Deutsche Volkszeitung 11.07.1986

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Ein Yankee in der DDR

Zum Tod des Sängers und Schauspielers Dean Reed

Am 18. Juni ist Dean Reed gestorben, er wurde 48 Jahre alt. Als Dean Reed im letzten Jahr, eingeladen von Grass-Root-Movements, im Mittleren Westen der USA Lieder seiner amerikanischen Heimat und politische Lieder sang, dürfte die Atmosphäre für ihn ungewohnt gewesen sein. Kleine Kneipensäle, wenig Publikum. Reed, der aus Colorado stammte, war anders gewöhnt. Er füllte Hallen, sammelte "goldene Schallpaltten", war Filmstar - in den sozialistischen Ländern. Er war, wie die New York Times einmal schrieb, "ein Ostblocksuperstar, der Johnny Cash des Kommunismus".

Dean Reed hatte seit 1973 in der DDR gelebt. Aber schon vorher begann die für heutige Zeiten exotische Karriere. Angefangen hatte Reed als Sänger, wie zahllose andere Amerikaner, auf lokaler Ebene. Er verließ schließlich die University of Colorado, weil er einen Plattenvertrag bei Capitol Records erhielt. Dies war zwar nicht alltäglich, aber im Rahmen. Er ging später nach Südamerika und landete in Argentinien 1961 einen Nr.-1-Hit, "Our Summer Romance". Er begann sich politisch zu engagieren und wurde 1965 in Argentinien kurzfristig festgenommen. Er hatte die Rolle der amerikanischen Hinterhofpolitik begriffen.

Ebenfalls 1965 nahm er an einem Treffen des Weltfriedensrates in Helsinki teil. Damals waren die sowjetisch-chinesischen Auseinandersetzungen eskaliert, und die Positionen stießen heftig aufeinander. Irgendjemand kam auf die Idee, Dean Reed sollte singen, um die Gemüter zu beruhigen. Er begann mit "We shall overcome". Zehn Minuten sollte er singen, es wurde eine Stunde. Der Erfolg war überwältigend. Der Erfolg Reeds: die Konflikte wurden nicht beigelegt. Kunst ist begrenzt.

Schon unmittelbar nach seinem Auftritt erhielt Dean Reed Angebote aus den sozialistischen Ländern. Der "Johnny Cash des Sozialismus" war geboren. Es folgten zahllose Schallplatten und Filme.

Dean Reed stand hinter dem politischen System der DDR: "Ich glaube, das Wichtigste im Leben ist es, keine Angst vor der Zukunft zu haben. Und ich glaube, dass die Menschen im Sozialismus keine Angst haben. Der Sozialismus ist gegenüber dem Kapitalismus das humanere System."

Reed blieb aber auch immer Amerikaner. Er besaß einen amerikanischen Pass und füllte Jahr für Jahr seine Formulare für den Internal Revenue Service, die amerikanische Steuerbehörde aus. Und - eine eher skurille Verdrängung des heimatlichen Patriotismus - in seinem Haus am Zeuthener See hing die amerikanische Flagge mit dem Tuch nach unten. Seine Tochter aus erster Ehe, in der DDR geboren, lebt in California. Reed einmal: "Natürlich habe ich Heimweh, besonders zu Weihnachten." Und: "Was ich besonders vermisse, ist, meine Sprache nicht zu sprechen."

Dies ist freilich nur   e i n   Problem des Heimwehs. Die Hülle einer in der CSSR erschienenen Reed-Platte vermerkt, Puristen könnten kritisieren, dass Reeds Stil nicht mehr der seiner Heimat ist ... und dann folgt eine Begründung. Reed - das war nicht zu übersehen - hatte nicht mehr die Inspiration des Milieus, dem er entstammt, und das ist eben amerikanisch.

Vor einiger Zeit besuchte ihn sein Freund Phil Everly - zusammen mit seinem Bruder Don als Everly Brothers Altstars der Popmusik - in der DDR. Es wurde ein langer Abend, beide haben nur gelacht. Reeds Frau, die Schauspielerin Renate Blume, war überrascht, dass ihr Mann derart humorvoll sein konnte. Reeds Erklärung: Es falle ihm schwer, auf Deutsch Witze zu machen.

Dean Reed war seiner politischen Überzeugung gefolgt und deshalb entwurzelt worden. In großen Dramen nennt man so etwas wohl tragisch, in der realen Welt dürfte das eher als normal gelten.

Reeds Vater, ein Lehrer, war Mitglied der John Birch Society, einer militant antikommunistischen Vereinigung. Er beging 1983 Selbstmord. Er hatte nicht das Geld, sich eine neue Prohtese für sein amputiertes Bein zu kaufen. Dean Reed damals: "Es gibt andere Gründe, im Sozialismus Selbstmord zu begehen, aber nicht diesen."

Bernd Mansel

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Letzte Änderung: 2012-07-12