Volksstimme Wien 05.12.1979

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Für Victor Jara und Chile

Gespräch mit "El Cantor"-Regisseur Dean Reed

von Helmut Rizy

Zwei Jahre nach der Fertigstellung kommt nun der Film "El Cantor" erstmals auch nach Österreich. Zur Premiere, im Franz-Domes-Heim in Wien wird auch der Regisseur und Hauptdarsteller des Films, Dean Reed, kommen. Wir sprachen mit ihm über sein Werk.

"Der Gedanke, diesen Film zu machen, kam mir, nachdem ich 1974 den Streifen 'Blutsbrüder' gedreht hatte", erzählt Dean. "Damals gab ich die ganze Zeit Konzerte für Chile. So viel ich auch sang, ich konnte doch immer nur ein relativ kleines Publikum erreichen. Selbst wenn man jeden Abend arbeitet, kommt man durch die Konzerte nur an Tausende heran. Durch einen Film kann man Millionen erreichen."

Auf Chile, auf das faschistische Regime in Chile hinzuweisen und Solidarität mit den Demokraten Chiles zu erwecken, das war das Hauptanliegen, das den Sänger und Schauspieler Dean Reed bewog, sich mit diesem Projekt zu befassen. "Was in Chile 1973 geschah, hat mein Leben verändert. Vorher hatte ich nur für meine Idee von 'Love and Peace' gelebt. Ich hatte niemals zuvor in meinem Leben wirklich gehasst. Ich glaube, man beginnt erst zu hassen, wenn Freunde ermordet werden, etwa durch den Faschismus."

10.000 kostenlose Mitwirkende...

Dean schrieb das Drehbuch und ging dann auf die Suche nach einem Produzenten. Es klappte nicht auf Anhieb, denn manchen schien das Projekt nicht kommerziell genug. Erst das DDR-Fernsehen erklärte sich schließlich bereit. "Dabei machte ich Filmgeschichte in der DDR", erinnert sich Dean. "Ich hatte im Drehbuch eine Szene vorgesehen mit 10.000 Leuten, und der Direktor sagte, ich müsse sie streichen. Ich sagte ihm, das kann ich nicht, denn hier habe ich die Möglichkeit, die Stärke der Unidad Popular zu zeigen. Er sagte wieder: Du musst die Szene streichen. Wir sind nicht Hollywood, wir können das nicht bezahlen. Nächtelang habe ich damals überlegt; und dann hatte ich eine Idee. Ich rief den Ersten Sekretär des bulgarischen Jugendverbandes an - er ist ein Freund von mir -, fuhr dann auch zu ihm und sagte: Ich bringe dir an einem Tag Clodomiro Almeyda (Exekutivsekretär der Unidad Popular und Ex-Außenminister, H.R.), Hernan del Canto (Mitglied des ZK der Chilenischen Sozialistischen Partei), Alejandro Rojas (ehemaliger Präsident der chilenischen Studentenvereinigung) sowie Isabel und Angel Parra und mich auf einer Bühne. - Warum, fragte er, ich habe sie alle so oft eingeladen, doch nie hatten sie Zeit. - Sie kommen für meinen Film, sagte ich. - Und so brachte der Jugendverband die 10.000 - kostenlos. Wir verteilten 100 Transparente und Tafeln mit spanischen Aufschriften, und die Szene schaut im Film aus, als ob in Chile gedreht worden wäre."

Auf die Frage, warum er keine Dokumentaraufnahmen verwendet habe, mein Dean, dass er dann nicht den richtigen Kameraschwenk vom Sänger zu den Massen gehabt hätte. "Und es ist ein Spielfilm; kein Dokumentarfilm. Das Ganze ist nicht so politisch wie die Filme von Heynowski & Scheumann. Es ist eine Liebesgeschichte, ich zeige die Person. Es ist kein Holzhammer für den Zuschauer, aber er soll doch etwas mitbekommen. Ich habe erfahren, dass es nicht leichfällt, sich mit tausenden verschleppten, gefolterten, eingekerkerten, ermordeten Chilenen zu identifizieren, darum zeige ich das Einzelschicksal." Es ist das Schicksal eines Sängers und Agitators, dessen rastlose Tätigkeit nicht zu trennen ist von seiner Liebe zur Frau und den Kindern und der Heimat.

"Es ist kein Film über Victor Jara", erklärt Dean, "ich versuche nicht, wie Victor auszusehen, das ist unmöglich. Ich wollte es auch nicht. Es ist ein Film, der Victor gewidmet ist, und dem chilenischen Volk, und allen Sängern, die eine politische Aufgabe sehen, wie Pete Seeger und viele andere. Der Schauplatz ist Chile, das ist klar."

Der bleibende Eindruck Victor Jaras für Dean Reed stammt aus dem Jahr 1971. Salvador Allende hatte 1970 Dean, der schon in seiner Wahlkampagne mitgewirkt hatte, für zwei Wochen als Gast der Regierung eingeladen. Dabei traf Dean Luis Figueroa, den Präsidenten des Gewerkschaftsverbandes CUT. "Er fragte mich, ob ich nicht für die CUT arbeiten könnte. Und so kam ich dann im Jänner 1971 für fünf Monate zurück. - Wir sangen in ganz Chile für die CUT: Victor, Quilapayun, Isabel und Angel Parra und ich. So traf ich Victor."

El Cantor, der Sänger, ist im Film Dean Reed, und er versucht, nicht so sehr die Person als etwa die Persönichkeit Victor Jaras nachzuzeichnen. "Als ich das Projekt entwarf, fand ich, ich könnte den Film nicht ohne das Einverständnis von Victors Frau Joan machen", erzählt Dean. "Ich habe sie zuvor ja schon oft gesehen." Dean flog damals nach London zu Joan Turner-Jara. "Wir sprachen drei Tage und Nächte miteinander, und ich zeichnete alles auf dem Recorder auf. Ich wollte alles über Victor wissen, auch seine persönlichen Gewohnheiten - was er tat, wie er schlief und was er gerne aß. Es war sehr schwierig, denn manchmal begann Joan mitten in einer Antwort zu weinen. Manchmal kam ich mir grausam vor."

"Joan sah dann den Film beim Jugendfestival in Havanna, wo er im Rahmen des Filmfestivals lief. Und sie mochte den Film nicht. Ich bedaure das sehr, aber es war mir von Anfang an klar, dass es schwierig sein würde. Sie, deren Mann tot war, suchte ihn nun im Film und stellte fest: Das ist nicht mein Mann. Ich versuchte ihr klarzumachen, dass ich Dean bin und nicht Victor. Sie sieht ihr Leben mit Victor eben anders. Ich versuchte ihr auch klarzumachen, dass es kein Dokumentarfilm ist."

Wichtig ist für Dean, dass ihn die vielen Chilenen im Exil akzeptiert haben. "Eines ist sicher: Es ist ein ehrlicher Film. Und es ist auch der erste Film, in dem einige der führenden Persönlichkeiten, wie Almeyda und Rojas, teilgenommen haben. Gladys Marin hatte auch zugesagt, konnte dann aber aus Zeitgründen nicht."

Zum Abschluss fällt Dean noch eine Schwierigkeit beim Machen des Films ein: "Es kommen eine Menge Kinder vor. Vielleicht weißt du nicht, dass chilenische Kinder wohl die freiesten in der Welt sind. Sie dürfen alles machen. Die deutschen Kinder dagegen sind wohlerzogen und brav. Sie können sich einfach nicht so geben wie chilenische Kinder. Das sahen wir bei denen, die ursprünglich im Film mitmachen sollten. Deswegen mussten wir dann auf die Suche nach chilenischen Kindern gehen."

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Letzte Änderung: 2010-06-01