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Die Zaubertruhe

Die Zaubertruhe #19

Ein Almanach für junge Mädchen
Kinderbuchverlag Berlin 1973

Mein Freund Dean Reed

Victor Grossman

Es ist für manch einen schwer zu glauben, dass ein gut aussehender Sänger wie Dean Reed, der Schlager so hübsch zu trällern versteht, nicht nur trällern und singen kann, dass er auch noch etwas zu sagen hat; dass er über ernste Dinge nachdenkt - ja, dass er überhaupt viel denkt.

Drei Monate hbe ich mit ihm als sein Dolmetscher gearbeitet und habe dabei festgestellt: Dean denkt über fast alles nach - über das, was er tut, und über das, was in der Welt vor sich geht, über die Tagesereignisse und was dahintersteckt. Er versucht ständig, sich in dieser komplizierten alten Welt zurechtzufinden - er sucht nach dem richtigen Weg.

Das ist weder eine traurige noch eine todernste Angelegenheit. Es gibt überhaupt kaum etwas, über das wir bei der Arbeit nicht gelacht oder das wir nicht belacht haben. Und wie oft hat einer den andern im Spaß hereingelegt.

Bei den Dreharbeiten zum Film "Aus dem Leben eines Taugenichts" gab es sehr viel zu lachen - mitunter auch zu weinen. Bei den Proben lief der kleine Hund Bam schön brav in den Garten, wo er mit Dean spielen sollte. Doch sobald die Kamera surrte und der teure Film sich belichtete, schlug das liebe Tierchen einen breiten Bogen und versteckte sich wie verhext hinter dem Häuschen. Die Sonne brannte, wir wussten nicht: Sollten wir lachen oder weinen? Wir entschlossen uns fürs Lachen, doch nicht zu laut.

Als der überarbeitete Requisiteur für eine Szene statt einer Ziege einen Ziegenbock holte, gab's Ärger. Ja, ja, behauptete er, der Unterschied sei ihm schon bekannt, doch er hatte erst den Bock gefunden und angenommen, der könne die Rolle auch spielen. Glauben galt nicht, eine Ziege musste gesucht werden. Der Requisiteur fand eine - so alt, dass sie kaum mehr gehen konnte, und rennen schon gar nicht. Endlich brachte er die richtige; alle waren zufrieden, außer dem kleinen Bam, der sie unentwegt anbellte, und - der Sonne. Die Sonne ihrerseits verschwand nun und machte alle Mühe umsonst. Wir lachten wieder, gaben uns jedoch Mühe, weder von dem Regisseur noch von dem Kameramann gesehen zu haben. Denn die waren eher beim Weinen.

Dann gab es die kleine Marianna, ein hübsches Zigeunermädchen, in dem rumänischen Dorf, wo wir filmten. Die Zehnjährige bewunderte den berühmten Ausländer so sehr, dass sie täglich auf ihn wartete, frühmorgens und nachmittags nach der Arbeit. Als wir nachts drehten, mussten wir die Kleine praktisch mit Gewalt nach Hause treiben. Dabei konnten wir kaum mit Marianna sprechen. Mit Deans Kenntnissen des Italienischen - manches ähnelt dem Rumänischen - schafften wir eine Sprachkuddelmuddel, über den wir ständig lachten - auch Marianna. Dean verlor auch nicht ein einziges Mal die Geduld.

Inzwischen lernte ich meinen Landsmann immer besser kennen, nicht allein bei der Arbeit, auch bei Konzerten und in der Freizeit.

Eines Tages fuhr der DEFA-Bus eine rumänische Landstraße entlang. Einige von uns bewunderten die herrlichen Berge, andere plauderten oder schliefen. Plötzlich hielt der Bus. Vor uns war ein Wagen mit Langholz in ein Schlammloch geraten. Die Pferde zogen, sosehr sie nur konnten, zwei Männer und eine Frau schoben - vergebens. Unser Weg war versperrt. Wie lange würden wir warten müssen? Während wir hin und her überlegten, huschte etwas an mir vorüber - Dean. Ehe wir uns versahen, hatte er die Schulter am Wagen. Sein Beispiel wirkte wie immer. Einige taten's ihm nach, und schnell war der Weg frei.

Nein, das war eben keine Ausnahme. Eines Tages fing es zu tröpfeln an, und eine Menge Requisiten mussten schnellstens weggeräumt oder zugedeckt werden. Dean - der "Star" - war wieder der erste "Nichtrequisiteur", der mitzuhelfen begann. Selbstverständlich? Auch Selbstverständliches wird oft übersehen und vergessen. Für Dean gehört aber dieses An-den-Nächsten-Denken zu seiner Weltanschauung, genau wie seine Disziplin bei der Arbeit. Er kam niemals zu spät, er arbeitete hart und zuverlässig, er gab sich niemals als verwöhnter Star.

Das trifft bei seinem Autogrammschreiben genauso zu. Ich wäre den jungen Leuten manchmal durch eine Hintertür ausgewichen. Das tat Dean nie, auch dann nicht, als mindestens vierhundert heranpreschten, Karten, Bilder, ganze Alben oder nur S-Bahn-Karten in der Hand, und um seine Unterschrift baten. Er unterschrieb alles, und bei jeder (auch bei jedem, doch meist bei jeder) versuchte er, nach dem Namen zu fragen oder wenigstens einen Blick, ein Wort oder ein Lächeln mit dem Bittenden zu wechseln. Niemals schrieb er nur seinen Namen hin, sondern immer etwas dazu, oft "Much peace" - "Viel Frieden" - seine eigene kleine Losung.

An Mitarbeiter denkt er auch immer. Ich habe ihn schimpfen hören, wenn er glaubte, die Filmarbeiter würden in bezug auf Überstunden, auf Wochenendarbeit, auf Kantinenessen ungerecht behandelt. Manchmal ist beim Film Mehrarbeit notwendig, sind Überstunden zu leisten und verschiedene Unannehmlichkeiten in Kauf zu nehmen - oft einfach deshalb, weil eine Einstellung fertig werden muss, ehe die Sonne verschwindet, ehe die Herbstwinde zu viele Blätter wegfegen, ehe der Auslandsaufenthalt zu Ende geht. Ja, manches muss man einsehen - doch wieviel? Es gab für Dean oft schwierige Entscheidungen. Er wollte diesen Film so gern fertig sehen. Er hat jedoch seine festen Prinzipien über die Arbeiter und ihrer Bedingungen. Die meisten übernahm er - vielleicht gelegentlich zu einfach - von der kapitalistischen Filmarbeit, die er bisher kannte.

In Italien, wo Dean die meisten Filme gedreht hat, musste er ständig auf der Hut bleiben. Manche Filmgesellschaften stellen Arbeiter für einige Wochen an und entlassen sie dann, ohne überhaupt an Bezahlung zu denken. Andere nutzen die Angst vor der Arbeitslosigkeit aus und bezahlen viel zu wenig.

Dean solidarisierte sich immer mit diesen Arbeitern. Einmal streiktensie; auf Grund seines Vertrages hatte Dean sein Honorar im voraus bekommen und konnte deshalb nicht mitstreiken. Er heckte also einen Plan mit den Arbeitern aus - und ließ sich von ihnen "kidnappen". Erst als die Unternehmer richtig bezahlten, ließ er sich wieder "retten".

Dean heckt gern originelle Tricks und Ideen aus, einige für seine Filme, andere für sein Leben. Wie damals in Chile, noch unter der alten Regierung, als er eine USA-Fahne vor die Botschaft der Vereinigten Staaten brachte und sie dort - nicht verbrannte, wie manche Ultraradikale es gemacht hätten, sondern in einem Eimer wusch! Bei seiner Verhaftung erklärte er, dass er seine Fahne noch liebte, doch sie sei befleckt - durch den Vietnamkrieg, durch Aggression und Rassismus. Die Verhaftung und die danach veröffentlichten Schlagzeilen in der Presse, das war politisch gerade das, was er für die kommenden Wahlen erhoffte. Was er nicht beabsichtigt hatte, erklärte er lächelnd, war die Reaktion seiner Frau, die zu ihm sagte. Wenn du so gern waschen willst, kannst du gleich deine Socken allein waschen.

Das war zwar Spaß, doch inzwischen haben er und seine Frau sich so weit auseinandergelebt, dass sie sich scheiden lassen wollen. Das ist eine Folge seiner Entwicklung, aber auch der Tatsache, dass er als Künstler ständig unterwegs ist - keine leichten Bedingungen für eine Ehe. Ihn trifft am härtesten, dass er nun sein Töchterchen Ramona Guevara so selten sehen kann.

Ja, Dean reist viel, er lacht viel, er denkt sich gern Tricks aus, er arbeitet hart. Das alles hat natürlich eine Ursache und dient einem Zweck. In Südamerika erlebte er furchtbare Armut, das Leiden der Menschen in Vietnam spürt er bis tief in seine Seele, er kann nicht ruhen, solange er von Ungerechtigkeit und Elend in der Welt weiß. Und er setzt sein ganzes Wesen ein, dagegen zu kämpfen. Dean ist ein bewusster Revolutionär, er denkt ständig nach, wie man die Welt am schnellsten verändern kann.

Das ist auch der Grund, weshalb er nicht dauernd in den Ländern bleiben will, wo er besonders viele Freunde hat: in der Sowjetunion, in Polen, in der CSSR und in der DDR. Er weiß, dass es auch in den sozialistischen Ländern noch sehr viel zu tun gibt, um unsere Gesellschaft weiter zu verbessern und andere Völker in ihrem Kampf zu unterstützen. Doch er möchte dort mittendring stehen, wo der Hauptkampf noch zu gewinnen ist, zu Hause in den USA oder in seinem zweiten Zuhause in Südamerika. Dort will er sein Prestige, sein Singen und sein ganzes Wesen einsetzen - wie er es schon getan hat.

Manche Verknöcherten und Zynischen begreifen das nicht. Sie suchen in jeder Tat und Handlung etwas Selbstsüchtiges, also messen sie andere an sich selbst.

Nun, Dean ist weder ein Gott noch ein geflügeltes Engelchen, sondern ein Mensch mit allen Widersprüchen, die in jedem Menschen stecken. Manchmal überlege ich zum Beispiel, ob er den Kampf um eine bessere Welt genügend als eine Bewegung vieler Millionen sieht, an die sich der einzelne anschließen muss, weil er allein leicht zugrunde ginge. Das muss ich mit Dean mal genau besprechen, das und andere Fragen, falls er bei seinen sturmwindähnlichen Besuchen Zeit hat.

Und wenn wir trotz der Menschen, die ihn bestürmen, und trotz der Ansprüche an seine Zeit mal eine Stunde haben, dann lerne ich immer etwas von Dean. Ich stelle fest, dass ich mein eigenes Leben bewusst verändere - wie bei seiner schnellen Hilfsaktion für den rumänischen Holzwagen oder seiner geduldigen Freundschaft mit dem kleinen Mädchen Marianna. Immer wieder stelle ich fest: Dean hat ein sehr großes Herz und einen wachen Sinn, und beide setzt er dafür ein, wofür es sich eigentlich allein lohnt, in dieser Welt zu leben und zu arbeiten - um schnell, so schnell es nur geht, eine bessere Welt für alle Menschen zu erkämpfen.

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Letzte Änderung: 2017-06-28