Berliner Kurier, 14.02.2009 |
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Egon Krenz: Das Knast-Tagebuch (Folge 5)Egon trifft HollywoodKnast-Freigänger Krenz: Begegnung mit Tom HanksEgon Krenz, wegen der Todesschüsse an der Mauer zu sechseinhalb Jahren Haft verurteilt, muss nur knapp vier Jahre absitzen. Häftling Krenz, der sich als Opfer von Justiz-Willkür wähnt, bekommt eine faire Behandlung: Weil er sich gut führt, kann er bald als Freigänger den Knast verlassen, nur die Nächte muss der vorletzte Staatsratsvorsitzende der DDR in der JVA Plötzensee verbringen. So gut hatten es die ehemaligen Häftlinge der DDR-Staatssicherheit nicht. Ihre Leidensjahre endeten meist erst mit dem Freikauf durch den Westen. Krenz hingegen hatte Glück und einen steinreichen Gönner. Mein viertes Haftjahr beginnt mit einer ungewöhnlichen Begegnung: Ich treffe mich mit dem berühmten US-amerikanischen Schauspieler Tom Hanks. Er will mit mir über seinen Landsmann Dean Reed reden. Das ist selbst für einen Häftling wie mich nicht ganz einfach. Ich brauche dazu eine Genehmigung der Justizbehörden. Im Januar 2003 hatte mich sein Manager aus den USA angerufen. Hanks wolle einen Film über Dean Reed produzieren und habe erfahren, dass Dean Reed und ich Freunde gewesen seien. Darüber wolle er einmal mit mir sprechen. Ich war mir nicht sicher, ob ich dem Mann am Telefon trauen konnte. Es wäre nicht das erste Mal, dass mich Anrufer versuchten zu leimen. Sie gaben sich als seriöse Gesprächspartner aus, um irgendwelche Informationen aus mir herauszuholen, die sie dann auf ihre Weise in Schlagzeilen verwandelten. Dagegen zu klagen war sinnlos. Für den Boulevard war es noch immer erstrebenswert, das letzte Staatsoberhaupt der DDR lächerlich zu machen. Dafür gab man einiges aus. Im Falle eines Rechtsstreits verfügen die Redaktionen bzw. Verlage über genügend Geld. Als skandalös empfand ich, dass die Justiz Pressemeldungen über mich stets als wahr unterstellte und mich in der Regel um Klarstellung ersuchte. Solche Erfahrungen veranlassten mich, dem Anrufer keine Hoffnung auf eine Begegnung mit Tom Hanks zu machen. Ich müsse, so sagte ich, erst die Gefängnisleitung um Erlaubnis bitten. Hanks und ich konnten ungestört redenHanks Management ließ jedoch nicht locker. Nach einem erneuten Anruf vereinbarten wir schließlich ein Treffen. Ich bestand auf Diskretion. An einem Medienauflauf war ich nicht interessiert. Also ließ ich mir nach einer entsprechenden Anfrage die kleine Notlüge einfallen, ich würde mich mit einem mir unbekannten amerikanischen Schauspieler treffen. Das war effektiv. Hanks und ich konnten ungestört reden. Die gelinkten Journalisten rächten sich mit der Meldung, ich hätte nicht gewusst, wer Tom Hanks ist. So dämlich ist dieser Krenz, kennt noch nicht einmal einen aus Hollywoods erster Garde. Am 23. Januar 2003 fuhr ein schwerer Audi vor, wie ihn Kanzler Schröder fährt, und brachte mich in das Nobel-Restaurant Guy im Zentrum Berlins. Ich hatte es nie zuvor gesehen, geschweige denn, je besucht. Ich wusste bis dato nicht einmal etwas von seiner Existenz. Was aber las ich später in der Zeitung? Wir hätten uns in meinem "Stammlokal" getroffen und an meinem "Stammtisch" gegessen. Das zeitungslesende Volk erfuhr also etwas über meine Gewohnheiten, dass ich nämlich dort verkehrte, wo nur die Reichen und Wichtigen ihren Fuß hinsetzten. Er wolle Authentisches über Dean Reed erfahrenDie Lüge ging durch die internationale Presse und suggerierte: Schaut her, wie gut 's doch den DDR-Oberen in der Bundesrepublik geht. Trotz der schlechten Begleitmusik: Tom Hanks war ein angenehmer Gesprächspartner: Keine Hochnäsigkeit, keine Allüren, sehr kontaktfreudig. Wir unterhielten uns zwei Stunden miteinander. Er wolle Authentisches über Dean Reed erfahren. Ich erzählte, was ich über diesen sympathischen Mann aus den USA wusste, wie ich ihn als Freund erlebt hatte und wie sehr er die DDR als seine zweite Heimat achtete. Ich zeigte Fotos, die mir Dean geschenkt hatte. Darunter auch eine Fotografie, die ihn zusammen mit Salvador Allende zeigte. Auf die Rückseite des Bildes hatte er handschriftlich einen wunderbaren Text geschrieben. Er hoffe, dass mir das bittere Schicksal des hervorragenden chilenischen Revolutionärs, für den Sozialismus sterben zu müssen, erspart bleibe. Ich übergab Tom Hanks die Biografie von Dean Reed, die im FDJ-Verlag Neues Leben erschienen war und in die er mir eine Widmung geschrieben hatte. Wir sprachen auch über Reeds Tod. Für Hollywood taugt dieses Finale vielleicht nicht so richtigAus eigenem Wissen konnte ich nachweisen, dass die Darstellung falsch sei, Dean habe vom Sozialismus und der DDR die Nase voll gehabt und in seine alte Heimat zurückkehren wollen. Es sei absoluter Unsinn, wenn gar behauptet werde, das Ministerium für Staatssicherheit habe ihn umgebracht. Ich habe, sagte ich, eine Kopie des Abschiedsbriefes von Dean Reed an seinen Freund Eberhard Fensch. Das Schreiben bestätige zweifelsfrei, dass Dean Reed aus sehr persönlichen Gründen aus dem Leben geschieden ist. An dieser Stelle unseres Gesprächs hatte ich allerdings den Eindruck, dass Hanks' Interesse an meinen Informationen nachließ. Ich will ja nicht behaupten, dass er nach Dingen suchte, die die Schuld der DDR an Reeds Tod bezeugten, aber ganz von der Hand weisen lässt sich diese Vermutung wohl auch nicht. Für Hollywood taugt dieses Finale vielleicht nicht so richtig. Für die Story "Ein Amerikaner kommt in die DDR, ist bald vom Sozialismus enttäuscht und wird von der 'Stasi' ermordet" gibt es nicht den geringsten Anhaltspunkt. Wie alle seit 1990 in die Welt gesetzten Nachrichten über angebliche "Auftragsmorde" durch das MfS ist auch diese eine Lüge. Wer nach solchen Märchen sucht, dem kann ich als Zeitzeuge nicht dienen. |
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www.DeanReed.de
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