Die Welt 08.02.2007

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BERLINALE

Tamara und der sozialistische Elvis

Unter den Berliner Musikgeschichten im Panorama wird die Lebensgeschichte von Dean Reed erzählt. Das Bild von ihm als Kämpfer für die Unterdrückten wird um so brüchiger, je mehr seine deutschen Ehefrauen und seine Geliebte zu Wort kommen. Ein weiterer Film porträtiert Tamara Danz, die früh verstorbene Sängerin der Ostberliner Rockgruppe Silly: Sie lockerte DDR-Funktionsträgern beim Konzert einfach die Krawatte.

Von Jörg Peter Löblein

Dean Reeds mythologische Wiedereinbürgerung in den Westen steht immer noch aus. Vor geraumer Zeit bereits wurde annonciert, dass Tom Hanks das Leben des amerikanischen Sängers, Schauspielers und Sozialisten verfilmen werde, der 1973 in der DDR seine Wahlheimat gefunden hatte. Der Berliner Dokumentarfilmer Leopold Grün war schneller als Hollywood: Im Panorama zeigt er nun sein in jahrelanger Recherchearbeit entstandenes Portrait über den "Roten Elvis", das neben allerlei aufschlussreichem Archivmaterial vor allem Zeitgenossen und Wegbegleiter zeigt, die versuchen, sich ein Bild zu machen von Dean Reed – jenseits der Legendenbildung, zu der auch die Umstände seines Ablebens beitrugen: Am 17. Juni 1986 wurde der damals 47-Jährige tot aus dem Zeuthener See bei Berlin gezogen.

Zu Wort kommen Reeds Bewunderer ebenso wie seine Kritiker: ein Radio-DJ aus Denver und Bergarbeiter aus Santiago, seine deutschen Ehefrauen und seine Geliebte, seine Regisseure und Egon Krenz. Das Bild vom sozialistischen Cowboy, vom Kämpfer für die Unterdrückten dieser Welt wird in diesem Stimmenarrangement freilich immer brüchiger, am Ende behält wohl Armin Mueller-Stahl Recht, der sich angesichts des amerikanischen Überläufers erboste: "Was will der hier? Hier ist er doch sofort wie ein Spielauto, das sich immer am Tisch so rumdreht und in alle Richtungen fährt, aber über die Kante nie hinaus."

Sollte hingegen irgendwann einmal ein Spielfilm über Tamara Danz gedreht werden, die ebenfalls früh verstorbene Sängerin der Ostberliner Rockgruppe Silly, dann dürfte eine hübsche Szene nicht fehlen, die ihr Gitarrist und Ehemann Uwe Hassbecker in Peter Kahanes Dokumentation "Tamara" überliefert: Man stelle sich vor, wie sie da mit ihrer riesigen Löwenmähne vor einem zugeknöpften DDR-Funktions- und Schlipsträger steht und nach ein paar Takten Gesprächs an ihn herantritt, um ihm mit den Worten "Entspann dich doch mal" die Krawatte zu lockern. "Die haben geschwitzt, wenn Tamara in ihre Nähe kam", sagt Hassbecker – auch wenn die Herren ihr dann von ihren Schreibtischen aus allerlei Steine in den Weg rollten.

Mit "Der rote Elvis" und "Tamara" ist das Panorama in diesem Jahr also zwei höchst gegensätzlichen Phänomenen der DDR-Popgeschichte auf der Spur: Hier Dean Reed als irrlichternd umherschweifende Agit-Prop-Gestalt von letztlich lächerlicher Traurigkeit, dort Tamara Danz als vorwiegend melancholisch gestimmte Kritikerin ihres Landes, als Erscheinung schillernder Aufrichtigkeit, als Fixstern, um den die Freunde gerne kreisen: Von der Sängerin berichten bei Kahane vor allem ihre Bandmitglieder, mit zweien von ihnen war Tamara Danz liiert, zuerst mit dem Keyboarder, dann mit dem Gitarristen. Zusammen blieb die Band trotzdem. Die Lücke, die die 43-jährig an Krebs gestorbene Sängerin hinterlassen hat, wird spürbar in jeder Minute dieses Films.

Zu den Portraits der beiden vor der Zeit Verstorbenen gesellt sich im Panorama eine dritte Musikdokumentation aus Berlin, die ganz unter den Lebenden weilt: Uli M Schueppel, vom dem auch der zweifellos meistgesehene Film der Berlinale stammt, der Festivaltrailer nämlich, beobachtet in "BerlinSong", wie einige zugereiste junge Bohemiens aus aller Welt ihre Berlingefühle zwischen Landwehrkanal, Görlitzer Park, Siegessäule und Kottbusser Tor in Lieder verwandeln. Vom gemeinsamen Konzert, auf das ihre Arbeit am Ende hinausläuft, zeigt Schueppel nur die mit Applaus gefüllten Pausen zwischen den Darbietungen. Es geht, wie immer in Berlin, um das Werden, das Fertiggestellte bleibt Illusion.


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Letzte Änderung: 2007-02-08