Wochenpost 47/1979 vom November 1979 (Wochenzeitung) |
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Schach der Kriegsgefahr!Dean Reed,Sänger und Schauspieler, ist Mitglied der Kulturkommission des Weltfriedensrates
Als erster ausländischer Künstler wurde Dean Reed dieser Tage mit dem Kunst- und
Literaturpreis des Leninschen Komsomol ausgezeichnet.
Ist es überhaupt eine Frage für Sie, ob Sie für Frieden oder Krieg, für Abrüstung oder Wettrüsten sind? Selbstverständlich nicht! Sie verdienen doch nichts an der Produktion von Raketen und Panzern - niemand im ganzen sozialistischen Lager verdient daran! Und Ihnen hat doch keiner eingeredet, dass Ihr Arbeitsplatz in Gefahr ist, wenn Sie nicht mehr Raketen und Panzer bauen können - uns fällt eine Menge ein, was wir produzieren könnten, ohne Absatzschwierigkeiten befürchten zu müssen! Eine Frage ist für manch einen, ob er mit seiner Unterschrift, die so leicht, so konflikt- und risikolos gegeben wird, überhaupt etwas erreicht. Ich komme aus einem Land, in dem es gar nicht leicht und ohne Risiko war und ist, für etwas einzutreten, das hierzulande als selbstverständlich gilt. Vor einigen Jahren zum Beispiel für die Beendigung der Aggression gegen das vietnamesische Volk, immer noch für die Gleichberechtigung der Rassen, ja, auch für Abrüstung! In diesem Land, den USA, ist es außerordentlich schwierig, hinter Wahrheiten zu kommen und Wahrheiten zu verbreiten, die den großen Konzernen nicht ins Geschäft und - was auf das Gleiche hinausläuft - den führenden Politikern nicht ins Konzept passeen; denn sie beherrschen auch die Medien. In diesem Land muss man im wahrsten Sinne des Wortes den Kopf hinhalten, wenn man für seine Überzeugung auf die Straße geht. Ich gebe zu, das ist dramatischer, aufregender als eine Demonstration, eine Willenserklärung in der DDR. Es ist schwieriger und - leichter, weil man den Gegner sieht, er ist konkret, mit Händen zu greifen. Aber politisch wirksamer - und darum geht es! - ist die Stimme, die sich mit Millionen vereinen kann, sind Millionen Stimmen, hinter denen die Autorität ihres Staates steht. Sie sind politisch so wirksam allerdings nur dann, wenn zur Stimme die alltägliche Leistung kommt, die den Sozialismus stärker macht. Kann sich doch heute keine fortschrittliche Bewegung in der Welt durchsetzen, ohne auf die Stärke der sozialistischen Länder zu bauen. Manch einer mag es merkwürdig finden, dass ich mich als Bürger der USA, als Unterhaltungskünstler in diesem Sinne äußere. Ich finde es nicht merkwürdig. Denn ich weiß: Mit wachsender Rüstung wächst auch die Gefahr eines globalen Krieges, nach Lage der Dinge kann es heute im Falle eines solchen Krieges nicht Sieger und Verlierer, sondern nur Verlierer geben - das betrifft mich wie jeden anderen auch! Und es ist die Sowjetmacht, deren erstes Dekret dem Frieden galt, deren fundamentales Interesse im Frieden liegt. Diese Einsichten sind mir freilich nicht an der Wiege gesungen worden. Es war zuerst Paton Price, Hollywoods bester und auch mein Schauspiellehrer, der meinen Gedanken auf die Sprünge half. Er vertrat zwei Prinzipien: Man kann kein guter Künstler sein, wenn man nicht zugleich ein guter Mensch ist. Und man soll immer die Wahrheit suchen, ihr selbst auf den Grund gehen, sie verbreiten und verteidigen mit äußerster Konsequenz. Wenn man als Künstler erfolgreich und berühmt ist, dann ist es nicht das Geld, was zählt, sondern die Kraft, der Einfluss, den man gewonnen hat, um seine Ideale durchzusetzen. Paton Price war Pazifist und hatte für seine Überzeugung zwei Jahre im Gefängnis gesessen. Es war das Erlebnis unvorstellbarer Not, in der 80 Prozent der südamerikanischen Bevökerung leben, das mich zu der Einsicht zwang, es müsse gesellschaftliche Lösungen für die gesellschaftlichen Probleme geben. Was ein einzelner an Gutem zu leisten vermag, reicht nicht aus. Der argentinische Schriftsteller Alfredo Varela, Kommunist, Mitglied des Präsidiums des Weltfriedensrates, Lenin-Friedenspreisträger, half mir weiter, fundierte mein soziales Engagement, indem er mir deutlich machte, worauf die Not der Völker zurückzuführen ist, worin seine Hoffnungen liegen. Er war es auch, der mich 1965 einlud, als Mitglied der argentinischen Delegation mit nach Helsinki zur Tagung des Weltfriedensrates zu fahren. Und das war für mich bedeutsam in zweifacher Hinsicht: Ich wurde Teil der Weltfriedensbewegung, erlebte, wie führende Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens - Konstantin Simonow, Pablo Neruda, David Alfaro Siqueiros unter ihnen - ihrem humanistischen Anliegen den Nachdruck einer weltweiten Organisation gaben. Und ich wurde von der sowjetischen Delegation eingeladen, ihr Land zu besuchen. Meine erste Tournee 1966 wurde mir zum unvergesslichen Erlebnis. Ich glaube, es gibt kein zweites Land auf der Welt, in dem jeder - ob Arbeiter oder Wissenschaftler, Künstler oder Ingenieur, Kolchosbauer oder Funktionär - mit dem ersten Glas auf den Frieden trinkt. Ich habe es immer wieder erlebt. Die ungeheure leidvolle Erfahrung eines ganzen Volkes mit dem Krieg spricht daraus, und die große Hoffnung für die ganze Welt. Ich habe niemanden kennengelernt, der dabei nur an sich und sein Volk gedacht hätte! Ich nenne nur das als Beispiel, als Symptom. Was ich in der Sowjetunion und den anderen sozialistischen Ländern erlebte und erfuhr, empfinde ich jedenfalls als ein Fundament für mein gesellschaftliches Wirken, im Rahmen der Weltfriedensbewegung wie mit jedem meiner Konzerte. Für uns alle ist Leonid Breshnews Friedensinitiative also keine Überraschung. Auch kein Schachzug. So sehen sie nur die, denen ein Matt droht, wenn die Kriegsgefahr mattgesetzt wird, die also auf Gegenzug sinnen. Das sind unsere Leute nicht. Ihnen entgegen wird die Willenserklärung der DDR gestellt. Uns allen, die wir uns um den Frieden sorgen, steht sie zur Seite. Nun bin ich bereit, über diese und jene politische Maßnahme zu diskutieren. Wo es jedoch um Krieg oder Frieden, Wettrüsten oder Abrüstung geht, kann es meiner Ansicht nach keine Diskussion geben, sondern nur unser deutliches, nachdrückliches Ja zum Frieden! |
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www.DeanReed.de
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