FF dabei 50/1977, 05.-11.12.1977

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FF dabei 50/1977

Sonntag (1.1.1978) 20.00 TV DDR 1
Neuer Fernsehfilm von und mit Dean Reed

El Cantor

Es war im Oktober 1973, als ich zusammen mit Dean Reed über den Bildschirm einen neuen Film Roman Karmens über Chile sah. Dieser Film des sowjetischen Altmeisters der Dokumentarfilmkunst war der erste, der die Zusammenhänge und Hintergründe des faschistischen Putsches gegen die Unidad Popular analysierte. Er war auch der erste, der die Weltöffentlichkeit davon informierte, daß der Kommunist und Volkssänger Victor Jara vor den Augen von Tausenden seiner Compañeros bestialisch umgebracht wurde. Mir ist die tiefe Erschütterung Dean Reeds über den gewaltsamen Tod seines Freundes und Kampfgefährten unvergessen geblieben. Aus ihr wuchs und verstärkte sich der Haß gegen die Peiniger des chilenischen Volkes, denen er mit der ganzen Kraft seiner Persönlichkeit in unzähligen Meetings und Solidaritätskonzerten in der DDR und in vielen anderen Ländern den Kampf ansagte. Aus ihr wuchs und reifte auch der Plan, dem Leben und Kämpfen Victor Jaras ein Denkmal zu setzen: "Ein Denkmal, das mit der Kraft seiner Lieder fortwirkt und mit der Macht des Massenmediums Film immer mehr Menschen erreicht und solidarisch verbündet in der weltweiten Forderung nach Freiheit für das chilenische Volk."

1977 El Cantor

1976 erarbeitete Dean Reed das Szenarium und schrieb gemeinsam mit Wolfgang Ebeling das Drehbuch zu seinem Fernsehfilm, der Situationen aus den letzten Wochen im Leben Victor Jaras beschreibt. "Da ist ganz Persönliches darunter. Die enge Bindung zu seiner Frau und den beiden Kindern, zu Kindern überhaupt. Dann wieder Begegnungen mit Kampfgefährten und Freunden, alltägliches Engagement für eine menschliche Gesellschaft. Aber auch die Atmosphäre direkter Bedrohung, die vielen Anzeichen, wie sich die Reaktion zum Angriff formiert." Wiederholt sprach der Autor mit Victors Lebensgefährtin Joan Jara-Turner, die jetzt in London lebt. Und er fuhr nach Kuba, um dort Genossen zu treffen, die mit Victor Jara im berüchtigten 'Estadio National' zusammen waren. "'El Cantor' ist als Symbol gedacht für alle revolutionären Sänger in der Welt. Wir wollten nicht äußere Genauigkeit mit den Personen der Handlung herstellen und haben deshalb auch andere Namen gewählt, außer Isabel und Angel Parra, die sich selbst darstellen. Worauf es uns ankam, ist Genauigkeit im Erfassen von Haltungen."

1977 El Cantor

Gedreht wurde ab Februar 1977, vorwiegend in Bulgarien, da die bulgarische Architektur der chilenischen ziemlich ähnlich ist. "Und auch wegen der zahlreichen Kleindarsteller, die ohne viel Schminke wie Chilenen aussehen mußten. Schönstes Erlebnis war für mich, als wir die Szene mit der Kundgebung für die Unidad Popular drehten. Wir brauchten dafür 10.000 Mitwirkende, die mit üblichen Mitteln nicht zu beschaffen waren. Hier half mir der bulgarische Jugendverband, der Tausende junger Leute auf die Beine stellte und den Drehtag zu einer großen Solidaritätskundgebung für das chilenische Volk nutzte."

1977 El Cantor

Bei allem Respekt vor der Einsatzbereitschaft eines engagierten Künstlers liegt die Vermutung nahe, daß die Personalunion von Autor, Hauptdarsteller und Regisseur auch einen Menschen mit guter Kondition überfordern kann: "Die Frage ist nicht unberechtigt, aber ich hatte ein sehr gutes Kollektiv erfahrener Mitarbeiter zur Seite. Und ausgezeichnete Schauspieler, wie Friederike Aust, Gerry Wolff und andere. Bei der Regie schien mir meine eigene Milieukenntnis von Nutzen; meine persönlichen Erlebnisse und Erfahrungen sollten ganz unmittelbar einfließen."

Dean Reed hat viele Jahre in Chile gelebt und oft mit Victor Jara zusammen gearbeitet. Sie haben agitiert und gesungen, zugepackt und geholfen, wo es nottat, - in Betrieben und auf Kundgebungen, zu Jugendveranstaltungen und bei der Schlüsselübergabe neuer Wohnungen. Victor Jaras Weg zur Unidad Popular war einfach und geradlinig. Als Sohn armer Bauern führte er ihn über den Kommunistischen Jugendverband folgerichtig in die Kommunistische Partei. Für Dean Reed, Sohn eines Mathematikprofessors aus Nordamerika, war der Weg weiter und weniger selbstverständlich. 1961 kam er - an der Spitze amerikanischer Hitlisten vor Elvis Presley, Ray Charles u.a. - als gefeierter Rock'n'Roll-Star erstmals nach Chile. Als er, ein sensibler und gefühlsbetonter junger Mann, sich dort mit der unsagbaren Not der einfachen Menschen konfrontiert sah, mit der grausamen Ausbeutung der Arbeiter in den Salpeterwüsten, den Kupferminen und Kohlebergwerken, erinnerte er sich an die Worte seines Lehrers, des Schauspieldozenten und Kriegsdienstverweigerers Paton Price. "Humanität und Achtung gegenüber allen Menschen hatte Price mich gelehrt, nachzudenken über Krieg und Frieden. Auch, daß ich meinen Kopf nicht nur zum Haareschneiden habe." Und der Dreiundzwanzigjährige gebrauchte seinen wachsenden kritischen Verstand. 'Der Junge muß verrückt geworden sein', erklärte Elvis Presley, und Plattenzar Gilmore wollte ihn allen Ernstes zum Psychiater schicken. Sie verstanden ihre Welt nicht mehr, als sie erfuhren, daß Dean Reed sich vom Showrummel 'Made in USA' lossagte, um in Chile mit Protestsongs, Folklore und revolutionären Liedern am Aufbau eines menschenwürdigen Lebens mitzuhelfen.

Aus seiner heutigen Sicht sagte uns der populäre Sänger und Schauspieler: "Der Ruhm eines Künstlers ist im Grunde eine zweitrangige Sache. Der einzige Wert, den Berühmtheit hat, ist, daß man sich mit dem Gewicht seines Ruhms für eine gute Sache einsetzen kann." Als solche Sache betrachtet er auch seinen neuen Film. Er weiß, daß er damit eine große Verantwortung übernommen hat, denn er will mit ihm dazu beitragen, daß Chile nicht wieder zum Hinterhof Lateinamerikas gemacht wird. "Es ist bitter, zu wissen, daß heute schon wieder Zehntausende chilenischer Kinder hungern. Aber ich weiß auch, daß die drei Jahre der Unidad Popular nicht auszulöschen sind aus dem Gedächtnis der einfachen Menschen, daß die chilenische Arbeiterklasse eines Tages siegen wird. Mit dem Film 'El Cantor' möchten wir die chilenischen Freunde und Genossen spüren lassen, daß ihnen unsere ganze Liebe gehört und sie unserer kämpferischen Solidarität sicher sein dürfen."

Käte Ellrodt

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