 392 Seiten, www.epubli.de, ISBN-10: 3737580650, ISBN-13: 978-3-7375-8065-6, Preis: 21,99 €
Erstveröffentlichung: Harry Popow cleo-schreiber.blogspot.de 13. August 2016
Siehe auch: Lothar Häupl, Der 55. Jahrestag der Errichtung des antifaschistischen Schutzwalls
Frühere Artikel von Harry Popow erschienen am: 02.07.16, 22.06.16, 07.06.16, 19.04.16, 06.11.15
Soul-searching is often on the agenda for people who long for peace, better lives for everyone and for the rescue of our planet. November 8th in the USA is one case in point, but I refrain here from announcing my own decision in my New York, a "safe" state.
Germany also demands soul-searching - not only with the refugee question. On the national level, stout, commonly self-assured Sigmar Gabriel, head of the Social Democrats (SPD), is less popular than ever and so is his party, now down to 22% in the polls. As usual before elections, due in a year, it has been sounding more leftish than usual, trying to set itself off from the coalition government in which it is the junior partner. This is not all too convincing and Gabriel's party throne is very shaky.
As for the two "Christian" parties, a very un-Christian jealousy has dented hopes for family harmony. The Bavarian sister party, led by big, sarcastically smiling Horst Seehofer, is cashing in on media-fostered animosity toward the many immigrants (aided by some recent crimes) to demand tougher rules for them - and ways to get rid of as many as possible. Angela Merkel, long the admired "Mutti" ("Mama") of the nation, has led her cohorts in the same direction, though never harshly enough for German nationalists and ugly racists. Her popularity ratings are now below the halfway mark. Who can she ally with next year after the all-German vote? Will the Social Democrats again buckle under? Or the Greens move further rightward? Who knows?
Not in a year but in just four weeks two states will open their polling booths - with no electronics here, just crosses on paper, for a candidate and for a party. In northeastern Mecklenburg-West Pomerania, luckily shortened informally to "Meck-Pom", no big dramas are expected.
But they are in the city-state of Berlin, where every second lantern pole is adorned with party posters. At present the Social Democrats are senior partners, the Christian Democrats (CDU) are juniors. But, as on the national level, their coalition gets chillier and chillier the closer elections approach and the SPD sounds ever more progressive and open to popular demands. One is less gentrification. Affordable apartments are an urgent need for the many refugees while people, young and old, move here from all Germany and far beyond. Berlin, pleasant and desirable in many ways, is less expensive than Paris, London or other capitals - but tougher and tougher for less prosperous local people.
The elections are complicated. The vicious Alternative for Germany (AfD), based on anti-foreigner feelings, will now make it into the local parliament and all twelve borough councils, a frightening perspective. The other parties will have nothing to do with them (as yet, anyway). Since the Free Democrats and Pirates have scant hope of meeting the 5% requirement for the parliament, four main parties will compete. The necessary mating this will require to reach a ruling 50% majority recalls the old riddle about how to cross a river with a wolf, a goat and a head of cabbage. Who with whom? The SPD, polling best in Berlin with 23%, doesn't want to keep on with the Christian Democrats (CDU), now standing at just 18%. And the sum of those numbers would no longer win half the seats.
The CDU boss, still responsible for "inner security" in the cabinet, tried desperately to regain lost ground by sending 300 military-clad cops to "protect" a few construction workers while breaking up and evicting a hippy-type bar, "people's canteen" and club in the backyard of a "squatters" building. Several thousand residents of an area recalling one-time Greenwich Village or parts of San Francisco saw that as a provocation and responded angrily, though at first peacefully. But when 1800 cops moved in, also from other states, a pitched battle ensued, soon involving many from masked "black block" groups, always ready for trouble, and bottles, firecrackers and cobblestones were met by tear gas, water and batons. By nightfall 123 of the police had been injured, mostly not seriously, 86 people were arrested, and a number of mostly elegant cars had been set on fire. Then, three weeks later, a judge made an amazing decision: the squatters were there rightfully, the alleged owner, a shady anonymous speculator from England (or was it the Russian mafia?) had no genuine rights, neither had the cops or the eviction, which took place without even talking with the young people. The CDU boss, despite an eternally righteous smile, had taken a public beating. So had his party.
But other issues were at stake. The Greens, here less rightwing than in some parts of Germany, were next in line as partners for the Social Democrats. But their current 19% still wouldn't bring in the needed 50% of the seats. This, logically, would point to a three-way coalition; by taking the LINKE (Left) on board (now wavering between 14-18%) the seating arithmetic would add up. Indeed, this now seems quite likely.
Here, however, is where soul-searching sets in. Some LINKE leaders look forward to just such a chance to join in the city government once again after five years "out in the cold". But others, the "ideological" wing, "principle-sticklers", "incorrigible leftists" or whatever - the "left in the LINKE" - warn of possible consequences. In all three states where the LINKE joined the SPD as junior partner it lost out. In Meck-Pom, after two terms, its poll percentage had dropped from 24.4% to 16.4%. In Brandenburg it dropped from 28% to 18% - and is still descending. And in Berlin its ten years as junior partner saw its voter count drop from 22.6% to 11%. It never regained many of the lost voters.
The explanation is simple. Once in the government, the LINKE must abandon its role as a fighting opposition, join in weak or unpopular decisions by its stronger senior partner while the media give the SPD credit for every joint success but blame the LINKE for every failure - and ignore any of its achievements (like democratizing the education system). Should it try this again, gaining a few probably uncomfortable cabinet seats but losing more voters and much of its remaining militancy, since it would be bound up in preserving the status quo? Or say No? Not an easy decision.
In recent elections in Saxony-Anhalt, where its main election goal was to win a chance to enter such a triple, status quo coalition, it lost miserably, not just its cabinet chances but most of its credibility.
An ever greater cause for soul-searching emerges when previewing the national scene after next year's election. There, too, with a racist AfD in the Bundestag, perhaps in double digits but boycotted by all, chances for achieving 50% of the seats needed to form a government will have become tougher than ever. And some LINKE party leaders are already offering the SPD and Greens the same three-way coalition nationally which is now possible in the city-state Berlin.
One of the most spirited in this direction is Bodo Ramelow, who has headed just such a triumvirate in the state of Thuringia since December 2014. But on the national scale foreign and military policy come into play, where the LINKE party's distinguishing feature has always been an absolute refusal to endorse any use of Germany's forces outside its borders. It has called for a withdrawal from NATO, or at least its basic military component, and voted against sending German Bundeswehr troops or ships to any of the 16 conflicts or conflict regions where, since the demise of the GDR, they have taken part - and are often still engaged. It proudly calls itself the only peace party in the Bundestag! Many see this as its basic justification, its raison d'etre!
But the Social Democrats insist that such a position totally disqualifies membership in a joint government. The LINKE, they insist, has to "agree without any reservations that every national government must accept the international responsibilities of Germany such as those in the framework of NATO." And caucus leader Thomas Oppermann adds this bit of advice: "If the LINKE party wants to govern then it cannot nominate such radical representatives for the Bundestag. A coalition with the SPD is only possible with reliable representatives."
But LINKE Minister-President Ramelow, whose state government has taken no progressive actions of note since he became its head, offers a solution: "I advise my party not to rule out the possibility of a coalition because of the NATO question... That does not mean that we must become enthusiastic supporters of NATO... Joining a three-party coalition means learning that subjects which cannot be decided upon because of differing positions can occasionally be put aside."
These less than ambiguous words came at the same time when the NATO, at a grand meeting in Warsaw, decided on a frightening policy which calls to mind the provocative police invasion of the house in Berlin - but this time with countless tanks, artillery and aircraft, some with atomic possibilities, right up to the Russian border and into the Black Sea. German Defense Minister Ursula von der Leyen wants more billions for the Bundeswehr forces - the planned 225 Leopard tanks and 190 Boxer tanks are no longer sufficient. The armament industries rejoice, but many in the world recoil - and some recall the warning words of US Senator Kilgore in 1945 about the continuing plans of German industry and finance for a new try at economic and military expansion.
Joining a German government next year on SPD terms, if it became possible, would mean giving up the principle of opposition to this course - and dismissing as meaningless the basic party goal of changing society. In a way the issues recall similar questions in Britain, the USA and elsewhere. The immediate answer, in view of on-going threats of conflict in so many regions, is to accept no further plans for further buttressing NATO and Bundeswehr, not even just "a bit grudgingly", but instead to fight to rebuild a resounding peace movement. Plans for a hopefully impressive demonstration on October 8th are moving ahead, hopefully repairing nasty recent splits. Such a movement, like that which seems to be holding up any trade agreement like TPP, must convey the underlying will of most Germans for a Europe and a world in peace. Soul-searching, always important, must rapidly lead to vigorous action!
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I must add an all too brief obituary for one of the greatest writers of the GDR, Hermann Kant, a true soul-searcher - and activist! One of his best autobiographical novels tells how he, a 17-year-old soldier, after only six weeks of battle in Poland in 1945, but because of a mistaken accusation against him of a war crime, was locked up for four years with truly vicious, dangerous German war criminals. His best-loved first novel told how, finally exonerated and freed, he was as a young electrician able to catch up on schooling and get a university education. His books were loved because they were clever, entertaining, and above all honest! As president of the Writers' Association he was sometimes forced to make unpleasant decisions, which today's media are grinding away about, but he always devoted great efforts to improve the lives of the writers - and everybody else. What created much of the current hatred against him can be explained by his recent words: "The best thing about the GDR was the dream which it meant for us. I have remained faithful to that dream."
More by Victor Grossman: Berlin Bulletin No. 114, No. 113, No. 112, No. 111, No. 110, No. 109, No. 108, No. 107, No. 106, No. 105, No. 104, No. 103, No. 102, No. 101.
Nicht nur in Kuba gilt er als Held. In den Ländern Afrikas und Lateinamerikas ist Fidel eine Hoffnung der Unterdrückten.
Die US-Imperialisten haben mehrfach versucht Fidel zu ermorden - sie scheiterten. Auch Invasionsversuche, wie die in der Schweinebucht im April 1961. 1.300 konterrevolutionäre Exilkubaner versuchten damals Kuba zu erobern - sie scheiterten!
Der US-Geheimdienst CIA hatte die Söldner ausgebildet, finanziert und bewaffnet, die US-Regierung deckte das Verbrechen politisch ab. Es war von höchster Stelle gebilligt worden. Geplant war die Aktion bereits unter dem Präsidenten Eisenhower, aber John F. Kennedy setzte sie fort, und unter ihm fand der Invasionsversuch statt.
Es gab verschiedene Versuche, Fidel zu ermorden. Laut Guinness-Buch der Rekorde gab es 638 Mordanschläge auf das Leben Fidels. Und immer stand die CIA dahinter. Dass der jeweilige US-Präsident das billigte, versteht sich von selbst.
Auch der Wirtschaftsboykott zwang Kuba nicht in die Knie. Zwar setzte er der kubanischen Wirtschaft schwer zu, aber bis 1990 kauften die sozialistischen Länder kubanische Produkte. Später fand man Alternativen. So im Gesundheitswesen.
Kuba hat das beste Gesundheitswesen Amerikas. Die Kubaner helfen mit Ärzten vielen Ländern aus, wenn sich dort Katastrophen ereignen. Zuletzt in Afrika, wo kubanische Ärzte den Kampf gegen Ebola führten. Aber selbst den USA halfen Ärzte aus Kuba. Als Hurrikan Katrina Ende August 2005 New Orleans verwüstete, schickte Kuba Ärzte dorthin, während die US-Regierung und Bush sich nicht darum kümmerten.
Auch hat Kuba ein Bildungssystem, das manches Industrieland des Westens in den Schatten stellt - auch Deutschland. Die UNO lobte Kuba verschiedene Male wegen seines vorbildlichen Bildungssystems. Alle Kinder und Jugendlichen haben die gleichen Chancen. Bildung, bis hin zur Hochschule, kann jeder erreichen, der dazu geeignet ist. Geburt und Herkunft oder Besitz spielen keine Rolle.
Der Regionalvertreter der UNESCO für Kultur in Lateinamerika, Miguel Jorge Lavigne, hat das kubanische Bildungssystem als Beispiel für die Welt hervorgehoben. Dieses zeichne sich durch die Verwirklichung des Prinzips der Bildung für alle aus, bei gleichzeitiger Gewährleistung hoher Bildungsstandards.
Das alles wurde aus einer Revolution, an deren Spitze der Genosse Fidel Castro stand. Dass er nun das hohe Alter von 90 Jahren erreicht hat, erfreut uns und wir hoffen, er bleibt der Welt noch lange erhalten.
Genosse Fidel, die Redaktion "Kommunisten online" gratuliert dir recht herzlich zu deinem 90. Geburtstag. Du bist uns ein Vorbild und Anreiz, den Kampf gegen Ausbeutung, Kolonialismus und für den Frieden fortzusetzen.
Erstveröffentlichung: kommunisten-online.de, 13. August 2016
Frühere Beiträge von Günter Ackermann erschienen am 29.07.2016, 08.07.2016
Geschenke für Fidel zum 90. & für die nächsten 20!
ZORA: Dieses Buch wurde für die Kinder Lateinamerikas geschrieben. Es ist ihnen gewidmet und gleichzeitig ein nachträgliches Geburtstagsgeschenk für Fidel. Zora und ihr Autor sollen das kubanische Volk und Fidel Castro [...] grüßen, [...] von vielen Tausend Menschen, die bei meinen Lesungen und Werkstätten erfuhren, dass ich zur Buchmesse nach Havanna fahre. [...] Und von Millionen Menschen in Deutschland, deren Hoffnungen im Widerstand wesentlich durch das Beispiel der Völker dieses (Sub-)Kontinents gestärkt werden.
Immer für das Volk, immer mit dem Volk! Werden sich die Völker einig, werden sie unbesiegbar sein!!
Lieber Comandante,
das Geschenk steht im Regal - wo anders könnte ein Regalo ja auch nicht
stehen - in der 3. Reihe von unten, das grüne Buch von der roten Ziege ZORA
... können Ziegen auch rot sein? Das war vor 10 Jahren. Und es war wunderschön
bei deinem Geburtstag. Ich habe noch nie eine so schöne Geburtstags-Feier
erlebt... weiterlesen und Fotos
Hartmut Barth-Engelbart, Gründau, 16.08.2016
Um es vorweg zu nehmen, kritisch heißt auch in diesem Fall bei mir, über die politische und organisatorische Arbeit der Klasse des Proletariats und seiner politischen und parlamentarischen Verantwortungsträger nachzudenken und dort, wo es möglich ist, eigene Schlussfolgerungen zu erarbeiten.
Die Anzahl der Menschen, die mit diesem Tag, besonders der Errichtung des antifaschistischen Schutzwalls in Berlin (Mauerbau in Berlin im westlichen Sprachgebrauch) etwas anzufangen wissen, die Anzahl der Menschen wird schon aus biologischen Gründen etwas weniger. Das kann niemand aufhalten! Aber die derzeitige politische Geschichtsschreibung trägt dazu bei, diese Klasseninteressen, die heute vor 55 Jahren (13.8.1961) eine große Rolle spielten und aktuelle Bedeutung besitzen, zu entstellen und Falschmeldungen zu verbreiten. Solche Falschmeldungen und Geschichtsfälschungen verbreiten unsere Klassengegner, also die bourgeoisen Kräfte, immer wieder - das ist nichts Neues! Aber es ist verhängnisvoll!
Was der Klassengegner logischerweise nicht macht, die wirklichen Fehler seines Klassengegners und der politischen Kraft der Klasse so zu analysieren, dass das Proletariat daraus lernt und die eigenen Fehler künftig vermeidet!
Auf der Webseite der bürgerlichen "Gedenkstätte der Berliner Mauer" steht u.a. geschrieben: "Bis zum August 1961 hatte die DDR ein Sechstel ihrer Bevölkerung verloren." Ich streite mich an dieser Stelle nicht um 100 Personen. Ja, es könnten somit ca. 1,0 Mio Bürger gewesen sein, die aus den unterschiedlichsten Gründen in den "Westen" gegangen sind oder eben auch systematisch abgeworben wurden. Das war ein politischer und wirtschaftlicher Schaden, wenn man dabei auch bedenkt, dass die damalige BRD dieses Stimmungsbild vor allem auf allen Gebieten beförderte, um einem neuen Gesellschaftsgefüge auf deutschem Boden Schaden zuzufügen und die Eckpfeiler der Macht des Proletariats auf dem Territorium der damaligen DDR und als Teil des sozialistischen Lagers ins Wanken zu bringen.
Sabotage, Spionage, Hetze, psychologische und medienpolitische Kriegsführung der Verlierer und Kriegstreiber des 2. Weltkrieges hatten lange vor dem 8. Mai 1945 (Tag der Befreiung) verabredet, wie sie ab diesem Tag im neuen Bündnis der antisozialistischen Koalition "ankurbeln" und umsetzen. Kein Mittel war und ist diesen ewigen Kriegs- und Ostrittern zu schade, wenn es darum geht, den Kräften des neuen Zeitalters zu schaden.
Mit dem Erscheinen des "Kommunistischen Manifestes" (1848), nach dem Entstehen der ersten Internationale (1864), mit der Unterwanderung der II. Internationale und dem Verrat der Sozialdemokratie an den Interessen des Proletariats, dem Beginn des I. Weltkrieges, der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution (1917) und schließlich mit dem Ergebnis des II. Weltkrieges waren trotz vieler Niederlagen der Bourgeoisie auch deren Widerstand im Klassenkampf zu registrieren. Das ist bis heute nicht anders!!!
Es gab in der Geschichte des internationalen Klassenkampfes genügend Erfahrungen und Beispiele, wo die politischen und organisatorischen Kräfte des Proletariats richtige und notwendige Schlussfolgerungen auch aus den eigenen Erfolgen und Niederlagen gezogen haben.
Die Errichtung des antifaschistischen Schutzwalls in Berlin, am 13.8.1961 war politisch und organisatorisch m.E. eine konsequente und richtige Maßnahme. Was die politischen und militärischen Kräfte des Sozialismus damals veranlassten, diente dem Schutz der Errungenschaften des Sozialismus und war notwendigerweise eine Klarstellung gegenüber dem Klassengegner, wo aufgezeigt werden sollte: Bis hierher und nicht weiter!
Es mag sein, dass selbst ehemalige DDR-Bürger dies bis heute nicht wahr haben wollen. (Diese Aussage mache ich, auch wenn ich menschlich verstehe, dass scheinbar ganze Familien getrennt wurden. Wahr ist aber, dass die Bourgeoisie den Unfrieden in die Familien gesät hat. Über Jahrhunderte und heute mehr denn je!)
Fazit: Wären die politischen Kräfte der Klasse des Proletariats lange vor dem 9. November 1989 so konsequent und besonnen gewesen, die Bourgeoisie samt der Verräter des Sozialismus hätten keine Chance gehabt, der Klasse des Proletariats und deren politischen Kräften die schlimmste Niederlage seit 1848 zuzufügen. Die Schlussfolgerungen, die zu diesem Kapitel notwendig sind, sind m.E. noch lange nicht geschrieben, geschweige denn haben solche Schlussfolgerungen schon ihren Niederschlag in der politischen und organisatorischen Arbeit der politischen Kräfte der Klasse gefunden.
Das Proletariat, dessen Teil wir sind, steht zwingend vor der Aufgabe, auch aus den imperialistischen und faschistischen Machenschaften und den Verbrechen der letzen 165 Jahre, die analytische Arbeit zu forcieren und Schlussfolgerungen national und international zu erarbeiten und zu beraten.
Nicht genug dessen, dass die politischen Parteien des Proletariats ihre Verantwortung im Klassenkampf mehr oder weniger gut wahrgenommen haben und die straffe, konsequente und wachsame Arbeit auch der Kommunisten systematisch vernachlässigt wurde; opportunistische und verräterische Kräfte dem Klassengegner "in die Hände gearbeitet" haben und es auch nicht wenige Kommunisten mitzuverantworten haben, dass oft die wirkliche gesellschaftliche Situation in den Ländern des Sozialismus und befreundeter Staaten nicht gründlich genug einer Analyse unterzogen wurde, die der vorbildlichen Arbeit von Marx, Engels, Lenin, Stalin, Dimitrow, Luxemburg, Liebknecht, Thälmann und vieler anderer entsprochen hätte, war es die Folge, dass die Klasseninteressen des gesamten Proletariats systematisch immer mehr in den Hintergrund der Aufmerksamkeit gerieten und das Proletariat im Klassenkampf ab dem Zeitraum 1989/90 die schlimmste Niederlage hinnehmen musste. Die Auswirkungen sind bis heute noch nicht übersehbar!
Im Manifest stehen im Kapitel "Proletarier und Kommunisten" die klaren Worte: "Die Kommunisten unterscheiden sich von den übrigen proletarischen Parteien nur dadurch, dass sie einerseits in den verschiedenen nationalen Kämpfen der Proletarier die gemeinsamen, von der Nationalität unabhängigen Interessen des gesamten Proletariats hervorheben und zur Geltung bringen, andrerseits dadurch, dass sie in den verschiedenen Entwicklungsstufen, welche der Kampf zwischen Proletariat und Bourgeoisie durchläuft, stets das Interesse der Gesamtbewegung vertreten."
Das Wichtigste, was m.E. Marx und Engels an dieser Stelle herausarbeiteten und was noch heute von Bedeutung ist, ist, dass die Kommunisten in erster Linie "Partei" ergreifen - für die Interessen der Klasse und der Gesamtbewegung. Jene also, die "Partei" ergreifen, werden die richtige Organisationsform finden, die letztendlich garantieren wird, dass die proletarische Demokratie für die Klasse des Proletariats und die Diktatur gegen die Klassengegner uns allen zum Sieg verhelfen kann und muss! Aber es kam eben auch anders!
Bei aller Kompromissfähigkeit im Klassenkampf sind auf vielen Gebieten der sozialen und politischen Rahmenbedingungen des Proletariats, der wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Entwicklung, sogar der Solidarität und der Verwirklichung des proletarischen Internationalismus die o.g. Worte und Aufgabenstellungen entweder zu formal behandelt oder in unverantwortlicher Weise ungenügend beherzigt worden.
Das war lange Zeit nicht so ausgeprägt. In dieser Zeit haben auch der Klassengegner und mit ihm alle Opportunisten unsere Stärken und auch die Schwächen und Verräter genauestens analysiert und ihre Schlussfolgerungen gezogen.
In der Geschichte des Klassenkampfes gab es genügend Beispiele, so u.a. die Pariser Kommune, die Oktoberrevolution, die Novemberrevolution, der Hamburger Aufstand usw. oder auch die analytische Arbeit der KomIntern, insbesondere hier der VII. Weltkongress von 1935 (Faschismus), wo richtige und notwendige Schlussfolgerungen für die politische Arbeit gezogen wurden.
Ich vergesse an dieser Stelle aus gutem Grund nicht, dass es die Partei Lenins und das sowjetische Volk waren, die in diesem Klassenkampf - also das sowjetische Proletariat - große Opfer brachten und trotzdem nie die Aufgabe aus dem Blick verloren haben, dass sich eine Revolution auch gegen innere und äußere Feinde zu verteidigen wissen muss.
Wenn ich im Zusammenhang mit dem heutigen 55. Jahrestag der Errichtung des antifaschistischen Schutzwalls in Berlin auch selbstkritisch zu Werke gehe, dann vergessen wir niemals den heldenhaften Kampf des kubanischen Volkes, mit Fidel Castro an der Spitze (der heute, also am 13.8.1926 - vor 90 Jahren geboren wurde); die chilenische Befreiungsbewegung, den heldenhaften Kampf des vietnamesischen Volkes gegen die amerikanischen Söldner, den Befreiungskampf des palästinensischen Volkes besonders bis zum Jahre 1994, die portugiesische Rosenrevolution u.v.a.m.!
Nach über 25 Jahren der Niederlage im Klassenkampf (gemeint ist hier 1989/90); der real wachsenden Gefahr der Eskalation des Weltkrieges (siehe u.a. Donbass; Syrisch-arabischer Kampf gegen aktuelle koloniale Machenschaften und Kriege, Flüchtlingssituation; immer neue Krisen- und Kriegsherde, die mit imperialistischen, faschistischen und neonazistischen Kräften zum Eskalieren gebracht werden) sollten wir in Anlehnung der Erfahrungen des VII. Weltkongresses der KomIntern von 1935 die Worte Georgi Dimitroffs mehr als oberflächlich für die Gegenwart als Analysemaßstab nehmen, wo er die folgenden Worte formulierte: "(...) Unsere Parteien säuberten ihre Reihen von allerlei Rechtsopportunisten und festigten dadurch ihre bolschewistische Einheit und Kampffähigkeit. Weniger erfolgreich und zuweilen überhaupt nicht geführt wurde der Kampf gegen das Sektierertum. Das Sektierertum äußerte sich bereits nicht mehr in primitiven, offenen Formen, wie in den ersten Jahren des Bestehens der Kommunistischen Internationale, sondern hemmte unter dem Deckmantel formeller Anerkennung der bolschewistischen Thesen die Entfaltung der bolschewistischen Massenpolitik. In unserer Zeit ist das schon oft keine 'Kinderkrankheit' mehr, wie Lenin schrieb, sondern ein fest eingewurzeltes Laster, und ohne uns von ihm befreit zu haben, können wir die Aufgabe der Herstellung der proletarischen Einheitsfront und der Heranführung der Massen von den Positionen des Reformismus zur Revolution nicht lösen.
In der heutigen Lage hemmt vor allem das Sektierertum, das selbstgefällige Sektierertum, wie wir es im Resolutionsentwurf qualifizieren, unseren Kampf für die Verwirklichung der Einheitsfront. Das Sektierertum, das sich in seiner doktrinären Beschränktheit, in seiner Losgelöstheit vom wirklichen Leben der Massen gefällt; das sich in seinen vereinfachten Methoden der Lösung der kompliziertesten Fragen der Arbeiterbewegung an Hand von schablonenhaften Scheinen gefällt. Das Sektierertum, das Anspruch auf Allwissenheit erhebt und es für überflüssig hält, bei den Massen, an den Lehren der Arbeiterbewegung zu lernen. Kurz, für das Sektierertum ist alles, wie man sagt, ein Kinderspiel.
Das selbstgefällige Sektierertum will und kann nicht begreifen, dass die Führung der Arbeiterklasse durch die Kommunistische Partei nicht von selbst erreicht wird. Die führende Rolle der Kommunistischen Partei in den Kämpfen der Arbeiterklasse muss erobert werden. Dazu bedarf es keiner Deklamationen über die führende Rolle der Kommunisten, dazu muss man durch tägliche Massenarbeit und durch richtige Politik das Vertrauen der Arbeitermassen verdienen, erobern. Das ist nur dann möglich, wenn wir Kommunisten in unserer politischen Arbeit ernstlich mit dem wirklichen Niveau des Klassenbewusstseins der Massen, mit dem Grad ihrer Revolutionierung rechnen, wenn wir die konkrete Situation nüchtern einschätzen werden, nicht auf Grund unserer Wünsche, sondern auf Grund dessen, was in Wirklichkeit ist. Wir müssen geduldig, Schritt für Schritt, den breiten Massen den Übergang auf die Positionen des Kommunismus erleichtern. Wir dürfen niemals die Worte Lenins vergessen, der uns mit allem Nachdruck warnte, dass es gerade darauf ankomme, dass man das, was für uns überlebt ist, nicht als für die Klasse überlebt, als für die Massen überlebt ansieht.
Gibt es denn jetzt, Genossen, noch wenig solche Doktrinäre in unseren Reihen, die in der Einheitsfrontpolitik immer und überall nur Gefahren wittern? Für solche Genossen bildet die ganze Einheitsfront eine einzige Gefahr. Aber diese sektiererische 'Prinzipienfestigkeit' ist nichts anderes als politische Hilflosigkeit vor den Schwierigkeiten der unmittelbaren Leitung des Kampfes der Massen."
Fazit: Der 55. Jahrestag der Errichtung des antifaschistischen Schutzwalls - Die aktuelle Klassenkampfsituation, die Ängste und sozialen Sorgen und die wachsende Kriegsgefahr auch im Jahr 2016 stellen für Gleichgesinnte eine Herausforderung dar, mit größter Konsequenz den antifaschistischen Widerstand und die notwendige antifaschistische Front endlich zu organisieren.
1961, da war ich gerade 12 Jahre geworden und in der 5. Schulklasse. Ich hörte davon, dass in Berlin die Grenze nach Westberlin geschlossen wurde, und das Bild meines späteren Berufskollegen Peter Heinz Junge von den Kampfgruppen am Brandenburger Tor kenn ich auch seitdem. Aber da ich in Luckau, einer Kleinstadt lebte, war da nichts, was sich für mich verändert hätte. Ich hatte gerade hintereinander meine Großeltern verloren, das hat bei mir Weltschmerz ausgelöst, denn zu meinem eigenen Schmerz kam der, meinen Vater darunter sehr leiden zu sehen.
Später hab ich mehr darüber erfahren, und ich habe die Notwendigkeit eingesehen. Und ich teile voll und ganz das Dankeschön, wie es auf der Titelseite am 13. August 2011 der Tageszeitung "junge Welt" stand. Denn es galt auch für mich persönlich. Zwar war ein unbeschwerter Teil meiner Kindheit mit dem persönlichen Verlust des Kindheitsparadieses bei den Großeltern vorbei, aber eine friedliche Kindheit unter Menschen, die alle die gleichen Bildungschancen hatten, in einer Welt, wo es Lehrern wichtig war, uns zu Antifaschisten zu erziehen und uns die Welt in marxistischem Denken erkennen zu lehren, wo ich mir (später) meinen Berufswunsch erfüllen konnte, die blieb mir dadurch erhalten.
Diese Mauer so beizubehalten, das hätte immer wieder aufs neue auf den Prüfstand gehoben gehört, bzw. ernsthafter erwogen werden müssen, DDR-Bürgern das eigene Erleben bei Reisen in kapitalistische Länder zu ermöglichen, damit sie besser erkennen, was sie zu Hause haben und nicht verspielen dürfen.
Gabriele Senft, Berlin, 14.08.2016
Ich wurde 1948 in der Umgebung von Postdamm geboren, und am 13. August 1961 war ich in Westdeutschland bei einem Programm für Berliner Kinder. 1949 und 1950 ist meine Familie in den Westen gegangen. Ich wohnte dann längere Zeit in Wittstock und empfand die Mauer als störend. Aber es gab gute Menschen in Westberlin, die mir anboten, mich "rüber zu schneisen", so lernte ich Ostberlin kennen. Zu Hause hatte ich viel Ärger deswegen, ich war bei den Falken und der Rest meiner Familie waren Nazis.
Fred Schulzke, Berlin, 15.08.2016
Bis zum 13. August 1961 fügte die BRD der DDR einen ökonomischen Schaden
von 120 Milliarden Mark zu. Dieser Betrag wurde 1965
von Professor Baade, dem damaligen Leiter des westdeutschen Instituts für
Weltwirtschaft der Universität in Kiel und Abgeordnetem des Bundestages in
Bonn, ausgerechnet. Dieser Betrag umfasst die im Ergebnis des zweiten Weltkrieges
erforderlich gewordenen Reparationen, die die DDR für die BRD bezahlt hat.
Es umfasst Verluste an Nationaleinkommen, die entstanden sind durch vorsätzlich
organisierten Produktionsausfall, durch den gesellschaftlichen Aufwand für
die Ausbildung von abgeworbenen Kadern; durch Grenzgängerei von und nach Westberlin,
durch Schwindelkurs und Schmuggel. Dieser Verlust entspricht der Summe aller Investitionen,
die in der Volkswirtschaft der DDR von 1950 bis 1961 vorgenommen wurden.
Quelle: Eberhard Prager, Die sozialistische Volkswirtschaft ... Ein Feld der
Bewährung, In: Der Sozialismus - Deine Welt, Berlin, 1975, S. 225f.
Nico Diener, Kiel, 16.08.2016
Wenn man diesen Aufsatz liest, könnte man annehmen, dass der "Mauerbau" (westdeutscher Ausdruck) oder die "Errichtung des antifaschistischen Schutzwalls" an vielen Stellen Gutes für die Erhaltung des Sozialismus auf deutschem Boden bedeutet hat. Dies ist allerdings meiner Ansicht nach sehr streitbar und muss, unter Berücksichtigung der damaligen gesellschaftlichen Lage in der DDR, extrem kontrovers diskutiert werden. Zunächst ist richtig, dass der antifaschistische Schutzwall ein Schutzwall gegen westlichen Einfluss war, gegen einen Einfluss nämlich, der sowohl sicherheitstechnische, als auch wirtschaftliche Überlegungen umfasste.
Der Genosse spricht beispielsweise in seinem Artikel von gezielter Abwerbung von Fachkräften aus der DDR. In den Jahren 1950-1960 mag das auch der Wahrheit entsprochen haben. Selbstredend ist ein souveräner Staat, der die DDR seinerzeit war, dann verpflichtet, Maßnahmen zu ergreifen, um den Zusammenbruch der Wirtschaft zu verhindern. Doch war dazu wirklich notwendig, Reisefreiheit einzuschränken, die an sich REISE- und nicht AUSWANDERUNGS-FREIHEIT sein sollte? Meiner Ansicht nach war es das nicht. Spätestens ab 1971, als die DDR völkerrechtlich anerkannt war und, dank der vorausschauenden Wirtschaftspolitik des Genossen Walter Ulbricht eine funktionierende Wirtschaft vorzuweisen hatte, war ein Verhindern des Grenzübertrittes mit der Waffe NICHT mehr zeitgemäß.
Dazu hätte es allerdings - der Autor dieses Aufsatzes sprach von "Vermeidung früherer Fehler" - bestimmter sozialer und kulturpolitischer Reformen bedurft. So war beispielsweise die Ausweisung Wolf Biermanns im Jahre 1976 ein Riesenfehler. Denn die Ansätze dieses kritischen aber heimatverbundenen Künstlers als "konterrevolutionär" zu interpretieren, war ein Signal an die DDR-Bevölkerung mit fataler Wirkung! Letztere bestand in einem noch größeren "Streben nach Westen", in einem "Hereinfallen auf kapitalistische Reize" und in einem "Ent-Patriotisieren" von der DDR als der sozialistischen Heimat, in die die Mehrheit der Reisenden auch wieder zurück gekommen wäre, da man Arbeit, Familie und ein Zuhause hatte.
Wir müssen uns also nicht nach dem eigentlichen Bau der Mauer als organisatorischem fragen, sondern nach dem Sinn, den so eine Grenzmauer erfüllen kann. Grenzen zu errichten kann durchaus das Demonstrieren von Souveränität bedeuten. Das muss man der DDR auch zugestehen, da sie wirklich ein Deutschland der "anderen Art" war, das sich mancher vielleicht heute wieder wünschen würde. Aber diese Grenze darf nicht eine Grenze in den Köpfen der Menschen oder in der Freizügigkeit des "Rumkommens" sein. Mit einer organisierten Reisefreiheit, der Möglichkeit, andere Länder und Kulturen kennen zu lernen und immer wieder abwägen zu können, "wo man zu Hause", "daheim" oder, wie es auf sächsisch heißt "d'rheeme" ist, kann doch erst eine wirkliche geistige Freiheit und Standfestigkeit entstehen. Letztere brauchen wir, wenn der Sozialismus als Ideal den Geist aller Völker erfassen soll.
Matthias Wolf, Potsdam, 16.08.2016
¡El pueblo unido jamás será vencido! (Ein vereintes Volk ist nicht zu besiegen), wird es am 10. September beim VíctorJara & DeanReed - Festival in Berlin durch den Willi-Münzenberg-Saal klingen. Der Verein El Cultrún e.V. und die Onlinezeitung "American Rebel" laden zu einer Veranstaltung zu Ehren des chilenischen Volkssängers Víctor Jara und seines Freundes Dean Reed ein. Los geht's um 14:00 Uhr mit Filmbeiträgen, Augenzeugenberichten und Musik über den Kampf der Unidad Popular, der chilenischen Gewerkschaften und des Präsidenten Salvador Allende für ein demokratisches und sozialistisches Chile. Die Besucher/innen werden viel über die Freunde Víctor Jara und Dean Reed erfahren, die den Wahlkampf aktiv unterstützt haben. Am Abend wird es ein Solidaritätskonzert mit Tommy Sands und Cantaré geben.
Aber was war da nun genau los - in den 1970er Jahren in Chile? Sicherlich ist, besonders bei den jüngeren Leserinnen und Lesern, der Kenntnisstand nicht gleich. Deshalb habe ich einmal die wichtigsten Fakten zusammengetragen, die ich in drei Teilen hier zur Verfügung stellen werde. Heute geht es um Salvador Allende.
Salvador Allende wurde 1908 in Valparaíso geboren. Als Medizinstudent beteiligte er sich in den 1920er Jahren an Protesten gegen die Diktatur von Oberst Carlos Ibáñez del Campo, trat der Freimaurerei und der Sozialistischen Partei bei, deren Sekretär er 1933 wurde. 1937 wurde er ins Parlament gewählt, war von 1938-40 Gesundheitsminister der Linksregierung der Frente Popular.
Seit 1952 kandidierte er mehrmals für die Präsidentschaft und beteiligte sich ab 1969 an der Gründung der Unidad Popular als Bündnis der Sozialisten, Kommunisten und kleinerer Linksparteien.
In den Präsidentschaftswahlen 1970 besiegte Allende mit 36,7% der Stimmen die bürgerlichen Gegenkandidaten. Da kein Kandidat die absolute Mehrheit erreichte, lag die Wahl nun beim Parlament, wo Allende mit Hilfe der Christdemokraten gewählt wurde. Noch vor Amtsantritt überlebte er einen Mordanschlag, während der Oberbefehlshaber der Streitkräfte, General René Schneider, entführt und umgebracht wurde.
Durch Sabotageaktionen und Hunderte von Terroranschlägen auf Infrastrukturanlagen versuchte die Großbourgeoisie, das Land ins Chaos zu stürzen. Die Christdemokraten schlossen sich der rechten Opposition an. Diese zettelte 1972 und 1973 Streiks von Bankangestellten und Lastwagenfahrern an.
Nachdem die Unidad Popular in den Parlamentswahlen 1973 ihren Stimmenanteil auf 44% erhöhen konnte, gab die rechte Opposition ihre Hoffnung auf eine Abwahl der Unidad Popular auf und beschloss die gewaltsame Beseitigung der Regierung. Regierungstreue Militärs wurden zum Rücktritt gedrängt, darunter der Obebefehlshaber General Prats, an dessen Stelle sein Stellvertreter rückte: Augusto Pinochet, der künftige Chef der faschistischen Militärjunta.
Am 11. September 1973 putschte das Militär gegen die Regierung. Allende weigerte sich, das Land zu verlassen, und fand beim Sturm auf den Präsidentenpalast den Tod.
Ich werde mit meinem Leben die Verteidigung von Prinzipien bezahlen, die diesem Land teuer sind. Es wird ein Mantel der Schande auf die fallen, die ihre Pflicht verletzt, ihr Wort gebrochen und die Doktrin der Streitkräfte zerstört haben. Das Volk muss wachsam sein, es darf sich nicht provozieren und auch nicht massakrieren lassen. Aber es muss seine Errungenschaften verteidigen. Es muss das Recht verteidigen, mit seinen Kräften ein menschenwürdigeres und besseres Leben aufzubauen. Ein Wort für die, die sich Demokraten nennen, den Aufstand schürten, für die, die sich Vertreter des Volkes nennen, die grob und schmutzig gehandelt haben, um diesen Schritt zu ermöglichen. Sie bringen Chile an den Rand des Abgrunds. Im Namen der heiligsten Interessen des Volkes, im Namen des Vaterlandes rufe ich euch dazu auf, Zutrauen zu haben. Die Geschichte wird nicht aufgehalten, weder mit der Repression noch mit dem Verbrechen. Dies ist eine Etappe. Sie wird überwunden. Dies ist ein Moment hart und schwer. Es ist möglich, dass sie uns zerschmettern, aber der Morgen wird des Volkes sein, der Arbeiter. Die Menschheit schreitet voran, um ein besseres Leben zu erringen. Landsleute, es ist möglich, dass dieser Abschied endgültig ist. In diesem Augenblick fliegen die Flugzeuge über uns, es ist möglich, dass sie uns niederschießen. Aber ihr sollt wissen, dass wir zumindest mit unserem Beispiel zeigen, dass es in diesem Land Menschen gibt, die ihre Aufgabe zu erfüllen wissen. Ich werde es tun mit dem Mandat des Volkes und mit dem bewussten Willen eines Präsidenten, der die Würde seines Amtes wahrt.
Mitbürger, dies wird höchstwahrscheinlich die letzte Gelegenheit sein, dass ich mich an Sie wenden kann. Die Luftwaffe hat die Sendetürme von Radio Portales und Radio Corporación bombardiert. Meine Worte enthalten keine Bitterkeit, jedoch Enttäuschung. Sie werden die moralische Strafe sein für diejenigen, die ihren Schwur gebrochen haben. Soldaten Chiles! Ernannte Oberbefehlshaber, Admiral Morino, der sich selbst ernannt hat, der Herr Mendoza, dieser niederträchtige General, der noch gestern der Regierung seine Treue und Ergebenheit bekundete, und sich heute zum Generaldirektor der Carabinieros ernannt hat! Angesichts dieser Tatsachen bleibt mir nichts anderes, als vor den Werktätigen zu bekräftigen:
Ich werde nicht zurücktreten. In eine Periode historischen Übergangs gestellt, werde ich die Treue des Volkes mit meinem Leben entgelten. Und ich sage Ihnen, ich habe die Gewissheit, dass die Saat, die wir in das würdige Bewusstsein Tausender und Abertausender Chilenen gepflanzt haben, nicht herausgerissen werden kann. Sie haben die Gewalt, sie können uns unterjochen, aber die sozialen Prozesse kann man weder durch Verbrechen noch durch Gewalt aufhalten. Die Geschichte ist unser, sie wird von den Völkern geschrieben.
Werktätige meines Vaterlandes, ich danke Ihnen für die stets bekundete Treue, für das Vertrauen, das Sie in einen Mann gesetzt haben, der nur die Verkörperung der Sehnsucht nach Gerechtigkeit war, der sein Wort gab, Verfassung und Gesetz zu achten - und der das tat.
In diesem entscheidenden Moment, dem letzten in dem ich mich an Sie wenden kann, mögen Sie diese Lehre beherzigen: das Auslandskapital, der Imperialismus vereint mit der Reaktion, schufen das Klima, damit die Streitkräfte mit ihrer Tradition brachen, die sie General Schneider lehrte und die Comandante Araya bekräftigte. Sie wurden Opfer des gleichen sozialen Sektors, der heute darauf lauert, die Macht mit fremder Hilfe zurückzuerobern, um so seinen Besitz und seine Privilegien zu verteidigen. Ich wende mich vor allem an die einfache Frau unseres Landes, an die Bäuerin, die an uns glaubte, an die Arbeiterin, die noch mehr schuf, an die Mutter, die um unsere Sorge um die Kinder wusste, ich wende mich an die Vertreter der wissenschaftlich-technischen Intelligenz unseres Landes, an alle die Patrioten unter ihnen, die seit Tagen gegen die Verschwörung der Berufsverbände arbeiteten, jener Klassenverbände, die nur die Vorteile, die die kapitalistische Gesellschaft einigen wenigen einräumt, verteidigen.
Ich wende mich an die Jugend, an die, die sangen, die sich mit Fröhlichkeit und Kampfgeist einsetzten. Ich wende mich an die Männer Chiles, die Arbeiter, Bauern, Intellektuellen, an diejenigen, die verfolgt sein werden, denn in unserem Lande wütet der Faschismus schon seit vielen Stunden mit vielen Terroranschlägen, sprengt Brücken, blockiert Eisenbahnlinien und zerstört Öl- und Gasleitungen. Demgegenüber steht das Schweigen derjenigen, die die Verpflichtung gehabt hätten, dagegen vorzugehen. Die Geschichte wird sie richten. Sicherlich wird Radio Magallanes zum Schweigen gebracht, und der ruhige Klang meiner Stimme wird nicht zu Ihnen gelangen. Das macht nichts. Sie werden mich weiter hören. Ich werde immer unter Ihnen sein, zumindest die Erinnerung an mich, an einen würdigen Menschen, der der Sache des werktätigen Volkes die Treue hielt.
Das Volk soll sich verteidigen, aber es soll sich nicht opfern. Das Volk darf sich nicht unterjochen und quälen lassen, aber es kann sich auch nicht erniedrigen lassen.
Werktätige meines Vaterlandes, ich glaube an Chile und seine Zukunft. Andere nach mir werden auch diese bitteren und dunklen Augenblicke überwinden, in denen der Verrat versucht, sich durchzusetzen. Sie sollen wissen, dass eher früher als später wahre Menschen auf breiten Strassen marschieren werden, um eine bessere Gesellschaft aufzubauen.
Es lebe Chile! Es leben die Werktätigen! Es lebe das Volk! Das sind meine letzten Worte. Ich habe die Gewissheit, dass mein Opfer nicht umsonst sein wird. Ich habe die Gewissheit, dass es zumindest eine moralische Lektion sein wird, die die Feigheit und den Verrat strafen wird.
Teil 1: Die Unidad Popular de Chile (1970-1973)
Mehr darüber: Info-Seite · facebook-Veranstaltung
Im Hinblick auf das Reformationsjubiläum im nächsten Jahr wird nicht darauf orientiert, Martin Luther auf einen Sockel zu stellen. Bei allen Verdiensten war er auch den Sitten und Vorurteilen seiner Zeit verhaftet. In der neuen Reihe des MOSAIK, in der die Abrafaxe Luther in Wittenberg begegnen (vergleiche Blättchen 6/2016), wird das mit einer schönen Distanz erzählt, wenn Luther etwas selbstgefällig eigene kluge Sentenzen notiert und schließlich seine 478 Thesen entwirft. 478? Brabax hilft wahrscheinlich, auf leserfreundliche 95 zu kommen. Die Leistung von Jens U. Schubert, der die Zeit der Reformation für mehrere Altersgruppen in einer spannend-komischen, historisch genauen Comic-Geschichte wiederauferstehen lässt, ist nicht hoch genug zu bewerten. Historische Gestalten wie Cranach, Müntzer oder Tetzel, von deren Wirken wir ein Bild haben, fügen sich vergnüglich in die Handlung ein.
Schubert ist auch der Autor der Geschichten um Anna, Bella und Caramella. Die weiblichen Pendants der Abrafaxe sollen Mädchen stärker ansprechen und erscheinen vierteljährlich in einem neuen MOSAIK-Heft. Aktuell hat es sie durch Zauberei von der Südsee in die Nähe von Grimma verschlagen, wo Anna von einer Räuberbande als Hexe, Bella und Caramella im Zisterzienserkloster als Dämonen verkannt werden. Katharina von Bora setzt sich für sie ein.
Das ist nicht die schlechteste Art, junge Leute mit der Zeit der Reformation bekanntzumachen.
Während die Abrafaxe-Abenteuer vom bewährten MOSAIK-Kollektiv (das sich nicht mehr so nennt) nah am Stil des vor über 40 Jahren von Lona Rietschel geschaffenen Originals gehalten werden (einzelne Zeichner fügen "ihre" Figuren in die Blätter ein, und die reizvollen Hintergründe gestaltet wieder ein anderer), sind Anna, Bella und Caramella Zeichner Jens Fischer vorbehalten. Er ging vom etwas gröberen Stil Harry Schlegels aus (legendär mit "Pats Reiseabenteuern") und entwickelte ihn weiter zum Manga-Stil, der besonders bei jungen Leserinnen "in" ist.
MOSAIK - Abrafaxe, Heft 488: "Alles Gute kommt von oben", 52 Seiten, 2,60 €.
MOSAIK - Unglaubliche Abenteuer, Heft 29: "Räubermädchen und Dämonen", 52 Seiten, 3,40 €.
Aufsehen erregte Klaus Möckels Buch "Hoffnung für Dan" und erschien ab 1983 in der DDR in fünf Auflagen. Möckel erzählt von seinem geistig behinderten Sohn, der aufgrund irreparabler frühkindlicher Hirnschäden weder hören noch sprechen kann. Er rebelliert gegen sein Schicksal, war oft ungestüm, bis man - da war er um die 30 - sein Talent als Maler entdeckte.
Im Mai ist Dan 50 geworden, und kurz vor seinem Geburtstag ist ein wunderbarer Bildband erschienen. In erstaunlicher Farbigkeit hat er Landschaften gestaltet, die den Betrachter in den Bann ziehen. "Manches ist hingehuscht, hingekrakelt, nicht die Handschrift eines Künstlers, der mit expressionistischen Figuren verblüffen will, sondern die Sprache eines Menschen, der auch als Erwachsener noch kindlich fühlt und denkt", kommentieren die Eltern Aljonna und Klaus Möckel einfühlsam die faszinierenden Acrylbilder. In zehn Kapiteln schreiben die Möckels über das Leben von Dan und seine Art, die Welt zu sehen - eine schöne Ergänzung zu den Bildern, die bereits im öffentlichen Raum angekommen sind.
Klaus Möckel, Hoffnung für Dan, E-Book bei Edition digital, Pinnow 2011, 7,99 €.
Aljonna und Klaus Möckel, Hoffnung, die zweite, Edition digital, Pinnow 2015, E-Book 6,99 €.
Printausgabe: 128 Seiten, etwa 90 ganzseitige Farbabbildungen, 14,80 €.
Zuerst veröffentlicht in: Das Blättchen, Nummer 16, 1. August 2016
Medien-Mosaik früherer Monate: 22.07.16, 04.07.16, 08.06.16, 09.05.16, 28.04.16, 17.03.16, 02.02.16, 07.12.15
"Proletarier aller Länder vereinigt Euch!" So heißt eine der weltweit bekanntesten linken Losungen überhaupt. Internationale Solidarität, Völkerfreundschaft und Klassenkampf werden so in einem Satz auf den Punkt gebracht. Doch steckt nicht hinter diesem Satz eine viel tiefere Bedeutung als die des Zusammenkommens verschiedener Arbeiterbewegungen? Implizieren diese Worte nicht auch das Vorhandensein von Vielfalt in Gestalt von unterschiedlichen Völkern, Nationen und Kulturen? Ist es nicht im Wesentlichen so, dass das Zusammenkommen von Menschen aus verschiedenen Kulturkreisen immer ein besonderes Ereignis war und ist, wenn man an gegenseitigen Austausch auf verschiedenen Gebieten denkt? Und als letzte sehr wichtige Frage nicht zu vergessen: Sind Heimatverbundenheit und das Stehen zur eigenen Kultur nicht eben das, was das gegenseitige Kennenlernen und Aufeinander-Zugehen interessant und belebend für den Kampf gegen das Großkapital macht? Der folgende Artikel soll sich genau diesen Fragen widmen. Es wird dabei auf Beispiele aus der deutschen wie auch der internationalen Geschichte eingegangen werden, wobei das Augenmerk grundätzlich zunächst auf der Frage nationaler Identität im Sinne der Selbstfindung und einer antifaschistischen Haltung nach innen und außen liegen wird. Abschließend soll geklärt werden, ob jemand, der sich als "links", "sozialistisch" oder "internationalistisch" bezeichnet, auch ein Patriot sein kann oder ob diese beiden Attribute nicht eher komplette Gegensätze sind und sich damit gegenseitig ausschließen.
Wenn man sich die deutsche Geschichte anschaut, so stellt man fest, dass gerade heute Patriotismus in der linken Bewegung als ein klares Tabu angesehen wird. Dies hat seine Ursachen sicherlich in den Schrecken des Hitler-Regimes (1933-1945) und ist zumindest rein emotional nachvollziehbar. Doch sollte dies nicht darüber hinweg täuschen, dass Patriotismus auch in der deutschen Linken immer eine tragende Rolle gespielt hat. So wird beispielsweise Ernst Thälmanns Satz: "Mein Volk, das ich liebe und dem ich angehöre ist das deutsche Volk" oftmals von Gegnern der antideutschen Bewegung zitiert, die Patriotismus und eine linke Grundeinstellung durchaus für vereinbar halten. Für eine solche Einstellung waren auch andere deutsche Linke und Sozialdemokraten wie August Bebel oder Kurt Eisner bekannt. Diese Politiker verstanden sich natürlich als Verfechter der linken Sache, gleichzeitig aber als Vertreter eines Volkes, das sie gewählt hatte und in dessen Namen sie Politik für die Arbeiterklasse betreiben sollten. Dass es dabei auch Unterschiede im Denken gab, ist freilich nicht zu leugnen. Doch das Zentrum ihrer Betrachtung war Deutschland, dessen Arbeiterschicht immer wieder Repressalien ausgesetzt war. Die Selbstverständlichkeit, mit der Deutschland als Vaterland gesehen wurde, war demnach eine völlig andere als die, die sich nach 1945 bzw. 1990 einstellen sollte. Hierbei spielt auch die Prägung der beiden deutschen Staaten (DDR/BRD) eine wichtige Rolle.
Nach der Gründung beider deutscher Staaten hatten die linken Kräfte in der DDR und BRD jeweils einen unterschiedlichen Status. In der BRD galt die SPD lange Zeit als typische Arbeiterpartei, die sich im Bewusstsein der Menschen auch als solche etabliert hatte. Die KPD galt als verboten und der Kommunismus als Feindbild gegenüber der westlichen Demokratie. Demnach muss die Sozialdemokratie in Westdeutschland für die Betrachtung linker Thesen herangezogen werden. Aus ihren Reihen sind zwei Persönlichkeiten hinlänglich bekannt, die sowohl für die Rechte der Arbeiter eintraten, als auch den Geist eines friedlichen Deutschlands nach dem Zweiten Weltkrieg weiter mittragen wollten: Helmut Schmidt und Willy Brandt. Beide verwahrten sich stets gegen einen Rückfall Deutschlands in nazistische Denk- und Verhaltensmuster, waren aber auch an einem Erhalt Deutschlands als solchem interessiert. Hierfür sprechen beispielsweise die Bemühungen, gegenseitige Besuche aus DDR und BRD auf diplomatischem Wege zu ermöglichen.
Wie Helmut Schmidt im Wahlkampf gegen Helmut Kohl (1976) sagt, wurde durch diese Politik der Annäherung "mehr geleistet für den Zusammenhalt des deutschen Volkes in sich selbst, als durch die Nationalisten des 17. Juni (1953) und des 13. August (1961)." Mag man über diese Worte des Altkanzlers Schmidt nun unterschiedlich denken, so zeigt dies aber zumindest, dass das patriotische Denken auch in der Sozialdemokratie Westdeutschlands noch einen wichtigen Raum einnahm. Wenn man dies als Links-Patriotismus verstehen wollte, so ist das durchaus eine Option. Allerdings muss dann auch gefragt werden, ob sozialdemokratisch und sozialistisch dasselbe bedeuten oder nur ideologische Ähnlichkeiten aufweisen.
In der DDR, die am 7. Oktober 1949 als eigenständiger deutscher Staat gegründet wurde, jedoch bis 1971 auf ihre internationale Anerkennung als solcher warten musste, waren Patriotismus und Nationalgefühl elementarer Bestandteil der staatssozialistischen Ideologie. Die DDR verstand sich als ein Deutschland des Antifaschismus, als ein Staat also, der definitiv aus der Vergangenheit gelernt hatte und damit im nationalen Bewusstsein das Linke verankern wollte. Hierbei spielte vor allem die "Freundschaft mit den Völkern der Sowjetunion" eine besondere Rolle. Doch auch das "Eigene" oder "Eigenständige" dieses sozialistischen Landes wurde niemals vernachlässigt. So hatte bereits zuvor Johannes R. Becher, der in den Anfangsjahren der DDR Kulturminister war, den Text für eine Hymne verfasst, die eigentlich für ganz Deutschland hätte gelten sollen, jedoch nur für die DDR tatsächlich angenommen wurde. Darin heißt es: "Denn es muss uns doch gelingen, dass die Sonne schön wie nie über Deutschland scheint". Hiermit war ebenfalls ein Deutschland der Friedfertigkeit gemeint, das die Schrecken der Vergangenheit ausschließen sollte. Und nicht nur für Erwachsene war solch ein links-patriotisches Liedgut vorgesehen, auch Kinder sollten mit Liedern wie "Uns're Heimat" oder dem "Lied der Naturforscher" dazu erzogen werden, das sozialistische Deutschland, in dem sie lebten, zu lieben und zu schützen. Inwieweit solch ein Patriotismus in Zeiten des Kalten Krieges auch der "militärischen Willensbildung" gedient haben mag, kann durchaus diskutiert werden. Doch sicher ist, dass es für einen DDR-Bürger völlig selbstverständlich war, Deutsche(r) zu sein, ohne dabei dem Nazi-Regime Hitlers Ehre erweisen zu wollen.
Während in Deutschland Patriotismus oder auch Nationalstolz ständig (nicht nur) in linken Kreisen umstritten sind, ist dies in Lateinamerika nie ein Problem gewesen. Dies hat im Wesentlichen zwei wichtige historische Gründe: Zum einen haben sich die heutigen Staaten Lateinamerikas aus einem Befreiungskampf entwickelt, der mit der Kolonialgeschichte verbunden ist. Genauer gesagt ging es damals um die Herauslösung der Einzelstaaten aus spanischen Vizekönigreichen, die sowohl imperialistische, als auch feudalistische Züge aufwiesen. Die bekanntesten Persönlichkeiten, die in diesem Kontext zu nennen sind, sind José Martí und Simón Bolívar, die sich beide für ein unabhängiges Südamerika (Nuestra América) aussprachen. Dieser Forderung folgten erbitterte Unabhängigkeitskämpfe, aus denen sich schließlich Nationalstaaten entwickelten. In diesen letzteren wurde dann der Kampf der Klassen zwischen Bourgeoisie und Proletariat fortgesetzt. Er dauert faktisch bis heute an.
In diesem Zusammenhang sind auch revolutionäre Aktivitäten immer wieder zu beobachten. So ist beispielsweise die kubanische Revolution für viele lateinamerikanische Staaten beim Bau einer neuen Gesellschaftsordnung Vorbild gewesen. Auch hier finden sich oft patriotische Züge, um den Zusammenhalt eines Volkes gegen die Imperialisten zu beschwören. So formulierte beispielsweise Che Guevara die einfache Losung: "Patria o muerte" (Vaterland oder Tod). Die Zusammenarbeit mit Fidel Castro während der kubanischen Revolution war für ihn zeitweise heimatprägend. Man muss also davon ausgehen, dass mit "patria" Kuba als Vaterland gemeint ist.
Anhand der genannten Beispiele lässt sich nun eine ganz klare Feststellung treffen: Patriotismus ist auch dem Linken keinesfalls verboten. Viele Staaten mit sozialistischer Prägung haben ihn praktiziert und tun dies bis heute. Die Gründe hierfür mögen vielfältig sein. Historische Gegebenheiten, Instrumentalisierung zur Stärkung des Zusammenhalts im Volk, Ausstrahlung von Souveränität nach außen oder andere Motive können Patriotismus auch im linken Sinne rechtfertigen, wenngleich der linke Standpunkt immer hauptsächlich von Klassenbewusstsein geprägt ist. Für Deutschland muss meines Erachtens daher der Grundsatz gelten, dass das richtige Maß den Ausschlag dafür gibt, ob Patriotismus förderlich oder schädlich ist. Weder darf übersteigerter Nationalismus zur Verachtung anderer Völker führen, noch darf der Mangel an Selbstbewusstsein über die eigene Identität und Geschichte den Blick dafür trüben, was die Sorgen und Nöte unseres Volkes bzw. unserer Arbeiterklasse sind.
Nur wenn es die deutsche Linke schafft, dieses Gleichgewicht von nationalen Eigenheiten (Stabilität nach innen) und Völkerfreundschaft (Neugier und Kooperationswille) nach außen wieder zu erlangen, wird sie weiterhin die Interessen der "kleinen Leute" erfolgreich vertreten können. Denn wie schon Gregor Gysi treffend formulierte: "Wer sein Land nicht mag, will dafür auch keine Verantwortung übernehmen." Unsere Linke muss also wieder das entdecken, was sie historisch und ideell mit unseren Menschen verbindet. Erst dann wird das Versprechen aus der Becher-Hymne (Lass uns Dir zum Guten dienen, Deutschland, einig' Vaterland) kein leeres Versprechen mehr sein.
Frühere Artikel von Matthias Wolf erschienen am: 15.06.16, 24.05.16, 11.05.16, 02.05.16, 27.03.16
Links und patriotisch? Was ist patriotisch? Es gab während des II. Weltkrieges die jugoslawischen Patrioten um Josip Broz Tito, welche in einer Partisanenarmee für die Freiheit der Völker in Jugoslawien kämpften. Es gab deutsche Patrioten in der französischen Resistance, in der Roten Armee der Sowjetunion, aber auch in der US Army. Doch was ist heute patriotisch? Wie der Sozialismusbegriff ist auch dieser durch eine reaktionäre Umwandlung diskreditiert. Heute benutzen gerade Faschisten aller Einschläge diesen Begriff für ihre rassistische Propaganda. Dabei ist doch Patriotismus nicht national begrenzt. Solidarität mit den unterdrückten Menschen und Völkern ist eigentlich eine patriotische Tat. Ich benutze das Wort Patriot seit 1989 nicht mehr, obwohl es in der DDR immer proletarischer Patriotismus hieß. Nein, ich möchte Internationalist sein, proletarisch mit den Unterdrückten und klar abgrenzend zu denen, welche Rassismus predigen. Meine Scheidelinie liegt zwischen Unterdrückern und Unterdrückten in diesem System. Meine Solidarität ist Klassensolidarität.
Karl-Heinz Schulze, Sassnitz, 03.08.2016
Warum sich Patriotismus und die linke Bewegung ausschließen
Proletarier vereinigt euch, sagte Flora Tristan Mitte der 30er Jahre des 19. Jahrhunderts in einem Pariser Salon! Das bedeutet, Ausgebeutete, Lohnabhängige in aller Welt, seid solidarisch, nicht Nationalstolz bringt Gleichheit sondern Solidarität.
Zu Thälmann: Bekannt ist Ernst Thälmann für seinen Patriotismus, Soldat im ersten Weltkrieg, mit Orden ausgezeichnet, führte er immer wieder gern den deutschen Arbeiter an, ja Ende der 20er war sein Nationalstolz dann so weit gediehen, dass er national vor sozial setzte. Er hielt es für besonders schlau, selbst Nationalistisches zu propagieren, wahrscheinlich um die rechten Wähler auf seine Seite zu ziehen. Sogar vor gemeinsamen Aktionen schreckte er nicht zurück. Der Arbeitskampf der Berliner Verkehrsbetriebe 1932 war eine gemeinsame Aktion von KPD und NSDAP bzw. deren Betriebsorganisationen. Daraufhin forderten Industrielle, wie Schacht, Krupp, Thyssen, Hitler als Reichskanzler einzusetzen, also nicht allein die Wähler waren schuld, warum sollten sie auch eine Linke wählen, wo sie doch auch das Original vor Augen hatten, auch nicht die Linke, die sich nicht einigen konnte, sondern die Umarmung der Nazis durch die KPD, bei der sie sich verhoben hat.
Zu Südamerika: In Südamerika ist der Nationalstolz groß, besonders in bestimmten Kreisen. Der Befreier Südamerikas, Simon Bolivar, war Kreole, also Angehöriger der adligen Schicht, die aus Spanien eingewandert war. Er befreite Venezuela, Kolumbien und das umliegende Gebiet, nur um ein Großkolumbien zu gründen. Er befreite die weiße Oberschicht, die Sklaven hielt. Vollkommen außer Acht ließ er die indigene Bevölkerung. Der Kampf der Indigenen und der ehemaligen Sklaven um Selbstbestimmung dauert bis heute an. Wie würden sie sich wohl fühlen, wenn sie das lesen könnten.
Deshalb kann die Linke weder patriotisch noch identitär sein, weil Patriotismus immer Ausgrenzung anderer beinhaltet.
Marlies, Wanka, Kiel, 03.08.2016
"Der Patriotismus ist eins der tiefsten Gefühle, das durch die jahrhunderte- und jahrtausendelange getrennte Existenz der verschiedenen Vaterländer eingewurzelt ist." (Lenin, 28, S.182) Träger des Patriotismus ist in allen Epochen die Bevölkerung. Die Bevölkerung ist am meisten am Schicksal des Mutterlandes interessiert. In ihrer revolutionären Periode ist auch die Bourgeoisie patriotisch. Sobald sie jedoch das Mutterland ihren Profitinteressen unterworfen hat, enthüllt sie ihre nationalistische Einstellung. Der Partriotismus bildet mit dem proletarischen Internationalismus eine untrennbare Einheit; dadurch wird sein Abgleiten in Nationalismus verhindert.
Der sozialistische Patriotismus erfasst die gesamte Bevölkerung des sozialistischen Mutterlandes, bewahrt die revolutionären patriotischen Traditionen der Vergangenheit des Landes in sich auf und hebt sie auf eine höhere Stufe. Er ist tätiger Patriotismus, der sich in der schöpferischen Aktivität der Werktätigen, im zielbewussten Kampf für den Frieden und den Sieg des Sozialismus äußert. Er ist organisch mit der unverbrüchlichen Freundschaft und der internationalen Solidarität mit den Werktätigen aller Länder im Kampf für Frieden und Sozialismus, insbes. mit der gegenseitigen geschwisterlichen Hilfe der marxistisch-leninistischen Parteien und der Völker in den sozialistischen Ländern, verbunden. Patria o muerte.
Uwe Steinberg, Rostock, 03.08.2016
Zu der Frage, ob Linkssein und Patriotismus sich ausschließen oder einander bedingen, möchte ich anhand von zwei verschiedene Texten deutlich machen. Der erste Text - ein Gedicht von Bertolt Brecht, von dem ich mir gewünscht hätte, er wäre der Text der deutschen Nationalhymne geworden:
Anmut sparet nicht noch Mühe
Leidenschaft nicht noch Verstand
Dass ein gutes Deutschland blühe
Wie ein andres gutes Land.
Dass die Völker nicht erbleichen
Wie vor einer Räuberin
Sondern ihre Hände reichen
Uns wie andern Völkern hin.
Und nicht über und nicht unter
Andern Völkern wolln wir sein
Von der See bis zu den Alpen
Von der Oder bis zum Rhein.
Und weil wir dies Land verbessern
Lieben und beschirmen wir's
Und das Liebste mag's uns scheinen
So wie andern Völkern ihr's.
Der zweite Text über die deutschnationale Krawallschachtel Arnulf Baring, emeritierter Historiker der Freien Universität, oft Gast in Fernsehgesprächsrunden von Anne Will bis Maybrit Illner, zitiert aus einem Artikel von Otto Köhler: "Deutschland über alles" in Ossietzky Heft 19/2013: "Die Deutschen sind vielleicht das bedeutendste Volk Europas, weigerten sich aber zur Zeit noch, dies einzusehen. Ein Minderwertigkeitskomplex, der sich darin niederschlage, dass man nur noch die dritte Strophe des Deutschlandliedes singe. Das hält Baring für keinen normalen Zustand. ... Dass die Deutschen im übrigen gewusst hätten, dass die Nazis Juden ermorden wollten, sei eine Lüge, die zur Geschichtsvergessenheit der Deutschen beitrage."
Das wenige soll genügen, um zu zeigen, wie verschieden der Patriotismus oder auch die Vaterlandsliebe aussehen kann. Als Linke glaube ich, dass sich Linkssein und Patriotismus im Sinne des ersten Textes nicht ausschließen. Oder wollen wir unser Land den Demagogen und Kriegstreibern überlassen? Deutschland ist auch unser Land. Selbstredend sind Linke internationalistisch und solidarisch, solange es, wie sich Heinrich Heine treffend ausdrückte, eigentlich nur zwei Nationen gibt, die sich wild bekriegen, die Satten und die Hungerleider. Diesen Zustand zu ändern, gibt es noch viel zu tun, am meisten in den Ländern, die Schuld tragen am Elend in der Welt. Und da gehört unser Land mit dazu. Tragen wir also mit dazu bei, die deutschen Zustände zu ändern, eben weil wir unser Land lieben.
Karin May, Eisenach, 05.08.2016
Und täglich grüßt das Murmeltier: Kurz nachdem Bernd Riexinger und Katja Kipping der Idee eines linken Lagers bestehend aus LINKE, SPD und Grünen vor dem Bundesparteitag eine Absage erteilt hatten, nimmt die Debatte über Rot-Rot-Grün neu an Fahrt auf. Ausgangspunkt dafür sind Äußerungen Sigmar Gabriels über ein progressives Bündnis. Auch wenn sich Gabriel davon recht schnell wieder distanzierte, war die Euphorie unter einigen PolitikerInnen der LINKEN groß.
Angesichts der aktuellen Positionen der SPD für TTIP, Hartz-Reform, Erbschaftssteuer
und Auslandseinsätze erscheint diese Begeisterung demenzbehaftet.
Und auch vor dem Hintergrund, dass, wie Raul Zelik richtig schreibt "das Lager
derjenigen wächst, die sich vom bürgerlichen Staat und seinen Parteien
gar nicht mehr vertreten fühlen", geht der Vorschlag in eine völlig falsche
Richtung. Lange galt einigen in der Partei die rot-rot-grüne Landesregierung
in Thüringen als Beispiel dafür, dass eine Regierungsbeteiligung der
LINKEN nicht wie unter Rot-Rot in Berlin 2001 bis 2011 zu massivem Sozialabbau
führen muss. Doch auch die Thüringer Regierungsbeteiligung hat sich entzaubert.
Thüringen schiebt Menschen mitten in der Nacht ab. Im Zuge der geplanten Gebietsreform
durch die rot-rot-
Derselbe Bodo Ramelow ist wie Gregor Gysi nun begeistert von einer Koalition der
LINKEN mit SPD und Grüne im Bund. Diese solle, so Ramelow, nicht an der NATO-Frage
unmöglich gemacht werden. Diese Bemerkung ist eine direkte Entgegnung auf
SPD-Fraktionschef Oppermann, der gefordert hatte, DIE LINKE müsse "ohne Vorbehalte
akzeptieren, dass jede Bundesregierung der internationalen Verantwortung Deutschlands
etwa im Rahmen der NATO jederzeit gerecht werden muss." Im Interview mit dem SPIEGEL
geht Ramelow noch einen Schritt weiter und wirft die Frage auf, ob DIE LINKE zu
UNO-
Auch Tobias Pflüger kommentierte auf facebook treffend: "Die NATO rüstet derzeit heftig auf und geht immer mehr über in Muster des kalten Krieges. Deshalb ist die Kritik an der NATO und an der konkreten Politik der NATO in Osteuropa, in Afghanistan etc. für DIE LINKE von essentieller Bedeutung. (...) Wir sollten unserer Markenkerne bewusst sein: soziale Gerechtigkeit und Frieden."
Schlussendlich schlägt Bodo Ramelow im SPIEGEL-Interview vor, mit der SPD vor allem Gemeinsamkeiten in der Sozialpolitik zu suchen und Trennendes in der Außenpolitik zur Seite zu legen: "Deshalb sollten wir uns auf unseren Markenkern fokussieren: soziale Gerechtigkeit." Wie das angesichts der Verantwortung der SPD zum Beispiel für Leiharbeit und Hartz IV aussehen kann, sehen wir heute im Falle des Stellenabbaus in Thüringen, was auch unter Rot-Rot in Brandenburg und Berlin erfolgte.
Sahra Wagenknecht äußerte sich im ZDF-Sommerinterview kritisch zur Ausweitung der NATO. Auf die mehrmalige Nachfrage des Reporters, ob die Abschaffung der NATO ein K.O.-Kriterium für eine Koalition mit SPD und Grünen sei, schloss sie eine Beteiligung an Interventionskriegen bei einer Regierungsbeteiligung der LINKEN aus, meinte aber zur NATO: "Natürlich wird Deutschland nicht an dem Tag, an dem wir in eine Regierung einsteigen, aus der NATO aussteigen." Deutschland müsse eine andere Politik in der NATO gegenüber Russland durchsetzen. Wenn auch mit wahrscheinlich anderen Positionen als Ramelow, argumentierte sie ebenfalls, dass die Frage der Sozialpolitik die entscheidende Frage sei, über die man mit der SPD reden müsse.
Die wiederholte Fokussierung auf Rot-Rot-Grün und mögliche Gemeinsamkeiten in der Sozialpolitik ist eine vertane Chance, an die unsoziale und kriegstreiberische Politik der SPD zu erinnern. Warum argumentiert DIE LINKE nicht: "Die SPD steht für Krieg und eine Ausweitung der NATO-Einflusssphäre. In der Sozialpolitik steht nach der Agenda 2010 mit TTIP der nächste qualitative Einschnitt in Arbeitnehmerrechte bevor - mit Unterstützung der Sozialdemokraten. Auch wenn einige in der SPD nun über höhere Steuern für Reiche sprechen: ihre Partei hat mit der Erbschaftssteuer gerade reiche Erben begünstigt. Aus welchem Grund sollten wir daher mit der SPD regieren?"
Erstveröffentlichung: sozialismus info am 29. Juli 2016
Lucy Redler ist Mitglied im Parteivorstand der Partei DIE LINKE und des AKL-BundessprecherInnnenrates. Sie gehört auch der SAV-Bundesleitung an und wohnt in Berlin.
Sie zeigen sich vor der Kamera mit von ihnen abgeschlagenen Köpfen in den Händen, sie vollführen ebenfalls vor der Kamera Kannibalismus, sie töten westliche Journalisten, die sich satirisch mit dem Islam beschäftigen (Charlie Hebdo), terrorisieren religiöse Minderheiten in Syrien, im Irak oder in Nigeria, sie entführen und versklaven junge Frauen anderer Religionsgruppen (Jesiden) usw.
Das alles ist schlimm und abzulehnen. Aber es ist eine Reaktion auf die Politik des Westens den Völkern des Nahen Ostens gegenüber und es ist von den Westmächten, vor allem den USA, initiiert worden.
So wurde bekannt, dass Osama bin Laden einst im Solde der CIA stand, dass die Taliban von den USA in den 70er Jahren ausgebildet, ausgerüstet und finanziert wurden. Damals regierte in Afghanistan eine linke Regierung, und die wurde von der UdSSR unterstützt. Man setzte die Taliban gegen die sowjetischen und afghanischen Regierungstruppen ein.
Ähnlich auch, was den IS betrifft. Syrien war ein Land, in dem religiöse Toleranz herrschte. So gehörte die Familie Assad zu den Alawiten, einer kleinen islamisch-schiitischern Religionsgemeinschaft. Für konservative Moslems sind die Alawiten keine Moslems.
In Syrien leben außerdem Christen verschiedenster Konfessionen, Drusen, Schiiten, Sunniten und Juden. Bis zum Bürgerkrieg lebten die verschiedensten Gruppen friedlich miteinander und Syrien war ein laizistischer Staat.
Dann zettelten die USA und deren Lakaien den Bürgerkrieg an. Saudi-Arabien und andere feudale Scheichs schickten fanatisierte Söldner nach Syrien und in den Irak, rüsteten sie mit modernen Waffen aus, finanzierten sie, organisierten Nachschub an Menschen und Material und vor allem benutzten sie als Terroristen gegen Andersgläubige - nicht nur Schiiten, auch Aleviten, Christen, Drusen, Jesiden, auch nicht reaktionäre Sunniten usw. wurden Opfer.
Allein Russland steht zur rechtmäßigen Regierung Syriens. Während die Russen diese unterstützen, tun das die Westmächte bei "gemäßigten" Rebellen. Aber "gemäßigte", darüber sind sich z.B. christliche syrische Kirchenvertreter einig, gibt es nicht. Die "gemäßigten" morden ebenso, sie stehen nur in einer gewissen Konkurrenz zum IS oder sie sind die "Durchlauferhitzer des IS" - deren Mitglieder gehören schon morgen zum IS.
Was wir dort erleben, ist entfesselter religiöser Fanatismus. Ob das mit dem Islam vereinbar ist, wage ich zu bezweifeln. Wir bekommen täglich von der Gefahr des Islamismus zu hören und zu lesen. Ich finde das sicher schlimm, wenn ein Mensch mit dem LKW Menschen ermordet oder wenn ein fanatisierter Halbwüchsiger im Zug mit Beil und Messer Passagiere angreift. Das ist nicht zu entschuldigen und zeigt, wozu religiöser Fanatismus fähig ist.
Aber was ist mit den religiösen Fanatikern z.B. in den USA? Die waren mit George Bush sogar die Herren im Weißen Haus.
So berichtet man, George W. Bush habe gesagt: "Dann hat Gott mir aufgetragen, George geh' los und beende die Tyrannei im Irak und ich habe es getan. Und jetzt fühle ich wieder, dass das Wort Gottes zu mir kommt. Geh' los, gib den Palästinensern ihren Staat, den Israelis ihre Sicherheit und dem Nahen Osten seinen Frieden. Und bei Gott, ich werde es tun."1)
Er ging los, "befreite" den Irak und schuf einen Bürgerkrieg, der noch heute andauert. Und dieser Gotteskrieger konnte auf den roten Atomknopf drücken um die Welt in ein Gemetzel nie gekannten Ausmaßes zu schicken.
Eine andere Episode über Busch: Damals bekam der französische Präsident Chirac einen Brief von Bush, in dem er Frankreich aufforderte, sich an der Schlacht der Gog und Magog zu beteiligen, denn die stehe nun bevor.
In der Offenbarung des Johannes, im Neuen Testament der Bibel, werden mit Gog und Magog zwei Länder bezeichnet, die am jüngsten Tage vom Satan beherrscht werden. Gemeinsam mit ihm ziehen sie in den Kampf, werden jedoch am Ende von Christus besiegt
"Und wenn die 1.000 Jahre vollendet sind, wird der Satan aus seinem Gefängnis losgelassen werden, und wird ausgehen, die Nationen zu verführen, die an den vier Ecken der Erde sind, den Gog und den Magog, sie zum Krieg zu versammeln, deren Zahl wie der Sand des Meeres ist. Und sie zogen herauf auf die Breite der Erde und umzingelten das Heerlager der Heiligen und die geliebte Stadt; und Feuer kam [von Gott] hernieder aus dem Himmel und verschlang sie. Und der Teufel, der sie verführte, wurde in den Feuer- und Schwefelsee geworfen, wo sowohl das Tier ist als auch der falsche Prophet; und sie werden Tag und Nacht gepeinigt werden von Ewigkeit zu Ewigkeit." (Offb 20,8)
Chirac hielt das für dummes Zeug und ignorierte es. Es zeigt aber, dass ein Herr im Weißen Haus mit Ideen im Kopf herum läuft, die einer christliche Variante des IS entsprechen.
Bush wollte damit sagen, dass sein damals geplanter Krieg gegen die Irak ein Krieg ist, der den Charakter einer Schlacht bei Hamagedon hat, also der am jüngsten Tag, bevor die Welt untergeht. Er, Bush und seine Verbündeten sind die Besten der Welt, wer nicht mit macht handelt im Sinne des Satan.2) Dass sie - Bush und Co, die von Gott Auserwählten sind, ist eh klar.
Wer ist gefährlicher? Die primitiven Gotteskrieger des IS oder die mit der Bibel in der Hand und dem Auslöseknopf für einen Atomkrieg auf ihrem Schreibtisch? Bush hat sicherlich niemals daran gedacht, öffentlich Menschenfleisch zu verspeisen, sein Nachfolger jedoch schickte ein Killerkommando nach Pakistan um Bin Laden zu liquidieren - also einen, der noch Jahre zuvor über beste Kontakte zur CIA verfügte. Die Waffen, denen sich bin Laden oder jetzt der IS bedient, stammen nicht aus Werkstätten in Hinterhöfen in Syrien oder im Irak, sie stammen aus modernen Fabriken wie Heckler & Koch, stammen aus Deutschland, England, Frankreich und den USA.
Auch wenn es in Deutschland verboten ist, Waffen in Krisenregionen zu verkaufen, wo aber kein Kläger ist, ist auch kein Richter. Und außerdem, Saudi-Arabien ist ein Top-Kunde der Waffenindustrie. Dahin Waffen zu liefern, erfreut sich der Zuneigung höchster Stellen - von Saudi-Arabien, Katar und wohl auch aus der Türkei bekommen die islamistischen Terrororganisationen ihre Waffen. Die Regierungen der Herkunftsländer der Waffen wissen das sehr genau - sie aber machen das wohl wissend mit - im Interesse der Profite der Waffenkonzerne.
Wenn jetzt junge Menschen den Verlockungen des IS nicht widerstehen können und auf eigene Faust Mordaktionen begehen, so zeigt das nur, dass hier eine religiöse Verblendung vorliegt, deren Förderer aber unter den Herrschenden des Westens zu suchen sind.
Wir brauchen Aufklärung, was wir nicht brauchen, ist fanatische Religiosität - weder islamische à la IS noch christliche, à la George W Bush.
Erstveröffentlichung: kommunisten-online.de am 22. Juli 2016
1) siehe Online Focus
2) siehe Wikipedia
Früherer Beitrag von Günter Ackermann erschien am 08.07.2016
One two three four - so many killing scenes in Bavaria in little over a week. And that against a backdrop of terrible, even worse killings in so many towns and cities elsewhere.
My main reaction is sorrow! Sorrow for the innocent people who only took the train, went shopping or went to a concert and then never came home. And even more sorrow for the families and friends for whom they were irreplaceable. Among the many, many flowers, candles and toys placed at the sites of the killings one word is often repeated: "Warum?" - "Why?"
In the hunt for answers we must look first at the perpetrators of these killings. Almost all, we find, were young men, whose feelings and psyches had been twisted into hatred. Some were truly ill mentally, had even been in treatment. But even those classified as normal were also ill or they could not have done such terrible things.
We need not look all too far to find possible causes of such hatred or, frequently, of distorted despair. I think of what so many - literally hundreds of thousands - have gone through. War-torn home towns, shootings, explosions and bombings in their native Syria, Iraq, Afghanistan, a terrifying flight to get away, to find some haven, some place where they can escape and perhaps even realize their hopes and wishes. Desperate voyages across deadly waters, with drowned victims in all their thoughts. On arrival in the expected haven only the beginning of a long, desperate trek in heat or freezing weather, muddy tent camps faced by barbed wire, visored, baton-swinging police and clouds of tear gas. For those who reached the Promised Land, Germany, some were lucky and found some of the many warm-hearted people who welcomed and helped them. But all too many were met with callousness, rejection, neglect and greed, even violence, and the constant threat of being sent back to ruins and poverty. In even the best cases there were the problems of finding oneself in a strange land, with a strange language and very different customs. This is enough to twist the minds of many people, but not least of all those of young males barred from work and dignity, from family, from women. Yes, my sorrow extends to all of them, too - and to the tragedy of young lives distorted by such experience, lacking guidance or a chance to fight back properly, often so very much alone - and then meeting a young death, tragic for them and for so many all around them.
I cannot absolve them of guilt. But I can find guilt elsewhere as well. How many of the good, peaceful people in Bavarian towns and cities - or in other peaceful places - know or care about the killing in the homelands of these people - and who has been responsible for it? Who has conducted war in Afghanistan for 15 years? What was the punishment for the German colonel who ordered the bombing in Kunduz in 2009 which killed up to 100 civilians? Or was it 150? Who cares, really - except their families? And they, after all, received a full $ 5000 for each death. Colonel Klein, who ordered the raid, was promoted to general a few years later.
Who still cares that in 2015, also in Kunduz, 30 or 40 medical personnel or patients, some of them children, were killed by an American war plane in repeated "mistaken" bombing attacks despite immediate pleas to desist. This time relatives were paid $ 6000 for each family member killed. After all, one must not disregard inflation!
How many hundreds of thousands were killed in Iraq after a war based on conscious lies? The counting has not been so accurate as in the sad Bavarian massacre. How long have US weapons and German weapons been used to kill civilians in Yemen, in Syria, in Somalia? How long have American weapons and military assistance been used in the destruction of Gaza and repression in Palestine? Most Arab people certainly know of all these things - and do not easily forget them. How many Bavarians are aware of them? Or Germans? Or Americans? Is it difficult to understand that such killing cannot successfully be confined to the distant lands where it takes place, but will return to the sources, to the countries which send Special Troops, and which supply the bullets, the shells and the drone rockets fired at militants who somehow believe they are defending their poor countries - or fired, in other occasional "unfortunate mistakes", always sincerely regretted, at wedding parties or the like.
No, they are not so easily forgotten by sons or brothers. Is it surprising that some seek retribution, even blind retribution? Sadly, very tragically, the ones to suffer and die from such retribution are sometimes peaceful citizens of Arnsbach, Munich or other cities, who are just as innocent of any wrong-doing as those in Kunduz or in Kirkuk. And, until the shots or blasts can be heard and felt, just as uninvolved.
This means that everything must be done, wherever we are, to get as many involved as possible. Not only must we oppose the bloody attacks from the sea, ground or air, but also the shipment of the utensils of death to those areas, indeed, to any areas! We must let the people of other countries solve their own problems - without our pressures, our interference, above all without our weapons.
My sorrow extends even further, to much of what I see in the world which leads to death thoughts, large and small scale. I firmly believe that we must oppose the cult of killing which pervades our entire culture, the war films, the video games and the media heroics which idolize "Western" snipers, torturers and killers of all kind while detailing over and over the misdeeds of a tiny number of immigrants. Selling guns, whether pistols, assault rifles or warships, brings money, lots and lots and lots of money. They must constantly be modernized. When they are used up or destroyed they must be replaced, and that brings more money - in the billions. Their crooked influence is related, in no small measure, to the killings of all kinds, whether by a mentally twisted, distorted youngster on a peaceful street in Bavaria - inspired or not inspired by ISIS leaders - or committed by a handsomely uniformed and decorated general and his men, praised by their imbedded journalists as heroic saviors of our civilization.
Indeed, they and the men behind them in their skyscraper boardrooms or their private jets and yachts are, directly or indirectly, the truly guilty ones, for the wars, the waves of refugees, the misery and countless personal tragedies. Can they be removed before we all kill each other off in some final hungry desert - or in a sudden final atomic blast?
More by Victor Grossman: Berlin Bulletin No. 113, No. 112, No. 111, No. 110, No. 109, No. 108, No. 107, No. 106, No. 105, No. 104, No. 103, No. 102, No. 101.
Die Operationen der sog. Sicherheitskräfte in der Südost-Türkei, also in Kurdistan, in den letzten Monaten werden außerhalb der gesetzlichen Grenzen und dem Schutz des Rechts durchgeführt. Dies zeigt sich an der zunehmenden Anzahl der Belege für schwere Menschenrechtsverletzungen, darunter Folter und Straflosigkeit bei Menschenrechtsverstößen. Vom 13. März bis Anfang Juni 2016 z.B. wurde die kurdische Stadt Gever/Yüksekova von der türkischen NATO-Armee belagert und beschossen. Hunderte von Toten, Zehntausende Vertriebe, Tausende zerstörte Häuser und Geschäfte waren das Ergebnis.
Der türkische Staat und die amtierende AKP mit ihrem "Möchtegernsultan" Recep Erdoğan an der Spitze gehören schon längst auf die Anklagebank. Das jüngste Schmierenstück dieser kriminellen Vereinigung, der vorgetäuschte Putsch, soll auch über die wirklichen Absichten und die grausame Vernichtungsversuche der kurdischen Nation hinwegtäuschen. Noch vor der "Putschkomödie" wurde beim Generalbundesanwalt in Karlsruhe eine Anzeige gegen Erdoğan eingereicht. Die Internationale Liga für Menschenrechte informierte kürzlich in Berlin über die Pressekonferenz zur Strafanzeige. Da die bürgerlichen Medien inklusive der Tagesschau nicht darüber berichteten, anbei ihre Presseerklärung.
Am 27. Juni 2016 ist in Berlin eine Strafanzeige nach dem Völkerstrafgesetzbuch vorgestellt und beim Generalbundesanwalt in Karlsruhe eingereicht worden. Sie richtet sich gegen den Staatspräsidenten der Republik Türkei, Recep Tayip Erdoğan, den ehemaligen Ministerpräsidenten, sowie gegen verantwortliche Minister, Verantwortliche aus Militär und Polizei sowie die zuständigen Gouverneure wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit, die in den kurdischen Gebieten im Südosten der Türkei, insbesondere in Cizre (Provinz Sirnak), begangen wurden.
Die Internationale Liga für Menschenrechte unterstützt diese Strafanzeige. Ihr Vorstandsmitglied Dr. Rolf Gössner gehört zu den Miterstattern, gemeinsam mit zahlreichen Bundestags- und Landtagsabgeordneten, Rechtsanwält/-innen, Ärzt/-innen, Wissenschaftler/-innen und weiteren Einzelpersonen, darunter auch Angehörigen von Gewalt- und Todesopfern. Die Anzeige ist zusammen mit dem Verein für Demokratie und internationales Recht MAF-DAD e.V. in Köln erarbeitet worden, dessen Vorstand u.a. der Völkerrechtler Prof. Dr. Norman Paech angehört, der erst vor wenigen Monaten während einer Delegationsreise eigene Eindrücke vom Ausmaß der Zerstörung von Städten in den kurdischen Provinzen im Südosten der Türkei sammeln konnte. (www.mafdad.org).
Seit Abbruch des Friedensprozesses zur Lösung des kurdisch-türkischen Konflikts im vorigen Jahr gehen türkische Polizei- und Militärkräfte mit äußerster Brutalität und Härte gegen die kurdische Bevölkerung, ihre Organisationen, Medien, Parteien und Abgeordneten vor. Längst ist angesichts der Wiederaufnahme der militärischen Angriffe von einem neuen Krieg der türkischen Regierung gegen die kurdische Bevölkerung die Rede, jedenfalls von einer neuen Konfrontation und Eskalation der gewaltsamen Auseinandersetzungen, wohingegen die türkische Regierung die Repressionsmaßnahmen als Reaktion auf Anschläge der kurdischen PKK und als "Terrorismusbekämpfung" rechtfertigt. Der NATO-Partner und EU-Beitrittskandidat Türkei befindet sich angesichts eskalierender Gewalt, Straßenterror, Anschlägen und Morden praktisch im Ausnahmezustand.
Liga-Vorstandsmitglied Rolf Gössner: "Dabei kommt es im Zuge von Ausgangssperren, Polizeirazzien, Massenverhaftungen und Zerstörungen durch das Militär zu schweren Verbrechen und systematischen Menschenrechtsverletzungen von Seiten des türkischen Staates, deren Aufklärung und Ahndung in der Türkei nicht gewährleistet ist. Sinn und Zweck der heute hier in der Bundesrepublik erstatteten Strafanzeige ist es, der drohenden Straflosigkeit solcher Verbrechen entgegenzuwirken. Dies ist nach dem Völkerstrafgesetzbuch auf Basis des Weltrechtsprinzips möglich - unabhängig davon, wo die Tatorte liegen."
Wie die Liga kürzlich von einer Delegation der prokurdischen Bündnispartei HDP erfahren hat, gibt es Beweise dafür, dass bei den Massakern im Südosten der Türkei auch deutsche Waffen zum Einsatz kamen. Deshalb fordert die Liga über die Ermittlungen aufgrund der Strafanzeige hinaus, diese Mitverantwortung der Bundesrepublik, der Bundesregierung und der Waffenindustrie, ebenfalls mit Nachdruck aufzuklären. Außerdem fordert die Liga zum wiederholten Male, jegliche Rüstungsexporte in dieses Kriegsgebiet, wie überhaupt in jedes Krisen- und Kriegsgebiet, strikt zu unterbinden.
Weiterhin ruft die Liga alle Konfliktparteien in der Türkei ausdrücklich dazu auf, den im vorigen Jahr abgebrochenen Friedensprozess wieder aufzunehmen und zu Deeskalation und Dialog zurückzukehren - mit dem Ziel einer demokratischen und gerechten Lösung des kurdisch-türkischen Konflikts. Dazu gehört auch eine unabhängige internationale Aufklärung der Morde, Massaker und Zerstörungen durch türkische Armee und Polizei sowie der Terroranschläge, für die die PKK und andere kurdische Organisationen die Verantwortung übernommen haben oder die ihnen zugerechnet werden.
Nach Auffassung der Liga kommt auch der EU und der Bundesregierung eine gesteigerte Verantwortung zur Aussöhnung und Lösung des türkisch-kurdischen Konflikts in dem NATO- und (mutmaßlich) künftigen EU-Mitgliedsstaat zu - gerade angesichts der katastrophalen Menschenrechtslage in der Türkei, angesichts eines menschenrechtlich inakzeptablen Flüchtlingsdeals der EU mit der Türkei, angesichts der neuen Rolle der Kurden als stabilisierender Machtfaktor im Nahen und Mittleren Osten und im Abwehrkampf gegen den IS-Terror.
"Um dieser Verantwortung gerecht zu werden", so Rolf Gössner, "bedarf es eines radikalen Wandels der europäischen und deutschen Türkei- und Kurdenpolitik". Deshalb fordern die Internationale Liga für Menschenrechte und andere Nichtregierungsorganisationen schon seit längerem mit Nachdruck, die Kriminalisierung und Ausgrenzung von Kurden, ihren Organisationen und Medien in Europa und Deutschland endlich zu beenden sowie die Menschenrechtslage in der Türkei und die kurdische Frage unverzüglich und nachhaltig auf die EU-Agenda zu setzen (vgl. dazu: ilmr.de).
Während der Pressekonferenz in Berlin zur Vorstellung der Strafanzeige waren neben den Rechtsanwältinnen Britta Eder, Petra Dervishaj und Heike Geisweid (Vorsitzende von MAF-DAD e.V.), auch der Abgeordnete der Türkischen Nationalversammlung Faysal Sariyildiz (HDP) anwesend, der sich während der Ausnahmezustände in Cizre aufhielt, sowie der Istanbuler Rechtsanwalt Ercan Kanar.
Strafanzeige unter: www.mafdad.org
Rückfragen zur Strafanzeige unter: eder@anwaltsbuero-s36.de oder info@mafdad.org oder rolf-goessner@ilmr.de, weitere Infos über: www.mafdad.org
Früherer Beitrag "Was die >Tagesshow< verschweigt" erschien am 06.07.2016
Einen Schatz haben vor wenigen Jahren die Deutsche Kinemathek und der Aufbau-Verlag gehoben: unveröffentlichte Kurzerzählungen einiger der bekanntesten deutschsprachigen Literaten des 20. Jahrhunderts. Vicky Baum, Heinrich und Klaus Mann, Joseph Roth und Felix Salten sind nur die bekanntesten unter ihnen. Dazu kommen prominente Filmleute, wie der Komponist Ralph Benatzky, der Schauspieler Fritz Kortner und der Regisseur Reinhold Schünzel. Sie alle versuchten in der Emigration, in Hollywood Fuß zu fassen, und boten ihre Geschichten zur Verfilmung an. Wiederentdeckt wurden sie im Nachlass des Agenten Paul Kohner, der 1921 19-jährig zum Film nach Hollywood geholt wurde, wo er sich besonders seit den dreißiger Jahren für Emigranten aus dem deutschsprachigen Raum einsetzte.
Die veröffentlichten Texte sind in unterschiedlicher Ausarbeitung. Manchen sieht man den vorläufigen Charakter deutlich an, andere sind kleine Kunstwerke. Immer aber findet man charakteristische Züge der Autoren wieder, seien es melodramatische bei Vicky Baum oder geistreich politische wie bei Klaus Mann, der - noch immer aktuell - die Vereinigten Staaten von Europa heraufbeschwört.
Die Herausgeber haben umfangreiche Kommentare zu den Texten und ihren Verfassern geliefert und in Kohners Briefwechsel manch interessantes Detail ausgegraben. So kann man nachlesen, wie einfühlsam - wenn auch aus guten Gründen ablehnend - Kohner auf den damals 70jährigen Satiriker Roda-Roda einging. Schade, dass von ihm kein Text in den lesenswerten Band Eingang fand.
Wolfgang Jacobsen/Heike Klapdor (Herausgeber): In der Ferne das Glück, Aufbau-Verlag, Berlin 2013, 500 Seiten, 26,99 €, als E-Book bei Weltbild, 19,99 €
Eine junge, angehende Staatsanwältin fühlt sich überfordert und wird zur Aussteigerin. Ein durchaus sympathischer Beginn des Films "Ferien", der sich danach sacht verläppert. Es gibt keine Fabel im eigentlichen Sinne, nur Episoden mit Figuren, deren Beziehungen nicht deutlich werden. Jede und jeder scheint hier einen psychischen Knacks zu haben, der nicht erklärt wird.
Vielleicht strebte die Regiedebütantin, die die HFF "Konrad Wolf" absolviert hat, etwas frei Schwebendes an, was ihr bei vielen faden Gags jedoch nicht gelang. Britta Hammelstein in der Hauptrolle wird von dem zur Drehzeit 14-jährigen Jerome Hirthammer an die Wand gespielt. Golo Euler sollte aufpassen, dass er wieder aus der Schublade herauskommt, in der er stets den negativen Pol in einer Beziehung spielt. Eine Überraschung ist immerhin der Jurist und Erfolgsautor Ferdinand von Schirach, der einen menschenscheuen, verschlossenen Sonderling glaubwürdig, aber doch einschichtig spielt.
Und dann ist da noch Detlev Buck in einer Vaterrolle, die er auch bei den Dreharbeiten ausübte, denn er ist der Vater der Regisseurin Bernardette Knoller. Dass Kinder in die Fußstapfen ihrer Eltern treten, kommt bei Bäckern oder Autoschlossern ebenso vor wie bei Medizinern und Künstlern. Das Handwerk kann man erlernen - das "gewisse Etwas" ist nicht erlernbar und hat sich bei Frau Knoller noch nicht Bahn gebrochen.
Ferien, Regie Bernardette Knoller, DCM Filmdistribution, seit 7.7. in ausgewählten Kinos.
Als Verfasser der Liebes-Novellen "Rheinsberg" und "Schloß Gripsholm" ist Kurt Tucholsky bekannt. Aber erst mit der vor fünf Jahren bei Rowohlt abgeschlossenen Gesamtausgabe wurde bekannt, dass der Autor eine dritte Erzählung hinterlassen hat. Sie war nicht für den Druck bestimmt und liegengeblieben. "Seifenblasen" ist nämlich (Überraschung!) eine Filmerzählung, ein Exposé.
Natürlich geht es auch ums Verlieben, aber wie in den beiden anderen Erzählungen ging es Tucholsky darum, zusätzlich die Konventionen der Zeit aufs Korn zu nehmen. In diesem Fall ist es die damals noch nicht so genannte Transgender-Thematik. Es geht um Barbara, ein "Fräulein Nummer" am Varieté, das als Damenimitator zu einem umjubelten Star wird, in den sich viele Frauen verlieben - Frauen und ein Mann, der auf einem Wochenendausflug entdeckt, was es mit ihr auf sich hat. Dazu kommt noch eine etwas weit hergeholte Kriminalgeschichte. Barbara ist also eine Frau, die vorgibt, ein Mann zu sein, der sich abends auf der Bühne in eine Frau verwandelt. Ganz schön kompliziert, aber wer eine der drei Verfilmungen von "Viktor und Viktoria" gesehen hat, weiß, wie doppelbödig das funktioniert.
Tucholsky, hier als Peter Panter tätig, zeigte in seinem Filmtext, dass er durchaus filmisch denken konnte. Bei ihm spielte die moderne Technik in Gestalt von Telefonen eine Hauptrolle. Er entwickelte für den damals noch ganz neuen Tonfilm bereits in seinem Szenarium dramaturgisch begründete Geräusch-Collagen. Dazu griff er auf seine Stärken zurück, den Mutterwitz und den Einsatz zahlreicher Chansons.
Peter Panters Exposé von 1931 für die Nero-Film blieb unverfilmt. Den Stoff griff Robert Liebmann für die Ufa auf und schrieb besagten "Viktor und Viktoria" für den damaligen Publikumsliebling Renate Müller. Ihr Konterfei schmückt auch den Titel der in Vorbereitung befindlichen Print-Fassung. Seit kurzem bereits erhältlich ist die erste Einzel-Edition des Textes als E-Book. Michael Töteberg hat ein kundiges Vorwort geschrieben, in dem er Tucholskys schwieriges Verhältnis zum Medium Film darlegt.
Kurt Tucholsky: Seifenblasen - Eine Filmerzählung, Rowohlt Rotation, E-Book, 3,99 €
Zuerst veröffentlicht in: Das Blättchen, Nummer 15, 18. Juli 2016
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