25. Bild/Vorgebirgslandschaft/Außen - Original - Tag
299. Total - Halbtotal/Schwenk/Zoom/Fahrt
Vor der Kamera breitet sich eine großartige reizvolle Winterlandschaft aus. - Die Kamera
schwenkt langsam über das Panorama. - Der Rundblick erfasst zum Schluss Kit und Shorty,
die auf einer Höhe stehen und den Anblick genießen. Kit atmet tief durch. Er sagt:
"Bei Gott, das ist eine bessere Luft als im 'Elkhorn'."
Doch kaum sind diese Worte über seine Lippen, da ist die bessere Luft auch schon voller
Blei. - Und verwundert fragen sich Textreporter Bernd Siegmund und Fotoreporter Jo Gerbeth
(im Bild rechts bei den Dreharbeiten in Karelien):
Nanu, wer schießt denn da auf KIT & CO.?
"Deckung!"
Ich wurde zu Boden gerissen, presste das Gesicht aufs Eis. Die Kälte traf mich wie ein
Schlangenbiss. Mir war zumute wie in jenen schrecklichen Träumen, über die ich nicht
weiter reden möchte.
"Wer zum Teufel schießt denn da?" - In diesem keuchenden Schrei erkannte ich die Stimme
meines Nebenmannes.
"Der Wern..."
Wieder knallte ein Schuss und riss fetzengleich das Ende des Satzes hinweg.
"Wir müssen fort hier", schrie ein energischer Bass, und alles stürzte wie von Panik
gehetzt übers Eis auf die Bäume zu. Sicherheit, Schutz, wie beruhigend kann doch eine
Birke sein. Noch immer regierte das kalte Entsetzen. Doch mitten hinein erhob sich wie auf
sanften Schwingen ein Lachen. Leise noch, doch dann sich steigernd zu einem jauchzenden Credo,
zu einem Glaubensbekenntnis an die vielfältigen Wirkungsmöglichkeiten der Kunst.
"Leute", rief fröhlich der Regisseur, "Genossen Touristen, kommt hervor. Ihr werdet doch
nicht auf diese verdammte Dreherei hereinfallen. Trotzdem meine Anerkennung den Herrn
Schauspielern. Echter geht's nimmermehr."
Wie leicht vermischen sich doch beim Film Kunst und Wirklichkeit. Erstaunlich, erstaunlich...
Doch wer war denn nun jener Schuft, der auf unsere Helden "Kit" alias Dean Reed und "Shorty"
alias Rolf Hoppe
schoss? Wäre ich jetzt gehässig, würde ich antworten: Werner Ziegler, Requisiteur
für Waffen. Doch ich sag's nicht. Schon allein, um beim Publikum den Glauben an das Echte
in der Filmkunst nicht zu zerstören.
Und also muss diese berechtigte Frage weiter im Dunkel bleiben. Zumindest bis zum November.
Dann nämlich soll "Kit & Co."
durch die heimischen Filmtheater flimmern und Freude ins graue Herbstleben bringen.
Ein abenteuerlicher Klassiker
Es ging wie ein Lauffeuer von Mund zu Mund: Schon gehört, in Alaska blinkt wieder ein
einsam Körnchen... - Allen Lesern, die sich jetzt verdutzt fragen: Nanu, wer oder was blinkt
wo..., sei gesagt: Zu spät! Die Chance ist schon vertan, das Rennen in vollem Gange. Ja,
so schnell musste man damals sein, wollte man sich in einen Goldrausch versetzen. Damals, das
waren die Zeiten der klassischen amerikanischen Gold-Epidemien... Da rannten Millionen Menschen
wie von Furien gehetzt los, um sich eine goldene Nase zu verdienen. Ob Universitätsprofessoren
oder Gaukler, ob Tellerwäscher, Polizisten, Schnapsbrenner, ob in Kalifornien oder in
Alaska... Doch wie traurig, die meisten holten sich nur blaue, erfrorene Glieder.
Jack London, der in vielen Berufen seinen Mann stand, als Austernpirat, Zeitungsjunge, als
Seepolizist und Goldsucher in Alaska, kannte das Milieu. Und so sind seine Geschichten
mikroskopisch genaue Aufnahmen der damaligen Zeit. Kritische Studien zur Zeitgeschichte im
Abenteuergewand.
Nun, die großen Rennen um die faustdicken Goldkörner gehören der Vergangenheit
an. Heute gibt es andere Goldquellen. Eine davon heißt Jack London. Seine Stories schreien
geradezu nach einer maßgeschneiderten Filmhandlung. Und da in Babelsberg ständig die
Suchantennen nach guten Stoffen ausgefahren sind, wurde dieser Ruf vernommen. Dr. Günter
Karl schrieb das Szenarium zu "Kit & Co.". Und um weitere Fragen im Keim zu ersticken, sei
gesagt: Das ist die Geschichte von "Kit am Klondike", versehen mit einigen Spritzen aus dem
"Alaska-Kit".
Regisseur von "Kit & Co." ist
Konrad Petzold.
Unter drei zumutbaren Stoffen kann er sich seinen jeweils nächsten Film auswählen.
So steht es im Vertrag. - Was wäre für ihn unzumutbar? "Ein Musikfilm", sagte er.
Achtzehn Filme hat Konrad Petzold gedreht. Darunter die "Hosen des Herrn von Bredow" und
"Osceola". Einen Film pro Jahr macht er. Konrad Petzold gilt als Spezialist für
Abenteuerfilme. Bei diesem Genre muss man schnell und variabel reagieren. Die schwierigen
Bedingungen bei Außenaufnahmen zwingen einfach dazu. So lebt seine Regiemethode sehr von
der Improvisation. Konrad Petzold sagt heute: "Abenteuerfilme machen Spaß, doch sie
werden mir auch langsam zu schwer. Ständig auf Achse, ewig dieses Hotelleben, die
körperlichen Strapazen am Drehort. Vielleicht steige ich bald auf ein anderes Genre um..."
- Doch so ernst ist seine Aussage wohl nicht zu nehmen, denn schon geht ihm der nächste
Abenteuerfilm durch den Kopf, dessen Szenarium aus der Feder von Dean Reed stammt.
Optisch abenteuerlich ins Bild gesetzt wird "Kit & Co." von Kameramann
Hans Heinrich.
Konrad Petzold und Hans Heinrich haben schon mehrere Filme gut über die Runden gebracht.
"Wir bilden eine Art Familie", sagt Hans Heinrich, "von der man nie weiß, wer ist die
bessere Hälfte von wem."
Vielleicht ist es eine Berufskrankheit, aber Kameramänner neigen dazu, die abgebildete
Wirklichkeit der Wirklichkeit selbst vorzuziehen. "Was für eine schöne Gegend", rief
ich einmal spontan dem frierenden Hans Heinrich zu. Er nickte nur lakonisch, um zu erwidern:
"Das ist noch gar nichts, was meinen Sie wohl, wie gut sich das erst im Film macht."
Und wirklich, von "Kit & Co." ist auch optisch einiges zu erwarten. Denn gedreht wird in
unseren heimischen Studiogefilden, im tschechischen Hochgebirge und auf sowjetischen Seen.
Genauer gesagt: auf einem, dem Uksch-See. Gelegen in der Karelischen ASSR. Metertief zugefroren,
versehen mit tückischen Löchern im Eis, die, romantisch getarnt durch leise rieselnden
Schnee, nur auf uns zu warten schienen. Auf uns, darin sind natürlich die Berühmtheiten
von Film und Bühne eingeschlossen, die beinahe vollzählig in Karelien versammelt waren.
Um das zu belegen, bedarf es nur folgender Namen: Dean Reed,
Rolf Hoppe,
Renate Blume,
Manfred Krug,
Monika Woytowicz,
Gerry Wolf,
Willi Schrade... Und ist es nicht bezeichnend: Keiner ist durchgefallen. Durch die Eislöcher,
meine ich.
Der erste Tod ist immer der beste
Wie ein schwerer, mausgrauer Pelz hing Gevatter Nebel über dem See. Der Wind ächzte
und stöhnte ganze siebenunddreißig Minuten lang, ehe er diesen ungebetenen Gast vom
Eis geblasen hatte. Und wehte dann, freundlich, wie er nun mal ist, das Gekläff der Hunde
zu uns herüber. Noch sahen wir die Hundeschlitten mit den Tschuktschen nicht. Einige
Inseln, die wie weißgrün bewachsene Buckel eines Riesenwals aussahen, erhoben sich
aus dem erfrorenen See und versperrten uns die Sicht.
Doch dann waren sie heran. Auf dem Leitschlitten saß Timofej, so jedenfalls lautete sein
russischer Name. "Verdammt heiß heute", begrüßte er uns, um sogleich
demonstrativ seinen Pelz zu öffnen. Es waren acht Grad unter Null, und also hatten wir
für Timofejs Gebaren nur ein kaltes Lächeln übrig. Aber er verzieh es, hatte er
doch heute seinen großen Tag. Sein Eintritt in die Kunst stand bevor. Worauf so mancher
Schauspieler das ganze Leben lang wartet, es flog ihm in den Schoß: der große
solistische Auftritt vor der Kamera. Timofej sollte sich von seinem Schlitten - wie heißt
es doch so plastisch in der rauen Sprache der Goldgräber, Schlittenführer und
Jäger - "abknallen" lassen.
"In Würde, aber mit Aktion..." sagte Konrad Petzold noch, und schon gings los.
Mit energischem Gekläff stieben die Hunde davon.
Der Weg führte um eine Insel herum. Eine Minute verging, eine zweite, dritte, vierte, es
war eine ziemlich große Insel, fünf Minuten, sechs, sieben, und endlich kam Timofej.
Wie ein Orkan fegte sein Schlitten auf die Kamera zu. Da, der Schuss, und als hätte ihn
der Blitz getroffen, fiel Timofej vom Schlitten. Die Hunde aber machten, dass sie davon kamen.
Nicht etwa, weil der Knall sie erschreckt hätte, sondern weil ihnen die ganze Filmerei
nicht geheuer war. Auch die Kollegen von Timofej zeigten wenig sittliche Reife angesichts der
Filmkunst. Sie kugelten sich vor Lachen im Schnee. "Gut", rief dagegen der Regisseur. "Gut,
aber wir wiederholen. Denk noch einmal über die Rolle nach, Timofej. Du wirst vom Schlitten
geschossen. Da lässt man sich nicht einfach fallen. Du musst mehr hineinlegen. Von innen
heraus, meine ich. Na, versuchen wir's noch mal."
Und wieder zogen die Hunde mit kräftigem Gebell davon. Alles klappte wie am Schnürchen,
nur Regisseur Petzold sagte: "Nein, Timofej, so hätten wir das vor zwanzig Jahren drehen
können, heute stirbt man anders."
Und wieder liefen die Hund mit wütendem Gebell davon.
Dieweil Konrad Petzold, Timofej und die Polarhunde an dieser künstlerischen Darbietung
feilen, haben wir etwas Zeit um abzuschweifen.
Eine Berührung - bitte nicht verwechseln mit "Die Berührung" von Ingmar Bergmann -
innerhalb des Filmes verdient besondere Beachtung: Dean Reed im Kampf mit einem 50 Kilogramm
schweren kaukasischen Wolfshund.
"Ein Kerl von einem Tier", so erzählt Dean Reed, "fürchterlich anzusehen, aber
schrecklich nett. Ich stoße auf diesen Hund in der Hütte am Überraschungssee,
dessen Boden voller Gold ist. Eine graue, verwilderte Bestie, die mich anspringt und beinahe
tötet. So jedenfalls steht's im Drehbuch. Nur, dieser Pfundskerl von Hund war alles andere
als wild. Jedesmal wenn er mich sah, freute er sich kindlich, und seine lange, raue Zunge
schmatzte liebevoll über mein Gesicht. Doch nicht genug damit: Er legte vertrauensvoll
seine Pfoten auf meine Schultern, kraulte mir das Haar und guckte mir sanft in die Augen. Es
war einfach nichts dagegen zu machen. Schließlich gaben wir ihn zu Hanno Coldam in Dressur.
Einen Monat später kam der Hund wieder, und es war das Gleiche in grün, nur gekonnter.
Um diese Szene für den Film zu retten, machte ich etwas, was sehr gefährlich für
mich war. Ich ärgerte den Hund nach Strich und Faden. Reizte ihn, und tatsächlich,
wir schienen Erfolg zu haben. Kaum sah er mich, sträubte sich sein Nackenhaar, er fletschte
die Zähne und plusterte sich gefährlich auf. Doch war ich auf fünf Meter an ihn
heran, da machte er einen Riesensatz, hing mir wieder am Hals, und seine Zunge schleckte
zärtlicher denn je an mir herum. Wir waren alle schon verzweifelt, da kam Rolf Hoppe die
rettende Idee. Er griff sich diesen Zentnerbrocken und schleuderte ihn mir einfach ins Genick.
Diese Aktion kam für den Hund so überraschend, dass er keine Zeit zu Liebkosungen
fand. Und damit hatten wir die Aufnahme im Kasten."
Und auch Timofejs Auftritt vor der Kamera schien künstlerisch gereift. Denn nach dem achten
Versuch verweigerten die Polarhunde unter müdem Bellen einfach die Arbeit.
"Na gut", rief da auch Konrad Petzold, "wir machen Schluss. Mit den Hunden ist heute sowieso
nichts mehr los. Ich denke, die erste Version war die beste. Einpacken, meine Herren, die
Sache ist gestorben."
Goldgräber am Samowar
Es war der letzte Tag für uns in Karelien. Als Eiszapfen getarnt standen wir auf dem
Uksch-See. Und aus irgendwelchen unerfindlichen Gründen klappte mal wieder etwas nicht.
"Kinder, wir machen Pause", rief da Regisseur Petzold. Und die ganze Mannschaft bewegte sich
auf das kleine Dorf am Ufer zu. Wir waren schon auf der Dorfstraße, als Konrad Petzold
in seine Umhängetasche griff und ein Stück trockenes Brot herausholte.
Er biss gerade herzhaft hinein, als sich die Tür eines karelischen Bauernhauses öffnete
und eine alte Frau heraustrat. "Aber Junge", schimpfte sie, "was soll denn das? Trockenes Brot,
du solltest mehr auf deine Gesundheit achten. Komm ins Haus, da ist Tee, Butter, Lachs..."
Und binnen Minuten war das kleine Dorf von der DEFA besetzt. Denn überall öffneten
sich die Türen.
Jeder fand sein Plätzchen am warmen Ofen, gemütlich bullerte der Samowar. In allen
Häusern wurde geplauscht, wurden Abenteuer und Erlebnisse ausgepackt, Anekdoten und
Episoden erzählt. Es war die Besinnung auf das Eigentliche. Ans Drehen dachte für
diesen Tag keiner mehr.
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