Berliner Zeitung 02.08.2007

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Sing, Cowboy, sing!

Aus den USA in die DDR - von Dean Reed erzählt die Dokumentation "Der Rote Elvis"

Torsten Harmsen

Wenn es eine symbolkräftige Szene in diesem Film gibt, dann die hier: Dean Reed läuft über den kargen Boden des Südlibanons, in der linken Hand den Gitarrenkoffer, in der rechten die Kalaschnikow. Er war ein Wanderer zwischen den Welten, zwischen Show und Kampf. Das Leben des US-Rockstars aus Colorado, der freiwillig zu den Kommunisten überlief, in politischer Mission durch die Welt reiste, sich mit Regimes anlegte, streikenden Farmern und Bergarbeitern half, mit Arafat tanzte und jahrelang in der DDR lebte, wo ihn jedes Kind kannte - das ist eine so einmalige Geschichte, dass sogar Tom Hanks plant, einen Hollywood-Film daraus zu machen.

Doch zunächst kommt ein sehenswerter Dokumentarfilm ins Kino: "Der Rote Elvis" von Leopold Grün. Dieser nähert sich Dean Reed mit einer recht geschickten Kombination von Interviews, Film- und Showausschnitten sowie Privataufnahmen. Wenn man den idealen amerikanischen Charakter schaffen müsste, so sagt einer der Befragten, dann käme Dean Reed dabei heraus. In den Filmen aus der DDR-Zeit sieht man ihn fast immer lachend, als wilden Reiter, als Motorrad- oder Bootsraser, als strahlenden Sänger mit Gitarre. Das war seine Fassade. Dahinter verbarg sich eine große Zerrissenheit. Am Ende scheiterte er, politisch, künstlerisch sowie privat, und nahm sich das Leben. Den Weg dahin nachzuzeichnen, ohne Reed zu denunzieren - das ist das große Verdienst des Films.

Als der US-Sänger Reed Anfang der 1960er-Jahre durch Lateinamerika reiste, wo er am meisten gefeiert wurde, entdeckte er dort angesichts der Armut sein soziales Gewissen. Berührt hört man, wie liebevoll etwa Chilenen noch heute über ihn sprechen, bis hin zur Tochter von Allende, dessen Freund er war. Reed sang und sprach in vielen Ländern für "nationale Befreiung und Unabhängigkeit"; er betrieb das mit einer Rigorosität, die ihm zum Verhängnis wurde. Nachdem er während eines USA-Besuchs in den 1980ern Präsident Reagan einen Staatsterroristen genannt hatte, brach er alle Brücken hinter sich ab; es gab keine Chance mehr auf Rückkehr. Auch das trug zu Reeds Gefühl der Ausweglosigkeit bei.

Der Film verhandelt die starke seelische Beeinflussbarkeit Dean Reeds. "Er war lebenshungrig, aber er hatte Angst vor dem Leben", sagt der Regisseur Celino Bleiweiß. Reed schwankte zwischen überschäumendem Aktionismus und Depression. Er hatte Affären und sehnte sich zugleich nach Geborgenheit. Er bewies ein großes Herz für die Unterdrückten der Welt und neigte zu Kleinlichkeit im Privaten. Er hatte einen "fast religiösen Begriff von Freiheit", sagt jemand. Warum er dennoch 14 Jahre lang in der kleinen, engen DDR blieb, ist vielen bis heute ein Rätsel. Die Liebe allein erklärt es nicht. Und auch der Film kann es nicht ganz lösen.

Reed scheint sich ganz der Klassenkampftheorie verschrieben zu haben, der zufolge man nur auf der einen oder anderen Seite stehen kann. Vielleicht war es auch Dankbarkeit. Immerhin hatte die DDR nach dem Putsch von 1973 viele seiner chilenischen Freunde aufgenommen. In der DDR erhielt er Filmrollen, hatte er Showauftritte, hier war er ein Star, während er in den USA nur einer unter vielen gewesen wäre. Nach außen hin blieb er bis zum Ende loyal, obwohl er die DDR in den 1980ern einer Polizeistreife gegenüber mit einem "faschistischen Staat" verglichen haben soll.

Dean Reed hatte Erfolg und ließ sich dafür von der DDR als Symbol benutzen. Als Kronzeuge hierfür tritt Egon Krenz auf. Der berichtet auch über die Verzweiflung, die Reed überkam, als dessen große Zeit irgendwann vorbei war. Es ist seltsam: Die Film- oder Show-Szenen sind das Uninteressanteste an dieser Dokumentation. Als Schauspieler bleibt Reed blass, schablonenhaft, neigt zum Pathos. Als Sänger trifft auf ihn wohl zu, was ein chilenischer Produzent sagt: "Er ähnelt sehr Elvis Presley, nur stark verwässert." Die alten Rock'n'Roll-Songs wurden neu arrangiert, wirken knackiger als vorher. Aber Dean Reed singt alles auf dieselbe Weise: mit süßlicher, kehliger Stimme. "Was mache ich falsch? Ich bin doch so, wie ich immer bin", fragte Reed, als die Aufträge ausblieben. Im DDR-Fernsehen sagte er 1985, er wolle nicht immer nur der singende Friedenskämpfer sein.

Seine letzte Ehefrau, die Schauspielerin Renate Blume, hatte es zunächst abgelehnt, in dem Dokumentarfilm aufzutreten. Und das wohl nicht nur wegen ihres Vertrags mit Tom Hanks. Reed hatte ihr in seinem Abschiedsbrief schlimme Vorwürfe gemacht. Doch der Brief spielt in diesem Film keine Rolle, wohl absichtlich nicht. Nachdem ihr Sohn Sascha den "Roten Elvis" bei der Berlinale gesehen hatte, änderte Renate Blume ihre Meinung und war bereit, sich vor der Kamera zu äußern. Nun kommt der Film - noch einmal umgeschnitten - mit einigen Auskünften von ihr in die Kinos. Und ihre Zeugenvernehmung bleibt auch das einzige Dokument über das Ende des Sängers.

Der Rote Elvis Dtl. 2007. Dokumentarfilm. Drehbuch & Regie: Leopold Grün, Kamera: Thomas Janze. 90 Minuten, Farbe und Schwarz-Weiß.

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Letzte Änderung: 2007-08-02